Urteil des LAG Köln vom 21.03.2006

LArbG Köln: geschäftsführer, anstellungsvertrag, abberufung, anstellungsverhältnis, juristische person, ordentliche kündigung, arbeitsgericht, arbeitsrecht, dienstverhältnis, kündigungsfrist

Landesarbeitsgericht Köln, 7 Ta 14/06
Datum:
21.03.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 Ta 14/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Aachen, 8 Ca 3961/05 d
Schlagworte:
GmbH-Geschäftsführer; Anstellungsvertrag; Organstellung; Abberufung;
Rechtsweg; Verweisung
Normen:
§§ 2, 5 ArbGG; §§ 17, 17 a GVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1.) Für einen Rechtsstreit um die Wirksamkeit der Kündigung des
Anstellungsvertrages eines GmbH-Geschäftsführers ist gem. § 5 I 3
ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch dann nicht
gegeben, wenn das Anstellungsverhältnis aufgrund einer starken
internen Weisungsabhängigkeit ausnahmsweise als Arbeitsverhältnis zu
qualifizieren sein sollte. Dies gilt insbesondere dann, wenn der
Geschäftsführer erst nach Ausspruch der Kündigung oder gar erst nach
Ablauf der gewählten Kündigungsfrist von seiner Organstellung
abberufen wird.
Ggf. haben die ordentlichen Gerichte in solchen Fällen aufgrund § 17 II
GVG materielles Arbeitsrecht anzuwenden.
2.) Die Grundsätze für die Rechtswegbestimmung in sog. sic-non-Fällen
sind auf Organvertreter nicht anwendbar (Anschluss an BAG v.
06.05.1999, NZA 1999, 839f.).
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hin wird der
Zuständigkeitsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.10.2005
abgeändert:
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird für unzulässig erklärt.
Der Rechtsstreit wird an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht
Münster verwiesen.
G r ü n d e :
1
I. Am 14.05.1997 schlossen der Kläger und die Beklagte zu 1) einen Anstellungsvertrag
(Bl. 7 – 10 d. A.). Diesem Anstellungsvertrag zu Folge sollte der Kläger mit Wirkung ab
01.08.1997 die Position eines Vertriebsleiters für die Beklagten zu 1) und 2) sowie eine
weitere Firma übernehmen und in Abstimmung mit dem Verkaufsleiter der Beklagten zu
3) auch für diese bestimmte Aufgaben ausüben. Als Gegenleistung erhielt der Kläger
ein Jahresgehalt in Höhe von DM 186.200,- zuzüglich weiterer Leistungen wie
Tantieme, Dienstwagen der gehobenen Mittelklasse oder eine betriebliche
Altersversorgung.
2
Mit Wirkung zum 01.01.1999 wurde der Kläger zum (Mit-) Geschäftsführer der drei
beklagten in der Rechtsform einer GmbH organisierten Firmen ernannt und in der
Folgezeit als solcher ins Handelsregister eingetragen. Ein neuer schriftlicher
Anstellungsvertrag wurde im Hinblick auf die Ernennung zum Geschäftsführer nicht
abgeschlossen. Während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer erhöhte sich das Gehalt
des Klägers mehrfach, so zum 01.01.2001 um DM 1.500,- brutto monatlich (Bl. 12 d. A.)
und zum 01.09.2004 um 705,00 € brutto monatlich zuzüglich weiterer Nebenleistungen.
Im Juli 2005 kam der Kläger auf ein Monatsgehalt in Höhe von 11.033,50 € brutto.
3
Mit jeweiligen Schreiben vom 22.08.2005 erklärten die drei Beklagten gegenüber dem
Kläger "aus unternehmensbedingten Gründen die ordentliche Kündigung des
Geschäftsführervertrages zum 30.09.2005" (Bl. 15 – 17 d. A.). Hiergegen erhob der
Kläger am 02.09.2005 beim Arbeitsgericht Aachen die vorliegende Klage, in welcher er
ankündigt zu beantragen:
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"Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien gemäß
Anstellungsvertrag vom 14.05.1997 durch die dem Kläger am 22.08.2005
zugegangenen Kündigungen seitens der Beklagten nicht aufgelöst ist, sondern
ungekündigt fortbesteht".
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Unter dem 05.10.2005 beschlossen die Gesellschafterversammlungen der drei
Beklagten, den Kläger als ihren Geschäftsführer abzuberufen. Die Abberufung des
Klägers als Geschäftsführer wurde bezüglich der Beklagten zu 3) am 07.10.2005,
bezüglich der Beklagten zu 1) und 2) am 13.10.2005 im Handelsregister eingetragen.
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Auf die Rechtswegrüge der Beklagten hin hat das Arbeitsgericht Aachen mit Beschluss
vom 24.10.2005 eine Vorabentscheidung über seine Rechtsweg- zuständigkeit getroffen
und diese bejaht. Auf die Gründe des Beschlusses vom 24.10.2005 wird Bezug
genommen.
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Die Beklagte hat gegen den ihr am 19.12.2005 zugestellten Beschluss am 28.12.2005
die vorliegende sofortige Beschwerde eingelegt.
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Die Beklagten sind der Auffassung, dass das Arbeitsgericht seine
Rechtswegzuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Erst jüngst habe das BAG
nochmals entschieden, dass bei Aufstieg eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer
einer GmbH und anschließender Abberufung als Geschäftsführer das alte
Arbeitsverhältnis in der Regel nicht wieder auflebe (Urteil vom 24.11.2005 – 2 AZR
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614/04 - ). Werde ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer berufen und schlössen die
Parteien konkludent einen Geschäftsführerdienstvertrag mit dem Inhalt des vormaligen
Arbeitsvertrages, werde letzterer offenkundig vollständig durch das nunmehr
bestehende Dienstverhältnis ersetzt. Eine Abweichung von dieser Grundregel sei
vorliegend nicht ersichtlich. Mit den Beklagten zu 2) und 3) habe ohnehin nie ein
Arbeitsverhältnis bestanden.
Der Kläger und Beschwerdegegner hält den Beschluss des Arbeitsgerichts für richtig.
Das Arbeitsgericht habe die in der Rechtsprechung des BAG entwickelte
Vermutungsregel nicht verkannt, sondern die Vermutungsregel greife im vorliegenden
Fall nicht ein, da mehr Anhaltspunkte dafür sprächen, dass das Arbeitsverhältnis
fortbestanden habe. Gerade die Tatsache, dass das Geschäftsführerverhältnis auf der
Grundlage des vormaligen Arbeitsvertrages weiter ausgeführt worden sei, spreche
dafür, dass der Arbeitsvertrag gerade nicht aufgehoben worden sei, sondern weiterhin
Grundlage für die Rechtsbeziehungen der Parteien habe sein sollen. Hätte der
Arbeitsvertrag aufgehoben werden sollen, hätte es insoweit auch an einer Grundlage
der Vertragsbeziehungen in dem Geschäftsführerverhältnis gefehlt.
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II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft
und wurde auch fristgerecht eingelegt.
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Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist auch begründet. Für die vorliegende
Rechtsstreitigkeit ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben. Dies folgt
unmittelbar aus § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG.
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Nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG gelten Organe einer juristischen Person, zu denen auch der
Geschäftsführer einer GmbH gehört, zwingend nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses
Gesetzes, insbesondere also auch im Sinne der in §§ 2 ff. ArbGG enthaltenen
Zuständigkeitsnormen. Im Zeitpunkt des Zugangs der im vorliegenden Rechtsstreit
streitigen Kündigungen war der Kläger Geschäftsführer der drei kündigenden
Gesellschaften mit beschränkter Haftung und damit Organ im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 3
ArbGG. Die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer erfolgte erst geraume Zeit nach
Ausspruch der Kündigungen, sogar erst nach Ablauf der von den Beklagten gewählten
Kündigungsfristen.
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In einem solchen Fall kann entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht darauf
abgestellt werden, ob der Anstellungsvertrag des GmbH- Geschäftsführers seiner
Rechtsqualität nach eventuell ausnahmsweise selbst als Arbeitsvertrag qualifiziert
werden kann. Das Bundesarbeitsgericht führt hierzu aus:
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"Auch wenn das Anstellungsverhältnis zwischen juristischer Person und
Vertretungsorgan wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis
anzusehen sein sollte und deshalb dem materiellen Arbeitsrecht unterliegt, sind zur
Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dieser Rechtsbeziehung wegen § 5 Abs. 1
S. 3 ArbGG, 13 GVG die ordentlichen Gerichte berufen. Entsprechend § 17 Abs. 2 GVG
haben sie gegebenenfalls Arbeitsrecht anzuwenden." (BAG vom 06.05.1999, NZA
1999, 839 f.; ebenso u. a. BAG vom 20.08.2003, NZA 2003, 1108 ff.).
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Das BAG führt in seiner Entscheidung vom 06.05.1999 weiter aus:
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"An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert sich folglich nichts dadurch, dass
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zwischen den Beteiligten streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis rechtlich zu
qualifizieren ist. Hat die juristische Person den Organvertreter abberufen und den
Anstellungsvertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist für ein freies Dienstverhältnis
gekündigt und erhebt der Organvertreter gegen die Kündigung Klage mit der
Begründung, er sei in Wirklichkeit Arbeitnehmer und die Kündigung sei sozial nicht
gerechtfertigt, so greift dennoch die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ein. Die bloße
Rechtsansicht des Organvertreters, er sei nach Maßgabe des zugrunde liegenden
Anstellungsverhältnisses Arbeitnehmer, reicht hier nicht aus, um die Zuständigkeit der
Arbeitsgerichte zu begründen. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift sogar dann ein, wenn
objektiv feststeht, dass das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Die Vorschrift
greift darum erst recht ein, wenn darüber Ungewissheit besteht und möglicherweise
ohnehin ein freies Dienstverhältnis vorliegt. In seinen Beschlüssen vom 10. und
18.12.1996 (AP Nr. 3 und Nr. 4 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung) hat der Senat
noch dahinstehen lassen, ob die Grundsätze für die Rechtswegbestimmung in
sogenannten sic-non-Fällen auch auf Organvertreter anwendbar sind. Nach den
vorstehenden Erörterungen ist die Frage nunmehr zu verneinen." (BAG vom 06.05.1999
a. a. O.).
Ebensowenig könnte der Kläger vorliegend die Rechtswegzuständigkeit des
Arbeitsgerichts mit der Annahme begründen, dass sich sein Anstellungsverhältnis
nach
seiner Abberufung als GmbH-Geschäftsführer zu einem Arbeitsverhältnis gewandelt
hätte. Zu dieser Frage führt das BAG aus: "Wird der Anstellungsvertrag des
Organvertreters zeitgleich mit der Abberufung gekündigt, so gilt für den
Kündigungsschutzprozess die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Wird der
Anstellungsvertrag gekündigt, ohne dass der Organvertreter (schon) abberufen würde,
so gilt dies ohnehin. Selbst wenn der Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer
abberufen worden sein sollte, gilt er deshalb im Streit um die Wirksamkeit der
Kündigung des Anstellungsvertrages nicht als Arbeitnehmer. Da der Anstellungsvertrag
des Klägers jedenfalls nicht nach dem Wirksamwerden der Abberufung gekündigt
wurde, ist es auf die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ohne Einfluss, ob sich
das Anstellungsverhältnis anschließend zum Arbeitsverhältnis gewandelt hat, wie der
Kläger meint. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit der ausgesprochenen
Kündigung und für die Bestimmung des zulässigen Rechtsweges sind die Verhältnisse
im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung". (BAG, NZA 1999, 839 f. ).
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In Anbetracht der vorgenannten Umstände kann es demnach auch keine Rolle spielen,
dass der Kläger in der Zeit vom 01.08.1997 bis zum 31.12.1998, d. h. bis zu seiner
Ernennung als Geschäftsführer, in einem als Arbeitsverhältnis zu qualifizierenden
Anstellungsverhältnis zu der Beklagten zu 1) gestanden haben mag. Abgesehen von
dem maßgeblichen Umstand, dass die hier streitigen Kündigungen nicht
nach,
vor
gerade auch der Kläger selbst, dass nach dem Willen der Parteien ein und derselbe
Anstellungsvertrag, der zunächst einem Arbeitsverhältnis als Vertriebsleiter zugrunde
gelegen hat, dann ab 01.01.1999 die Anstellungsgrundlage für die
Geschäftsführertätigkeit des Klägers gebildet haben soll. Wenn dem so ist, so muss sich
zum 01.01.1999 zumindest jedoch der Inhalt von § 1 des Anstellungsvertrages geändert
haben, nämlich dahingehend, dass Gegenstand der vertraglich geschuldeten Tätigkeit
des Klägers nunmehr nicht mehr diejenige eines der Geschäftsführung unterstellten
Vertriebsleiters sein soll, sondern diejenige eines Geschäftsführers. Gerade wenn man
sich jedoch die Sicht des Klägers von der Einheitlichkeit und Kontinuität des seiner
Tätigkeit zugrunde liegenden Anstellungsverhältnisses zu eigen machte und
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Tätigkeit zugrunde liegenden Anstellungsverhältnisses zu eigen machte und
dementsprechend in seiner Bestellung zum Geschäftsführer aufgrund des damit
verbundenen Aufstiegs in der Hierarchie lediglich eine Art Beförderung sieht, so wird um
so weniger erkennbar, aufgrund welcher Umstände dann mit einer späteren Kündigung
des Anstellungsvertrages der ursprüngliche Vertragszustand wieder aufleben sollte.
Gerade wenn - dem Kläger zufolge - ein und derselbe Anstellungsvertrag, der zunächst
auf eine Arbeitnehmer- Tätigkeit als Vertriebsleiter gerichtet gewesen sein mag,
nunmehr zur Grundlage eines Anstellungsverhältnisses als GmbH - Geschäftsführer
geworden ist, besteht um so weniger Grund, von der Vermutungsregel des BAG
abzuweichen, wonach bei einem Arbeitnehmer, der zum GmbH-Geschäftsführer
aufgestiegen ist, bei seiner späteren Abberufung als Geschäftsführer das alte
Arbeitsverhältnis
nicht
).
Die Beurteilung der Frage, ob das Anstellungsverhältnis der Parteien durch die dem
Kläger am 22.08.2005 zugegangenen Kündigungen wirksam aufgelöst worden ist - und
auch, ob dabei ungeachtet des Inhalts von § 3 des Anstellungsvertrages die
maßgebliche Kündigungsfrist eingehalten wurde - , fällt daher in die Kompetenz der
Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
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Der Rechtsstreit war daher der Rüge der Beklagten entsprechend an das sachlich und
örtlich zuständige Landgericht Münster zu verweisen, in dessen Bezirk alle Beklagten
ihren ordentlichen Gerichtsstand haben. Der Kläger hat dem Antrag der Beklagten in
örtlicher Hinsicht nicht widersprochen.
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Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegt nicht vor.
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Gegen diese Entscheidung ist daher ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
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(Dr. Czinczoll)
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