Urteil des LAG Köln vom 20.02.2006

LArbG Köln: beschäftigungspflicht, arbeitsgericht, rechtsmittelbelehrung, ermessensfehler, beschränkung, beendigung, zumutbarkeit, beschwerdekammer, arbeitsrecht, betriebsrat

Landesarbeitsgericht Köln, 2 Ta 468/05
Datum:
20.02.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ta 468/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 7 BV 60/05
Schlagworte:
Streitwert, Beschlussverfahren, Jugendvertreter, Beschäftigungspflicht
Normen:
§ 78 a BetrVG, § 33 RVG, § 42 GKG, § 23 RVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Es erscheint angemessen, den Streit um die Weiterbeschäftigungspflicht
nach § 78 a BetrVG mit zwei Bruttomonatsvergütungen zu bewerten.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu
2. und 3. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.11.2005,
Aktenzeichen 7 BV 60/05, wie folgt abgeändert:
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf
4.892,82 EUR festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1
I.
Auszubildenden nach § 78 a Abs. 4 BetrVG. Das Verfahren endete durch Rücknahme
des Antrags, da der Beteiligte zu 2., der ehemalige Auszubildende kein
Weiterbeschäftigungsverlangen gestellt hatte. Gemäß § 78 a Abs. 4 S. 2 waren der
Betriebsrat der Arbeitgeberin und die Jugend- und Auszubildendenvertretung der
Arbeitgeberin Beteiligte des Beschlussverfahrens. Diese wurden von den
Beschwerdeführern vertreten.
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Das Arbeitsgericht Bonn hat den Gegenstandswert für das Verfahren auf 4.000,00 EUR
festgesetzt. Der Beschluss vom 10.11.2005 ging bei den Beschwerdeführern am
11.11.2005 ohne Rechtsmittelbelehrung ein. Mit der am 09.12.2005 beim Arbeitsgericht
Bonn eingegangenen Beschwerde vertreten sie die Auffassung, dass der
Gegenstandswert richtigerweise auf 7.339,23 EUR = 3 Bruttomonatsgehälter des
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ehemaligen Auszubildenden bei ausbildungsgerechter Beschäftigung festgesetzt
werden müsse. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin halten die
Gegenstandswertfestsetzung für zutreffend.
II.
Beschluss der Gegenstandswertfestsetzung Anwendung findet. Der Beschluss ist ohne
Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden, deshalb war trotz Ablauf der zweiwöchigen
Frist aus § 33 Abs. 3 S. 3 RVG die Beschwerde fristgerecht.
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Die Beschwerde ist auch von der Beschwerdesumme her zulässig. Die von den
Beschwerdeführern erstrebte Veränderung des Streitwertes führt zu einer
Gebührenveränderung von mehr als 200,00 EUR.
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Die Beschwerde ist jedoch nur zum Teil begründet.
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Da im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden,
erfolgt die Festsetzung des Gegenstandswertes zur Berechnung der anwaltlichen
Vergütung nach § 33 Abs. 1 RVG. Hierbei sind die Wertvorschriften des § 23 RVG
heranzuziehen. Da jedoch eine Gerichtskostenerhebung im
betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht vorgesehen ist, fehlt
naturgemäß auch eine gesetzliche Ausgestaltung hinsichtlich der zugrundeliegenden
Streitwerte völlig. In diesen Fällen ist der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG
nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher
Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist
der Gegenstandswert mit 4.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher,
jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen. Dabei obliegt der Beschwerdekammer
nicht nur die Prüfung, ob das eingeräumte Ermessen richtig ausgeübt wurde oder ob
Ermessensfehler vorliegen. Vielmehr kann das Beschwerdegericht eigenes Ermessen
zur Ermittlung des Gegenstandswertes ausüben.
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Danach ist zunächst zugrunde zu legen, dass es sich um eine nichtvermögensrechtliche
Streitigkeit handelt, der Akteninhalt weder besonders umfangreich noch besonders
schwierig war und das Verfahren in einem sehr frühen Stadium bereits beendet wurde.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber zur Beschränkung von nicht
erstattungsfähigen Kosten im Rahmen von Kündigungsrechtsstreiten für das
arbeitsgerichtliche Verfahren in § 42 Abs. 2 GKG Sonderregeln geschaffen hat, die es
bei Bestandsstreitigkeiten verhindern, dass der Streitwert mehr als einen
Quartalsverdienst umfasst. Hierauf aufbauend hat sich für Beschäftigungsansprüche
eine Rechtsprechung gebildet, wonach bei tatsächlichem Streit über die Inhalte und die
Verpflichtung zum Einsatz eines Arbeitnehmers zwei Bruttomonatsgehälter als
angemessen angesehen werden, bei Geltendmachung des
Weiterbeschäftigungsanspruchs als Anhängsel zur Kündigungsschutzklage ein
Bruttomonatsgehalt.
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Ausgehend davon, dass in dem vorliegenden Verfahren durch die besondere
gesetzgeberische Ausgestaltung des § 78 a BetrVG letztlich um die Beendigung einer
Beschäftigungspflicht gestritten wird, erscheint es sachgerecht, diese Grundsätze heran
zuziehen und den Streitwert auf zwei Bruttomonatsvergütungen festzusetzen. Die
Fortsetzungsverpflichtung des Arbeitgebers kommt dadurch zustande, dass der
Auszubildende seine Weiterbeschäftigung verlangt. Nicht geprüft wird die
Rechtswirksamkeit von Willenserklärungen als solcher, sondern die Zumutbarkeit der
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Beschäftigung oder Nichtbeschäftigung. Wenn also Bedeutung und Wert des
Streitgegenstandes nach ähnlichen Streitgegenständen beurteilt soll, so erscheint es
um Naheliegensten das vorliegende Verfahren mit Streitigkeiten über die
Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers zu vergleichen. Angesichts der Bedeutung und
der Auswirkungen erscheint es angemessen, den Streitwert auf 2 Bruttomonatsgehälter
festzusetzen. Da eine Kostenentscheidung gemäß
§ 33 Abs. 9 RVG unterbleibt, ist das Verfahren gebührenfrei und eine Kostenerstattung
ausgeschlossen. Eine weitere Beschwerde ist nicht gegeben gemäß § 33 Abs. 4 RVG.
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Olesch
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