Urteil des LAG Köln vom 08.11.2010

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Landesarbeitsgericht Köln, 5 Sa 585/10
Datum:
08.11.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Sa 585/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 3256/09
Schlagworte:
Sozialplanleistungen bei Eigenkündigung
Normen:
§ 112 BetrVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Kündigt ein Arbeitnehmer selbst das Arbeitsverhältnis aus Anlass
einer bevorstehenden Betriebsänderung, kann er von
Sozialplanleistungen nicht ausgeschlossen werden, wenn er davon
ausgehen muss, dass für ihn keine adäquate Beschäftigungsmöglichkeit
mehr besteht.
2. Davon ist auszugehen, wenn der bisherige Arbeitsplatz wegfällt und
der Arbeitgeber keinen neuen, in der betrieblichen Hierarchie und den
Kompetenzen gleichwertigen Arbeitsplatz rechtzeitig anbietet.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 18.03.2010 – 8 Ca 3256/09 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten nach beendetem Arbeitsverhältnis darüber, ob dem Kläger eine
Sozialplanabfindung zusteht.
2
Der 1969 geborene Kläger war seit dem 29.12.1997 für die Beklagte, ein
Lebensmitteldiscounterunternehmen, zunächst als Bauleiter in der Verkaufsregion B ,
später als Bauleiter in der Verkaufsregion M tätig.
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Seit dem 01.05.2007 wurde der Kläger aufgrund schriftlichen Vertrages (Bl. 35 f. d. A.)
als Leiter Bau und Einrichtung in der Verkaufsregion K beschäftigt.
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In der Funktionsbeschreibung dieser Tätigkeit (Bl. 65 ff. d. A.) heißt es, dass der
Funktionsinhaber den Mitarbeiterin der Bau- und Einrichtungsabteilung (Bau- ggfls.
Energiefachberater, Sachbearbeiter) fachlich weisungsberechtigt ist und dem Leiter der
Filialnetzentwicklung fachlich und dem Regionsleiter disziplinarisch unterstellt ist.
Hinsichtlich der Stellvertretung heißt es unter Ziffer 4), dass der Funktionsinhaber bei
Abwesenheit durch den Bauleiter oder den Leiter Filialnetzentwicklung vertreten wird. In
der Aufgabenbeschreibung – Ziffer 6) – ist u. a. aufgeführt, dass der Funktionsinhaber
die Aufgabe habe, die Arbeitsabläufe innerhalb der Abteilung zu steuern. Unter Ziffer 8)
ist hinsichtlich besonderer Befugnisse aufgeführt, dass der Funktionsinhaber
Handlungsvollmacht für seinen Verantwortungsbereich erhalte und ferner für die
Einhaltung des Budgets seiner Kostenstelle verantwortlich sei.
5
Anlässlich der bevorstehenden Übernahme der Betriebe der Beklagten durch die Firma
N M -D AG & Co. KG (im folgenden Firma N ) vereinbarten die Beklagte und der bei ihr
amtierende Gesamtbetriebsrat einen Rahmensozialplan für die Integration der P in die N
(Sozialplan Bl. 41 ff. d. A.). Hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs hieß es in §
1 Nr. 1.3.1, dass der Sozialplan für solche Arbeitnehmer gelte, denen aufgrund einer
Integrationsmaßnahme betriebsbedingt gekündigt werde oder die glaubhaft eine
Eigenkündigung auf Veranlassung der P oder N wegen der im jeweils für sie geltenden
Interessenausgleich auch später beschlossenen Maßnahme aussprachen.
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Infolge der Integration der Beklagten in die Firma N wurden die regionalen Abteilungen
Bau und Einrichtung zum 01.04.2009 aufgelöst. Damit entfiel zugleich die Position der
Abteilungsleiter, mithin auch die vom Kläger bekleidete Abteilungsleiterposition.
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Im Februar 2009 teilte die Beklagte bzw. der zuständige Mitarbeiter der Firma N dem
Kläger mit, es sei beabsichtigt, ihm eine neue Tätigkeit als Projektbetreuer in der Region
K bei Beibehaltung des Gehalts zuzuweisen. Wegen der damit verbundenen Aufgaben
wird auf die Funktionsbeschreibung Projektbetreuer (Bl. 68 ff. d. A.) verwiesen. Die
zuvor erteilte Handlungsvollmacht wurde dem Kläger entzogen.
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Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.02.2009 zum
31.05.2009 (Bl. 6 d. A.) und verlangte eine Abfindung gemäß dem geltenden Sozialplan.
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Der daraufhin eingereichten Abfindungsklage hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom
18.03.2010 im Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht
darauf abgestellt, die Anspruchsvoraussetzungen des Sozialplans lägen vor. Durch die
von der Beklagten selbst ausgesprochene Bekanntgabe, dass die vom Kläger geleitete
Abteilung aufgelöst und seine Funktion als deren Leiter entfallen werde, habe sie beim
Kläger die berechtigte Annahme hervorgerufen, es stehe eine Kündigung bevor. Bei der
von der Beklagten angebotenen Tätigkeit als Projektbetreuer habe es sich nicht um eine
solche gehandelt, die die Beklagte dem Kläger ohne Änderungskündigung habe
übertragen können. Denn die Stellung und die Tätigkeit "Leiter Bau und Einrichtung P "
einerseits und die Tätigkeit "Projektbetreuer" andererseits seien nicht gleichwertig. Bei
erst genannter Tätigkeit habe es sich um eine echte Leitungsfunktion auf einer
herausgehobenen Hierarchiestufe gehandelt. Demgegenüber habe der Projektbetreuer
keine Tätigkeiten anderer zu koordinieren, zu veranlassen, zu überwachen und zu
verantworten gehabt, sondern habe lediglich selbst Tätigkeiten durchführen müssen. Es
handele sich dabei um typische Sachbearbeitungsaufgaben. Die Unterschiedlichkeit
ergebe sich auch unter Heranziehung des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel,
auf den die Parteien im Arbeitsvertrag ergänzend Bezug genommen hätten. Die
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Tätigkeit als Abteilungsleiter entspreche der Gehaltsgruppe IV, während die
Projektbetreuerfunktion allenfalls Gehaltsgruppe III zuzuordnen sei. Der
Versetzungsvorbehalt des Arbeitsvertrages rechtfertige ebenfalls nicht Zuweisung der
Tätigkeit eines Projektbetreuers, denn dabei handele es sich um die Zuweisung einer
geringerwertigen Position auf einer niedrigeren Hierarchiestufe.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und
diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch innerhalb der
verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
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Die Beklagte bringt vor, ein Sozialplananspruch sei erst gegeben, wenn ein
Arbeitnehmer durch sein Handeln einer im Raum stehenden arbeitgeberseitigen
Beendigungskündigung zuvor komme. Diese Voraussetzung sei jedoch nicht erfüllt.
Denn es habe sich bei der angebotenen Tätigkeit als Projektbetreuer um eine
gleichwertige Tätigkeit gehandelt. Die Beklagte sei nicht gehalten gewesen, die
Änderung des Tätigkeitsfeldes im Wege einer Änderungskündigung zu realisieren.
Vielmehr habe die Beklagte in rechtlich zulässiger Weise dieses Ergebnis in Ausübung
ihres Direktionsrechts herbeiführen können. Dies ergebe sich aus dem
Versetzungsvorbehalt des Arbeitsvertrages, der eine Versetzung auf einen
gleichwertigen Arbeitsplatz erlaube.
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Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts unterscheide sich die ursprünglich vom
Kläger innegehabte Position eines Leiters Bau und Einrichtung nicht entscheidend von
der eines Projektbetreuers. Der Projektbetreuer sei bei der Firma N dem Leiter
Projektbetreuung fachlich und disziplinarisch unterstellt. Dies entspreche in
hierarchischer Hinsicht einem Leiter Filialnetzentwicklung bei der Beklagten. Der Kläger
sei auch fachlich und persönlich geeignet gewesen, die Position eines Projektbetreuers
auszufüllen. Nach § 1 Nr. 1.3.2 des Sozialplans habe der Kläger keinen Anspruch, weil
er ein zumutbares alternatives Arbeitsplatzangebot ausgeschlagen habe. Die im
Rahmen Sozialplan aufgeführten Zumutbarkeitskriterien seien erfüllt.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 18.03.2010 – 8 Ca
3256/09 – die Klage abzuweisen.
15
Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Position des Projektbetreuers sei
gegenüber der zuvor ausgeübten Funktion des Leiters der Abteilung Bau und
Einrichtung nicht vergleichbar. Die Beklagte blende zudem völlig aus, dass die
Versetzungsklausel des Arbeitsvertrages, auf die sie ihr Direktionsrecht stützen wolle,
rechtsunwirksam sei.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit überzeugender
Argumentation hat das Arbeitsgericht dem Kläger die in der Höhe nicht mehr streitige
Sozialplanabfindung zugesprochen. Darauf wird Bezug genommen. Zur
Unterstreichung und im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren
ist Folgendes festzuhalten:
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1. Der Anspruch folgt aus dem geltenden Rahmensozialplan. Die dort getroffene
Regelung berücksichtigt die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Anspruch auf
Sozialplanleistungen bei vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigungen. Danach
kann ein Sozialplan Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis infolge einer
bevorstehenden Betriebsänderung selbst gekündigt haben, nicht von den Leistungen
des Sozialplans ausnehmen (siehe BAG Urteil vom 20.05.2008 – 1 AZR 203/07 – AP
Betriebsverfassungsgesetz 1972 § 112 Nr. 192; BAG Urteil vom 19.02.2008 – 1 AZR
1004/06 – AP Betriebsverfassungsgesetz 1972 § 112 Nr. 191).
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Voraussetzung für einen Leistungsanspruch ist, dass die Eigenkündigung des
Arbeitnehmers vom Arbeitgeber veranlasst wurde. Eine solche vom Arbeitgeber
veranlasste Eigenkündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem
Arbeitnehmer die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, für ihn bestehe nach der
Durchführung der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr und er
komme mit der eigenen Kündigung einer sonst auszusprechenden betriebsbedingten
Kündigung nur zuvor (siehe BAG Urteil vom 20.05.2008 – 1 AZR 203/07 – AP
Betriebsverfassungsgesetz 1972 § 112 Nr. 192).
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Bei der Ausgestaltung können die Betriebsparteien als zusätzliche Voraussetzung
festhalten, dass der Arbeitnehmer zunächst abwarten muss, ob ihm ein zumutbares
Arbeitsplatzangebot anlässlich der Betriebsänderung gemacht wird (siehe BAG Urteil
vom 13.02.2007 – 1 AZR 163/06 – NZA 2007, Seite 756 ff.).
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2. Diesen Vorgaben trägt der abgeschlossene Gesamtsozialplan Rechnung. Nach § 7
Nr. 7.1.1 haben Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf eine Sozialplanleistung, wenn
der Arbeitnehmer glaubhabt eine Eigenkündigung auf Veranlassung der P oder N
wegen der im jeweils für sie geltenden Interessenausgleich beschlossenen Maßnahme
ausgesprochen hat. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Denn unstreitig ist die Position des
Abteilungsleiters der Leitung der Bau und Einrichtung infolge der Betriebsänderung
weggefallen. Die entsprechenden Abteilungen sind unstreitig aufgelöst worden, die
Positionen der jeweiligen Abteilungsleiter sind entfallen.
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Damit musste der Kläger, wie das Arbeitsgericht mit Recht ausgeführt hat, mit einer
betriebsbedingten Kündigung zumindest einer betriebsbedingten Änderungskündigung
rechnen, da er auf der bisherigen Position unstreitig nicht weiterbeschäftigt werden
konnte und die dem Kläger angebotene Position eines Projektbetreuers weder
gleichwertig war noch im Wege des Direktionsrechts unter Berufung auf die
Versetzungsklausel des Arbeitsvertrages zugewiesen werden konnte.
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a. Aus mehreren unabhängig voneinander bestehenden Gründen kann nicht
ansatzweise von einer Vergleichbarkeit der Tätigkeit als Abteilungsleiter der Abteilung
Bau und Einrichtung einerseits und der Arbeit als Projektbetreuer andererseits
ausgegangen werden.
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aa. Die Vergleichbarkeit ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil es um
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unterschiedliche Hierarchieebenen geht. Die frühere Position des Klägers war die eines
Abteilungsleiters, der für eine konkrete Abteilung verantwortlich war. Eine solche
Abteilungsleiterverantwortung ist mit der Position als Projektbetreuer offenkundig nicht
verbunden.
bb. Zutreffend hat das Arbeitsgericht desweiteren durchschlagende Unterschiede im
Tätigkeitsumfang gesehen. Die Tätigkeit als Projektbetreuer ist zutreffend als
Sachbearbeitertätigkeit qualifiziert worden. Dabei mag es so sein, wie die Beklagte
vorträgt, dass sich die Tätigkeitsgegenstände beider Tätigkeiten überschneiden, dass
also beispielsweise in beiden Tätigkeitsbereichen die Verhandlung mit den jeweils
beauftragten Handwerkern durchzuführen ist. Es macht aber einen durchschlagenen
Unterschied, ob solche Verhandlungen durch einen Projektbetreuer im Einzelfall geführt
werden, oder ob ein Abteilungsleiter für solche Verhandlungen für seine ganze
Abteilung zuständig ist.
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cc. Der Unterschied manifestiert sich ferner in Weisungsbefugnissen. Ein
Abteilungsleiter ist weisungsbefugt gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
seiner Abteilung. Aus den Erörterungen in der Berufungsverhandlung am 8.11.2010 hat
sich ergeben, dass der Kläger als Abteilungsleiter gegenüber fünf ihm unterstellten
Mitarbeitern weisungsbefugt war, und dass die Zuordnung dieser fünf Mitarbeiter auch
im Organigramm ausgewiesen war.
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Vergleichbare Weisungsbefugnisse sind in der Tätigkeit eines Projektbetreuers nicht
erkennbar. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob und in welchem
Umfang die Weisungsbefugnisse im einzelnen tatsächlich ausgeübt worden sind, weil
jedenfalls die Weisungsabhängigkeit bestand und die darauf fußende hierachische
Stellung im Betrieb.
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Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ferner, dass die Beklagte die zunächst
dem Kläger angebotene Tätigkeit als Projektbetreuer später einer dem Kläger
unterstellten Mitarbeiterin übertragen hat, ohne dartun zu können, dass bei dieser eine
Beförderung und Gehaltssteigerung vorgenommen worden wäre. Die
Projetbetreuertätigkeit befindet sich damit auf dem Level der dem Kläger unterstellten
Mitarbeiter.
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dd. Ein wesentlicher Unterschied besteht desweiteren bei der erteilten
Handlungsvollmacht. Die Abteilungsleitung der Abteilung Bau und Einrichtung war, wie
in Ziffer 8) der Funktionsbeschreibung ausgeführt, mit der Erteilung der
Handlungsvollmacht für den Verantwortungsbereich Abteilungsleitung verbunden.
Dementsprechend war dem Kläger Handlungsvollmacht erteilt worden. Dies verdeutlicht
die herausgehobene Stellung, die die Leiter der Abteilungen Bau und Einrichtung in
dem Hierarchiegefüge der Beklagten hatten. Unstreitig ist dem Kläger diese
Handlungsvollmacht im Zuge der Betriebsänderung entzogen worden. In der
Funktionsbeschreibung für die Tätigkeit als Projektbetreuer ist eine solche
Handlungsvollmacht auch nicht mehr vorgesehen.
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ee. Mit Recht hat das Arbeitsgericht ferner darauf hingewiesen, dass sich der
Tätigkeitsinhalt vollständig ändern sollte. Während die Position eines Abteilungsleiters
in erster Linie die leitendende, koordinierende, steuernde und überwachende Tätigkeit
in Bezug auf die Arbeit der Abteilung fokussiert, war die Tätigkeit als Projektbetreuer auf
die Betreuung einzelner Projekte bezogen. Symptomatisch hierfür ist, dass es der
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Funktionsbeschreibung für Projektbetreuer heißt, dass Funktionsinhaber u. a. auch
verpflichtet sei, auf Weisung des Vorgesetzten Einzelaufträge auszuführen, die dem
Wesen nach zu seiner Tätigkeit gehörten oder sich aus der betrieblichen Notwendigkeit
ergäben.
ff. In keiner Weise auseinandergesetzt hat sich die Beklagte ferner mit den begründeten
Ausführungen des Arbeitsgerichts zur tariflichen Einstufung. Der Argumentation des
Arbeitsgerichts, die Tätigkeit des Abteilungsleiters entspreche der Vergütungsgruppe IV
des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen (§ 13 Abs. 3 des Arbeitsvertrages)
Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel, während die Projektbetreuertätigkeit
allenfalls der Vergütungsgruppe III entspreche, hat die Beklagte keinerlei Argumente
entgegenzusetzen gewusst.
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gg. Schließlich folgt die mangelnde Vergleichbarkeit aus den eklatanten Unterschieden
in der Verantwortlichkeit. Als Abteilungsleiter hatte der Kläger ausweislich der
Funktionsbeschreibung (Nr. 8) die volle Budgetverantwortung für seine Kostenstelle.
Ihm war damit ein umfassender, auch finanzieller Verantwortungsbereich übertragen.
Eine vergleichbare Budgetverantwortung hatte
Funktionsbeschreibung für die Tätigkeit als Projektbetreuer nicht vorgesehen.
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Aus all diesen unabhängig voneinander bestehenden Gründen war eine
Vergleichbarkeit der Tätigkeit als Abteilungsleiter einerseits und als Projektbetreuer
andererseits nicht gegeben. Infolge der Betriebsänderung musste der Kläger folglich mit
einer betriebsbedingten Beendigungskündigung, mindestens aber mit einer
betriebsbedingten Änderungskündigung mit dem arbeitgeberseitigen Ziel, ihm die
Tätigkeit als Projektbetreuer per Änderungskündigung durchzusetzen, rechnen.
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b. Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, es sei ihr möglich gewesen, die neue
Tätigkeit als Projektbetreuung im Wege einer Versetzung zuweisen zu können.
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a. Dies scheitert bereits daran, dass die Tätigkeit als Projektbetreuer gegenüber der
vorherigen Abteilungsleitertätigkeit aus den bereits dargestellten Gründen nicht
gleichwertig ist.
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b. Unabhängig hiervon würde eine Versetzung aber auch daran scheitern, dass der
Arbeitsvertrag keine ausreichende Versetzungsklausel enthält. In § 1 Abs. 3 des
Arbeitsvertrages heißt es hierzu, dass die Firma berechtigt sei, dem Mitarbeiter
innerhalb des Unternehmens jederzeit bei unveränderter Vergütung eine zumutbare
andere, seinen Leistungen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen.
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Eine vorformulierte Klausel, nach welcher ein Arbeitgeber eine andere als die
vertraglich vereinbarte Tätigkeit zuweisen kann, ist dann als unangemessene
Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB anzusehen, wenn nicht gewährleistet ist, dass
die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand haben muss
(siehe BAG Urteil vom 09.05.2006 – 9 AZR 424/05 – NZA 2007, Seite 145 ff.).
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Die vorliegende Klausel gewährleistet eine solche Gleichwertigkeit der Tätigkeit vom
Wortlaut her nicht. Damit hält sie – ausgehend vom Wortlaut der Klausel – der
Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht stand. Sofern man, wie offenbar die Beklagte,
davon ausgehen will, dass durch die Verwendung des Adjektivs "zumutbar"
gewährleistet sei, dass es sich um eine gleichwertige Tätigkeit handeln müsse, hilft dies
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der Beklagten nicht weiter, denn aus den bereits angeführten Gründen ist die Tätigkeit
eines Projektbetreuers nicht gleichwertig mit der Tätigkeit eines Abteilungsleiters.
3. Auf den Anspruchsausschluss nach § 1 Nr. 1.3.2 des Sozialplans kann sich die
Beklagte nicht berufen. Nach dieser Bestimmung entfallen Abfindungsansprüche,
soweit ein zumutbares alternatives Arbeitsplatzangebot gemacht worden ist.
Entsprechend den Zumutbarkeitskriterien gemäß § 3 des Sozialplans ist dem Kläger
kein zumutbares Angebot gemacht worden ist.
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Denn das Angebot, als Projektbetreuer zu arbeiten, ist nicht zumutbar im Sinne des § 3
des Sozialplans. Es mangelt bereits an der funktionellen Zumutbarkeit, denn – wie
bereits ausgeführt – ist angesichts der gravierenden Unterschiede der Tätigkeiten im
Bezug auf Verantwortungsbereich, Handlungsvollmacht, tarifliche Einstufung und
Budgetverantwortung ein durchschlagender funktioneller Unterschied gegeben, der zur
funktionellen Unzumutbarkeit führt. Dem Kläger war es daher funktionell offenkundig
unzumutbar, das Angebot als Projektbetreuer zu arbeiten, anzunehmen.
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4. Insgesamt konnte die Berufung der Beklagten aus den dargestellten Gründen keinen
Erfolg haben und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO kostenpflichtig
zurückgewiesen werden.
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Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da kein Fall von Divergenz vorlag und
auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache gegeben war, sondern eine
Einzelfallentscheidung auf der Basis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu treffen
war.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Hinsichtlich einer
Nichtzulassungsbeschwerde wird auf die in § 72 a ArbGG aufgeführten
Voraussetzungen Bezug genommen.
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Dr. Griese Erhard Marx
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