Urteil des LAG Köln vom 10.03.2008

LArbG Köln: firma, verdachtskündigung, dringender tatverdacht, wichtiger grund, fahrzeug, halle, niederlassung, wettbewerber, betriebsrat, anhörung

Landesarbeitsgericht Köln, 14 Sa 1356/07
Datum:
10.03.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
14.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 Sa 1356/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegburg, 2 Ca 794/07
Schlagworte:
Außerordentliche Kündigung
Normen:
§ 626 Abs. 1 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Eine als Verdachtskündigung ausgesprochene Kündigung kann auch
als Tatkündigung Bestand haben (im Anschluss an BAG, Urteil vom
6.12.2001 - 2 AZR 496/00 - NZA 2002, 847).
2. Verwendet der Arbeitnehmer während der von ihm angegebenen
Arbeitszeit in erheblichem Umfang einen Firmen-Lkw zur Durchführung
von privaten Möbeltransporten über erhebliche Entfernungen und unter
Nutzung des vom Arbeitgeber gestellten Treibstoffs, kann dies eine
außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Siegburg vom 22.08.2007
– 2 Ca 794/07 – abgeändert und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten um die Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung des
Arbeitsverhältnisses.
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Die Beklagte ist ein Unternehmen der Reinigungstechnik. Sie stellt ihren regelmäßig
gewerblichen Kunden Reinigungsgeräte, insbesondere Teilereinigungs- und
Lackierpistolenreinigungsgeräte zur Verfügung. Diese Geräte müssen in regelmäßigen
Abständen gewartet werden, insbesondere muss die verbrauchte bzw. verschmutzte
Reinigungsflüssigkeit ausgewechselt werden.
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Der Kläger, geboren am 08.04.1960, war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 6 ff.
d. A.) ab dem 23.02.1993 in der Niederlassung der Beklagte in T als Lagerarbeiter zu
einem monatlichen Verdienst von ca. 2.500,00 € beschäftigt.
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Schärfster Mitbewerber der Beklagten ist die Firma M . In der Vergangenheit waren
einzelne Mitarbeiter der Niederlassung in T zu diesem Mitbewerber gewechselt,
insbesondere war der frühere Vertriebsleiter der Beklagten, Herr P , auf eine Position als
Geschäftsführer zur Firma M gewechselt.
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Aufgrund des Abhandenkommens verschiedener Geräte veranlasste die Beklagte, dass
ihre Reinigungsgeräte ab dem 01.08.2005 eine geheime Kennzeichnung erhielten.
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Nachdem die Beklagte einen ihrer Großkunden, die Firma G GmbH & Co KG, verloren
hatte, stellte der Niederlassungsleiter der Beklagten, Herr B , fest, dass 2 der dorthin von
der Firma M Reinigungstechnik GmbH gelieferten Reinigungsgeräte die von der
Beklagten angebrachte Kennzeichnung aufwiesen. Beide Geräte waren zuvor vom
Aufbereiter an die K Niederlassung der Beklagten ausgeliefert worden, wobei der
Kläger unter dem 19.12.2006 bzw. 16.01.2007 den Empfang der Geräte quittiert hatte.
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Die Beklagte, die aufgrund der Vorkommnisse den Verdacht hegte, dass der Kläger
Geräte und Materialien der Beklagten an die Konkurrenzfirma M weitergab, schaltete
einen Detektiv ein. Dieser stellte fest, dass der Kläger am 27.02.2007 nach der
Anlieferung von Teilreinigungsgeräten und sonstiger Materialien an die Niederlassung
K , diese kommissionierte und sein Auslieferungsfahrzeug belud.
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Sodann fuhr er nach S und bog in die Straße ein, in der die Firma M GmbH ihren Sitz
hat.
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Der Detektiv beobachtete an dem darauf folgendem Montag, den 05.03.2007, wie der
Kläger erneut mit seinem Lieferfahrzeug zur Konkurrenzfirma M in S fuhr. Ausweislich
des Beobachtungsprotokolls (Bl. 82 d. A.) fuhr der Kläger mit seinem Lieferfahrzeug in
die Halle. Der Detektiv hielt fest, dass es bemerkenswert sei, dass das Hallentor
anschließend umgehend geschlossen wurde. 26 Minuten nach Schließung des
Hallentors wurde das Hallentor wieder geöffnet und der Kläger verließ mit seinem
Lieferfahrzeug das Firmengelände. Während des gesamten weiteren Tages verblieb
das Hallentor nach Beobachtung des Detektivs offen.
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Daraufhin erstattete die Beklagte Strafanzeige mit Schreiben vom 08.03.2007 (Bl. 116 ff.
d. A.) unter anderem gegen Herrn P sowie auch gegen den Kläger und schilderte darin
die gegen Herrn P und weitere Mitarbeiter der Konkurrenzfirma M sowie gegen den
Kläger vorliegende Verdachtsmomente.
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In der Strafanzeige wurde darauf hingewiesen, dass am darauf folgenden Montag, dem
12.03.2007, wiederum eine Lieferung ankommen werde, so dass man vermute, dass der
Kläger auch am 12.03.2007 mit dem Firmen-Lkw das Gelände der Konkurrenzfirma M
aufsuchen werde.
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Am darauf folgenden Montag, den 12.03.2007, fuhr der Kläger entsprechend der zuvor
geäußerten Erwartung der Beklagten tatsächlich mit seinem Lieferfahrzeug erneut zur
Firma M . Nachdem der beobachtende Detektiv beobachtet hatte, dass der Kläger mit
dem Lieferfahrzeug in die offene Halle der Firma M einfuhr und das Hallentor alsdann
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verschlossen wurde, verständigte er die Polizei. Die Polizei begab sich darauf
unverzüglich zur Firma M . Vor Ort stellten die Polizeibeamten bei ihrem Eintreffen
ausweislich des Polizeiprotokolls (Bl. 132 d. A.) Folgendes fest:
"Hier wurde in der Halle der Firma das Fahrzeug der Firma S angetroffen. Die
Heckklappe des Fahrzeuges war geöffnet und der vorläufig festgenommene
Mitarbeiter der Firma S , Herr H , befand sich bei Ladetätigkeiten.
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Herr H kam gerade mit dem leeren Hubwagen zum Fahrzeug zurück."
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In seiner polizeilichen Vernehmung vom 12.03.2007 (Bl. 133 f. d. A.) gab der Kläger zur
Erklärung, warum er die Firma M aufgesucht habe, an, er habe eine Couch/Sofa
abholen wollen, das von Herrn P gewesen sei. Auf den Vorhalt des Polizeibeamten,
dass Herr P davon nichts erzählt habe, antwortete der Kläger: "Der wird wohl andere
Gedanken im Kopf gehabt haben." In der von der Beklagten durchgeführten Anhörung
des Klägers vom 13.03.2007 (Protokoll Bl. 83 ff. d. A.) bekräftigte der Kläger, er habe mit
dem firmeneigenen Lkw bei der Firma M ein schwarzes Sofa abholen wollen. In den
Ergänzungen zum Protokoll wurde darauf hingewiesen, dass demgegenüber Herr P
gegenüber R von der Kriminalpolizei die Aussage gemacht habe, dass Herr H ein
schwarzes Mofa habe abholen wollen, was dem Beamten auch gezeigt wurde (Bl. 85 d.
A.).
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Mit Schreiben vom 14.03.2007 (Bl. 71 bis 75 d. A.) hörte die Beklagte den bei ihr
bestehenden Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten
Kündigung des Klägers an.
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Mit Schreiben vom 19.03.2007 (Bl. 87 d. A.) stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten
Kündigung zu und führte zur Begründung aus, schon die Anwesenheit mit Fahrzeug,
Maschinen und Material in den Räumen des Wettbewerbers stelle eine Verletzung des
Arbeitsvertrages und Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.
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Der gegen diese Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht
durch Urteil vom 22.08.2007 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der für
eine Verdachtskündigung erforderliche dringende Tatverdacht nicht vorliege. Zwar habe
sich der Kläger dadurch, dass er mit dem Lieferwagen der Beklagten in die Halle des
Wettbewerbers gefahren sei, verdächtig gemacht, an Eigentumsdelikten zu Lasten der
Beklagten beteiligt gewesen zu sein. Es mangele jedoch an ausreichenden
tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger Gegenstände der Beklagten zu
dem Wettbewerber verbracht habe. Insbesondere könne ein Zugriff anderer Mitarbeiter
auf die abhanden gekommenen Geräte nicht ausgeschlossen werden. Aus den
Vorgängen vom 27.02., 05.03. und 12.03.2007 könne auch deshalb kein dringender
Tatverdacht abgeleitet werden, weil bislang völlig offen sei, was der Kläger an den
besagten Tagen bei dem Wettbewerber genau gemacht habe. Gegen dieses Urteil hat
die Beklagte fristgerecht Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist auf den 05.01.2008 am 04.01.2008 begründen lassen.
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Die Beklagte bringt vor, die Kündigung sei zumindest als Verdachtskündigung
gerechtfertigt. Denn es bestehe ein dringender Verdacht, dass der Kläger an
Eigentumsdelikten zu Lasten der Beklagten beteiligt gewesen sei. Dafür spreche
insbesondere, dass der Kläger am 27.02.2007, am 05.03.2007 und am 12.03.2007 mit
dem Lieferfahrzeug bei der Konkurrenzfirma gewesen sei, ohne dass dies irgendeine
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betriebliche Veranlassung gehabt habe. Entscheidend sei zudem die Antreffsituation am
12.03.2007. Es spreche zudem gegen den Kläger, dass er immer an den Tagen, an
denen er morgens die wöchentlichen Lieferungen entgegen genommen habe, jeweils
zum Wettbewerber gefahren sei. Unabhängig hiervon sei ein Kündigungsgrund auch
deshalb gegeben, weil der Kläger während der Dienstzeit sich beim Wettbewerber
aufgehalten habe und es keinen betrieblichen Anlass für diese Fahrten gegeben habe.
Die Beklagte beantragt
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 22.08.2007 – 2
Ca 794/07 – die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Der Kläger bestreitet, am 12.03.2007 bei Ladetätigkeiten angetroffen worden zu sein.
Der Kläger habe am 12.03.2007 nur ein schwarzes Sofa abholen wollen, das ihm Herr P
versprochen habe. Es sei zwar richtig, dass die gelegentlichen Besuche bei der Firma M
nicht in Ordnung gewesen seien. Es habe sich aber um Kontakte rein privater Natur
gehandelt, zudem hätten diese während der Pausen stattgefunden. Bei seinen
Besuchen sei das Hallentor jeweils geschlossen worden, da die Halle von der
angrenzenden Bundesstraße einsehbar sei. Mit den abhanden gekommenen
Gegenständen der Beklagten habe er nichts zu tun. Jeder Mitarbeiter der Niederlassung
komme für solche Entwendungen in Frage.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung, an deren Zulässigkeit keine Zweifel bestehen, ist auch in der Sache
erfolgreich. Die außerordentliche Kündigung vom 19.03.2007 ist rechtswirksam und hat
das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos aufgelöst.
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I. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung liegen vor.
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1. Nach § 626 Abs. 1 BGB muss ein wichtiger Grund für eine außerordentliche
Kündigung gegeben sein. Dieser liegt vor.
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Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kann nicht nur eine erwiesene
Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren
Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur
außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen.
Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung
damit begründet, dass gerade der Verdacht eines strafbaren bzw. vertragswidrigen
Verhaltens das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen
zerstört hat. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke
Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet
sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu
zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des
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Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben hat (siehe BAG, Urteil vom 06.11.2003 – 2 AZR 631/02 – AP
Nr. 39 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen; BAG, Urteil vom 05.04.2001 – 2
AZR 217/00 – NZA 2001, S. 837).
2. Im vorliegenden Fall ist die Kündigung sowohl als Verdachtskündigung als auch als
Tatkündigung gerechtfertigt.
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a) Als Verdachtskündigung ist die Kündigung gerechtfertigt, da der dringende Verdacht
besteht, dass der Kläger am 27.02.2007, am 05.03.2007 und am 12.03.2007
Lagerbestände seines Arbeitgebers mit dem Lieferfahrzeug des Arbeitgebers zum
Konkurrenzbetrieb der Firma M verbracht hat und dort abgeladen hat bzw. abladen
wollte.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger auch an kriminellen Handlungen bzgl.
der Geräte, die bei der Firma S in E und bei der Firma H in B festgestellt wurden,
beteiligt war. Allein die Tatsache, dass der Kläger an 3 Montagen hintereinander, an
denen morgens jeweils Lieferanten Waren bei der Beklagten abgeliefert hatten, sich
anschließend mit dem Lieferfahrzeug der Beklagten zu dem Konkurrenzbetrieb des
Beklagten begeben hat, ohne dass dies eine betriebliche Veranlassung erfordert hätte,
rechtfertigt einen entsprechenden Verdacht der Entwendung vom Firmeneigentum. Wie
bereits der Betriebsrat in seiner zustimmenden Stellungnahme zur Kündigung mit Recht
ausgeführt hat, war bereits das dreimalige Aufsuchen einen Konkurrenten mit dem
Lieferfahrzeug der Beklagten ein grober Verstoß gegen den Arbeitsvertrag und
begründete einen entsprechenden Verdacht.
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Durch die Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem
Landesarbeitsgericht am 10.03.2008 ist dieser Verdacht nicht nur dringlich, sondern
erdrückend geworden. Dafür spricht zunächst, dass es keine betriebliche Veranlassung
für diese Besuche bei dem Konkurrenzbetrieb der Beklagten gab. Der Kläger hat
vielmehr in der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2008 eingeräumt, dass es
beispielsweise für den Aufenthalt bei der Firma M am 12.03.2007 keine betriebliche
Veranlassung gab und dass das Aufsuchen des Konkurrenzbetriebs auch nicht am Weg
lag, denn der Kläger hat diesbezüglich erklärt, er habe am 12.03.2007 nur einen
Reparaturauftrag in T zu erledigen gehabt, wo er bei einem Kunden eine
Waschmaschine zu reparieren gehabt habe. Statt dessen ist der Kläger jedoch mit dem
Lieferfahrzeug der Beklagten von T in das etwa 15 km entfernte S gefahren. Angesichts
der Entfernung, der Fahrzeit und der Aufenthaltsdauer ist es auch ausgeschlossen, dass
es sich dabei um eine Pause handeln könnte, zumal der Kläger dies auch in keinem
Fall als Pause deklariert, sondern als Arbeitszeit hat berechnen lassen.
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Dringend wird der Verdacht durch die von den Polizeibeamten am 12.03.2007
festgestellte Antreffsituation. Denn das Lieferfahrzeug befand sich bei Eintreffen der
Polizei in der Halle der Konkurrenzfirma mit geöffneten Ladeklappen. In dem
Polizeiprotokoll heißt es dazu weiter: "Herr H kam gerade mit dem leeren Hubwagen
zum Fahrzeug zurück." Bereits diese Feststellung steht im Widerspruch zur Behauptung
des Klägers, er habe ein schwarzes Sofa, das ihm Herr P versprochen habe, aufladen
wollen. Denn eine solche Absicht kann nicht erklären, weshalb der Kläger mit dem
leeren Hubwagen zum Fahrzeug zurückkam. Hätte der Kläger wirklich ein Sofa mit dem
Hubwagen aufladen wollen, hätte er sich mit dem Sofa beladenen Hubwagen auf den
Weg zum Fahrzeug befinden müssen. Demgegenüber spricht die Rückkehr mit dem
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leeren Hubwagen zum Fahrzeug gerade dafür, dass nicht eine Beladung des
Fahrzeugs, sondern eine Entladung des Fahrzeugs vorgenommen werden sollte. Durch
die Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem
Landesarbeitsgericht am 10.03.2008 ist der Verdacht erdrückend geworden. So hat der
Kläger erklärt, er habe dieses Sofa, das er angeblich abtransportieren wollte, von
früheren privaten Besuchen bei Herrn P gekannt. Er habe erst Tage später erfahren,
dass das Sofa, das er von Herrn P habe haben wollen, noch gar nicht im Betrieb der
Firma M gewesen sei, sondern noch bei Herrn P zu hause gestanden habe. Der Kläger
hat ferner erklärt, er habe mit Herrn P nicht abgesprochen, wo das Sofa abgeholt werden
solle. Er sei davon ausgegangen, dass Herr P das Sofa mit zur Firma bringen werde.
Als er am 12.03.2007 im Betrieb der Firma M angekommen sei, habe er nicht zunächst
gefragt, ob das Sofa da sei. Er habe auch nicht nach Herrn P gefragt, sondern vielmehr
zuerst die Ladeklappen geöffnet.
All diese Erklärungen bedeuten zunächst einmal, dass der Kläger überhaupt nicht
sicher sein konnte, dass das Sofa, das er angeblich abholen wollte, sich tatsächlich im
Betrieb befand und nicht noch bei Herrn P zu hause. Hinzukommt, dass der Kläger nach
eigener Aussage keine Absprache mit Herrn P dahingehend getroffen hat, dass das
Sofa am 12.03.2007 im Betrieb abholbereit zur Verfügung stehen würde. Eine Erklärung
dafür, weshalb er gleichwohl annehmen konnte, Herr P würde das Sofa mit in den
Betrieb bringen, hat der Kläger nicht zu geben vermocht. Vor diesem Hintergrund kommt
der Reihenfolge des Vorgehens des Klägers bei seiner Ankunft am 12.03.2007
entscheidende Bedeutung zu. Obwohl er überhaupt nicht sicher sein konnte, dass sich
das Sofa im Betrieb befinden würde, hat er nach eigener Aussage zuerst die
Ladeklappen geöffnet und den Hubwagen bewegt, ohne zuvor nach Herrn P zu fragen
und auch ohne zuvor zu fragen, ob das Sofa überhaupt im Betrieb war. Verstärkt wird
der Verdacht schließlich noch durch die Erklärungen des Klägers, weshalb das
Hallentor jeweils nach seinem Eintreffen geschlossen worden ist. Der Kläger hat hierzu
erklärt, dies habe er veranlasst, damit er nicht entdeckt werde. Bei der Firma M handele
es ich um eine Konkurrenzfirma, deshalb habe er nicht sichtbar sein wollen. Damit steht
fest, dass der Kläger die Abschirmung und Heimlichkeit bewusst organisiert hat, um sein
Tun zu verbergen.
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Angesichts dieser vertrauenszerstörenden Handlungen musste sich der für die Beklagte
mehr als dringende Verdacht ergeben, dass er Lieferung aus ihrem Firmeneigentum an
die Konkurrenzfirma M verbrachte. Weitere Aufklärungsmöglichkeiten standen der
Beklagten nicht zur Verfügung. Insbesondere hatte sie die erforderliche Anhörung des
Klägers (zur Anhörungspflicht siehe BAG, Urteil vom 26.09.2002 – 2 AZR 424/01 – AP
Nr. 37 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen) durchgeführt. Auch in dieser
Anhörung hatte der Kläger keine nachvollziehbare Erklärung für sein Verhalten
vorbringen können. Insbesondere fehlte es an jeglicher Erklärung, weshalb der Kläger
sein Tun damit rechtfertigte, ein schwarzes Sofa von Herrn P abholen zu wollen,
während Herr P in seiner Polizeivernehmung angegeben hatte, der Kläger habe eine
schwarzes Mofa abholen wollen und dieses Mofa den Polizeibeamten auch gezeigt
hatte.
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Der aus dem Ganzen resultierende mehr als dringende Tatverdacht hat das für die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört.
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b) Unabhängig vom Vorstehenden ist die Kündigung allerdings auch als Tatkündigung
wegen der unstreitig vorliegenden Pflichtverletzungen des Klägers ohne Abmahnung
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gerechtfertigt.
Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine als Verdachtskündigung
ausgesprochene Kündigung auch als Tatkündigung Bestand haben kann (siehe BAG,
Urteil vom 06.12.2001 – 2 AZR 496/00 – AP Nr. 36 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer
Handlungen).
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Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der Kläger nach eigener Aussage vorhatte, das
Sofa mit dem Lieferfahrzeug der Beklagten während der Arbeitszeit zu seinem Wohnort
in das ca. 50 km entfernte E zu schaffen. Für dieses rein privat veranlasste Vorhaben
hätte der Kläger in erheblichem Umfang Material und Betriebsstoffe seines Arbeitgebers
in Anspruch genommen und sich die dafür aufgewendete Zeit als Arbeitszeit bezahlen
lassen. Er hätte damit das Vermögen seines Arbeitgebers in erheblicher Weise
geschädigt. Mit einer Duldung dieses, den Vertrauensbereich betreffenden Verhaltens,
hätte der Kläger nicht rechnen können. Eine Abmahnung ist in einem solchen Fall
entbehrlich (siehe BAG, Urteil vom 04.06.1997 – 2 AZR 526/96 – NZA 1997, S. 1281).
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3. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung fällt nicht zugunsten des
Klägers aus. Zwar ist seine langjährige Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Auf
der anderen Seite steht, dass der Kläger in erheblicher vertrauenszerstörender Weise
gehandelt hat und das Vorgehen des Klägers am 12.03.2007 kein Einzelfall war. Denn
der Kläger hatte zuvor ebenfalls in der Arbeitszeit und unter Benutzung des
firmeneigenen Lieferfahrzeugs die Konkurrenzfirma bereits am 27.02. und am
05.03.2007 aufgesucht. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem
Landesarbeitsgericht am 10.03.2008 zugegeben, dass er im Jahr so etwa 20 Besuche
bei der Firma M mit dem Firmenfahrzeug gemacht habe. Angesichts dieses Umfangs
der Nutzung von Firmenressourcen für private Zwecke konnte die Interessenabwägung
nicht zugunsten des Klägers ausfallen.
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II. Nach allem war die außerordentliche Kündigung der Beklagten rechtswirksam. Die
Berufung der Beklagten hatte daher Erfolg. Dem Kläger waren daher auch die Kosten
des gesamten Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.
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Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hatte, sondern auf der Anwendung höchstrichterlich geklärter
Rechtsgrundsätze beruhte und kein Fall von Divergenz vorlag.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Hinsichtlich der Möglichkeit
der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG Bezug genommen.
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Dr. Griese Schloß Müller
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