Urteil des LAG Köln vom 17.03.2004
LArbG Köln: konstitutive wirkung, kiosk, arbeitsamt, zahlungsunfähigkeit, vergütung, arbeitsgericht, verfall, fälligkeit, privatentnahme, unternehmen
Landesarbeitsgericht Köln, 3 Sa 1288/03
Datum:
17.03.2004
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Sa 1288/03
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 14 Ca 12087/02
Schlagworte:
Anspruchsübergang, Ausschlussfrist, Verfallklausel, Anerkenntnis,
Insolvenzgeldbescheinigung
Normen:
§ 314 SGB III, § 404 Abs. 2 Nr. 22 SGB III, §§ 404, 412 BGB, § 24 MTV
Einzelhandel NRW
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Tarifliche Ausschlussfristen gelten auch für den Rechtsnachfolger, auf
den ein Anspruch kraft Gesetz übergegangen ist (hier: Bundesagentur
für Arbeit).
2. Ob einer Insolvenzgeldbescheinigung nach § 314 SGB III
grundsätzlich Anerkenntnischarakter zukommt, bleibt unentschieden.
Die von einem Betreuer ausgefüllte Bescheinigung ist jedenfalls kein
Anerkenntnis, wenn er darauf hinweist, dass er die Bescheinigung
ausschließlich nach Angaben dritter Personen erstellt und er selbst
Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hat.
3. Ansprüche, die bereits tariflich verfallen sind, werden durch eine
später ausgestellte Insolvenzgeldbescheinigung nicht neu begründet.
Tenor:
1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Köln vom 17.06.2003 - 14 Ca
12087/02 - teilweise abgeändert und die Klage
insgesamt abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3) Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Annahmeverzugsansprüche aus
übergegangenem Recht geltend. Die 42-jährige Beklagte betrieb unter der Firma M S in
der , K einen Kiosk. Im Sommer 1999 verunglückte sie und ist seither schwerst
pflegebedürftig. Als Betreuerin für die Personen- und Vermögenssorge wurde ihre
Schwester, Frau B C , vom Amtsgericht K bestellt, die als gesetzliche Vertreterin der
Beklagten mit ihrer Tochter, Frau M M , am 15.09.1999 einen mündlichen Arbeitsvertrag
abschloss, wonach diese als einzige Angestellte in dem Kiosk mit einer monatlichen
Vergütung von 4.165,19 DM brutto = 2.500,00 DM netto beschäftigt war. Im Januar 2000
wurde der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Rechtsanwalt B zum neuen Betreuer
für die Vermögenssorge der Beklagten bestellt.
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Nach einem Einbruch in den Kiosk am 08. oder 09.07.2000 kündigte der
Prozessbevollmächtigte der Beklagten als deren Betreuer das Arbeitsverhältnis von
Frau M mit Schreiben vom 05.08.2000 zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Mit Beschluss
vom 12.10.2000 - 75 IN 42/00 - wies das Amtsgericht K einen bereits im Februar 2000
von der AOK Rheinland gestellten Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
gegen die Beklagte mangels Masse ab.
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Ab dem Monat Juli 2000 stellte die Beklagte die Vergütungszahlungen an Frau M ein.
Diese beantragte daraufhin beim Arbeitsamt K die Zahlung von Insolvenzgeld für
rückständigen Lohn ab dem 01.07.2000. Das Arbeitsamt zahlte antragsgemäß für die
Zeit vom 01.07. bis 15.09.2000 an Frau M Insolvenzgeld in Höhe von 6.250,00 DM
(3.195,57 EUR). Zuvor hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten als deren
Betreuer am 11.03.2001 eine Insolvenzgeldbescheinigung gemäß § 314 SGB III erstellt,
die entsprechende Beträge für den Zeitraum vom 01.07. bis 15.09.2000 als noch
zustehendes Nettoarbeitsentgelt auswies. Im beigefügten Anschreiben vom 15.03.2001
an das Arbeitsamt K wies der Betreuer darauf hin, dass die gemachten Angaben nicht
auf Angaben der Beklagten selbst beruhten, sondern es sich hierbei um Angaben der
Schwester der Beklagten und Mutter von Frau M , Frau C , handele.
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Zwischenzeitlich hatte Frau M zum 28.08.2000 ihrerseits ein Gewerbe bezüglich des
Einzelhandels mit Getränken, Süßwaren, Tabakwaren, Zeitungen und Zeitschriften
sowie verpackten Lebensmitteln und Geschenkartikeln angemeldet und betrieb seit
diesem Zeitpunkt den früheren Kiosk der Beklagten auf eigene Rechnung weiter. Auf
Nachfrage des Arbeitsamts K teilte sie im Mai 2001 mit, dass sie in der Zeit vom 28.08.
bis 15.09.2000 eine Privatentnahme in Höhe von 332,39 EUR getätigt habe, davon
unabhängig aber die Verluste des Kiosks die Einnahmen übertroffen hätten.
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Die Klägerin hat die auf sie wegen der Insolvenzgeldzahlung übergegangenen
möglichen Arbeitsentgeltansprüche gegenüber der Beklagten mit Mahnbescheid vom
26.07.2002 geltend gemacht. Auf den Widerspruch der Beklagten vom 11.11.2002
gegen den ihr am 28.10.2002 zugestellten Mahnbescheid ist das Verfahren sodann in
das vorliegende Klageverfahren übergeleitet worden.
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Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte sei gegenüber Frau M bis zur
Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15.09.2000 verpflichtet gewesen, die
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vertragsgemäße Vergütung zu zahlen. Dieser Anspruch sei gemäß § 187 SGB III wegen
der Insolvenzgeldzahlung auf die Klägerin übergegangen.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, den Betrag in Höhe von 3.195,57 EUR
zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz, mindestens 4 %
seit dem 28.10.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, ab dem 09.07.2000 hätten der früheren Arbeitnehmerin
M keine Vergütungsansprüche gegen die Beklagte zugestanden, da sie ab diesem
Zeitpunkt nicht mehr gearbeitet habe. Jedenfalls schieden Vergütungsansprüche ab
dem 01.08.2000 aus, weil Frau M danach selbst in den Mietvertrag bezüglich des
Kiosks eingetreten war, nachdem der Vermieter gegenüber der Beklagten im Juni 2000
fristlos gekündigt hatte. Darüber hinaus hat sich die Beklagte auf die tarifvertragliche
Ausschlussfrist für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen berufen. Schließlich hat sie
geltend gemacht, dass jedenfalls die unstreitig von Frau M getätigten Privatentnahmen
in Höhe von 332,39 EUR in Abzug zu bringen seien.
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Mit Urteil vom 17.06.2003 hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von 2.862,78 EUR
stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei zur
Entgeltzahlung an die frühere Arbeitnehmerin Mordmüller in der geltend gemachten
Höhe verpflichtet gewesen. Dieser Anspruch resultiere bis zum 08.07. aus § 611 BGB
und danach unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges aus § 615 BGB. Die
tarifliche Ausschlussfrist greife nicht ein, da die von der Beklagten bzw. ihrem Betreuer
ausgefüllte Insolvenzgeldbescheinigung als Anerkenntnis zu werten sei, das eine
Berufung auf Verfallfristen ausschließe. Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht
mit der Begründung abgewiesen, dass sich die Klägerin die Privatentnahme der Frau M
in Höhe von 332,39 EUR anrechnen lassen müsse. Wegen des weiteren Inhalts des
Urteils wird auf Blatt 82 ff. d. A. Bezug genommen.
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Gegen dieses der Beklagten am 20.10.2003 zugestellte Urteil hat sie am 18.11.2003
Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 20.01.2004
begründet. Die Beklagte ist der Auffassung, in der ausgefüllten
Insolvenzgeldbescheinigung könne kein Anerkenntnis gesehen werden, da der Hinweis
des Betreuers im Anschreiben deutlich gemacht habe, dass die Bescheinigung nicht auf
den Angaben der Beklagten selbst beruht habe. Jeder mögliche Anspruch sei daher
tariflich verfallen. Im Übrigen ist die Beklagte weiterhin der Auffassung,
Vergütungsansprüche bestünden auch dem Grunde nach nicht. Frau M habe im
Rahmen ihrer Tätigkeit völlig frei schalten und walten können. Sie sei faktisch ihre
eigene Arbeitgeberin gewesen. Unter diesen Umständen sei es arglistig, wenn sie
selbst die Voraussetzungen dafür schaffe, dass Lohn nicht gezahlt werden könne und
Insolvenzgeld in Anspruch nehme, um gleichzeitig eine eigene Existenz aufzubauen,
die zum Verlust der Existenz der Beklagten geführt habe.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.06.2003 teilweise aufzuheben
und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit Rechtsausführungen und meint
insbesondere, das Betriebsrisiko sei trotz der relativen Freiheit bei der Bewirtschaftung
des Kiosk durch die Arbeitnehmerin M bei der Beklagten als Arbeitgeberin verblieben.
Die tarifvertragliche Verfallfrist könne nicht zum Tragen kommen, da einer Anwendung
die Anerkenntniswirkung der Insolvenzgeldbescheinigung entgegenstehe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des erst- und zweitinstanzlichen Vorbringens der
Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten
Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I.
formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG,
519, 520 ZPO).
22
II.
keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vergütung in Höhe von 2.862,78
EUR. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die frühere Arbeitnehmerin M gegen die
Beklagte Vergütungsansprüche für den geltend gemachten Zeitraum gegen die
Beklagte hatte, die auf Grund des gesetzlichen Forderungsübergangs auf die Klägerin
übergegangen sind, denn jegliche möglichen Ansprüche sind auf Grund der
eingreifenden tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.
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1. Die tarifliche Verfallklausel des § 24 des Manteltarifvertrages zwischen dem
Einzelhandelsverband Nordrhein und der Gewerkschaft Handel, Banken und
Versicherungen sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (MTV) findet auf die
streitgegenständlichen Vergütungsansprüche Anwendung. Der MTV gilt kraft
Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs. 4 TVG für das Arbeitsverhältnis
zwischen der Arbeitnehmerin M und der Beklagten. Die tarifliche Ausschlussfrist gilt
auch für die Klägerin, die die vermeintlichen Vergütungsansprüche der Arbeitnehmerin
Mordmüller aus übergegangenem Recht geltend macht. Denn tarifliche
Ausschlussfristen gelten auch uneingeschränkt für den Rechtsnachfolger, auf den ein
Anspruch kraft Gesetzes übergegangen ist, wie sich aus §§ 404, 412 BGB ergibt (vgl.
Wiedemann/Wank, TVG, 6. Auflage, § 4 Rz. 759; Däubler/Zwanziger, TVG, § 4 Rz.
1107; BAG, Urteil vom 08.06.1983 - 5 AZR 632/80 - AP Nr. 78 zu § 4 TVG
Ausschlussfristen; BAG, Urteil vom 10.07.1991 - 5 AZR 382/90 -).
24
Soweit das LAG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 15.02.2001 (- 5 Sa 380/00) tarifliche
Ausschlussfristen auf einen wegen Zahlung von Konkursausfallgeld übergegangenen
Vergütungsanspruch nicht angewandt hat, kann dahingestellt bleiben, ob dieser
Rechtsprechung zu folgen ist, denn der dieser Entscheidung zu Grunde liegende
Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall in tatsächlicher Hinsicht nicht vergleichbar.
Das LAG Schleswig-Holstein hat in der vorgenannten Entscheidung im Wesentlichen
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Das LAG Schleswig-Holstein hat in der vorgenannten Entscheidung im Wesentlichen
unter Bezugnahme auf die vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 08.06.1983 (- 5 AZR
632/80 - AP Nr. 78 zu § 4 TVG Ausschlussfristen) geäußerten Bedenken eine
Anwendung von tariflichen Ausschlussfristen generell für den Fall verneint, dass ein
Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen wegen offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit
die in der Höhe nicht zweifelhaften Ansprüche sämtlicher Arbeitnehmer nicht erfüllt,
sondern die Entgeltzahlungen insgesamt einstellt. Unabhängig vom
Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit soll in einem solchen Fall
offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit die Forderung nach einer weiteren förmlichen
Geltendmachung der Forderung eine bloße überflüssige Förmelei darstellen.
Der Sachverhalt im vorliegenden Fall liegt anders. Die Beklagte betreibt kein größeres
Unternehmen, sondern hat in dem Kiosk lediglich Frau M als einzige Arbeitnehmerin
beschäftigt. Die Einstellung der Vergütungszahlung erfolgte auch nicht wegen
offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit, sondern weil der Kiosk nach dem Einbruch am
08./09.07.2000 zunächst nicht weiter betrieben wurde und die Arbeitnehmerin
Mordmüller keine Arbeitsleistung erbrachte. Die Beklagte war und ist der Auffassung,
die Arbeitnehmerin M habe auf Grund der besonders freien Ausgestaltung des
Arbeitsverhältnisses selbst aktiv werden und zu einer bald möglichen Wiedereröffnung
des Kiosks intensiv mit beitragen müssen. Dementsprechend hatte sie auch im
vorliegenden Rechtsstreit die Vergütungsansprüche insbesondere dem Grunde nach
bestritten und sich lediglich in zweiter Linie auf die tarifliche Ausschlussfrist berufen.
Allein auf Grund des seit Februar 2000 laufenden Insolvenzantragsverfahrens bestand
für die streitgegenständlichen Vergütungsansprüche des Zeitraums Juli bis Mitte
September 2000 nach allem jedenfalls keine offensichtliche Zahlungsunfähigkeit der
Beklagten, die eine tarifliche Geltendmachung überflüssig gemacht haben könnte.
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2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 MTV liegen vor. Nach dieser
Vorschrift verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens sechs Monate nach
Fälligkeit, sofern sie nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht worden sind.
Unstreitig ist eine schriftliche Geltendmachung der streitgegenständlichen
Entgeltansprüche erstmalig mit dem am 28.10.2002 der Beklagten zugestellten
Mahnbescheid erfolgt. Die sechsmonatige Verfallfrist des § 24 MTV ist demnach nicht
eingehalten worden. Die Vergütungsansprüche sind insgesamt verfristet.
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3. Dem Eingreifen der tariflichen Verfallklausel des § 24 MTV steht auch die vom
Betreuer der Beklagten am 11.03.2001 ausgestellte Insolvenzgeldbescheinigung nicht
entgegen. Zwar wird einer derartigen Insolvenzgeldbescheinigung in Rechtsprechung
und Schrifttum ganz überwiegend Anerkenntnischarakter beigemessen (BAG, Urteil
vom 01.12.1982 - 5 AZR 491/80 -; BAG, Urteil vom 10.07.1991 - 5 AZR 382/90 -;
Gagel/Peters-Lange, SGB III, § 314 Rz. 11; Hennig/Estelmann, SGB III, § 314 Rz. 26;
GK-SGB III/Hess, § 314 Rz. 7). Jedoch hat die tarifliche Ausschlussfrist selbst bei
Anwendung dieses Grundsatzes im vorliegenden Fall aus zwei Gründen gleichwohl
Geltung.
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Dies gilt zunächst für den vermeintlichen Vergütungsanspruch der Arbeitnehmerin M ,
der den Zeitraum vom 01.07.2000 bis 31.08.2000 betrifft. Auf Grund der tariflich
festgelegten Fälligkeit der Vergütung am Schluss des Kalendermonats (§ 10 Abs. 7
MTV) hätten diese Vergütungsansprüche bis spätestens 31.01. bzw. 28.02.2001
schriftlich geltend gemacht werden müssen. Dies ist unstreitig nicht erfolgt. Die der
Klägerin am 16.03.2001 zugegangene Insolvenzgeldbescheinigung vom 11.03.2001
konnte den Verfall dieser Ansprüche nicht verhindern. Denn selbst bei einer
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unterstellten Anerkenntniswirkung der Insolvenzgeldbescheinigung können durch ein
derartiges Anerkenntnis jedenfalls keine bereits verfallenen Ansprüche neu begründet
werden. Als bloße Wissenserklärung kann der Insolvenzgeldbescheinigung keine
konstitutive Wirkung in Bezug auf den Arbeitsentgeltanspruch zukommen (LAG
München, Urteil vom 21.12.1988 - 7 Sa 637/88 - NZA 1989, 320; LAG Schleswig-
Holstein, Urteil vom 15.02.2001 - 5 Sa 380/00 -; Gagel/Peters-Lange, a.a.O., § 187 Rz.
14).
Die Verdienstbescheinigung vom 11.03.2001 hat schließlich auch nicht den tariflichen
Verfall der Vergütungsansprüche der Arbeitnehmerin M für den Zeitraum vom 01. bis
15.09.2000 verhindern können. Zum einen hat die Kammer bereits rechtliche Bedenken
am grundsätzlichen Anerkenntnischarakter einer Verdienstbescheinigung nach § 314
SGB III. Denn die Einordnung einer derartigen Bescheinigung als bloße
Wissenserklärung lässt zumindest Zweifel an einer weitreichenden
Anerkenntniswirkung aufkommen.
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Doch selbst wenn man auf der Grundlage der bislang ganz herrschenden Meinung von
einem grundsätzlichen Anerkenntnischarakter der Verdienstbescheinigung ausgeht, ist
ein solcher im vorliegenden Fall auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles
zu verneinen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Insolvenzgeldbescheinigung
nicht von der Beklagten selbst, sondern von ihrem Betreuer abgegeben worden ist.
Dieser hat zudem in dem an das Arbeitsamt K gerichteten Anschreiben ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass er die Bescheinigung nicht auf der Grundlage von
persönlichen Angaben der Beklagten ausfüllen konnte, sondern vielmehr auf Angaben
einer dritten Person, nämlich Frau C , angewiesen war. Hierbei handelt es sich um die
Mutter der Arbeitnehmerin M , die ihre Tochter seinerzeit in der damals noch
bestehenden Funktion als Betreuerin der Beklagten selbst eingestellt hatte. Der
vorgenannte Hinweis des Betreuers der Beklagten lässt erkennen, dass er die
Bescheinigung lediglich nach "bestem Wissen" ausgefüllt hat. Eine ausreichend
gesicherte Erkenntnis, die für die Abgabe eines Anerkenntnisses erforderlich gewesen
wäre, lag damit offensichtlich nicht vor. Im Gegenteil macht die Formulierung deutlich,
dass der Betreuer bezüglich der Richtigkeit der Angaben selbst im Zweifel war.
Andererseits befand er sich als Betreuer der Beklagten in der Arbeitgeberfunktion und
war als solcher gemäß § 316 SGB III zur Erteilung der Insolvenzgeldbescheinigung
verpflichtet. Dies gilt um so mehr, als das Arbeitsamt auf das Eingreifen der
Bußgeldvorschrift des § 404 Abs. 2 Nr. 22 SGB III ausdrücklich hingewiesen hatte. Um
nicht bußgeldpflichtig zu werden, blieb dem Betreuer der Beklagten daher nichts
anderes übrig, als die Insolvenzgeldbescheinigung auszufüllen und auf mögliche
Bedenken bezüglich des Inhaltes - wie geschehen - hinzuweisen. In einer solchen
Situation wird mit der Angabe des einer Arbeitnehmerin noch zustehenden
Nettoarbeitsentgelts dieses nicht im Rechtssinne anerkannt. Denn unter einem
Anerkenntnis kann nur ein Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger zu
verstehen sein, aus dem sich klar und unzweideutig ergibt, dass dem Schuldner das
Bestehen der Schuld bewusst ist (BAG, Urteil vom 01.12.1982 - 5 AZR 491/80 -; BGH,
NJW-RR 1994, 373; Parlandt-Heinrichs, BGB, 62. Auflage, § 212 Rz. 2). Hieran fehlt es
im vorliegenden Fall.
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III.
wegen des tariflichen Verfalls der geltend gemachten Vergütungsansprüche insgesamt
abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Danach hat die Klägerin als
unterliegende Partei die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die gesetzlichen
Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
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(Dr. Kreitner) (Tesch) (Reusch)
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