Urteil des LAG Köln vom 17.07.2007

LArbG Köln: arbeitsbedingungen, vernehmung von zeugen, kündigung, betriebsrat, freiwillige leistung, sanierungsplan, arbeitsgericht, anteil, vergütung, umgestaltung

Landesarbeitsgericht Köln, 9 Sa 293/07
Datum:
17.07.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Sa 293/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegburg, 6 Ca 2199/06
Schlagworte:
Änderungskündigung; Bestimmtheit; Schriftformerfordernis;
Entgeltreduzierung; Sanierungskonzept; Verhältnismäßigkeitsprinzip
Normen:
§§ 145, 623 BGB, §§ 1, 2 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Spricht ein Arbeitgeber zum gleichen Zeitpunkt fünf
Änderungskündigungen, mit denen gemeinsam ein bestimmtes
Einsparvolumen bei den Personalkosten durch Entgeltreduzierungen -
u. a. bei Stundenlohn, Zuschlägen, Gratifikationen - erreicht werden soll,
gegenüber jedem Arbeitnehmer aus, so genügt er dem
Bestimmtheitserfordernis im Sinne von § 145 BGB, wenn in jedem
Kündigungsschreiben darauf hingewiesen wird, dass neben der darin
erklärten Änderungskündigung noch weitere vier
Änderungskündigungen erfolgen.
2. Soweit aufgrund des Schriftformerfordernisses nach § 623 BGB der
Zusammenhang aller fünf Änderungen in den Kündigungsschreiben
zum Ausdruck gebracht werden muss, wird dem durch die
Nummerierung der Kündigungen und den Hinweis in jedem
Kündigungsschreiben auf die vier weiteren Änderungskündigungen
Genüge getan.
3. Strebt der Arbeitgeber mit einer dieser Änderungskündigungen eine
Vereinheitlichung der wöchentlichen Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer
an, so muss er zur Darlegung der sozialen Rechtfertigung dieser
Kündigung dartun, inwiefern die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit
bei einem Teil der Arbeitnehmer und die gleichzeitige Verkürzung bei
anderen Arbeitnehmern dem prognostizierten künftigen
Beschäftigungsbedarf entspricht. Allein mit einer „positiven Auswirkung
auf das Betriebsklima“ kann die Veränderung der Arbeitszeit nicht
gerechtfertigt werden.
4. Zudem muss er darlegen, inwiefern er sich bei den mit der
Veränderung der Arbeitszeit verbundenen Entgeltreduzierungen auf das
beschränkt hat, was zur Vermeidung einer – teilweisen –
Betriebsstilllegung erforderlich ist. Dabei können weder die Zustimmung
des Betriebsrats noch des weit überwiegenden Teils der Belegschaft
(hier: 93 %) als ein aussagekräftiger Umstand dafür gelten, dass die
angebotenen Änderungen zur Sanierung des Betriebes notwendig sind.
5. Zum Inhalt eines im Kündigungsschutzprozess vorgelegten, vom
Arbeitgeber selbst erstellten Sanierungskonzept gehört es, jede Ertrags-
und Kostenposition zu erläutern.
6. Es liegt ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor,
wenn der Arbeitgeber gleichzeitig fünf gesonderte
Änderungskündigungen gegenüber jedem Arbeitnehmer ausspricht, mit
denen er gemeinsam ein bestimmtes Einsparvolumen bei den
Personalkosten erreichen will.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Siegburg vom 22.11.2006 AZ:
- 6 Ca 2199/06 G – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von insgesamt 4 Änderungskündigungen
vom 26. Juli 2006.
2
Der Kläger, geboren am 6. Oktober 1954, verheiratet, gegenüber 1 Kind
unterhaltsverpflichtet, ist bei der Beklagten seit dem 17. Februar 1992 als Transporter in
der Abteilung Tiefziehen im Dreischichtbetrieb beschäftigt. Seine monatliche
Bruttovergütung einschließlich freiwilliger Zulagen und Prämie betrug zuletzt EUR
1.844,41.
3
Die Beklagte, deren Komplementärin die J K -B -GmbH aus B ist, entwickelt und stellt
Kunststoffverpackungen her, insbesondere für Molkereiprodukte, Fertiggerichte, Eis,
Süßwaren und Feinkost. In ihrem Betrieb in B waren zum Zeitpunkt des
Kündigungsausspruchs 271 Arbeitnehmer beschäftigt, davon 196 Arbeiter und 75
Angestellte. Sie ist im Jahr 2001 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten. Der zum
Zeitpunkt des Austritts geltende Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in
der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie in der Fassung vom 1.
Januar 1997 ist zum 31. Dezember 2004 ausgelaufen.
4
Unter dem 24. Juli 2006 erstellte die Beklagte einen Sanierungsplan, in dem es heißt,
operativ seien bis auf das Kalenderjahr 2004 Verluste erzielt worden. Es seien jedes
Jahr Erhaltungsinvestitionen in Höhe von etwa EUR 1,0 Millionen notwendig. Sie – die
Beklagte - müsse Bankkredite in Höhe von EUR 9,0 bis 10,0 Millionen voll ausschöpfen.
Sämtliche Forderungen seien an die Kreditinstitute abgetreten. Die gesamten
5
Warenbestände seien an sie verpfändet. Das Betriebsgrundstück sei voll belastet. Da
sie – die Beklagte - über keine weiteren Sicherheiten verfüge, erhalte sie keine weiteren
Kredite. Den größten Anteil an den Kosten hätten die Materialkosten sowie die
Personalkosten. Der Anteil der Material- einschließlich Energiekosten sei von 43,7 % im
Jahr 1999 auf 53,3 % im Jahr 2005 angestiegen. Mit einem weiteren erheblichen
Anstieg der Materialkosten und der Energiekosten sei in dem Geschäftsjahr 2006 auf
53,5 % und in den Geschäftsjahren 2007 und 2008 auf 54,7 % zu rechnen. Dabei habe
sie eine Erhöhung der Stromkosten im Jahr 2007 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 31
% einplanen müssen, was allein eine Mehrbelastung von EUR 478.000,00 ergebe. Der
Anteil der Personalkosten sei von 33,4 % im Jahr 2002 auf 28,1 % im Jahr 2005
gesunken und werde voraussichtlich im Jahr 2006 28,3 % betragen, um dann in den
Jahren 2007 auf 27,0 % und 2008 auf 26,9 % weiter abzusinken. Er liege aber weiterhin
erheblich über dem Durchschnittswert von 20 % bei vergleichbaren Betrieben. Zur
Sicherung des Fortbestandes des Betriebes, insbesondere zur Vermeidung einer
Stilllegung der Tiefziehlinie mit 60 Beschäftigten, müssten die Personalkosten gesenkt
werden, zumal dies auch von den Banken, bei denen sie Kredite aufgenommen habe,
vorgegeben worden sei und der eingeräumte Kreditrahmen ausgeschöpft sei. Ihre
Tochtergesellschaften in E und in P seien nicht in der Lage, sie als Muttergesellschaft
finanziell zu unterstützen.
Der Sanierungsplan sieht insgesamt 5 Personalmaßnahmen vor, und zwar die
Änderung der Arbeitszeitdauer ohne Lohnausgleich, die Kürzung bzw. den Wegfall von
Spätzulagen, Sonntags- und Feiertagszulagen, den Wegfall von
Überstundenzuschlägen sowie die Ausgestaltung des Urlaubsgeldes und der
Jahressonderzahlung als erfolgsabhängige Vergütung.
6
Danach soll die Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer künftig 37,5 Stunden pro Woche
betragen. Für die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter galt bisher eine 35-
Stunden-Woche. Hingegen hatte die Beklagte im Jahr 2002 mit den nicht organisierten
Arbeitnehmern im Rahmen eines Bündnisses für Arbeit die Wochenarbeitszeit von 35
Stunden auf 40 Stunden angehoben. Die Beklagte ist der Ansicht, die Vereinheitlichung
der Arbeitszeit bei gewerkschaftlich organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern
werde neben dem Einspareffekt auch positive Auswirkungen auf das Betriebsklima
haben.
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Das bislang in Höhe von 2,3 % des regelmäßigen Bruttomonatslohns pro Urlaubstag
gezahlte Urlaubsgeld soll künftig erfolgsabhängig gezahlt werden und dabei auf
maximal 50 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns begrenzt werden. Danach soll
Urlaubsgeld nur bei einem positiven operativen Ergebnis zu zahlen sein. Die Beklagte
soll bezogen auf die Gesamtbelegschaft zusammen für Urlaubsgeld und
Jahressonderzahlung bis zu 30 % des operativen Ergebnisses einsetzen und zu einer
anteiligen Kürzung berechtigt sein, wenn der einzusetzende Betrag nicht ausreicht.
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Die bislang in Höhe von 95 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns gezahlte
Jahressonderzahlung soll künftig in Höhe von maximal 100 % eines regelmäßigen
Bruttomonatslohns entstehen, wobei die genaue Höhe, ebenso wie beim Urlaubsgeld,
vom operativen Ergebnis abhängig ist.
9
Nach dem Sanierungskonzept sollen sich die Personalkosten im Jahr 2006 um etwa
EUR 808.000,00, im Jahr 2007 um etwa EUR 969.000,00 und im Jahr 2008 um etwa
EUR 969.000,00 reduzieren. Im Einzelnen soll die Änderung der Arbeitszeit ohne
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Lohnausgleich zu Einsparungen in Höhe von EUR 76.726,00 im Jahr 2006 und von
jeweils EUR 112.721,00 in den Jahren 2007 und 2008 führen. Die Kürzung bzw. der
Wegfall von Spätzulagen sowie von Sonntags- und Feiertagszulagen soll Einsparungen
in Höhe von EUR 89.452,00 im Jahr 2006 und von jeweils EUR 100.376,00 in den
Jahren 2007 und 2008 zur Folge haben. Der Wegfall der Überstundenzuschläge soll
Einsparungen in Höhe von jeweils EUR 36.453,00 in den Jahren 2006 bis 2008 zur
Folge haben. Die Umgestaltung des Urlaubsgeldes soll zu einer Reduzierung der
Kosten in Höhe von EUR 174.437,00 im Jahr 2006 und von jeweils EUR 307.411,00 in
den Jahren 2007 und 2008 führen. Schließlich soll die Umgestaltung der
Jahressonderzahlung zu Einsparungen in Höhe von EUR 304.787,00 im Jahr 2006 und
von jeweils EUR 260.760,00 in den Jahren 2007 und 2008 führen. Das operative
Ergebnis soll sich im Jahr 2006 negativ in Höhe von EUR 1.023.000,00, im Jahr 2007
negativ in Höhe von EUR 440.000,00 und im Jahr 2008 positiv in Höhe von EUR
119.000,00 darstellen.
Den Sanierungsmaßnahmen haben 93 % aller Beschäftigten zugestimmt und mit der
Beklagten entsprechende Änderungen ihrer Arbeitsverträge vereinbart, nachdem die
Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat Einvernehmen über die Kürzungen
erzielt hatte und einen "Rahmenvertrag zur 37,5 Stundenwoche – Änderung der
einzelvertraglichen Regelungen" am 7. April 2006 (Bl. 214 – 216 in dem Verfahren 9 Sa
37/07) abgeschlossen hatte, der später noch modifiziert worden war. Gegenüber den
Mitarbeitern, die nicht ihr Einverständnis erklärt haben, hat die Beklagte ordentliche
Änderungskündigungen ausgesprochen, wobei sie für jede Änderung eine gesonderte
Kündigung erklärte. In jedem Schreiben heißt es, das Arbeitsverhältnis werde ordentlich
gekündigt und gleichzeitig werde die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer der
genannten Änderungen (z. B. Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich) angeboten.
Weiter wird ausgeführt, die sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen blieben unverändert.
Der Arbeitnehmer erhalte allerdings weitere 4 bzw. 3 Änderungskündigungen.
11
Mit Schreiben vom 24. Juli 2006 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die
beabsichtigten Änderungskündigungen. Der Betriebsrat teilte unter dem 25. Juli 2006
mit, er stimme den Kündigungen zu.
12
Die Beklagte erstattete unter dem 25. Juli 2006 bei der Bundesagentur für Arbeit eine
Massenentlassungsanzeige.
13
Der Kläger hat alle in den 4 Änderungskündigungen enthaltenen Änderungsangebote
unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Überprüfung angenommen.
14
Mit der vorliegenden Klage, die am 16. August 2006 beim Arbeitsgericht Siegburg
eingegangen ist, wendet sich der Kläger gegen die Änderung seiner
Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigungen.
15
Er ist der Ansicht, die Kündigungen seien unklar und unbestimmt. Insbesondere bleibe
offen, was gelten solle, wenn einige Änderungen vorbehaltlos angenommen, andere
unter Vorbehalt angenommen und andere abgelehnt werden sollten. Die Beklagte habe
zudem ihn und andere Arbeitnehmer, zum Teil ausländischer Herkunft, unnötig der
Gefahr ausgesetzt, durch eine fehlerhafte oder unvollständige Kündigungsschutzklage
ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
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Zudem sei die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial gerechtfertigt. Er bestreitet
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die Richtigkeit der Angaben in dem Sanierungsplan über die Kostenstruktur und die
künftige Entwicklung der Kosten, insbesondere auch hinsichtlich der Material- und
Energiekosten. Durch die Änderungen reduziere sich die monatliche Bruttovergütung
der Arbeitnehmer im Durchschnitt um EUR 248,46 im Jahr 2006 und um EUR 297,97 in
den Jahren 2007 und 2008. Er meint, auch ohne die mit den Kündigungen angestrebten
Änderungen bei den Personalkosten werde die Beklagte im Jahr 2008 ein positives
Betriebsergebnis erzielen. Mit dem Bestreben, die Arbeitszeit bei allen Arbeitnehmern
zu vereinheitlichen, könne die Änderungskündigung, die eine Änderung der Arbeitszeit
ohne Lohnausgleich zur Folge haben solle, nicht gerechtfertigt werden. Im Übrigen
handle die Beklagte widersprüchlich, wenn sie einerseits geltend mache, eine
Sanierung sei nur durch alle Änderungen zu erreichen, andererseits aber für jede
Änderung eine gesonderte Kündigung erkläre, um zumindest einen Teil der
Änderungen durchzusetzen.
Er rügt, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß vor Ausspruch der
Änderungskündigungen angehört worden. Er habe davon ausgehen müssen, dass
gegenüber jedem Arbeitnehmer nur eine Kündigung mit einem alle Änderungen
beinhaltenden Angebot auf Fortführung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen
werden solle. Zudem sei der Betriebsrat nicht hinreichend über das Sanierungskonzept
unterrichtet gewesen.
18
Auch sei die Massenentlassungsanzeige nicht wirksam erstattet worden, da darin
angegeben worden sei, es würden 26 Kündigungen gegenüber 26 Arbeitnehmer erklärt.
Tatsächlich seien 4 bzw. 5 Änderungskündigungen pro Arbeitnehmer ausgesprochen
worden.
19
Der Kläger hat beantragt,
20
1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die
Änderungskündigung vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 1, Änderung
der regelmäßigen Wochenarbeitszeit) sozial ungerechtfertigt ist,
21
22
2. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die
Änderungskündigung vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 2, Änderung
der Spät-, Sonntags- und Feiertagszulagen) sozial ungerechtfertigt ist,
23
24
3. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die
Änderungskündigung vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 3, Änderung
des Urlaubsgeldes) sozial ungerechtfertigt ist,
25
26
4. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die
Änderungskündigung vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 4, Wegfall der
Überstundenzuschläge) sozial ungerechtfertigt ist.
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Die Beklagte hat beantragt,
29
die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, die Änderungskündigungen seien weder unklar noch unbestimmt.
Sie habe für jede Änderung eine gesonderte Kündigung erklärt, um dem Umstand
Rechnung zu tragen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine
Änderungskündigung mit mehreren Änderungsmaßnahmen bereits dann unwirksam sei,
wenn nur eine dieser Änderungsmaßnahmen nicht sozial gerechtfertigt sei. Für den
Kläger und die anderen Arbeitnehmer sei durch den Hinweis in jedem
Kündigungsschreiben auf die weiteren Änderungskündigungen erkennbar gewesen,
dass nur bei Annahme aller Änderungsmaßnahmen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt
werde.
31
Die Änderungen der Arbeitsbedingungen seien ausweislich des Sanierungsplans zur
Sicherung des Fortbestandes des Betriebes erforderlich und damit sozial gerechtfertigt.
Insbesondere bestünden keine anderen Einsparmöglichkeiten, da weder niedrigere
Einkaufspreise noch höhere Verkaufspreise am Markt durchgesetzt werden könnten und
weitere Kredite von den Banken nicht gewährt würden. Sie müsse spätestens im
Geschäftsjahr 2008 ein positives operatives Ergebnis erzielen, um eine – teilweise –
Stilllegung des Produktionsbetriebes zu vermeiden, von dem insbesondere die
Mitarbeiter des Bereichs Tiefziehen betroffen wären.
32
Der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigungen ordnungsgemäß angehört worden.
Ihm sei durch das Sanierungskonzept und ein am 24. Juli 2006 geführtes Gespräch
bekannt gewesen, dass gegenüber den Arbeitnehmern 4 bzw. 5
Änderungskündigungen ausgesprochen werden sollten. Für den Betriebsrat habe die
Möglichkeit bestanden, zu jeder beabsichtigten Änderungskündigung eine
Stellungnahme abzugeben. Er habe sämtlichen Änderungskündigungen zugestimmt,
ohne dazu weiter auszuführen.
33
Die Massenentlassung sei ordnungsgemäß der Bundesagentur für Arbeit angezeigt
worden, da es nach § 17 KSchG nur auf die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer
ankomme, dagegen nicht auf die Anzahl der gegenüber diesen erklärten
Änderungskündigungen.
34
Das Arbeitsgericht Siegburg hat durch Urteil vom 22. November 2006 den
Änderungsschutzklagen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, aus dem
Vorbringen der Beklagten ergebe sich nicht, dass die Änderungen der
35
Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt seien. Da die Beklagte auch bei einer
Durchführung des Sanierungskonzepts ihre Belegschaft um 14,3 % reduzieren wolle,
könne keine Rede davon sei, die Maßnahmen dienten zur Vermeidung eines
Personalabbaus. Im Übrigen habe die Beklagte bereits die erforderlichen Einsparungen
dadurch realisiert, dass 93 % der Arbeitnehmer den Änderungen freiwillig zugestimmt
hätten. Auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz könne nicht begründet werden, dass
gegenüber den restlichen 7 % der Arbeitnehmer die Einschnitte durch
Änderungskündigungen ebenfalls durchgesetzt werden müssten. Schließlich strebe die
Beklagte auf Dauer die Änderungen an, obwohl nach ihrem eigenen Sanierungsplan
bereits ab dem Jahr 2008 wieder ein positives Ergebnis zu erwarten sei.
Das Urteil ist der Beklagten am 14. Dezember 2006 zugestellt worden. Sie hat
hiergegen am 12. Januar 2007 Berufung einlegen und diese am 13. Februar 2007
begründen lassen.
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Die Beklagte verweist auf ihr Sanierungskonzept. Die Belegschaft werde ohne
Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen um 14,3 % durch Pensionierungen und
Altersteilzeitregelungen abgebaut. Die sich dadurch ergebende Kostenersparnis sei in
die Ergebnisberechnungen für die Jahre 2006 bis 2008 einbezogen worden. Sie ändere
nichts an der Erforderlichkeit der anderen Einsparmaßnahmen. Zum Zeitpunkt des
Ausspruchs der Kündigungen hätten nur etwa 80 % aller Mitarbeiter den damals
vorgeschlagenen Änderungen zugestimmt. Erst nach weiteren Zugeständnissen, die bei
den Änderungskündigungen berücksichtigt worden seien, habe sich ein Anteil von 93 %
der Belegschaft ergeben, der freiwillig zugestimmt habe. Es gehe nicht an, ohne
sachlichen Grund 7 % der Mitarbeiter von den Kürzungen auszunehmen, nur weil sie
nicht freiwillig damit einverstanden seien. Sie sei berechtigt gewesen, die Änderungen
auf Dauer anzustreben, weil sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen keine
verlässliche Ertragsprognose für die Zeit nach 2008 habe stellen können. Die
Entwicklung der Material- und Energiepreise, aber auch der Auftragslage und
Wettbewerbssituation sei ungewiss. Im Übrigen werde eine positive Ertragslage durch
die erfolgsabhängige Ausgestaltung des Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung
auch den Arbeitnehmern zugute kommen. Vorsorglich habe sie am 19. Dezember 2006
erneut Änderungskündigungen gegenüber dem Kläger erklärt, nach denen die
Änderungen befristet bis zum 31. Dezember 2008 und danach wieder die bisherigen
Arbeitsbedingungen gelten sollten.
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Die Beklagte beantragt,
38
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 22. November
2006 – 6 Ca 2199/06 G – die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
40
die Berufung zurückzuweisen.
41
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das erstinstanzliche
Urteil.
42
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den
Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
43
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
44
I. Die Berufung ist zulässig.
45
Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1
ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
46
II. Die Berufung ist aber nicht begründet.
47
Zutreffend hat das Arbeitsgericht Siegburg den Änderungsschutzklagen stattgegeben.
48
Der Kläger ist länger als 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt (§ 1 Abs. 1 KSchG): Für
die Beklagte sind in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer tätig (§ 23 Abs. 1 KSchG). Da
der Kläger auch binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigungen
Kündigungsschutzklage erhoben hat (§ 4 S. 1 KSchG), sind sie darauf zu überprüfen, ob
die Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen
Gründen rechtsunwirksam sind.
49
1. Die Änderungskündigungen sind nicht bereits wegen Unbestimmtheit des
Änderungsangebots unwirksam.
50
Bei der Änderungskündigung kommt neben der Kündigungserklärung als zweites
Element ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten
Arbeitsbedingungen hinzu, das im Sinne von § 145 BGB eindeutig aus der Sicht des
Erklärungsempfängers bestimmt bzw. bestimmbar sein muss. Dem gekündigten
Arbeitnehmer muss ersichtlich sein, welche (wesentlichen) Arbeitsbedingungen künftig
gelten sollen. Dabei genügt eine "Bestimmbarkeit" des Angebots nach den Regeln der
§§ 133, 157 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 -). Aus
Gründen der Rechtssicherheit muss zweifelsfrei klargestellt sein, zu welchen neuen
Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitgebers
fortbestehen soll (vgl. BAG, Urteil vom 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 -). Ist das
Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar, so führt dies zur
Unwirksamkeit der Änderungskündigung (vgl. BAG, Urteil vom 16. September 2004 – 2
AZR 628/03 -).
51
In allen 4 Änderungskündigungsschreiben ist die jeweils angestrebte Vertragsänderung
eindeutig bezeichnet. Dies wird von den klagenden Parteien in den gleich gelagerten
Verfahren auch nicht beanstandet. Vielmehr wird gerügt, es sei nicht klargestellt worden,
dass nur bei Annahme aller 4 Änderungen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde. Es
bestehe ein Widerspruch zwischen der jeweils unter Ziff 2 der Änderungskündigungen
abgegebenen Erklärung, die sonstigen Arbeitsvertragsregelungen blieben unverändert,
und dem daran anschließenden Hinweis auf 3 weitere Änderungskündigungen, die die
klagende Partei gleichzeitig erhalte. Diesen Widerspruch sieht das Gericht nicht. Durch
die Nummerierung der Änderungskündigungen (Nr. 1 – Nr. 4) und den Hinweis in jedem
Kündigungsschreiben auf die weiteren Änderungskündigungen war hinreichend
deutlich, dass nach dem Willen der Beklagten das Arbeitsverhältnis nur mit allen 4
Änderungen fortgesetzt werden sollte.
52
2. Die Änderungskündigungen sind auch nicht wegen Verstoßes gegen das
Schriftformerfordernis nach § 623 BGB unwirksam.
53
Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB erstreckt sich nicht nur auf die Kündigung,
sondern auch auf das Änderungsangebot als deren Bestandteil. Es ist aber
ausreichend, wenn der Inhalt des Änderungsangebots im Kündigungsschreiben
hinreichenden Anklang gefunden hat. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände
dürfen berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des
Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder
andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat (vgl. BAG, Urteil vom 16. September 2004 –
2 AZR 628/03 -).
54
Soweit aufgrund des Schriftformerfordernisses der Zusammenhang aller 4 Änderungen
in den Kündigungsschreiben zum Ausdruck gebracht werden musste, ist dem Genüge
getan worden durch die Nummerierung der Kündigungen und den Hinweis auf die 4
weiteren Änderungskündigungen. Es reicht aus, wenn in jeder Urkunde jeweils Bezug
auf die ergänzenden Urkunden genommen worden ist (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 62.
Aufl., § 126 Rdn. 4).
55
3. Die Änderungen der Arbeitsbedingungen sind jedoch nicht sozial gerechtfertigt.
56
a. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung kann nur dann wirksam sein, wenn sich
der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat,
lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise
hinnehmen muss. Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das
Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen
Vertragsbedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der
Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder – wie hier – unter Vorbehalt
angenommen hat. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung
billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu
ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des
Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese
Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die
bisherige vertragliche Regelung, d. h.: Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht
weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des
angestrebten Zieles erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts, zuletzt: Urteil vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 -).
57
b. Besteht die vom Arbeitgeber angebotene Vertragsänderung allein in der Absenkung
der bisherigen Vergütung, so gelten nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts folgende Grundsätze: Eine betriebsbedingte
Änderungskündigung ist zulässig, wenn durch die Senkung der Personalkosten die
Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann
und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. Zu berücksichtigen ist,
dass der Arbeitgeber nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von
Leistung und Gegenleistung eingreift, wenn er die vereinbarte Vergütung reduziert. Die
Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die
Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist nur
dann begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen
Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen,
die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des
Betriebes führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden
Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigen Änderungskündigung
milderen Mittel ausschöpft. Als solche milderen Mittel können etwa
58
Rationalisierungsmaßnahmen und sonstige Einsparungen in Betracht kommen, wobei
auch die Sanierungsfähigkeit des Betriebes und eigene Sanierungsbeiträge des
Arbeitgebers bzw. Dritter (Banken) zu bewerten sind. Vom Arbeitgeber ist in diesem
Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebes, den Anteil der
Personalkosten, die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und
für die Arbeitnehmer darstellt und ferner darlegt, warum andere Maßnahmen nicht in
Betracht kommen (vgl. zuletzt: BAG, Urteil vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 -).
c. Die Änderungskündigung Nr. 1 betrifft eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit
ohne Lohnausgleich bzw. – wie im vorliegenden Fall - eine Verkürzung der
wöchentlichen Arbeitszeit unter ersatzlosem Wegfall von Zulagen.
59
aa. Die Beklagte strebt eine einheitliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden pro Woche für alle
Arbeitnehmer an. Zu diesem Zweck hat sie gegenüber Arbeitnehmern mit einer
bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden das Arbeitsverhältnis gekündigt
mit dem Angebot, künftig 37,5 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich zu arbeiten.
Gegenüber Arbeitnehmern, die im Rahmen eines früheren Bündnisses für Arbeit einer
Anhebung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden zugestimmt hatten, hat sie das
Arbeitsverhältnis gekündigt mit dem Angebot, künftig 37,5 Stunden pro Woche unter
Wegfall der bisherigen Zulagen für eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 37, 39 und 40
Stunden beschäftigt zu bleiben.
60
bb. Die Beklagte hat schon nicht dargetan, inwiefern die Erhöhung der wöchentlichen
Arbeitszeit bei einem Teil der Arbeitnehmer und die gleichzeitige Verkürzung der
wöchentlichen Arbeitszeit bei anderen Arbeitnehmern dem bei Ausspruch der
Kündigung prognostizierten künftigen Beschäftigungsbedarf entsprach. Eine derartige
Darlegung konnte nur dann entfallen, wenn für jede zu verrichtende Aufgabe im Betrieb
durch die Änderungskündigungen das Gesamtarbeitszeitvolumen der dafür
beschäftigten Arbeitnehmer sich nicht änderte, d.h. den Erhöhungen in gleichem
Umfang Verkürzungen gegenüberstanden. Darauf ist in der mündlichen Verhandlung
des Berufungsgerichts am 17. Juli 2007 hingewiesen worden. Es fehlen jegliche
Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Ausnahmekonstellation vorlag. Es ist nicht
einmal dargetan, dass vor Abschluss der Änderungsverträge und Ausspruch der
Kündigungen jeweils die Hälfte der Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit
von 40 Stunden und die andere Hälfte mit einer von 35 Stunden arbeiteten.
61
Eine Änderung der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ist aber nur dann sozial
gerechtfertigt, wenn sich der Bedarf an Arbeitsleistungen der geschuldeten Art
entsprechend geändert hat. Diese Änderung des Bedarfs kann sich aufgrund externer
Umstände wie Auftragssteigerungen oder Auftragsrückgang ergeben. Sie kann auch
aufgrund interner Umstände wie Rationalisierungsmaßnahmen oder organisatorische
Veränderungen bestehen (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 22. April 2004 – 2 AZR 385/03 -;
KR-Rost, 8. Aufl., § 2 KSchG Rdn. 112).
62
Dazu fehlt jeglicher Vortrag der Beklagten, obwohl bereits erstinstanzlich in einem Teil
der gleich gelagerten Verfahren die klagenden Parteien als Erwiderung auf das
Vorbringen der Beklagten ausdrücklich gerügt hatten, es fehle eine Darlegung,
"aufgrund welcher unternehmerischer Konzeption eine Arbeitszeiterhöhung erforderlich
sei." (z. B. Bl. 82 d. A. in dem Verfahren 9 Sa 37/07). In diesem Zusammenhang ist auch
zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Personal um 14,3 % durch Pensionierungen
und Altersteilzeitregelungen abgebaut hat und auch dies bei der Planung, wie das
63
Gesamtarbeitszeitvolumen bewältigt werden kann, einbeziehen muss.
cc. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass mit der von der Beklagten im
Sanierungsplan hervorgehobenen "positive Auswirkung auf das Betriebsklima" die
Veränderungen der Arbeitszeit nicht gerechtfertigt werden können. Das Berufen auf den
Gleichbehandlungsgrundsatz stellt für sich allein kein dringendes betriebliches
Bedürfnis für eine Änderungskündigung dar (vgl. BAG, Urteil vom 12. Januar 2006 – 2
AZR 126/05 - und vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 -; Bröhl in BB 2007, S. 437, 440 f.).
64
dd. Die Arbeitszeitänderung ohne Lohnausgleich durch die Änderungskündigung Nr. 1
ist aber auch deshalb als sozial ungerechtfertigt anzusehen, weil die Beklagte nicht
dargelegt hat, dass sie sich bei den Änderungen auf das beschränkt hat, was zur
Vermeidung einer - teilweisen – Betriebsstilllegung erforderlich ist.
65
aaa. Zunächst kann weder die Zustimmung des Betriebsrats noch des weit
überwiegenden Teils der Belegschaft als ein aussagekräftiger Umstand dafür gelten,
dass die angebotenen Änderungen zur Sanierung des Betriebes notwendig sind (so
aber Hromadka DB 2002, 1322, 1326). Dafür gibt es nach der derzeitigen Gesetzlage
keine Grundlage (vgl. dazu auch: BAG, Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 -).
66
bbb. Es kann allerdings auch nicht die Erforderlichkeit der Änderungen mit der
Begründung verneint werden, da bereits 93 % der Arbeitnehmer die Änderungen
freiwillig akzeptiert hätten, sei das Sanierungsziel bereits erreicht und es habe der
Änderungskündigungen gegenüber den verbleibenden 7 % der Arbeitnehmer nicht
bedurft. Dabei wird verkannt, dass nach dem Vorbringen der Beklagten die
vorgesehenen Kürzungen nur dann ausreichen, wenn sie bei allen Arbeitnehmern zum
Zuge kommen. Zum anderen wird die Beklagte nur dann ein Nachverhandeln des
Betriebsrats und der Arbeitnehmer, die zunächst zugestimmt hatten, vermeiden können,
wenn sie durch Änderungskündigungen versucht, die Arbeitsbedingungen auch der
Arbeitnehmer zu ändern, die nicht zugestimmt haben.
67
ccc. Auf die mit der Änderungskündigung Nr. 1 angestrebten Änderungen müssen
ebenso wie auf die Änderungen durch die weiteren Änderungskündigungen die hohen
Maßstäbe angewandt werden, die für Änderungskündigungen zur Entgeltsenkung
gelten. Es handelt sich um ganz gravierende unmittelbare Eingriffe in das gegenseitige
Leistungsverhältnis und nicht nur um eine bloße Anpassung vertraglicher
Nebenabreden, die nur Randbereiche berührt (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 27. März 2003
– 2 AZR 74/02 - ; KR-Rost, a.a.O., § 2 KSchG Rdn. 107 f.). Durch die Änderungen
werden Bruttomonatsverdienste ab EUR 1.673,00 um weit mehr als EUR 200,00 brutto
gesenkt, was bei den teilweise im 3-Schicht-Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern - nach
deren nachvollziehbaren Bekundungen in der Berufungsverhandlung - zu existenziellen
Sorgen geführt hat. Bereits in diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass eine
"Gegenleistung" in Form eines für einen bestimmten Zeitraum vereinbarten Verzichts
auf betriebsbedingte Kündigungen nicht Inhalt des mit dem Betriebsrat vereinbarten
"Rahmenvertrages zur 37,5 Stundenwoche – Änderung der einzelvertraglichen
Regelungen" vom 7. April 2006 ist, und eine solche auch nicht im Zusammenhang mit
den Änderungskündigungen zugesagt worden ist.
68
ddd. Die Beklagte hat, um die Erforderlichkeit der Änderungen darzulegen, ein von ihr
selbst erstelltes Sanierungskonzept vorgelegt.
69
Jedoch fehlt ein detaillierter Vortrag zur Reduzierung des Personalkostenaufwandes
durch die einzelnen Änderungen (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 27. September 2001 – 2
AZR 236/00 -). So ist weder für den Kläger noch für das Gericht nachvollziehbar
dargelegt worden, inwiefern sich durch die Erhöhung der Arbeitszeit ohne
Lohnausgleich bei einem Teil der Arbeitnehmer und die gleichzeitige Reduzierung der
Arbeitszeit bei anderen Arbeitnehmern unter Wegfall von Zulagen nur die von ihr
behaupteten Einspareffekte in den Jahren 2006 bis 2008 ergeben. Es ist nicht einmal
dargetan worden, bei wie vielen Arbeitnehmern eine Erhöhung und bei wie vielen eine
Reduzierung vorzunehmen war, geschweige denn wie sich bei jedem Arbeitnehmer die
Entgelteinsparung berechnet.
70
Festzuhalten ist auch, dass ausweislich der von der Beklagten für die Jahre 2006 bis
2008 vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen ohne die in den
Änderungskündigungen vorgesehenen Einschnitte die Personalkosten um fast 2 %
(bezogen auf die Gesamtkosten) sinken werden, nachdem sie sich bereits in den Jahren
2002 bis 2005 um 5,3 % verringert hatten. Dies mag auf den Abbau des
Personalbestandes um 14,3 % zurückzuführen sein. Zu berücksichtigen ist aber, dass
dieser Personalabbau einhergeht mit Umsatzerhöhungen und einem damit
verbundenen Anstieg des Arbeitsanfalls, der von den Arbeitnehmern ohnehin zu
bewältigen ist und bereits einen erheblichen Sanierungsbeitrag darstellt.
71
Der Reduzierung der Personalkosten stehen erhebliche Erhöhungen oder zumindest
ein Gleichstand bei den anderen Kostenpositionen gegenüber bis auf die Position
"Mieten, Lizenzen, Umlagen", die nach einer Erklärung der Beklagtenvertreter in der
Berufsverhandlung insbesondere Verpflichtungen aus Leasingverträgen hinsichtlich der
bei der Beklagten eingesetzten Produktionsmaschinen betrifft.
72
Zurecht ist in den gleich gelagerten Verfahren von klagenden Parteien gerügt worden,
dass die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen hat, inwiefern der ganz erhebliche
Anstieg der Material- und Stromkosten nicht an die Kunden weitergegeben werden
kann. Der Anstieg der Materialkosten für die Rohstoffe Polypropylen und Polystyrol trifft
ebenso wie ein Anstieg der Energiekosten nicht nur die Beklagte, sondern auch ihre
Mitbewerber, so dass der Hinweis auf den harten Wettbewerb in der
Verpackungsindustrie insoweit nicht überzeugen kann. Im Übrigen hat die Beklagte
auch in der Klageerwiderung eingeräumt, dass sie die erhöhten Materialkosten an die
Kunden "bedingt" und mit "Zeitverzug" weitergeben kann, wobei diese beiden
Einschränkungen aber nicht konkretisiert wurden.
73
Weiter ist zurecht gerügt worden, dass nicht nachvollziehbar ist, inwiefern jährlich
Erhaltungsinvestitionen in Höhe von etwa 1 Mio. EUR auch in einer vorübergehenden
schwierigen wirtschaftlichen Situation unbedingt getätigt werden müssen. In der
Berufungsverhandlung konnte der Hinweis auf die Notwendigkeit einer Erneuerung des
Maschinenparks nicht konkretisiert werden. Die sehr hohen Abschreibungsbeträge von
um die 1,8 Mio. EUR pro Jahr konnten ebenfalls nicht erläutert werden.
74
Aus dem vorgelegten Sanierungskonzept und den Gewinn- und Verlustrechnungen
ergibt sich zudem nicht, welchen Sanierungsbeitrag die Gesellschafter der Beklagten
und die Banken erbringen. In der Klageerwiderung werden die von den klagenden
Parteien nicht bestrittenen unternehmerischen Fähigkeiten des geschäftsführenden
Gesellschafters der Beklagten und dessen hoher persönlicher Einsatz hervorgehoben.
Ob damit auch das Einbringen von finanziellen Mitteln gemeint ist, bleibt unklar. Auch ist
75
nicht ausgeführt worden, ob der Beitrag der Banken mehr als in einem bloßen Stillhalten
durch Prolongation von bereits gewährten Krediten besteht.
Schließlich ist zu beanstanden, dass die Änderungen bei der Arbeitszeit ohne
Lohnausgleich auf Dauer gelten sollen, obwohl sie mit nur vorübergehenden
wirtschaftlichen Verlusten begründet werden (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 20. August
1998 – 2 AZR 84/98 – und vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 -; KR-Rost, a.a.O., § 2
KSchG Rdn. 107 c; Bröhl in BB 2007, S. 437, 441).
76
Zum Inhalt eines "umfassenden Sanierungsplans" , der "alle gegenüber der
beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft" (so bereits: BAG, Urteil
vom 20. August 1998 – 2 AZR 84/98 -), hätte es gehört, von vornherein zu allen hier
aufgeworfenen Fragen Erläuterungen zu geben, d. h. jede Ertrags- und Kostenposition
eingehend darzustellen. Es ist prozessual unzulässig, diese Punkte erst durch eine
Vernehmung von Zeugen zu klären, da eine solche Beweisaufnahme auf die
unzulässige Erhebung eines Ausforschungsbeweises hinausliefe (vgl. dazu: Thomas-
Putzo-Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 284 Rdn. 3).
77
Nach alledem ist die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung
Nr. 1 nicht sozial gerechtfertigt.
78
d. Die Änderungskündigung Nr. 2 betrifft den Wegfall von Spätzulagen und die
Reduzierung der Sonntags- und Feiertagszulagen und stellt sich damit ausschließlich
als Maßnahme zur dauerhaften Kostensenkung dar.
79
Auch sie ist als sozial ungerechtfertigt anzusehen, da die Unzulänglichkeit des
Sanierungskonzepts in gleicher Weise zum Tragen kommen muss.
80
e. Die Änderungskündigung Nr. 3 betrifft die Umgestaltung des Urlaubsgeldes als vom
Betriebsergebnis abhängiger Vergütungsbestandteil und stellt sich ebenfalls
ausschließlich als Maßnahme zur Kostensenkung dar.
81
Auch sie ist wegen der aufgezeigten Mängel des Sanierungskonzepts als sozial
ungerechtfertigt zu werten.
82
Soweit hier anders als bei den Änderungskündigungen Nr. 1 und 2 die angestrebte
Änderung nicht auf Dauer zum Wegfall des Anspruchs führen soll, ist auf Folgendes
hinzuweisen:
83
Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 –
ausgeführt, es spreche vieles dafür, dass die klagende Partei des dortigen Rechtsstreits
die Änderung der Vertragsbedingungen hinnehmen müsse, weil die beklagte Partei
dem Umstand, dass nur vorübergehende wirtschaftliche Verluste zu überwinden seien,
durch die Erfolgsabhängigkeit der Jahresvergütung Rechnung getragen habe, wobei
sogar eine höhere Vergütung als nach den alten Konditionen erzielt werden könne.
84
Im vorliegenden Verfahren hat es die Beklagte aber nicht nur bei der Umgestaltung des
Urlaubsgeldes von einer fixen Vergütung auf eine erfolgsabhängige belassen, sondern
durch die Begrenzung auf maximal 50 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns eine
Absenkung auf Dauer vornehmen wollen. Denn nach der bisherigen Regelung erhalten
die Arbeitnehmer pro Urlaubstag 2,3 % ihres regelmäßigen Bruttomonatslohns, was
85
bereits bei einem Urlaubsanspruch von 22 Tagen zu einem Anspruch führt, der höher ist
als 50 % des Bruttomonatslohns.
f. Die Änderungskündigung Nr. 4 betrifft den Wegfall der Überstundenzuschläge und
stellt sich damit ausschließlich als Maßnahme zur dauerhaften Kostensenkung dar.
86
Auch sie ist wegen der Unzulänglichkeiten des Sanierungskonzepts als sozial
ungerechtfertigt anzusehen.
87
g. Schließlich ist festzuhalten, dass die Beklagte gegenüber den Arbeitnehmern, die –
wie der Kläger - im Rahmen eines Bündnisses für Arbeit im Jahr 2002 einem
Änderungsvertrag zugestimmt hatten, keine Änderungskündigung hinsichtlich der
Jahressonderzahlung erklärt hat. Für sie gilt weiter die in dem damaligen
Änderungsvertrag vereinbarte Regelung, wonach eine Jahressonderzahlung in Höhe
von 100 % eines Monatslohns als freiwillige Leistung und ohne Rechtsanspruch
gewährt wird (vgl. Bl. 217 – 219 d. A. in dem Verfahren 9 Sa 37/07). Inwiefern dies mit
dem zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat vereinbarten "Rahmenvertrag zur
37,5 Stundenwoche – Änderung der einzelvertraglichen Regelungen" vereinbar ist,
wonach die Jahressonderzahlung erfolgsabhängig an alle Mitarbeiter gezahlt werden
soll, ist in den vorliegenden Verfahren nicht Streitgegenstand.
88
h. Unabhängig von den aufgezeigten Mängeln des Sanierungskonzepts hält die
Kammer die Änderungen der Arbeitsbedingungen aber auch deshalb für sozial
ungerechtfertigt, weil der Ausspruch von 4 gesonderten Änderungskündigungen gegen
das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstößt.
89
aa. Mit der Kündigung greift der Arbeitgeber in das Arbeitsverhältnis ein, das für den
Arbeitnehmer regelmäßig die Grundlage für seine Lebensgestaltung bedeutet. Wegen
dieses schwerwiegenden Eingriffs muss der Arbeitgeber in Beachtung des sozialen
Schutzprinzips auf die Interessen des gekündigten Arbeitnehmers soweit wie möglich
Rücksicht nehmen. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des
Übermaßverbots. Deshalb muss der Arbeitgeber, falls er kündigt, immer nur von dem
nach dem Sachverhalt mildesten, ihm noch zumutbaren Mittel Gebrauch machen. Die
Beachtung der Verhältnismäßigkeit ist Bestandteil der nach § 1 KSchG
vorzunehmenden Interessenabwägung. Die Missachtung ist darüber hinaus als
unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB zu berücksichtigen (vgl. KR-Griebeling,
a.a.O., § 1 KSchG Rdn. 214).
90
Auch die Änderungskündigung unterliegt – wie bereits ausgeführt – nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
(ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, zuletzt Urteil vom1. März 2007 –
2 AZR 580/05 -; KR-Rost, a.a.O., § 2 KSchG Rdn. 106 a; Bröhl in BB 2007, 437, 440).
Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht nur zu prüfen, ob es der Änderungen bedarf,
sondern auch, ob die vom Arbeitgeber gewählte Verfahrensweise zu beanstanden ist.
91
bb. Die Beklagte hat für jede Änderung eine gesonderte Kündigung erklärt, obwohl mit
allen ausschließlich ein Ziel erreicht werden soll, und zwar der Fortbestand des
Betriebes. Dieser soll nur dann gesichert sein, wenn die Änderungen gemeinsam
greifen.
92
Trotz dieses inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs hat sie nicht gegenüber jedem
93
Arbeitnehmer (nur) eine Kündigung mit dem Angebot auf Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bei Annahme aller 4 Änderungen ausgesprochen. Sie begründet
dies mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine
Änderungskündigung, durch die mehrere Vertragsbestimmungen abgeändert werden
sollen, insgesamt unwirksam ist, wenn auch nur eine der angestrebten Änderungen
nicht mit dringenden betrieblichen Erfordernissen begründet werden kann (vgl. BAG,
Urteil vom 6. März 1986 – 2 ABR 15/85 - BAGE 51, 200, 217, vom 23. Juni 2005 – 2
AZR 95/05- EzA Nr. 55 zu § 2 KSchG und vom 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 -;
Bröhl BB 2007, S. 437, 440).
Sie will erreichen, dass bei Unwirksamkeit einer der angestrebten Änderungen
jedenfalls die anderen Änderungen zum Zuge kommen.
94
Dabei übersieht sie, dass bei einer isolierten Betrachtung jeder Änderungskündigung
die Feststellung getroffen werden muss, dass mit ihr (allein) das erstrebte
Sanierungsziel nicht erreicht werden kann und sie daher nicht sozial gerechtfertigt sein
kann.
95
Zutreffend haben klagende Parteien in den gleich gelagerten Verfahren auf den sich
daraus ergebenden Widerspruch zu der Erklärung der Beklagten hingewiesen, nur bei
einer Realisierung sämtlicher Änderungen innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens
könne die Betriebsstilllegung vermieden werden. Die Erklärung der Beklagtenvertreter
in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, die Beklagte werde, wenn
nicht alle Änderungen durchgeführt werden könnten, im Jahr 2008 auf der Grundlage
der dann gegebenen Ergebnisse neu entscheiden, ob sie den Betrieb nicht – teilweise –
stilllege, löst diesen Widerspruch nicht auf. Vielmehr zeigt sie das hohe Risiko für die
Arbeitnehmer auf, trotz der Akzeptanz der Änderungen und der damit verbundenen
Einkommensverluste doch noch ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
96
cc. Zudem muss die Feststellung in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6.
März 1986 – 2 ABR 15/85 – BAGE 51, 200, 217, das Gericht könne bei einer mehrere
Vertragsänderungen beinhaltenden Änderungskündigung nicht in Anwendung des §
315 BGB die Änderung der Arbeitsbedingungen teilweise für wirksam erklären, auch
hier durchgreifen. Sofern das Gericht zu der Feststellung kommt, dass bereits geringere
Einsparungen bei den Personalkosten zur Sanierung ausreichen, kann es nicht in
Anwendung von § 315 BGB unter den mehreren Änderungskündigungen die
heraussuchen, die Bestand haben sollen, jedenfalls dann nicht, wenn – wie hier – die
Änderungsmaßnahmen nicht von vornherein in ein Rangverhältnis gestellt worden sind.
97
dd. Unabhängig davon, dass die von der Beklagten gewählte Verfahrensweise nicht
den von ihr angestrebten Erfolg haben kann, ist sie als Verstoß gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anzusehen, weil sie die Arbeitnehmer einem erhöhten
Risiko aussetzt, weit schwerwiegendere Nachteile zu erleiden als die
Entgeltreduzierung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch
Fehlinterpretationen der Kündigungsschreiben sowie durch Fehler bei der
Annahmeerklärung oder auch bei der Klageerhebung erhebliche Nachteile bis zum
Verlust des Arbeitsverhältnisses entstehen. Ein solcher Verlust tritt beispielsweise ein,
wenn ein Arbeitnehmer irrig meint, er brauche nur eine der vorgeschlagenen
Änderungen anzunehmen, diese erklärt und hinsichtlich der weiteren
Änderungskündigungen keine Kündigungsschutzklage erhebt. Er ergibt sich auch,
wenn ein Arbeitnehmer, der die Änderungen nicht akzeptiert, gegen eine der
98
Änderungskündigungen versehentlich keine Klage erhebt.
Nach alledem hat das Arbeitsgericht zurecht festgestellt, dass die Änderungen der
Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigungen sozial ungerechtfertigt sind.
99
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
100
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits, insbesondere hinsichtlich der
Anforderungen an das Sanierungskonzept und der von der Beklagten gewählten
Vorgehensweise mit gesonderten Änderungskündigungen für jede Vertragsänderung,
war die Revision zuzulassen.
101
Rechtsmittelbelehrung
102
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
103
R E V I S I O N
104
eingelegt werden.
105
Die Revision muss
106
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
107
schriftlich beim
108
Bundesarbeitsgericht
109
Hugo-Preuß-Platz 1
110
99084 Erfurt
111
Fax: (0361) 2636 - 2000
112
eingelegt werden.
113
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
114
Die Revisionsschrift muss von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
115
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
116
(Schwartz) (Gehrdt) (Klein)
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