Urteil des LAG Köln vom 11.05.2005

LArbG Köln: vertretung, befristung, zeitliche kongruenz, verfügung, arbeitsgericht, kausalität, mitbestimmung, kausalzusammenhang, anhörung, begriff

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 7 Sa 1629/04
11.05.2005
Landesarbeitsgericht Köln
7. Kammer
Urteil
7 Sa 1629/04
Arbeitsgericht Aachen, 1 Ca 252/03 h
Befristung, Justizverwaltung, Vertretung, mittelbare Vertretung, Kausalität,
Direktionsrecht, haushaltsrechtliche Befristung, KW - Vermerk
§ 7 III Landeshaushalts G, §§ 14 I Nr. 3 u. Nr. 7, 16, 23, TzBfG, § 21
BErzGG, § 12 BAT, SR 2 Y Nr. 1 c) BAT
Arbeitsrecht
1. Die für den Befristungsgrund der Vertretung notwendige Kausalität
zwischen dem zeitweiligen Ausfall der Stammkraft und der befristeten
Beschäftigung der Vertretung ist bei der sogenannten mittelbaren
Vertretung nur gewahrt, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich
die Möglichkeit gehabt hätte, den ausfallenden Mitarbeiter im Wege des
Direktionsrechts in den Arbeitsbereich des Vertreters umzusetzen.
2. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der Vertreter mit Aufgaben
betraut wird, die um zwei Vergütungsgruppen höher bewertet sind als die
arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten des zu Vertretenden.
3. Der haushaltsrechtliche Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG
liegt nicht schon dann vor, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer
aus Mitteln vergütet wird, die der Haushaltsgesetzgeber für die befristete
Beschäftigung von Aushilfsangestellten bereitgestellt hat. Vielmehr muss
der Angestellte auch „entsprechend beschäftigt“ werden, d.h. es müssen
die Voraussetzungen einer Beschäftigung als Aushilfsangestellter (SR 2
y Nr.1 c) BAT) tatsächlich erfüllt sein.
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitgerichts
Aachen vom 28.09.2004 in Sachen
1 Ca 252/03 h wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen – trotz des Abschlusses diverser lediglich
befristeter Arbeitsverträge – zwischenzeitlich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande
gekommen ist.
Die am 07.01.1977 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 01.09.1995 bis zum
03.07.1997 eine Ausbildung zur Justizangestellten. In der Zeit vom 04.07.1997 bis zum
30.06.2003 wurde sie sodann aufgrund neun verschiedener, allesamt befristeter
Arbeitsverträge beim Amtsgericht E beschäftigt. Wegen der Einzelheiten dieser
Arbeitsverträge wird auf die Aufstellung im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom
28.09.2004 sowie speziell auf den vollständigen Text des ersten Arbeitsvertrages vom
04.07.1997 (Bl. 8/9 d. A.), des Arbeitsvertrages vom 15.05.2002, betreffend den
Befristungszeitraum 01.07.2002 bis 31.12.2002 (Bl. 22 f. d. A.) sowie des Arbeitsvertrages
vom 02.12.2002, betreffend den Zeitraum 01.01.2003 bis 30.06.2003 (Bl. 24 d. A.) Bezug
genommen.
Zu dem Vertrag vom 15.05.2002, betreffend den Zeitraum 01.07. bis 31.12.2002, erteilte der
zuständige Personalrat nach schriftlicher Anhörung vom 15.05.2002 seine schriftliche
Zustimmung am 23.05.2002. Zu dem Vertrag vom 02.12.2002, betreffend den
Befristungszeitraum 01.01.2003 bis 30.06.2003, stimmte der Personalrat schriftlich nach
schriftlicher Anhörung vom 02.12.2002 am 09.12.2002 zu. Ob vor Abschluss der Verträge
vom 15.05. und 02.12.2002 auch eine mündliche Personalratsanhörung stattgefunden und
zu einer mündlichen Personalratszustimmung
vor
hatte, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Klägerin ist nach eigener Darstellung des beklagten Landes durch rückwirkende
Verfügung vom 16.10.2002 aufgrund der von ihr ausgeübten Tätigkeiten seit dem 1.1.2001
in Vergütungsgruppe BAT V c eingruppiert.
Am 15.01.2003 erhob die Klägerin die vorliegende Klage, mit welcher sie sich gegen die
Rechtswirksamkeit sowohl der Vertragsbefristung gemäß Vertrag vom 15.05.2002 wie auch
der Vertragsbefristung gemäß Vertrag vom 02.12.2002 wendet.
Auch über den 30.06.2003 hinaus wurde die Klägerin in der Folgezeit bis heute aufgrund
weiterer befristeter Arbeitsverträge weiterbeschäftigt, wobei diese Verträge unter dem
Vorbehalt abgeschlossen wurden, dass zwischen den Parteien noch kein unbefristetes
Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Ob ein entsprechender Vorbehalt der Klägerin
mündlich auch vor dem Abschluss des streitigen Vertrages vom 02.12.2002 angebracht
wurde, ist zwischen den Parteien ebenfalls streitig.
Die Klägerin hat geltend gemacht, aufgrund ihrer Klage vom 15.01.2003 sei eine
Befristungskontrolle sowohl im Hinblick auf den Vertrag vom 15.05.2002 als auch auf
denjenigen vom 02.12.2002 vorzunehmen. In dem Vertrag vom 15.05.2002 habe sich das
beklagte Land formell wirksam nur auf den Befristungsgrund der Vertretung berufen
können, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorgelegen hätten. Auch die im Vertrag vom
02.12.2002 angegebene Aufgabe der Vertretung der Justizangestellten T habe die
Vertragsbefristung nicht rechtfertigen können. Gleiches gelte für die fiskalischen
Befristungsgründe, die überdies kumulativ hätten vorliegen müssen.
Darüber hinaus hat die Klägerin beanstandet, dass weder vor Abschluss des Vertrages
vom 15.05.2002 noch vor Abschluss des Vertrages vom 02.12.2002 die notwendige
Zustimmung des Personalrats vorgelegen hätte.
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Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der
Befristung vom 15.05.2002 und 02.12.2002 nicht beendet wurde bzw. ist und über den
30.06.2003 hinaus unbefristet fortbesteht.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund der vorliegenden Klage nur
der Vertrag vom 02.12.2002 wirksam einer Befristungskontrolle unterzogen werden könne;
denn die Klägerin habe diesen Vertrag unterzeichnet, ohne sich zuvor etwaige Rechte aus
einer Befristungskontrolle des vorigen Vertrages vom 15.05.2002 vorzubehalten.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, dass sowohl der Vertrag vom 15.05.2002
als auch derjenige vom 02.12.2002 einer Befristungskontrolle standhalte. Die Befristungen
beider Verträge seien sowohl durch den Sachgrund der Vertretung als auch – unabhängig
davon – durch den Sachgrund des § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG gerechtfertigt. Das beklagte
Land hat überdies behauptet, vor Abschluss beider streitiger Verträge hätte die mündliche
Zustimmung des Personalrats vorgelegen.
Mit Urteil vom 28.09.2004 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen der Klage
stattgegeben. Zur Begründung hat sie im wesentlichen darauf abgestellt, dass die
Behauptungen des beklagten Landes zur mündlichen Personalratszustimmung
unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig und folglich unbeachtlich gewesen seien, so
dass vom Fehlen einer wirksamen vorherigen Personalratszustimmung habe ausgegangen
werden müssen.
Das Urteil des Arbeitsgericht wurde dem beklagten Land am 13.12.2004 zugestellt. Es hat
hiergegen am 29.12.2004 Berufung einlegen und diese am 07.02.2005 begründen lassen.
Das beklagte Land wiederholt und vertieft seinen Sachvortrag erster Instanz und bekräftigt
und ergänzt seine hierzu entwickelten rechtlichen Überlegungen. Auf die Einzelheiten der
Berufungsbegründungsschrift vom 04.02.2005 und den Schriftsatz vom 22.03.2005 wird
Bezug genommen.
Das beklagte Land beantragt nunmehr,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte meint, die Behauptungen des beklagten Landes zu
den mündlichen Personalratsanhörungen seien weiterhin unsubstantiiert und einer
Beweisaufnahme nicht zugänglich. Im Übrigen wiederholt und vertieft auch die Klägerin
ihre Auffassung, dass beide Verträge einer Befristungskontrolle zu unterwerfen seien und
dieser in Ermangelung sachlicher Befristungsgründe nicht standhielten. Auf die
Einzelheiten der Berufungserwiderung vom 28.02.2005 wird ebenfalls verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG
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statthaft und wurde gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.
II. Die Berufung des beklagten Landes konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das
Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den
30.06.2003 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht.
A. Ob dies, wie das Arbeitsgericht meint, bereits daraus folgt, dass das beklagte Land die
erforderliche vorherige Zustimmung des Personalrats jeweils nicht ausreichend
substantiiert dargelegt habe, kann zur Überzeugung des Berufungsgerichts dahingestellt
bleiben.
Allerdings soll nicht verschwiegen bleiben, dass der Sachvortag des beklagten Landes zu
den mündlichen Personalratsanhörungen vor den hier interessierenden
Vertragsabschlüssen vom 15.05. und 02.12.2002 auch in der Berufungsinstanz noch
erhebliche Zweifel aufwirft.
So hat das beklagte Land eingeräumt, dass sich die für die Personalratsanhörungen
maßgeblichen Zeugen R und K weder hinsichtlich des Vertrages vom 15.05.2002 noch
hinsichtlich desjenigen vom 02.12.2002 daran erinnern können, ob die für die
Mitbestimmung des Personalrats maßgeblichen Informationen und Erklärungen seinerzeit
persönlich oder nur telefonisch ausgetauscht worden sind. Dies wirft in Anbetracht des
zugestandenen Umstands, dass die Beteiligten im Laufe der Zeit viele derartige
Mitbestimmungsvorgänge zu bewältigen hatten, die Frage auf, ob das beklagte Land seine
Behauptungen über die Personalratsbeteiligung in den hier interessierenden, die hiesige
Klägerin betreffenden Fällen überhaupt auf eine konkrete Erinnerung der hierzu benannten
Zeugen stützen kann, oder ob die Behauptungen nur mehr oder minder "ins Blaue hinein"
aufgestellte Rückschlüsse daraus darstellen, dass in vergleichbaren Fällen häufig so
gehandelt wurde.
Des weiteren räumt das beklagte Land selber ein, dass nach ständiger Rechtsprechung
eine nachträgliche, d. h. nach Abschluss des befristeten Vertrages erfolgende Zustimmung
des Personalrats keine ordnungsgemäße Mitbestimmung mehr darstellt und zur
Unwirksamkeit der Befristung führen muss. Warum vor diesem Hintergrund dann
ausgerechnet nur die nachträgliche und damit offensichtlich rechtswidrige und
"befristungsschädliche" Beteiligung des Betriebsrats schriftlich "für die Akten" dokumentiert
wird, die allein maßgebliche vorherige Beteiligung aber nicht, erscheint dann ebenfalls
erklärungsbedürftig. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin in der Berufungsinstanz
nachvollziehbar aufgezeigt hat, dass auch vor dem Hintergrund der vom beklagten Land
aufgezeigten Rahmenumstände vor beiden Vertragsschlüssen ausreichend Zeit geblieben
wäre, das reguläre Mitbestimmungsverfahren in schriftlicher Form durchzuführen.
Letztendlich bedarf die Problematik der Mitbestimmung des Personalrats aber, sei es mit
oder ohne Durchführung einer Beweisaufnahme, keiner abschließenden Würdigung.
B. Ebenso kann die zwischen den Parteien streitige Fragen offen bleiben, ob die Klägerin
mit ihrer am 15.01.2003 erhobenen vorliegenden Entfristungsklage auch noch die
Unwirksamkeit der im Vertrag vom 15.05.2002 vereinbarten Befristung zum 31.12.2002
geltend machen kann. Für den Erfolg der Klage kommt es nicht darauf an, ob das
Arbeitsverhältnis mit dem Vertrag vom 15.05.2002 wirksam für die Zeit bis 31.12.2002
befristet worden war.
C. Zur Überzeugung des Berufungsgerichts steht nämlich fest, dass jedenfalls die in dem
Vertrag vom 02.12.2002 enthaltene Vertragsbefristung nicht mehr sachlich gerechtfertigt
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war, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt der Vertretung gemäß § 21 BErzGG i. V. m.
§ 23 TzBfG, noch unter haushaltsrechtlichen Aspekten im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 7
TzBfG. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
1. In § 1 des Vertrages vom 02.12.2002 wird in erster Linie als Grund für die bis zum
30.06.2003 laufende Vertragsbefristung die Elternzeit der Justizangestellten T beim
Amtsgericht E genannt. Insofern sollte die Klägerin in der Zeit vom 01.01.2003 bis zum
30.06.2003 als Aushilfsangestellte im Sinne der Sonderregelung 2 y Nr.1 c) BAT
beschäftigt werden. Dies entspräche dem sachlichen Befristungsgrund der Vertretung im
Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG, bzw. § 21 BErzGG i.V.m. § 23 TzBfG.
Die Voraussetzungen, unter denen nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts eine Befristung zur Vertretung gerechtfertigt ist, lagen jedoch im
Falle einer Vertretung der Justizangestellten T nicht vor. Dies ergibt sich bereits aus dem
eigenen Sachvortrag des beklagten Landes.
a. Der Justizangestellten T war seinerzeit Elternzeit für den Zeitraum bis 10.09.2003
bewilligt worden. Zugunsten des beklagten Landes mag unterstellt werden, dass für den
Arbeitgeber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass die Mitarbeiterin T nach ihrer
Elternzeit nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehren würde. Die Prognose einer nur
vorübergehenden Abwesenheit der Planstelleninhaberin T von ihren Dienstgeschäften
mag daher gegeben gewesen sein. Insofern war die erste der beiden vom beklagten Land
zu Recht zitierten Befristungsvoraussetzungen im Vertretungsfall erfüllt (vgl. BAG vom
11.11.1998, - 7 AZR 328/97 -; BAG vom 03.03.1999, - 7 AZR 608/97 -).
b. Unschädlich für die Wirksamkeit der Befristung wäre auch, dass sich der mit der Klägerin
vereinbarte Befristungszeitraum bis zum 30.06.2003 nicht genau mit dem damals
absehbaren Ende der Elternzeit der Mitarbeiterin T deckte. In der Rechtsprechung des BAG
ist anerkannt, dass eine zeitliche Kongruenz zwischen der Befristungsdauer und dem
voraussichtlichen Bestehen des Befristungsgrundes nicht erforderlich ist, da es dem
Arbeitgeber freisteht, ob er den Vertretungsbedarf überhaupt durch Einstellung einer neuer
Kraft Abdecken möchte (BAG vom 26.06.1996, - 7 AZR 662/95 -).
c. Eine weitere Voraussetzung für eine wirksame Vertretungsbefristung besteht jedoch
darin, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters und dem dadurch
hervorgerufenen Vertretungsbedarf einerseits und der befristeten Einstellung der
Vertretungskraft andererseits ein Kausalzusammenhang besteht (z. B. BAG vom
14.01.2004, - 7 AZR 390/03 -).
aa. Zwar setzt ein solcher Kausalzusammenhang nicht zwingend voraus, dass die
Vertretungskraft genau dieselben Arbeiten verrichten soll, die der ausgefallene Mitarbeiter
sonst zu verrichten gehabt hätte; denn, wie das beklagte Land auf der Grundlage der
einschlägigen BAG-Rechtsprechung zutreffend ausführt, der vorübergehende Ausfall einer
Stammkraft und die befristete Beschäftigung zur Vertretung lassen die Versetzungs- und
Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt.
bb. Deshalb kann die notwendige Kausalität zwischen dem zeitweiligen Ausfall einer
Stammkraft und der befristeten Beschäftigung einer Vertretung auch gewahrt sein, wenn
der Arbeitgeber die von dem zeitweilig verhinderten Mitarbeiter zu erledigenden Aufgaben
anderen Beschäftigten zuweist und deren Aufgaben wiederum ganz oder teilweise von
einer Vertretungskraft erledigen lässt (sog. mittelbare Vertretung).
cc. Wie das beklagte Land weiter zu Recht ausführt, muss jedoch in den Fällen der
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mittelbaren Vertretung stets sichergestellt bleiben, dass die Vertretungskraft gerade wegen
des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen
vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist (BAG vom 21.02.2001, - 7
AZR 107/00 -). Hierzu ist die Kontrollüberlegung anzustellen, dass der Arbeitgeber
rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben muss, den ausfallenden Mitarbeiter
in dem Arbeitsbereich des Vertreters umzusetzen (BAG vom 14.01.2004, - 7 AZR 390/03 -;
BAG vom 17.04.2002, - 7 AZR 665/00 -).
dd. Gerade daran fehlt es hier:
aaa. Die nach dem Wortlaut des Vertrages vom 02.12.2002 von der Klägerin zu vertretende
Justizangestellte T hätte vom beklagten Land nicht im Wege des arbeitgeberseitigen
Direktionsrechts in den Aufgabenbereich der Klägerin umgesetzt werden können. Die
Klägerin wurde und wird beim Amtsgericht E in einer Serviceeinheit einer Zivilabteilung mit
Tätigkeiten der Vergütungsgruppe V c BAT eingesetzt. Die Klägerin ist dementsprechend
in die Vergütungsgruppe V c BAT eingruppiert. Bei der Justizangestellten T handelt es sich
dagegen um eine Mitarbeiterin, die bis zum Antritt ihrer Elternzeit als reine Schreibkraft
fungierte und Tätigkeiten in der Wertigkeit der Vergütungsgruppe VII BAT auszuüben hatte.
bbb. Ob das beklagte Land als Arbeitgeber in Anbetracht der fachlichen und persönlichen
Qualitäten der Mitarbeiterin T rein tatsächlich in der Lage gewesen wäre, die Mitarbeiterin T
mit den Aufgaben einer V c-Kraft in einer Serviceeinheit in Zivilsachen einzusetzen, kann
vom Berufungsgericht nicht beurteilt werden, kann aber auch dahingestellt bleiben.
Allerdings widerspricht tendenziell schon allein die Notwendigkeit einer angemessenen
Einarbeitungszeit dem Kausalitätserfordernis der mittelbaren Vertretung.
ccc. Jedenfalls hätte das beklagte Land aber die Mitarbeiterin T rechtlich
nicht im Wege
seines arbeitgeberseitigen Direktionsrechts
Wertigkeit der Vergütungsgruppe BAT V c in einer Serviceeinheit in Zivilsachen zu
übernehmen. Es kommt nicht darauf an, ob die Mitarbeiterin T - etwa aufgrund der sich
dadurch für sie eröffnenden Aufstiegsmöglichkeit - mit einer solchen Umsetzung
einverstanden gewesen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine solche
Arbeitsplatzumsetzung nicht mehr von der Rechtsmacht des arbeitgeberseitigen
Direktionsrechts gedeckt gewesen wäre und somit nicht einseitig hätte angeordnet werden
können.
Damit scheidet aber die Möglichkeit einer mittelbaren Vertretung der Justizangestellten T
durch die Klägerin von vornherein aus.
d. Ein sachlicher Befristungsgrund der Vertretung im Sinne von §§ 14 Abs. 1 Nr. 3, 23
TzBfG, 21 BErzGG ist somit nicht gegeben.
2. Die Befristung des Vertrages vom 02.12.2002 kann aber auch nicht gemäß § 14 Abs. 1
Nr. 7 TzBfG mit haushaltsrechtlichen Erwägungen gerechtfertigt werden.
a. Zwar haben die Parteien in dem Vertrag vom 02.12.2002 zusätzlich zu dem
Befristungsgrund der Vertretung der Justizangestellten T auch aufgenommen, dass die
Klägerin "als Zeitangestellte für die Zeit 01.01.2003 bis 30.06.2003 aus fiskalischen
Gründen befristet" beschäftigt werden solle.
b. Es ist grundsätzlich zulässig, sich für die Rechtfertigung einer Vertragsbefristung auf
zwei verschiedene sachliche Befristungsgründe zu berufen. Dies kann auch in der Weise
geschehen, dass die Befristung alternativ durch den einen oder unabhängig davon durch
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den anderen Befristungsgrund gerechtfertigt werden soll.
c. Vorliegend sind aber auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG nicht
gegeben.
aa. Das beklagte Land vertritt die Ansicht, der Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 Nr. 7
TzBfG liege deshalb vor, weil die Klägerin aus Haushaltsmitteln vergütet werden sollte, die
deshalb frei geworden sind, weil Stammarbeitskräfte des beklagten Landes ohne Anspruch
auf Fortzahlung ihrer Bezüge vorübergehend aus dem Dienst ausgeschieden sind,
insbesondere aufgrund von Elternzeit, langdauernder Krankheit, Sonderurlaub o. ä.
Aufgrund von § 7 Abs. 3 Landeshaushaltsgesetz könnten diese Gelder für die befristete
Beschäftigung von Aushilfsangestellten verwendet werden.
bb. Es begegnet bereits erheblichen Bedenken, ob eine derart allgemein gehaltene
haushaltsrechtliche Befristungsvorgabe überhaupt noch dem Sinn und Zweck des § 14
Abs. 1 Nr. 7 TzBfG entspricht.
aaa. Bei Einführung des § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG hat der Gesetzgeber ausweislich der
Materialien zum Gesetzgebungsverfahren insbesondere an diejenigen Fälle gedacht, bei
denen für bestimmte Aufgaben, z. B. für bestimmte Forschungsprojekte, zeitlich begrenzte
Haushaltsmittel zur Verfügung stehen (Nachweis bei HWK/Schmalenberg, § 14 TzBfG, Rz.
53).
bbb. Bei einem Arbeitgeber der Größenordnung des beklagten Landes steht aber
statistisch gesehen fest, dass es immer eine mehr oder weniger große Anzahl von
Stammarbeitskräften geben wird, die aufgrund einer vorübergehenden Dienstbefreiung
ohne Vergütungsanspruch entsprechende Haushaltsmittel "freimachen".
ccc. Die bloße Unsicherheit über die mögliche Schwankungsbreite solcher Haushaltsmittel
stellt jedoch eine derart allgemein gehaltene haushaltsrechtliche Erwägung dar, die
jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keinen
sachlichen Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages darstellt, sondern unter das von
jedem Arbeitgeber - auch demjenigen des öffentlichen Dienstes - zu tragende allgemeine
Risiko der Ungewissheit über die wirtschaftliche Entwicklung fallen (vgl. BAG AP-Nr. 50
und Nr. 64 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
ddd. Auch die Erwirtschaftung sogenannter KW-Vermerke, die Ankündigung allgemeiner
Mittelkürzungen oder die haushaltsrechtliche Anordnung allgemeiner Einsparungen führen
nach der bisherigen Rechtsprechung zu keinem anderen Ergebnis (vgl. BAG EzA Artikel
20 Einigungsvertrag Nr. 62; BAG AP-Nr. 116 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag;
HWK/Schmalenberg, § 14 TzBfG, Rz. 54).
eee. Bei derart allgemein gehaltenen haushaltsrechtlichen Vorgaben, die für eine Vielzahl
von Behörden und Einrichtungen gelten, fehlt es überdies auch an der Voraussetzung,
dass sich der Haushaltsgesetzgeber mit den Verhältnissen ganz konkreter Arbeitsbereiche
und bestimmter Stellen befasst und aus sachlichen Gründen festgestellt haben muss, dass
gerade diese in Wegfall geraten werden (BAG AP Nr.111 zu § 620 BGB Befristeter
Arbeitsvertrag; HWK/Schmalenberg § 14 TzBfG Rz.54).
fff. Es spricht nach Auffassung des Berufungsgerichts somit viel dafür, dass auch nach
Einführung des § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG in der jetzigen Fassung an dieser bisherigen
Rechtsprechung festzuhalten ist, da nicht erkennbar ist, dass der Gesetzgeber durch den
Wortlaut des jetzigen § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG die Privilegierung der öffentlichen
Arbeitgeber in befristungsrechtlicher Hinsicht noch weiter ausdehnen wollte.
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cc. Diese Grundsatzfrage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung; denn in
einer Fallgestaltung wie der vorliegenden bedarf es keiner teleologischen Reduktion des §
14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG, da dessen Voraussetzungen schon nach dem Wortlaut der
Vorschrift nicht erfüllt sind. Für den haushaltsrechtlichen Befristungsgrund des § 14 Abs. 1
Nr. 7 TzBfG reicht es nämlich nicht aus, dass die Klägerin aufgrund § 7 Abs. 3
Landeshaushaltsgesetz aus Haushaltsmitteln vergütet werden mag, die haushaltsrechtlich
für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind. § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG setzt des weiteren
voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer auch
"entsprechend beschäftigt"
Voraussetzung ist im Falle der Klägerin nicht erfüllt.
aaa. Wie das beklagte Land selbst ausführt, sind die fraglichen Haushaltsmittel, aus denen
unter anderem die Klägerin finanziert werden soll, gemäß § 7 Abs. 3
Landeshaushaltsgesetz für die zeitweilige Beschäftigung von Aushilfskräften gedacht. Der
Begriff des Aushilfsangestellten ist in der Sonderregelung 2 y Nr. 1 c) BAT definiert.
Aushilfsangestellte sind Angestellte, die entweder "zur Vertretung" oder zur "zeitweiligen
Aushilfe" eingestellt werden.
bbb. Dass die Beschäftigung der Klägerin in der Zeit vom 01.01. bis 30.06.2003 nicht die
Voraussetzungen einer Beschäftigung "zur Vertretung" im Sinne von SR 2 y Nr. 1 c) BAT
erfüllte, wurde oben bereits ausführlich begründet.
ccc. Erst recht handelte es sich bei der Beschäftigung der Klägerin nicht um eine
Beschäftigung zur "zeitweiligen Aushilfe" im engeren Sinne, also im Sinne der zweiten
Alternative der Sonderregelung 2 y Nr. 1 c) BAT. Eine solche Aushilfstätigkeit im engeren
Sinne dient dazu, einen vorübergehenden betrieblichen Zusatzbedarf an Arbeitsleistung
abzudecken, sei es, dass nur vorübergehend anfallende zusätzliche Arbeitsaufgaben zu
bewältigen sind, sei es, dass bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages feststeht, dass die
von der Aushilfskraft zu verrichtenden Arbeiten demnächst ersatzlos wegfallen. Beide
Voraussetzungen liegen hier nicht vor und werden insbesondere auch vom beklagten Land
selbst nicht behauptet. Im Gegenteil hat das beklagte Land auf Seite 19 seiner
Berufungsbegründung selbst ausgeführt, dass ungeachtet des Ausfalls von Bediensteten
und der internen Verpflichtung zur Erwirtschaftung sogenannter KW-Vermerke "die
Arbeitsaufgaben bestehen bleiben bzw. sogar noch wachsen".
ddd. Die Klägerin wurde somit auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 02.12.2002 in
Wirklichkeit
nicht
auch nach der eigenen Darstellung des beklagten Landes für diejenigen vorausgesetzt
wird, die aus Haushaltsmitteln im Sinne von § 7 Abs. 3 Landeshaushaltsgesetz vergütet
werden sollen. Es fehlt damit an dem Merkmal der "entsprechenden Beschäftigung" im
Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG.
dd. In Wirklichkeit diente und dient die Beschäftigung der Klägerin vielmehr zur Abdeckung
eines auf Dauer anfallenden Beschäftigungsbedarfs.
d. Darüber hinaus fehlt es auch noch an einer weiteren Voraussetzung für eine wirksame
Befristung unter haushaltsrechtlichen Aspekten.
aa. Wie das beklagte Land wiederum selbst zutreffend referiert, können nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haushaltsrechtliche Gründe die Befristung
eines Arbeitsvertrages nur rechtfertigen, wenn der öffentliche Arbeitgeber im Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses aufgrund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen kann, dass
Haushaltsmittel zur Vergütung des befristet beschäftigt eingestellten Arbeitnehmers nach
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dem vereinbarten Vertragsende nicht mehr zur Verfügung stehen werden (BAG vom
24.10.2001 – 7 AZR 542/00 -).
bb. Dem Sachvortrag des beklagten Landes lässt sich nicht entnehmen, dass und warum
bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages mit der Klägerin am 02.12.2002 aufgrund
konkreter Tatsachen die Prognose gerechtfertigt war, dass gerade die Klägerin nicht über
den 30.06.2003 hinaus weiter beschäftigt werden könnte.
aaa. Der bloße Hinweis des beklagten Landes auf die Anzahl der im OLG-Bezirk D , im
Landgerichtsbezirk M und im Amtsgerichtsbezirk E zu erwirtschaftenden KW-Stellen ist
dabei - ungeachtet der oben bereits angesprochenen grundsätzlichen Problematik der KW-
Bewirtschaftung - ersichtlich nicht ausreichend, da im Rahmen einer solchen konkreten
Prognose noch diverse weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen gewesen wären.
bbb. Insbesondere kann es auch nicht maßgebend auf die Stellensituation beim
Amtsgericht E ankommen; denn Arbeitgeber der Klägerin ist nicht das Amtsgericht E das
Land N . Dementsprechend ist in § 2 des Arbeitsvertrages der Klägerin vom 02.12.2002
ausdrücklich vereinbart: "Die Angestellte ist darauf hingewiesen worden, dass sie nach
Maßgabe des § 12 BAT versetzt oder abgeordnet werden kann."
cc. Wenn im Falle der Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages vom
02.12.2002 überhaupt eine derartige konkrete Prognose angestellt worden ist, so hat sie
sich jedenfalls im nachhinein als falsch erwiesen; denn die Erfahrung hat gezeigt, dass
dem beklagten Land auch über den 30.06.2003 hinaus genügend Haushaltsmittel zur
Verfügung standen, um die Klägerin weiterbeschäftigen zu können, und zwar auch schon
zu einem Zeitpunkt, bevor diese ihr erstinstanzlich obsiegendes Urteil erstritten hatte.
3. In Anbetracht all dessen erweist sich die in dem Arbeitsvertrag der Parteien vom
02.12.2002 vereinbarte Befristung als rechtsunwirksam. Dies hat nach § 16 Satz 1 TzBfG
zur Folge, dass der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen zu gelten hat.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
(Dr. Czinczoll) (Seifert) (Staub)