Urteil des LAG Köln vom 04.07.2006

LArbG Köln: nicht vermögensrechtliche streitigkeit, begründung einer kündigung, arbeitsgericht, daten, betriebsrat, unterlassen, kontrolle, mitbestimmungsrecht, ermessen, androhung

Landesarbeitsgericht Köln, 9 (7) Ta 270/06
Datum:
04.07.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 (7) Ta 270/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 6 BV 188/04
Schlagworte:
Streitwert - Beschlussverfahren - Unterlassungsanspruch
Normen:
§ 23 Abs. 3 S. 2 RVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Zur Bemessung des Gebührenstreitwerts bei einem Streit zwischen
Betriebsrat und Arbeitgeber darüber, ob nach einer
Betriebsvereinbarung der Arbeitgeber es zu unterlassen hat, bei der
Anwendung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems das
Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern zu kontrollieren.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen
den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom
22. Juni 2005 – 6 BV 188/04 – wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1
I.
(Antragsgegnerin) habe gegen eine durch Betriebsvereinbarung festgelegte
Verpflichtung verstoßen, bei der Anwendung eines elektronischen
Arbeitszeiterfassungssystems das Verhalten und die Leistung von Arbeitnehmern nicht
zu kontrollieren. Entgegen einer zwischen ihm und der Arbeitgeberin zustande
gekommenen Betriebsvereinbarung, die eine zwischen der Arbeitgeberin und dem
Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung ergänze, habe sie die
gespeicherten Arbeitszeitdaten eines Arbeitnehmers verwandt, um einen Arbeitnehmer
mit der Begründung zu entlassen, er habe einen Arbeitszeitbetrug begangen.
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Er hat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, es künftig zu unterlassen, ohne seine
Zustimmung oder einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle die
elektronischen Daten zum Zwecke der Kontrolle des Verhaltens der Mitarbeiterinnen
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und Mitarbeiter und zur Begründung personeller Maßnahmen zu verwenden. Zudem hat
er beantragt, der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld
anzudrohen.
Das Arbeitsgericht Köln hat die Anträge zurückgewiesen.
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Es hat durch Beschluss vom 22. Juni 2005 den Gebührenstreitwert auf EUR 12.000,00
festgesetzt, wobei es für den Unterlassungsantrag EUR 8.000,00 und für den Antrag auf
Androhung eines Ordnungsgeldes EUR 4.000,00 in Ansatz gebracht hat.
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Gegen den Beschluss, der weder ein Rechtsmittelbelehrung enthält noch förmlich
zugestellt worden ist, hat die Arbeitgeberin am 12. Juli 2005 Beschwerde eingelegt. Sie
ist der Ansicht, bei der Streitwertfestsetzung sei nur auf den Unterlassungsantrag
abzustellen, hingegen komme dem Bestrafungsantrag keine eigenständige Bedeutung
zu. Der Streitwert sei mit EUR 4.000,00 zu bemessen.
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Der Betriebsrat hält die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung für zutreffend und verweist
auf die bereits erfolgte Verwendung der elektronischen Daten zur Begründung einer
Kündigung.
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Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 28. Juni 2006 der
Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen mit dem Hinweis, es sei nicht nur um
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, sondern auch um die Auswirkungen auf
einzelne Arbeitnehmer gegangen.
8
II.
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Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend den Gebührenstreitwert auf EUR
12.000,00 festgesetzt.
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1.
Anwendung von § 23 Abs. 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen festzusetzen. Dabei ist
der Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Auftraggeber
tragbare Gebühren ergibt. Bei nicht genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine
Schätzung ist von EUR 4.000,00 auszugehen, nach der Lage des Falles aber der
Gegenstandswert auch niedriger oder höher anzusetzen, wobei insbesondere auf die
Bedeutung der Sache für die Beteiligten sowie den Umfang und die Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit abzustellen ist (vgl. LAG Köln, Beschlüsse vom 31. Juli 2003 – 3
Ta 180/03 – und vom 10. Juni 2005 – 9 Ta 34/05 -; Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG, § 12
Rdn. 220).
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2.
Einbeziehung des Antrags auf Ordnungsgeld nach dem 3-fachen Regelstreitwert zu
bemessen.
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Es ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung auch die Auslegung der
Gesamtbetriebsvereinbarung betrifft, die für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Arbeitgeberin in Deutschland gilt, soweit sie in gleitender Arbeitszeit, nach Schicht- oder
Dienstplänen oder nach flexiblen Arbeitszeitsystemen arbeiten. Dabei stehen
erhebliche finanzielle Auswirkungen in Frage. Wenn es der Arbeitgeberin nicht erlaubt
ist, die elektronisch erfassten Daten zur Kontrolle des Verhaltens der Arbeitnehmer
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ist, die elektronisch erfassten Daten zur Kontrolle des Verhaltens der Arbeitnehmer
auszuwerten, muss sie auf andere aufwendige Kontrollen (z. B. die Beobachtung von
Arbeitnehmern durch Vorgesetzte) zurückgreifen, um einen Arbeitszeitbetrug
nachweisen zu können. Schließlich sind bei der Entscheidung rechtlich schwierige
Fragen zu klären. Es geht um die Auslegung mehrerer Regelungen in der
Gesamtbetriebsvereinbarung und der sie ergänzenden Betriebsvereinbarung unter
Berücksichtigung auch des Zusammenhangs mit dem Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG.
Der Regelstreitwert ist somit nach der "Lage des Falles" nicht angemessen. Vielmehr ist
es gerechtfertigt, ihn deutlich höher mit EUR 12.000,00 zu bemessen.
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Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
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(Schwartz)
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