Urteil des LAG Köln vom 26.10.2010

LArbG Köln (kündigung, kläger, verhalten, straftaten gegen das vermögen, richterliche rechtsfortbildung, rechtsfrage von grundsätzlicher bedeutung, arbeitgeber, grad des verschuldens, unwirksamkeit der kündigung, bag)

Landesarbeitsgericht Köln, 12 Sa 936/10
Datum:
26.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
12.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 Sa 936/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 6 Ca 11038/09
Schlagworte:
außerordentliche Kündigung; Sachbeschädigung; Anhörung der
Mitarbeitervertre-tung
Normen:
§ 626 Abs. 1 BGB; § 31 MAVO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Auch nach einer vorsätzlichen Sachbeschädigung des Arbeitnehmers
kann, insbe-sondere in einem langjährigen Arbeitsverhältnis, vor
Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich sein.
2. Hat der Arbeitnehmer sich nach Begehung der Sachbeschädigung
beim Arbeitgeber entschuldigt und den Ausgleich des Schades
angeboten, ist dies im Rahmen der Anhörung der Mitarbeitervertretung
zu einer beabsichtigten Kündigung mitzuteilen.
3. Bei der Anhörung der Mitarbeitervertretung nach § 31 MAVO hat der
Arbeitgeber die Kündigungsgründe mitzuteilen. Es gelten insoweit die
gleichen Grundsätze wie im Rahmen des § 102 BetrVG.
Tenor:
1. Die Berufungen des Klägers sowie der Beklagten gegen das Urteil
des Arbeitsgerichts Köln vom 08.04.2010
(6 Ca 11038/09) werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben zu ¼ der Kläger, zu ¾ die
Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie
über den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung als stellvertretender
Küchenleiter.
2
Der am 15.07.1960 geborene, verheirate Kläger ist seit dem 15.11.1993 bei der
Beklagten in deren Seniorenhaus St. Anna als Koch und seit dem 01.06.2009 als
stellvertretender Küchenleiter zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt
rund 3.000,00 € tätig, wobei in einem auf den 25.05.2009 datierten Nachtrag zum
Arbeitsvertrag (Bl. 15 d. A.) lediglich eine bis zum 31.05.2010 befristete Wahrnehmung
dieser Position vereinbart war. Im Übrigen richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem
Arbeitsvertrag vom 15.11.1993 (Bl. 52 d. A.) sowie gemäß § 2 des Arbeitsvertrages den
Richtlinien für Arbeitsverträge in Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR)
in ihrer jeweils geltenden Fassung. Der Arbeitsvertrag des Klägers sowie die Nachträge
hierzu sind - wie im Übrigen alle Arbeitsverträge der Beklagten - von der Heimleitung
sowie einem Mitglied der Geschäftsleitung unterzeichnet.
3
Am frühen Nachmittag des 28.10.2009 hielt sich der Kläger mit seinem Vorgesetzten,
dem Küchenleiter Herrn K , dem Servicemitarbeiter Herrn K sowie der
Küchenmitarbeiterin Frau H in der Küche auf. Er hielt sein dienstliches Mobiltelefon über
einen zum Kochen bereitgestellten, mit Wasser gefüllten Kessel und forderte die
Anwesenden auf, "Feigling" zu ihm zu sagen. Frau H stand zunächst mit dem Rücken
zum Kläger, drehte sich um und kam nichtsahnend der Aufforderung des Klägers nach.
Der Kläger ließ daraufhin das Telefon in den Kessel fallen. Alsbald darauf holte er es
wieder aus dem Topf und übergab es dem Haustechniker zum Trocknen mit den
Worten, er solle retten, was zu retten ist. Mit Schreiben vom 31.10.2009 (Bl. 57 d. A.)
entschuldigte sich der Kläger bei der Beklagten durch ein an die Heimleitung
gerichtetes Schreiben für sein unüberlegtes Handeln und gab an, einen Blackout gehabt
zu haben. Er bot an, den Schaden zu ersetzen. Mit Schreiben vom 02.11.2009 (Bl. 26
bis 28 d. A.) hörte die Beklagte ihre Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten
außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Sie schilderte dabei den Sachverhalt,
ohne jedoch zu erwähnen, dass der Kläger sich zwischenzeitlich entschuldigt und eine
Wiedergutmachung des Schadens angeboten hatte, welche allerdings bis heute nicht
erfolgt ist. Mit Schreiben vom 04.11.2009 erhob die Mitarbeitervertretung Einwendungen
gegen die Kündigung.
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Die Beklagte kündigte gleichwohl das bislang ungestörte Arbeitsverhältnis mit dem
Kläger mit Schreiben vom 10.11.2009, welches allein vom Heimleiter mit
Vertretervermerk unterzeichnet war, fristlos. Mit Schreiben vom 13.11.2009 wies der
Kläger die Kündigung wegen nicht erfolgter Vorlage einer Vollmacht zurück. Gegen
diese Kündigung wendet sich die am 30.11.2009 erhobene Klage.
5
Er hat behauptet, die Beschädigung sei nicht willensgesteuert erfolgt. Während seines
ihm nicht erklärbaren Verhaltens sei ihm weder bewusst gewesen, wessen Telefon er in
der Hand halte, noch dass er jemandem Schaden zufüge. Es habe sich nicht um einen
geplanten, bewusst bösartigen "Jux" gehandelt. Auch wenn er in dem Moment, in dem
das Gerät in den Wasserkessel gefallen sei, gelacht haben sollte, stehe dies einem
Augenblicksversagen nicht entgegen. Er habe sich jedenfalls nicht über die
Sachbeschädigung lustig gemacht. Sofort im Anschluss habe er sich bei Herrn K ,
entschuldigt. Eine Entschuldigung beim Heimleiter habe erst am 31.10.2009 erfolgen
können, da dieser vorher nicht im Haus gewesen sei. Dieser sei im Übrigen nicht
berechtigt, alleine eine Kündigung auszusprechen. Etwas anderes ergebe sich auch
6
nicht aus dem Qualitätshandbuch der Beklagten, welches sich im Übrigen an die
Fachleitungen richte und ihm nie ausgehändigt worden sei. Mit Nichtwissen bestreite er,
dass es im Intranet der Beklagten eingestellt sei. Die Küche habe mangels eines
Computers keinen Zugang hierzu. Er hat die Ansicht vertreten, die Mitarbeitervertretung
sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, da ihr sein Entschuldigungsschreiben mit
der Schilderung seiner Sicht der Dinge sowie die seine Vorbildfunktion begrenzende
Befristung der Zuweisung der Position des stellvertretenden Küchenleiters vorenthalten
worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche und fristlose
Kündigung der Beklagten vom 10.11.2009 nicht aufgelöst worden ist;
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2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen als
stellvertretenden Küchenleiter weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat behauptet, es liege eine vorsätzliche Beschädigung von Firmeneigentum vor,
wodurch ihr Vertrauen in den Kläger zerstört worden sei. Soweit der Kläger sich auf
einen Blackout berufe, handele es sich um eine Schutzbehauptung. Hiergegen spreche
schon, dass der Kläger unmittelbar nach dem Vorfall über sein Verhalten gelacht habe.
Er habe mit seinem Verhalten beweisen wollen, dass er den Mut habe, sein Mobiltelefon
zu zerstören. Sie hat die Ansicht vertreten, hierin liege eine große Respektlosigkeit, die
angesichts der Vorbildfunktion eines stellvertretenden Küchenleiters nicht hinnehmbar
sei. Sie hat weiter behauptet, es sei allgemein bekannt, dass der Heimleiter
kündigungsbefugt sei. Deshalb habe der Kläger sein Entschuldigungsschreiben auch
an den Heimleiter gerichtet und von ihm die Kündigungsrücknahme verlangt. Im
Küchenbereich seien während der Beschäftigungszeit des Klägers zudem mehrere
Kündigungen allein durch den Heimleiter erfolgt. Schließlich sei der Kläger ausdrücklich
über die Kündigungsbefugnis in Kenntnis gesetzt worden, da das Qualitätshandbuch,
welches im Betrieb zur Einsichtnahme in Papierform vorliege, dienstvertraglich von
allen Mitarbeitern zu beachten sei.
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Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Nichterwähnung des
Entschuldigungsschreibens in der Anhörung der Mitarbeitervertretung sei unschädlich,
da die Entschuldigung, wie sie behauptet hat, nicht ernst gemeint gewesen sei. Sie sei
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erst drei Tage nach dem Vorfall erfolgt, als der Kläger bereits geahnt habe, dass ihm
Konsequenzen drohten.
Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 08.04.2010 festgestellt, das Arbeitsverhältnis
sei durch die streitgegenständliche Kündigung nicht beendet worden, und den
Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im
Wesentlichen damit begründet, dass dahingestellt bleiben könne, ob die Kündigung
bereits nach § 174 BGB unwirksam sei. Jedenfalls habe die Beklagte ihre
Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 31 MAVO beteiligt, da sie
das Entschuldigungsschreiben des Klägers im Rahmen der Anhörung nicht vorgelegt
habe. Insoweit handele es sich jedoch um eine wesentliche Tatsache, die in Bezug auf
die Interessenabwägung von wesentlicher Bedeutung sein könne. Ob die
Entschuldigung lediglich vorgeschoben oder ernsthaft gemeint gewesen sei, habe der
Beurteilung der Mitarbeitervertretung überlassen bleiben müssen. Davon abgesehen sei
die Kündigung aber auch deshalb unwirksam, weil zumindest die Interessenabwägung
dazu führe, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt sei. Zwar stelle eine mutwillige und
vorsätzliche Zerstörung von Firmeneigentum grundsätzlich einen wichtigen Grund für
eine außerordentliche Kündigung dar; das Verhalten des Klägers sei jedoch nicht auf
eine vorsätzliche Schädigung der Beklagten gerichtet, sondern ein dummer Scherz
gewesen. Eine andere rationale Begründung für das Verhalten sei nicht erkennbar.
Zudem seien die Reue des Klägers und seine Einsicht in sein Fehlverhalten zu
berücksichtigen. Er habe sein Verhalten nicht beschönigt oder abgestritten. Unter
diesen Umständen stelle es sich als einmaliges, reparables Fehlverhalten dar, welches
der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar mache. Auch
wenn man von einer groben Respektlosigkeit des Klägers ausgehe, könne seine
Einsicht bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt bleiben. Die Leistungsklage
sei hingegen abzuweisen, da es an einer Anspruchsgrundlage fehle. Die
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierzu sei ein Akt unzulässiger richterlicher
Rechtsfortbildung.
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Gegen dieses, beiden Parteien am 23.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am
23.07.2010 Berufung eingelegt und diese mit am 16.08.2010 beim Landesarbeitsgericht
eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Beklagte hat am 21.07.2010 Berufung
eingelegt und diese mit am 23.08.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem
Schriftsatz begründet.
17
Der Kläger ist der Ansicht, die Anspruchsgrundlage für seinen
Weiterbeschäftigungsanspruch ergebe sich aus den §§ 611, 613, 242 BGB. Der
Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts stelle keine unzulässige
richterliche Rechtsfortbildung dar. Auch lägen außer dem Kündigungssachverhalt keine
Umstände vor, aus denen sich ein sein Beschäftigungsinteresse überwiegendes
Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung ergebe.
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Der Kläger beantragt,
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1. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.04.2010 – 6 Ca 11038/09 – teilweise
aufzuheben und insoweit abzuändern, als die Klage im Übrigen abgewiesen
wurde;
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2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als
stellvertretenden Küchenleiter weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte beantragt,
24
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Sie meint, das Weiterbeschäftigungsinteresse des Klägers müsse wegen der Schwere
seines Fehlverhaltens hinter ihrem Interesse an einer Nichtbeschäftigung zurücktreten.
Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen könne der Kläger im Übrigen nur eine
Weiterbeschäftigung als Koch verlangen.
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Die Anhörung der Mitarbeitervertretung sei nicht zu beanstanden, da die Entschuldigung
des Klägers ein nach dem Kündigungssachverhalt liegendes Verhalten darstelle,
welches für die Beurteilung des Fehlverhaltens ohne Bedeutung sei. Im Übrigen mache
nur eine bewusste Irreführung der Mitarbeitervertretung die Kündigung unwirksam. Es
gebe keinen Grund zu der Annahme, dem Kläger habe es an einer ernsthaften
Schädigungsabsicht gefehlt. Dieser habe sich gegenüber dem nachgeordneten
Personal profilieren wollen und hierfür die Beschädigung des Mobiltelefons
einkalkuliert.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.04.2010 – 6 Ca 11038/09 -, ihr
zugestellt am 23.06.2010, abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Er vertritt die Ansicht im Rahmen der Anhörung der Mitarbeitervertretung sei auch
entlastendes Verhalten vorzubringen. Eine bewusst unvollständige Information sei nicht
mit der subjektiven Determination der Anhörung zu rechtfertigen. Die Tatsache, dass er
sich entschuldigt, Schadensersatz angeboten und sich auf einen Blackout berufen habe,
sei nämlich im Rahmen der Interessenabwägung und der Verhältnismäßigkeit der
Kündigung von Bedeutung.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässigen, insbesondere statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten
Berufungen (§§ 64 Abs. 1, 2 Buchst. b und c, 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG in
Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO) hatten in der Sache keinen Erfolg.
35
I. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
vorläufige Weiterbeschäftigung als stellvertretender Küchenleiter. Dabei kann
dahingestellt bleiben, ob die Anerkennung des allgemeinen
Weiterbeschäftigungsanspruchs für die Zeit des laufenden Kündigungsschutzprozesses
durch den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in seiner Entscheidung vom
27.02.1985 (DB 1985, 2197) eine zulässige richterliche Rechtsfortbildung darstellt. Der
Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung während des
Kündigungsschutzprozesses kann jedenfalls nicht weitergehen als sein
Beschäftigungsanspruch im Falle eines ungekündigten Fortbestands. In diesem Fall
hätte der Kläger aber aufgrund der bis zum 31.05.2010 befristeten Übertragung der
Position keinen Anspruch auf eine Beschäftigung als stellvertretender Küchenleiter
mehr. Die Beklagte hat im Kammertermin vom 26.10.2010 zu Recht darauf hingewiesen,
dass allenfalls eine Weiterbeschäftigung als Koch erfolgen müsse. Gegen die
Wirksamkeit der Befristung hat der Kläger keine Einwände erhoben, sondern sich
vielmehr auf die Befristung berufen, da sie seine Vorbildfunktion relativiere. Kann er
aber seit dem 01.06.2010 andernfalls eine Weiterbeschäftigung als Koch verlangen, ist
sein auf die Beschäftigung als stellvertretender Küchenleiter gerichteter Antrag
unbegründet. Da es sich um verschiedene Arbeitsplätze handelt, die Beschäftigung als
stellvertretender Küchenleiter mithin ein Aliud im Verhältnis zu einer Beschäftigung als
Koch darstellt, und sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen lässt, dass eine
Weiterbeschäftigung als Koch gewollt wird, war seine Berufung gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Köln vom 08.04.2010 mithin zurückzuweisen.
36
II. Auch die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien
ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.11.2009 nicht aufgelöst
worden.
37
1. Das Verhalten des Klägers am 28.10.2009 stellt keinen wichtigen Grund für eine
außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar. Nach dieser Vorschrift
kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen
beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht
zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt dabei keine "absoluten" Kündigungsgründe.
Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob
der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise als
wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem
Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der
konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile
jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (ständige
Rechtsprechung des BAG, zuletzt Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –, Rdnr. 16).
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a) Zunächst ist davon auszugehen, dass das Verhalten des Klägers "an sich" geeignet
ist, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
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aa) Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte,
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aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das
Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise – unabhängig vom Wert des
Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens – als Grund für eine
außerordentliche Kündigung in Betracht. Begeht der Arbeitnehmer bei oder im
Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige oder vorsätzliche – ggfs. strafbare –
Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich
in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241
Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen (BAG, Urteil vom
10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –, Rdnr. 25 f.). Dementsprechend ist auch eine vorsätzliche
Sachbeschädigung im Sinne von § 303 StGB "an sich" geeignet, einen wichtigen Grund
für eine außerordentliche Kündigung darzustellen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
16.11.2005 – 9 Sa 485/05 –, juris, Rdnr. 24; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
12.07.2005 – 2 TaBV 25/05 –, juris, Rdnr. 30).
bb) Der Kläger hat eine vorsätzliche Sachbeschädigung begangen, indem er sein
dienstliches Mobiltelefon in den mit Wasser gefüllten Topf hat fallen lassen. Er hat
hierdurch das Telefon irreparabel geschädigt und dabei zumindest mit Eventualvorsatz
gehandelt. Er hat nicht behauptet, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass eindringendes
Wasser ein Mobiltelefon beschädigen kann, oder er sei davon ausgegangen, sein
Mobiltelefon sei wasserdicht. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er sein Verhalten auch
kaum nach außen als "Mutprobe" dargestellt. Ferner ist davon auszugehen, dass er
auch wusste, dass es sich um das Telefon der Beklagten handelte. Er hat nicht
behauptet, das Telefon der Beklagten und sein eigenes sähen sich zum Verwechseln
ähnlich. Warum er dann aber nicht von einer Beschädigung fremden Eigentums
ausgegangen sein will, erschließt sich nicht. Zudem wäre das Versenken des eigenen
Mobiltelefons kaum geeignet, zu beweisen, dass er kein Feigling ist. Der Kläger mag
sich zwar im Anflug des Übermuts zunächst scherzhaft in eine Situation rangiert haben,
deren weiteren Verlauf und Folgen er nicht bedacht hatte. Warum er jedoch nicht
gewusst haben soll, was er tut, ergibt sich aus seinem Vortrag nicht. Sein Hinweis auf
einen Blackout ist vor dem Hintergrund der Gesamtsituation nicht glaubhaft. Schon weil
er seinen Mut beweisen wollte, muss er die Gefahr gekannt haben. Auch zeugen das
zügige Herausholen des Telefons aus dem Wasser und die Übergabe an den Techniker
von seinem Bewusstsein, dass das Telefon beschädigt worden sein könnte. Zumindest
Eventualvorsatz ist deshalb zu bejahen.
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b) Gleichwohl vermag das Verhalten unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls und der Abwägung der wechselseitigen Interessen die streitgegenständliche
Kündigung nicht zu rechtfertigen.
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aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers
trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtabwägung das Interesse des
Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das
Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine
Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu
erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die
Weiterbeschäftigung zumutbar ist, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu
berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer
Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten
Vertrauensverlustes und ihrer wirtschaftlichen Folgen – der Grad des Verschuldens des
Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des
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Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche
Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das
Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen
Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen sind insbesondere
Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind alternative
Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen
Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu
erreichen. Die Notwendigkeit der Prüfung, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend
gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und trägt zugleich dem
Prognoseprin-zip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (BAG, Urteil vom
10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –, Rdnr. 34, 35). Die Berechtigung einer
verhaltensbedingten Kündigung ist nämlich nicht daran zu messen, ob diese als
Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Sie ist vielmehr nur
gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu
erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der
Vertragsbeziehung begegnet werden kann (BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR
541/09 –, Rdnr. 28). Auch bei Störungen im Vertrauensbereich ist nicht stets und von
vornherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue
zurückzugewinnen. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des
Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten
schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv
beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in
Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine derart
schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber
offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Auch bei
Straftaten gegen das Vermögen und Eigentum des Arbeitgebers ist stets konkret zu
prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich
jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG, Urteil vom
10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –, Rdnr. 35 - 38).
bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass eine
Abmahnung ausgereicht hätte, künftige Vertragsverstöße des Klägers zu verhindern.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sein Arbeitsverhältnis bis zum Zeitpunkt des
Ausspruchs der Kündigung nahezu 16 Jahre ungestört verlaufen ist. Dies hat sich zwar
durch die vorsätzliche Sachbeschädigung vom 28.10.2009 zunächst geändert; diese
erfolgte jedoch nicht zielgerichtet, was zugunsten des Klägers zu berücksichtigen ist. Es
ging diesem erkennbar nicht darum, das Eigentum der Beklagten zu beschädigen oder
gar zu zerstören. Dies zeigt sich daran, dass er das Telefon zügig aus dem Topf geholt
und dem Techniker zum Trocknen übergegeben hat. Auch musste die Situation, die er
ohne Not offenbar aus Scherz herbeigeführt hat, nicht zwangsweise mit dem Versenken
des Telefons enden. Hierzu bedurfte es der Mitwirkung eines bzw. einer der
anwesenden Kollegen, der bzw. die ihn zunächst einmal durch Aussprechen des
Wortes "Feigling" auf die Probe stellen mussten. Als dies dann eintrat, hat der Kläger
zwar nicht mehr darüber nachgedacht, ob es nicht klüger wäre, einen "Rückzieher" zu
machen. Seine in den letzten 16 Jahren bewiesene Bereitschaft, sich vertragstreu zu
verhalten, wird hierdurch aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Dies zeigt auch die
Tatsache, dass er sich einige Tage darauf schriftlich für sein Verhalten entschuldigt und
eingeräumt hat, völlig unüberlegt gehandelt zu haben. Anhaltspunkte dafür, dass sein
Versprechen, Derartiges werde künftig nicht mehr vorkommen, nicht ernst gemeint
gewesen sei, sind nicht ersichtlich. Die Entschuldigung verbunden mit der bekundeten
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Bereitschaft, den Schaden wiedergutzumachen, erfolgte auch, ohne dass die Beklagte
ihm zuvor deutlich gemacht hätte, dass eine Kündigung droht. Die Beklagte vermutet
zwar, der Kläger habe arbeitsrechtliche Konsequenzen geahnt und sich deshalb
entschuldigt. Einer Vermutung bedürfte es aber nicht, wenn sie ihm zu dieser Zeit schon
Konsequenzen in Aussicht gestellt gehabt hätte. Auf mangelnde Ernsthaftigkeit lässt
auch nicht der Umstand schließen, dass der Kläger den angekündigten Schadenersatz
noch nicht geleistet hat, da die Beklagte eine konkrete Forderung ihrerseits nicht
vorgetragen hat.
cc) Der Beklagten war eine Weiterbeschäftigung auch bei der Abwägung der
wechselseitigen Interessen nicht unzumutbar. Der Kläger war im Kündigungszeitpunkt
nahezu 50 Jahre alt und fast 16 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Sein Interesse am
Erhalt des Arbeitsplatzes überwiegt vorliegend das Interesse der Beklagten,
vergleichbare Vorfälle in der Zukunft durch eine außerordentliche Kündigung zu
verhindern.
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(1) Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von
erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer
Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen
zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vertrauensbereich. Eine
für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht
notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und
unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertrauensbeziehung ungestört bestanden
hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat
an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei
kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers
oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver
Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den
Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines
objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein
umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der jeweils
anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu
beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen
ist (BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 -, Rdnr. 47).
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(2) Hiernach vermochte die Verhaltensweise des Klägers das jahrelang entstandene
Vertrauen, welches seinen Ausdruck auch darin gefunden hat, dass die Beklagte ihn
kommissarisch mit der stellvertretenden Küchenleitung beauftragt hatte, zu zerstören.
Der Kläger hat sich bei Gelegenheit der Arbeitsleistung unüberlegt in eine Situation
manövriert, die in eine Sachbeschädigung mündete. Es handelt sich in den nahezu 16
Jahren seiner Betriebszugehörigkeit um einen einmaligen Vorfall. Eine Neigung zu
derartigen Verhaltensweisen ist nicht feststellbar. Dass der Kläger nicht böswillig
gehandelt hat, kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Vertragsverstoß im Beisein
des Vorgesetzten begangen wurde. Mit seiner Entschuldigung hat der Kläger seine
Einsichtsfähigkeit und seinen Willen, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen
und den Vorfall "damit aus der Welt zu schaffen", unter Beweis gestellt. Bei
Berücksichtigung dieser Umstände war von einem objektiven Standpunkt aus für die
Zukunft mit einer korrekten Vertragserfüllung zu rechnen.
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2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch darauf hingewiesen, dass die Beklagte die
Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß angehört hat. Sie hat die
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Mitarbeitervertretung bewusst unvollständig und irreführend informiert, was gemäß § 31
Abs. 3 MAVO ebenfalls die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung zur
Folge hat. Gemäß § 31 Abs. 1 MAVO ist der Mitarbeitervertretung vor einer
außerordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit durch den Dienstgeber
schriftlich die Absicht der Kündigung mitzuteilen. Nach § 31 Abs. 2 MAVO kann die
Mitarbeitervertretung binnen drei Arbeitstagen Einwendungen gegen die Kündigung
erheben. Nach § 31 Abs. 3 MAVO ist eine ohne Einhaltung des Verfahrens nach den
Absätzen 1 und 2 ausgesprochene Kündigung unwirksam. Zwar ist anders als in § 30
Abs. 1 MAVO, der die Beteiligung bei einer ordentlichen Kündigung behandelt, nicht
ausdrücklich vorgesehen, dass auch die Gründe für die Kündigung mitzuteilen sind;
eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt jedoch, dass es sich hierbei
um eine Lücke handelt, die durch Auslegung in dem Sinne geschlossen werden muss,
dass auch bei der außerordentlichen Kündigung die Mitarbeitervertretung deren Gründe
kennen muss, so dass der Arbeitgeber sie umfassend entsprechend der
Rechtsprechung zu § 102 BetrVG mitzuteilen hat. Hierfür spricht, dass die
Mitarbeitervertretung die Möglichkeit hat, "Einwendungen unter Angabe der Gründe"
geltend zu machen. Solche Einwendungen sind jedoch nur dann möglich, wenn die
Gründe für die Kündigung bekannt sind. Gegen nicht mitgeteilte Gründe können keine
Einwendungen erhoben werden; es kann allenfalls um Information gebeten werden. Die
Gründe für die Absicht des Arbeitgebers, eine Kündigung auszusprechen, können auch
nicht durch eine Befragung des betroffenen Arbeitnehmers ermittelt werden, da dieser
allenfalls seine Sicht der Dinge kennt und nicht diejenige des Arbeitgebers (so auch
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17.06.1999 – 5 Sa 2582/98 –, juris, Rdnr.
33). Ebenso wie im Rahmen von § 30 MAVO (hierzu: BAG, Urteil vom 16.10.1991 – 2
AZR 156/91 –, juris, Rdnr. 25) kann daher auf die zu § 102 BetrVG entwickelten
Grundsätze zurückgegriffen werden. Hiernach hat der Arbeitgeber jedoch dem
Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Der Arbeitgeber muss den
maßgeblichen Sachverhalt unter Angabe der Tatsachen, aus denen der
Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so beschreiben, dass der Betriebsrat
ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit
der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu
werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht
oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung
Fehler, ist die Kündigung unwirksam. Allerdings ist die Mitteilungspflicht des
Arbeitgebers subjektiv determiniert. Es müssen dem Betriebsrat nicht alle objektiv
kündigungsrelevante Tatsachen, sondern nur die vom Arbeitgeber für die Kündigung für
ausschlaggebend angesehenen Umstände mitgeteilt werden (BAG, Urteil vom
23.06.2009 – 2 AZR 474/07 –, juris, Rdnr. 34). Nach Sinn und Zweck des
Anhörungsverfahrens ist jedoch eine bewusst und gewollt unrichtige oder
unvollständige Mitteilung der für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers
maßgebenden Kündigungsgründe wie eine Nichtinformation des Betriebsrats zu
behandeln. Sie kann nicht nur in der Aufbereitung der mitgeteilten Tatsachen, sondern
auch in der Weglassung gegen die Kündigung sprechender, den Arbeitnehmer
entlastender Informationen bestehen und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn
die bewusst irreführend dargestellten bzw. weggelassenen Tatsachen nicht nur eine
unzutreffende Ergänzung oder ein Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts
bewirken. Die bewusst unvollständige Information ist nicht mit dem Grundsatz der
subjektiven Determinierung zu rechtfertigen (BAG, Urteil vom 22.09.1994 – 2 AZR 31/94
–, juris, Rdnr. 24).
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist noch nicht abschließend geklärt, inwieweit
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Einlassungen und Entschuldigungen des zu kündigenden Arbeitnehmers mitzuteilen
sind, wenn der Arbeitgeber sie subjektiv nicht für zutreffend oder relevant hält (für eine
Mitteilungspflicht: LAG München, Urteil vom 29.07.2009 – 11 Sa 801/08; eher auf die
Sichtweise des Arbeitgebers abstellend: LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.02.2007 –
11 Sa 409/06; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.11.2006 – 1 Sa 186/06).
Da die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung jedoch die Unzumutbarkeit der
Weiterbeschäftigung erfordert, für deren Feststellung es wiederum einer Prognose im
Hinblick auf das künftige Verhalten des Arbeitnehmers bedarf, waren die Haltung des
Klägers, seine Distanzierung in Form einer Entschuldigung für sein Fehlverhalten sowie
seine Bereitschaft, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen, objektive
Tatsachen, die bei der Beurteilung der Notwendigkeit des Ausspruchs einer
außerordentlichen Kündigung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen waren. Auch wenn
sie an seinem Fehlverhalten an sich nichts ändern, geben sie doch Aufschluss über die
für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
bedeutende innere Einstellung des Klägers. Ohne die Schilderung dieser, der
Beklagten bekannten Tatsache, konnte daher ein irreführendes Bild bei der
Mitarbeitervertretung entstehen. Auch handelte es sich bei dem
Entschuldigungsschreiben nicht um eine bloße Konkretisierung des bereits mitgeteilten
Sachverhalts, sondern um eine zusätzliche Information. Für eine diesbezügliche
Mitteilungspflicht spricht schließlich, dass der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts den Inhalt von Gegendarstellungen des Arbeitnehmers zu
einschlägigen Abmahnungen auch dann mitteilen muss, wenn er subjektiv der Meinung
ist, das sie nicht der Wahrheit entsprechen (BAG, Urteil vom 17.02.1994 – 2 AZR 673/93
-, juris, Rdnr. 20). Die Situation ist weitgehend vergleichbar. Hier wie dort kann es nicht
darauf ankommen kann, ob der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer geschilderten
Sachverhalt für zutreffend hält. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit
der Entschuldigung.
3. Vor diesem Hintergrund konnte offen bleiben, ob die Kündigung auch gemäß § 174 S.
1 BGB unwirksam ist.
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III. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG in Verbindung mit §§
97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
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IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen, da die Entscheidung
insbesondere nicht auf einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruht.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG
verwiesen.
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Dr. Rech Winnen Lindauer
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