Urteil des LAG Köln vom 13.07.2005

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Landesarbeitsgericht Köln, 7 Sa 1597/04
Datum:
13.07.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Sa 1597/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegburg, 6 (1) Ca 3788/03
Schlagworte:
Annahmeverzug; vertragsgerechte Tätigkeit; funktionsgerechter
Arbeitsplatz
Normen:
§ 615 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Bietet der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft am rechten Ort und zur
rechten Zeit persönlich an, so ist es nunmehr Sache des Arbeitgebers,
ihm einen funktionsgerechten Arbeitsplatz und vertragsgerechte
Arbeitsaufgaben zuzuweisen.
2. Dieser seiner Obliegenheit zur Vermeidung des Annahmeverzugs
wird der Arbeitgeber nicht gerecht, wenn er dem als
„Kundendienstmitarbeiter im Innen- und Außendienst“ eingestellten
Arbeitnehmer aufgibt, Adressen aus dem Telefonbuch abzuschreiben
und ihn hierzu mit der Auflage, die Toilette nur in Begleitung des
Betriebsleiters aufzusuchen, in einem Büroraum einschließt.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Siegburg vom 29.09.2004 in Sachen
6 (1) Ca 3788/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um Lohnansprüche des Klägers für
den 01.09.2003 sowie den Zeitraum 08.10. bis 15.11.2003.
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Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung
gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht Siegburg zu
seiner Entscheidung vom 29.09.2004 bewogen haben, wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
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Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Beklagten am 22.11.2004 zugestellt. Er hat
hiergegen am 21.12.2004 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der
Begründungsfrist bis zum 07.02.2005 am 07.02.2005 begründen lassen.
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Die Berufung des Beklagten richtet sich nur gegen die Verurteilung zur Zahlung des
Lohns für die eingangs genannten Zeiträume gemäß Ziffer 2 des Urteilstenors vom
29.09.2004. Im Übrigen haben beide Parteien das arbeitsgerichtliche Urteil rechtskräftig
werden lassen.
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Der Beklagte meint, entgegen den Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht zur
Lohnzahlung verpflichtet zu sein. Der Beklagte behauptet, am 08.10.2003 habe der
Kläger weder gearbeitet, noch seine Arbeitskraft angeboten. Er habe zwar an diesem
Tag gegen 08:40 Uhr zusammen mit dem Zeugen M das Büro aufgesucht und
angegeben arbeiten zu wollen. Der Zeuge H habe ihn daraufhin angewiesen, aus dem
Telefonbuch verschiedene Firmen, die als Kunden in Betracht kommen könnten
herauszuschreiben, da dem Kläger keine andere Arbeit mehr zuzutrauen gewesen sei.
Der Kläger habe die ihm aufgetragene Arbeit verweigert und durch Geräusche zu
provozieren begonnen. Innerhalb der 1,5 Stunden, die er sich im Büro aufgehalten habe,
habe er dreimal die Toilette aufgesucht. Er habe sodann eine schriftliche
Arbeitsanweisung verlangt. Nach deren Erhalt habe er den Zeugen H unter
Beleidigungen aufgefordert, ihm die Tür zu öffnen, und den Betrieb gegen 09:50 Uhr
verlassen. Auf eine nachfolgende schriftliche Arbeitsaufforderung der
Prozessbevollmächtigten des Beklagten habe er mit einer Krankmeldung reagiert. Die
Krankheit habe ihn jedoch nicht gehindert, am 10.10.2003 nach Mallorca zu reisen.
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Der Beklagte und Berufungskläger beantragt nunmehr,
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unter Abänderung des am 29.09.2004 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts
Siegburg – 6 (1) Ca 3788/03 – die Klage insoweit abzuweisen, als der Beklagte
zu einer Zahlung in Höhe von 1.830,54 € verurteilt worden ist.
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Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
10
Der Kläger und Berufungsbeklagte bleibt dabei, er sei am 08.10.2003 bei dem Versuch,
die Arbeit erneut anzubieten, nach ca. 1 ½ Stunden von dem Zeugen H unter
Beschimpfungen wieder hinauskomplimentiert worden. Der Kläger weist darauf hin, es
sei entwürdigend gewesen, dass er an diesem Morgen während seines Aufenthaltes bei
dem Beklagten nur in Begleitung des Zeugen S die Toilette habe aufsuchen dürfen. Der
Kläger bestreitet, während seiner Erkrankung Urlaub gemacht zu haben.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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I. Die Berufung des Beklagten ist im Umfang eines Teilstreitwerts von 1.783,87 €
zulässig.
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Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG insgesamt statthaft und wurde innerhalb
der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen bzw. gesetzeskonform verlängerten Fristen
eingelegt und begründet.
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In Höhe eines Teilstreitwerts von 46,67 € (Lohn für geleistete Arbeit am 01.09.2003) ist
die Berufung gleichwohl unzulässig; denn der Beklagte ist auf diesen Teilstreitpunkt
nicht eingegangen und hat in seiner Berufungsbegründung mit keinem Wort erläutert,
warum er glaubt, den Lohn für den 01.09.2003 nicht zahlen zu müssen.
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II. Auch soweit die Berufung des Beklagten zulässig ist, ist sie unbegründet. Das
Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht unter dem Gesichtspunkt des
Annahmeverzuges zur Lohnzahlung auch für den Zeitraum vom 08.10. bis 15.11.2003
verurteilt. Soweit der Beklagte während des Anspruchzeitraums arbeitsunfähig krank
geschrieben war, besteht der Lohnanspruch unter dem Gesichtspunkt der
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
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1. Schon aufgrund des unstreitigen Sachvortrags der Parteien steht fest, dass der
Beklagte für den Zeitraum vom 08.10. bis 15.11.2003 zur Lohnzahlung an den Kläger
verpflichtet bleibt.
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a. Unstreitig hat der Kläger am Morgen des 08.10.2003 gegen 8:40 Uhr persönlich das
Büro des Beklagten aufgesucht und dort an Ort und Stelle erklärt, seine Arbeitskraft
anzubieten. Der Kläger hat damit die Voraussetzung eines persönlichen
Arbeitsangebots zur rechten Zeit und am rechten Ort erfüllt.
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b. Es wäre nunmehr Sache des Beklagten als seines Arbeitgebers gewesen, dem
Kläger Arbeit zuzuweisen und ihm einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu
stellen; denn ohne diese Mitwirkungshandlungen des Arbeitgebers ist der Arbeitnehmer
nicht in der Lage, die von ihm vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Der
Arbeitgeber wird seiner Mitwirkungsverpflichtung jedoch nicht schon dadurch gerecht,
dass er dem Arbeitnehmer irgendeine beliebige Arbeitsanweisung erteilt, sondern die
zugewiesene Arbeit und der zugewiesene Arbeitsplatz müssen auch den
arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprechen und darüber hinaus mit den
allgemeinen Regeln des (Arbeits-) Rechts in Einklang stehen.
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aa. Als der Kläger am 08.10.2003 im Büro des Beklagten erschien und erklärte, seine
Arbeitskraft anzubieten, ist der Beklagte dieser seiner arbeitgeberseitigen
Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Dies ergibt sich schon aus seinem eigenen
Sachvortrag. Der Beklagte hat dem Kläger am 08.10.2003 durch den als "Betriebsleiter"
fungierenden H weder eine arbeitsvertragskonforme Arbeit, noch einen
funktionsgerechten Arbeitsplatz zugewiesen.
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bb. Der Kläger war bei dem Beklagten als Kundendienstmitarbeiter beschäftigt. Sein
arbeitsvertraglicher Aufgabenkreis kann § 2 des Arbeitsvertragsentwurfs vom
27.06.2003 entnommen werden, auch wenn dieser Arbeitsvertrag letztlich nicht von
beiden Parteien unterschrieben wurde. Dass der Arbeitsvertragsentwurf vom 27.06.2003
nicht unterschrieben wurde, hatte nichts mit der in § 2 enthaltenen
Tätigkeitsbeschreibung zu tun, die sich im übrigen weitestgehend mit der
Tätigkeitsbeschreibung aus § 2 des vorangegangenen Arbeitsvertrages des Klägers mit
der S deckt.
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cc. Zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Kundendienstmitarbeiters im Innen- und
Außendienst gehört nicht das teilweise Abschreiben von Telefonbüchern. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus der konkretisierenden Tätigkeitsbeschreibung im
Arbeitsvertragsentwurf vom 27.06.2003 oder im ursprünglichen Arbeitsvertrag vom
01.04.2003. Die Erteilung einer derartigen Arbeitsaufgabe an einen
Kundendienstmitarbeiter mit dem Aufgabenkreis, wie er aus der Beschreibung im
Arbeitsvertragsentwurf hervorgeht, hat unter den gegebenen Umständen ersichtlich
schikanösen Charakter.
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dd. Ebenso wenig braucht es sich ein Arbeitnehmer bieten zu lassen, in den
Büroräumlichkeiten eingeschlossen zu werden und nur unter Begleitung des
sogenannten Betriebsleiters die Toilette aufsuchen zu dürfen.
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c. Da der Beklagte dem Kläger auf dessen Arbeitskraftangebot vom 08.10.2003 hin
somit weder eine vertragskonforme Arbeit zugewiesen noch zumutbare
Arbeitsbedingungen eingerichtet hat, kommt es letztlich nicht darauf an und kann
dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Betriebsräumlichkeiten am 08.10.2003
schließlich aus eigenem Antrieb verlassen oder von dem Zeugen H "hinausgeworfen"
wurde und wer wen beim Verlassen der Räumlichkeiten beleidigt hat.
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d. Infolgedessen war der Beklagte ab dem 08.10.2003 bis zu dem rechtskräftig
festgestellten Ende des Arbeitsverhältnisses am 15.11.2003 zunächst unter dem
Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zur Lohnfortzahlung verpflichtet.
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e. Soweit der Kläger in der Folgezeit während des Anspruchszeitraums arbeitsunfähig
krankgeschrieben wurde, ergibt sich dementsprechend der Lohnanspruch aus dem
Gesichtspunkt der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
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f. Im letztgenannten Zusammenhang hilft es dem Beklagten auch nicht weiter, wenn er
in der Berufungsbegründung darauf hinweisen lässt, dass der Kläger trotz seiner
Krankheit nach Mallorca gereist sei. Wenn der Beklagte mit dieser Bemerkung den
Beweiswert einer vom Kläger vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
hätte erschüttern wollen, so hätte er diese seine Behauptung nicht nur substantiieren,
sondern auch unter Beweis stellen müssen. Der Kläger hat nämlich seinerseits
bestritten, während seiner Krankheit Urlaub gemacht zu haben.
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2. Rechnerisch hat der Beklagte die Höhe der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten
Lohnansprüche nicht beanstandet.
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Die Berufung des Beklagten musste somit erfolglos bleiben.
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III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
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Gegen dieses Urteil ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
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(Dr. Czinczoll) (Bierhoff) (Peters)
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