Urteil des LAG Köln vom 03.06.2003

LArbG Köln (Abmahnung, Verletzung Arbeitsvertraglicher Pflichten, Geschäftsführer, Zusammenarbeit, Arbeitsgericht, Geschäftsführung, Ordentliche Kündigung, Angestellter, Betriebsrat, Gespräch)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 13 (3) Sa 1283/02
03.06.2003
Landesarbeitsgericht Köln
13. Kammer
Urteil
13 (3) Sa 1283/02
Arbeitsgericht Bonn, 2 Ca 976/02
Verhaltensbedingte Kündigung, Verhaltens- und Leistungsmängel,
Darlegungs- und Beweislastverteilung im Kündigungsschutzverfahren,
leitender Angestellter, Auflösungsantrag
§ 1 Abs. 2 KSckG, §§ 9 Abs. 1, 14 Abs. 2 KSchG, § §§ 445, 448 ZPO
Arbeitsrecht
Erstreckt sich die Personalhoheit eines Arbeitnehmers über sechs bis
sieben Mitarbeiter, handelt es sich nach § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht
um eine "bedeutende" Zahl von Mitarbeiter in einem Betrieb, in dem
insgesamt über 100 Mitarbeiter beschäftigt sind.
Im übrigen Einzelfallentscheidung zu Verhaltens- und Leistungsmängel
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Bonn vom 11.09.2002 - 2 Ca
976/01 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses.
Die Beklagte betreibt eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit insgesamt etwa 120
Beschäftigten. Im Betrieb ist ein Betriebsrat eingerichtet. Im Jahre 1999 erweiterte sie ihr
Dienstleistungsangebot um den Geschäftsbereich Steuerberatung. Zur Leitung dieser
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neuen Abteilung stellte sie den Kläger, von Beruf Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, zum
01.04.1999 ein. Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 08.03.1999 (Bl. 5 d.
Akten) umfasste sein Aufgabengebiet die fachliche und disziplinarische Leitung der
Steuerabteilung, insbesondere
die Personalrekrutierung und fachliche Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter,
die Personalverantwortung für die Mitarbeiter der Steuerabteilung,
die fachliche Beaufsichtigung der von der Steuerabteilung eingesetzten Mitarbeiter und die
Qualitätssicherung der ausgeführten Beratungsverträge,
Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung und Steigerung des wirtschaftlichen Erfolges der
Steuerabteilung (Budgetverantwortung),
das Auftragscontrolling,
die Mandantenbetreuung und Weiterentwicklung des Beratungsangebots.
Nach § 3 seines Anstellungsvertrages setzte sich seine Vergütung aus einem festen
Jahrsbruttogehalt und einem Bonus zusammen, der als Erfolgsbeteiligung gewährt und
durch einen Höchstbetrag begrenzt wurde. Das
Jahresbruttogehalt war monatlich in zwölf gleichen Raten zu zahlen, der Bonus nach
Aufstellung des Jahresabschlusses für das abgelaufene Geschäftsjahr. Nach § 3 Abs. 5
des Anstellungsvertrages sind mit der Jahresvergütung auch Weihnachtsgratifikationen
und sonstige zusätzliche Leistungen abgegolten. Sein Durchschnittsverdienst betrug
zuletzt einschließlich anteiliger Bonusleistungen 9.778,23 EUR brutto monatlich.
Im Geschäftsbereich Steuerberatung waren Anfang 2002 neben dem Kläger weitere sieben
Mitarbeiter beschäftigt, insgesamt wurden für diese Abteilung im Zeitraum 01.07.1999 bis
07.03.2000 18 Personen eingestellt und teilweise wieder entlassen. Der Kläger wirkte an
Einstellungen und Entlassungen mit, wobei Art und Umfang der Beteiligung zwischen den
Parteien streitig ist. Jedenfalls ab dem Jahr 2001 nahm der Kläger weder Einstellungen
noch Entlassungen vor. Dem Kläger war Gesamtprokura erteilt, die am 05.10.1999 ins
Handelsregister eingetragen wurde. Er gehörte einem aus fünf Mitgliedern bestehenden
engeren Führungskreis der Beklagten an.
Im Juli 2001 entschloss sich die Geschäftsführung, zur Stärkung der Personalarbeit Frau V
als Personalreferentin einzustellen. Zu ihren Aufgaben gehörte insbesondere die
Unterstützung der Personalverantwortlichen. Nach einem Gespräch mit der
Personalreferentin V im Oktober wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte ihr per
E-Mail unter dem 19.10.2001 mit, dass die Personalreferentin
"aufgrund ihrer persönlichen und fachlichen Eigenschaften nicht in der Lage ist, unsere
Gesellschaft jedenfalls den Geschäftsbereich Steuern nach außen zu vertreten ... oder
intern Dienstleistungen an mich zu erbringen. [Sie] beharrt nachhaltig darauf, sich in
Angelegenheiten einzubringen, die außerhalb ihrer Kompetenz liegen. Darüber hinaus log
[sie] mich in Bezug auf einen meiner Mitarbeiter an.
Die E-Mail endete mit der Feststellung des Klägers, dass eine weitere Zusammenarbeit mit
der Personalreferentin Vermeulen ausgeschlossen sei. Wörtlich heißt es:
Frau V "ist es untersagt, irgendwelche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem
Geschäftsbereich Steuern zu treffen, die das Personalwesen oder sonstige Tätigkeiten
betreffen."
Im Jahr 2001 erhielt der Kläger die Bonuszahlung für das Jahr 2000, im November 2001
rechnete die Beklagte neben dem regulären Monatsgehalt ein weiteres volles
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Monatsgehalt als "13. Gehalt JB" ab und zahlte an den Kläger insgesamt 17.682,09 DM
netto aus.
Die Beklagte warf dem Kläger in der Folgezeit vor, weder mit der Personalreferentin noch
mit der Geschäftsführung konstruktiv zusammen zu arbeiten und fasste den Entschluss,
dem Kläger fristgerecht zu kündigen. Zu diesem Zwecke hörte sie unter dem 22.03.2002
den Betriebsrat an, der noch am selben Tage schriftlich der Beklagten mitteilte, dass er die
beabsichtigte Kündigung zur Kenntnis nehme und das Anhörungsverfahren als
abgeschlossen betrachte. Ferner wies er darauf hin, das der Kläger als leitender
Angestellter und damit nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes
anzusehen sei.
Mit Schreiben vom 22.03.2002 kündigte die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis mit
dem Kläger fristgerecht zum 30.06.2002 und stellte ihn mit sofortiger Wirkung unter
Anrechnung offener Urlaubsansprüche vom Dienst frei. Mit Schreiben vom 10.12.2002
teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie die Kündigung vom 22.03.2002 auch
darauf stützen wolle, dass der Kläger ein zusätzliches, ihm aufgrund des Arbeitsvertrages
nicht zustehendes Monatsentgelt vereinnahmt habe, und gab insoweit Gelegenheit zur
Stellungnahme. Dieser Vorfall aus November 2001 sei ihr erst jetzt zur Kenntnis gelangt.
Unter dem 16.12.2002 teilte der Betriebsrat mit, dass er den weiteren Kündungsgrund zur
Kenntnis genommen habe und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen betrachte.
Gegen die Kündigung vom 22.03.2002 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Bonn unter dem
26.03.2002 Kündigungsschutzklage erhoben, die der Beklagten unter dem 08.04.2002
zugestellt wurde.
Er hat unter anderem geltend gemacht, dass die Kündigung sozialwidrig im Sinne des § 1
KSchG sei, verhaltensbedingte Gründe, die eine Kündigung rechtfertigen könnten, lägen
nicht vor. So habe er sämtlichen Weisungen der Geschäftsführung Folge geleistet. Zudem
fehle es an einer Abmahnung. Des weiteren hat der Kläger gerügt, dass der Betriebsrat
nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Einer korrekten Anhörung im Sinne des § 102
BetrVG hätte es bedurft, da er kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG
sei; die vorgenommene Betriebsratsanhörung sei schon deshalb fehlerhaft durchgeführt
worden, da dem Betriebsrat keine Sozialdaten mitgeteilt worden seien.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 22.03.2002
nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des
vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Leiter der Steuerabteilung
in Bonn, Adenauerallee 127, 53113 Bonn, weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 14 Abs. 2, 9 KSchG aufzulösen gegen
Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber
10.000 EUR nicht überschreiten sollte.
Der Kläger hat beantragt,
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den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet: Das Verhalten des Klägers gegenüber der Geschäftsführung
mache eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar. So akzeptiere er nicht die Zuständigkeit
des Mitgeschäftsführers G für den Bereich Steuerberatung, indem er dessen Weisungen
oder Aufforderungen nicht nachgekommen sei. Auch sei er trotz ausdrücklicher
Einladungen Sitzungen fern geblieben, ohne sich ausreichend zu entschuldigen. Dies
gelte etwa für die Teilnahme an der gemeinsamen Sitzung der Geschäftsführung am
27.11.2001 oder auch der Projektgruppenbesprechung "Corporate Identity" am 27.02.2002.
Das Ergebnis der Projektgruppe habe er gegenüber der beauftragten Agentur als
"untauglich", die Mitarbeiter als "inkompetent" und "unprofessionell" bezeichnet. Dies habe
Irritationen beim Vertragspartner ausgelöst.
Ferner habe der Kläger nicht mit der neuen Personalreferentin kooperativ zusammen
gearbeitet, obwohl er dazu ausdrücklich vom Geschäftsführer F aufgefordert worden sei. So
habe er die Teilnahme seiner Mitarbeiter an Schulungsmaßnahmen verhindert und die
Personalreferentin nicht über die Aktivitäten seines Geschäftsbereiches zur
Personalrekrutierung und -förderung unterrichtet. Die Zusammenarbeit mit der Leiterin
Finanz- und Rechnungswesen sei vom Kläger nur schleppend vorgenommen worden.
Wegen der Vorwürfe im Einzelnen wird auf die Darstellung der Beklagten in den
Schriftsätzen von 27.05.2002 (Blatt 29 bis 53 der Akte) sowie vom 09.07.2002 verwiesen.
Die Beklagte hat den Rechtsstandpunkt vertreten, dass es für die Wirksamkeit der
Kündigung einer Betriebsratsanhörung an sich gar nicht bedurft hätte, da der Kläger
aufgrund seiner arbeitsvertraglich eingeräumten Personalverantwortung sowie seiner
herausgehobenen, arbeitgeberähnlichen Stellung leitender Angestellter im Sinne des § 5
Abs. 3 KSchG sei. Dafür spreche auch die Höhe seines Verdienstes. Gleichwohl sei die
Betriebsratsanhörung vorsorglich ordnungsgemäß vorgenommen worden.
Zur Begründung ihres Auflösungsantrages hat die Beklagte auf ihr bisheriges Vorbringen
genommen.
Dem hilfsweise gestellten Auflösungsantrag hat der Kläger entgegen gehalten, er sei kein
leitender Angestellter im Sinne des § 14 KSchG sei. Er sei gerade nicht zur selbständigen,
eigenverantwortlichen Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern berechtigt gewesen,
dies sei ausnahmslos der Geschäftsführung vorbehalten gewesen. Gründe für eine
Auflösung gäbe es nicht.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage und der Klage des Klägers auf
Weiterbeschäftigung stattgegeben und den von der Beklagten gestellten Hilfsantrag, das
Arbeitsverhältnis aufzulösen, abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im
Wesentlichen darauf abgestellt, dass die verhaltensbedingten Vorwürfe zum Teil schwach
konturiert, wenig greifbar und präzise und teilweise durch schlüssige Einlassungen des
Klägers relativiert seien. Insgesamt hätten sie kein solches Gewicht, dass prognostisch die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Lauf der Kündigungsfrist hinaus nicht
möglich erschiene. Zudem fehle es an einer einschlägigen und vergeblich gebliebenen
Abmahnung, mit der dem Kläger die Gefährdung seines Beschäftigungsverhältnisses in
aller Deutlichkeit vor Augen geführt worden sei. Den geltend gemachten
Weiterbeschäftigungsantrag hat das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Erwägungen
des großen Senats des Bundesarbeitsgerichts GS 1/84 zuerkannt. Den von der Beklagten
für den Fall des Unterliegens gestellten Auflösungsantrag hat das Arbeitsgericht
abgewiesen, da es den Kläger mangels erforderlicher Personalkompetenz im
Innenverhältnis nicht als leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG einstufte.
Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf Blatt 112 ff. der Akten verwiesen.
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Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 13.11.2002 zugestellte Urteil hat die
Beklagte am 13.12.2002 Berufung eingelegt, die nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.02.2003 an diesem Tag begründet worden ist. Unter
Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags rügt sie, dass das Arbeitsgericht die
nachhaltige Weigerung des Klägers zur Zusammenarbeit mit der Personalreferentin zu
Unrecht nicht als verhaltensbedingten Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG gewertet habe. Zudem habe das Arbeitsgericht die Stellung des Klägers als
leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG verkannt und den hilfsweise
gestellten Auflösungsantrag der Beklagten nach §§ 9 Abs. 1 S. 2, 14 Abs. 2 S. 2 KSchG zu
Unrecht abgewiesen.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens schildert die
Beklagte das Verhalten des Klägers gegenüber der Personalreferentin V : Die Kritik an
ihrer fachlichen und persönlichen Eignung entbehre jeder Grundlage. Er habe sich
grundlos und nachhaltig geweigert, mit ihr zusammen zu arbeiten, obwohl er dazu
ausdrücklich vom Geschäftsführer F aufgefordert worden sei. Damit habe er verhindert,
dass Frau V die ihr zugewiesenen Aufgaben, in die die Steuerabteilung ebenso
einbezogen war wie die übrigen Geschäftsbereiche, wahrnehmen konnte. So führte der
Kläger beispielsweise keine von Frau V initiierten Personalentwicklungsgespräche mit
unterstellten Mitarbeitern im Bereich Steuerberatung durch. Statt dessen nahm er
eigenmächtig Kontakt zu einem externen Personalberater auf.
Nicht nur das vorgenannte Verhalten des Klägers habe die Vertrauensgrundlage
tiefgreifend zerrüttet, sondern auch ein weiterer Umstand, der sich vor Ausspruch der
Kündigung zutrug, ihr jedoch erst im Oktober 2002 nach Abschluss des erstinstanzlichen
Verfahrens zur Kenntnis gelangt sei: Der
Kläger habe eine offensichtliche Überzahlung im November 2001 als solche erkannt, diese
jedoch vereinnahmt anstatt sie unverzüglich an die Beklagte zurückzuzahlen. Gerade als
budgetverantwortlicher Leiter der Steuerabteilung habe er eine besondere Vertrauensstelle
inne, mit der es unvereinbar sei, erkennbar unberechtigte Zahlungen kommentarlos
einzubehalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 11.09.2002
- 2 Ca 976/02 - abzuändern und
1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise: das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das
Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 10.000 EUR nicht überschreiten sollte, zum 30.
Juni 2002 aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt der Berufungsbegründung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags
entgegen und bestreitet ein kündigungsrelevantes Fehlverhalten durch seine Person.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der protokollierten
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Erklärungen der Parteien ergänzend Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 c)
ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und - nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist - begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG, i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).
1. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die
Kündigungsschutzklage zurecht als begründet angesehen und folgerichtig auch dem
Weiterbeschäftigungsantrag entsprochen. Ebenfalls mit zutreffender Begründung hat es
den Hilfsantrag der Beklagten auf Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses abgewiesen.
Seine Entscheidungsgründe macht sich die Berufungskammer zu Eigen und ergänzt sie
um das Folgende:
a. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger eine ordentliche, auf § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG
zu stützende verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen. Diese Kündigung ist sozial
nicht gerechtfertigt und daher unwirksam. Ob der Kündigung eine Betriebsratsanhörung
nach § 102 BetrVG hätte vorausgehen müssen und ob diese, soweit sie durchgeführt
wurde, ordnungsgemäß verlaufen ist, kann nach Auffassung des Berufungsgerichts dahin
stehen.
Die Berufungskammer tritt der Ansicht des Arbeitsgerichts bei, dass die von der Beklagten
gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit betrachtet
ausreichen, um die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial zu rechtfertigen,
ohne dass es der vorherigen Abmahnung des Klägers bedurfte. Der Vortrag der Beklagten
ist nicht geeignet, einen so gravierenden Verstoß gegen arbeitsvertraglich übernommene
Pflichten anzunehmen, der den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses ohne vorherige
Abmahnung gefährden könnte.
aa) Für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG
genügen solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Umstände, die bei verständiger
Würdigung unter Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes eine
einseitige Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses als billigenswert und angemessen
erscheinen lassen. Dabei ist nicht vom Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers
auszugehen. Es ist vielmehr ein objektiver Maßstab anzulegen. Als verhaltensbedingter
Grund ist insbesondere eine rechts(vertrags)widrige Pflichtverletzung aus dem
Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist. Die
Pflichtverletzung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sei (BAG, Urteil vom 21.11.1996 - 2
AZR 357/95 -, AP Nr. 130 zu § 626 BGB; ErfK/Ascheid, 2. Aufl., 2002, § 1 KSchG Rdnr.
291). Die geäußerten Vorwürfe hinsichtlich des Verhaltens gegenüber dem Vorstand und
der neu eingesetzten Personalreferentin rechtfertigen teilweise nicht einmal eine negative
Prognose für die künftige Zusammenarbeit, teilweise hätte nur eine vorherige Abmahnung
zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen können. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Die Aufgabe des Klägers bestand in der selbständigen Leitung der Steuerabteilung in
fachlicher und personeller Hinsicht. Zu diesem Zweck war ihm arbeitsvertraglich unter
anderem eine gewissen Personalkompetenz übertragen worden. Mit der Einrichtung einer
Stelle "Personalreferentin" sollten nach der Vorstellung der Beklagten offensichtlich
zentrale Personalzuständigkeiten neu geschaffen werden, die der Kläger in der Folgezeit
nicht beachtet haben soll. Diese neuen Zuständigkeiten und die damit verbundene
Änderung der Verteilung hätte die beklagte Arbeitgeberin dem Kläger gegenüber jedoch
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deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Denn der Kläger hat als Bereichsleiter eine
herausgehobene Funktion inne, er ist unmittelbar der Geschäftsführung unterstellt und
gehört der fünfköpfigen Führungsmannschaft an. Wenn die Beklagte seine
Personalkompetenzen auf eine in der Hierarchie offenkundig nachgeordnete Mitarbeiterin
im Range einer Personalreferentin hätte verlagern wollen, hätte sie ihn detailliert darauf
hinweisen müssen. In ihrem Rundschreiben vom 12.07.2001 ist dies jedenfalls nicht
geschehen, denn dort ist nur die Rede von unterstützenden Funktionen, die die neue
Personalreferentin wahrnehmen soll. Auch in den nachfolgenden E-Mails, die zwischen
den Parteien ausgetauscht wurden, findet sich allein die Aufforderung zur Zusammenarbeit,
ohne dass Zuständigkeiten neu definiert wurden.
bb) Da somit nicht feststeht, dass der Kläger gegen neu geschaffene Zuständigkeiten
verstoßen hat, bleibt allein der Vorwurf, der Kläger lasse den Willen zur Zusammenarbeit
vermissen. Fehlende Bereitschaft zur Kooperation kann an sich ein verhaltensbedingter
Kündigungsgrund sein, es bedarf jedoch einer vorherigen Abmahnung. Geht es nämlich
um die Kündigungsrelevanz eines vom Arbeitnehmer steuerbaren Verhaltens, ist
grundsätzlich eine vorherige Abmahnung erforderlich. Dies gebieten der das
Kündigungsschutzrecht beherrschende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das
Prognoseprinzip. Eine vorherige Abmahnung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich,
wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer
ohne weiteres erkennbar war und bei denen eine Hinnahme seines Verhaltens durch den
Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen war (BAG, Urteil vom 21.06.2001 - 2 AZR
325/00 -, AP Nr. 5 zu § 54 BAT; Isenhardt, KHzA, 2. Aufl., 6.3, Rdnr. 501/506). Der hier
erhobene Vorwurf fehlender Kooperationsbereitschaft stellt jedenfalls keine Verletzung
arbeitsvertraglicher Pflichten von solchem Gewicht dar, dass er ohne Abmahnung zur
Kündigung berechtigen könnte. Insbesondere hat der Kläger durch sein Verhalten nicht
seine Position und Funktion missbraucht, sondern im Gegenteil seine ihm vertraglich
eingeräumten Zuständigkeiten gegenüber Dritten abgegrenzt. Mag man dieses Verhalten
auch als abmahnungswürdig qualifizieren, es reicht jedoch nicht aus, um als maßgeblicher
Grund die Kündigung ohne vorherige Abmahnung sozial zu rechtfertigen.
Es hätte also der Beklagten oblegen, dem Kläger deutlich seine vermeintlichen Verhaltens-
und Leistungsmängel im Einzelnen darzulegen. Dabei hätte sie ihm deutlich vor Augen
führen müssen, das eine Fortsetzung dieses Verhaltens eine Gefährdung von Inhalt und
Bestand des Beschäftigungsverhältnisses bedeuten könnte. Denn nur wenn der
Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlichen Art und Weise Leistungs-
und Verhaltensmängel beanstandet, kann ein nochmaliger Verstoß eine
verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 18.01.1980 - 7 AZR 75/78 -
juris). Allgemein gehaltene Rügen ohne konkrete Inhalte reichen hierzu nicht aus.
Gerade das beanstandete Verhalten des Klägers gegenüber der Personalreferentin gab
besonderen Anlass für eine konkret gefasste Abmahnung, aus der der Kläger eine
deutliche und verbindliche Linie für sein künftiges Verhalten hätte gewinnen können. Denn
wie oben dargelegt, war die Kompetenzverteilung zwischen den Bereichsleitern und der
Personalreferentin nur insoweit festgelegt, als diese die Bereichsleiter zu unterstützen
habe. Ob und in welchem Umfang die Bereichsleiter die Unterstützung tatsächlich
annehmen mussten, hatte die Beklagte nicht deutlich gemacht. Diese Ungewissheit hätte
sie beseitigen müssen, indem sie dem Kläger klar und unmissverständlich vorgab, in
welchem Maße er von dem Unterstützungsangebot tatsächlich Gebrauch hätte machen
müssen.
Eine solche Abmahnung fand schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht zeitnah
zur Kündigung statt. Sie behauptet zwar ein solches Gespräch im Dezember 2001, jedoch
lassen sich ihrem Vortrag weder der genaue Anlass noch konkrete Inhalte des Gespräches
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entnehmen.
a. Entsprechendes gilt für das gerügte Verhalten des Klägers gegenüber dem
Geschäftsführer G . Auch hier hätte es einer vorherigen einschlägigen Abmahnung bedurft:
Nach dem Vortrag der Beklagten hatte der Kläger bereits zu Beginn seiner Tätigkeit als
Leiter des Geschäftsbereichs Steuerberatung die Zuständigkeiten des Geschäftsführers G
für den Bereich Steuerberatung nicht akzeptiert. Als Reaktion der Beklagten erfolgte
lediglich ein Telefonat zwischen Herrn G und dem Kläger, in dem er auf die mit seiner
Stellung verbundenen Pflichten hingewiesen wurde. Ein Hinweis auf die Bedeutung der
Angelegenheit, insbesondere den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses, wurde nicht
erteilt.
a. Ähnlich verhält es sich mit dem Fehlen des Klägers bei einer gemeinsamen Sitzung
der Geschäftsführung am 27.11. 2001. Der Kläger hatte einen Tag vor der Sitzung seine
Teilnahme ausdrücklich abgesagt. Dass die Teilnehmer sein Nichterscheinen gleichwohl
scharf missbilligten, wie die Beklagte behauptet, findet nicht einmal im Protokoll seinen
Niederschlag. Vielmehr wird dort der Kläger als "entschuldigt" aufgeführt. Wenn die
Beklagte sein Nichterscheinen gleichwohl als Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen
Pflichten hätte gewertet wissen wollen, hätte es einer deutlicheren Erklärung gegenüber
dem Kläger bedurft. Nach ihrem Vortrag sei das Verhalten zwar missbilligt und gerügt
worden. Es wird aber keinesfalls deutlich, ob dies dem Kläger gegenüber erfolgte und ob
bei dieser Gelegenheit auch auf die Gefährdung seines Beschäftigungsverhältnisses
hingewiesen worden sei. Entsprechend verhält es sich hinsichtlich der Sitzung vom
27.02.2002, an der der Kläger nicht teilnahm. Auch hier hätte Anlass bestanden, dem
Kläger deutlich zu machen, wie sich der Kläger aus Sicht der Beklagten vertragsgerecht
hätte verhalten müssen, ferner hätte ihm sein Fehlverhalten deutlich vor Augen geführt
werden müssen einschließlich des Hinweises auf die Gefährdung des Arbeitsplatzes.
Denn es war der Kläger, der dem Geschäftsführer eine Woche vorher mitteilte, dass er
mangels ausreichender Vorbereitung an dem Treffen nicht teilnehmen könne. Es wäre nun
an der Beklagten gewesen, den Kläger ultimativ aufzufordern, zu dem Treffen zu
erscheinen und ihm deutlich die arbeitsrechtlichen Folgen seines Nichterscheinens
aufzuzeigen. Statt dessen forderte der Geschäftsführer den Kläger auf, jedenfalls seine
Stellungnahme zu den Tagesordnungspunkten schriftlich vorab einzureichen. Damit duldet
er das Nichterscheinen des Klägers.
a. Entsprechendes gilt für den Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe sich in einer nicht
gewünschten Weise gegenüber dem Auftragspartner verhalten. Es fragt sich hier bereits,
ob der Vorfall, sollte er sich so zugetragen haben, wie die Beklagte es darstellt, überhaupt
schon von Kündigungsrelevanz ist. Denn dem Vorbringen der Beklagten ist zu entnehmen,
dass die aufgetretenen Irritationen ausgeräumt werden konnten und damit einer negativen
Zukunftsprognose der Boden entzogen worden sei. Jedenfalls aber vermögen die dem
Kläger zur Last gelegten Äußerungen ohne vorherige Abmahnung keine Kündigung zu
rechtfertigen. Dies gilt auch für die übrigen von der Beklagten angeführten
Verhaltensrügen.
a. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kann diese die Kündigung auch nicht
darauf stützen, der Kläger habe eine erkennbar unberechtigte Gutschrift im November 2001
in Höhe eines Monatsgehaltes, ausgewiesen als "13. Gehalt JB" neben dem regulären
Monatsgehalt vereinnahmt, ohne dies der Beklagten mitzuteilen. Zwischen den Parteien ist
zwar unstreitig, dass der Kläger nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages keinen Anspruch
auf ein 13. Gehalt hatte. Ob für den Kläger eine Pflicht bestand, den über-
obligationsmäßigen Gehaltszufluss der Beklagten gegenüber anzuzeigen und ob aus der
Verletzung dieser Pflicht ein Kündigungsgrund erwachsen kann, kann vorliegend dahin
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stehen. Denn der Kläger ist diesem Vorwurf entgegen getreten, indem er vorgetragen hat,
er hätte den Geschäftsführer F kurz nach dem Geldeingang darauf angesprochen. Dieser
hätte ihm daraufhin sinngemäß erklärt, das sei schon in Ordnung, das hätten Herr G und er
in Bezug auf das gut verlaufene Geschäftsjahr entschieden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Kündigende darlegungs- und
beweispflichtig für alle Umstände, die als Kündigungsgründe in Betracht kommen. "Der
Kündigende muss also die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der
Weiterbeschäftigung in vollem Umfang darlegen und beweisen" (BAG Urteil vom
24.11.1983 - 2 AZR 327/82). Demgegenüber sind Rechtfertigungs- und
Entschuldigungsgründe von demjenigen, der sich auf sie beruft, zunächst substantiiert
darzulegen sind. Bestreitet der Kündigende diese Rechtfertigungs- und
Entschuldigungsgründe in ebenso konkreter Weise, so trägt er die Beweislast für
diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund
ausschließen (BAG Urteil vom 24.11.1983 - 2 AZR 327/82; KR/ Fischermeier, 12. Aufl., §
626 BGB Rdnr. 380 ff. m.w.N.
967/00 - juris).
Es hätte daher der Beklagten oblegen, die substantiierte rechtfertigende Darstellung des
Klägers im Einzelnen zu bestreiten und das Gegenteil zu beweisen. Die Beklagte ist dieser
prozessualen Obliegenheit jedoch nicht nachgekommen. Sie hält den diesbezüglichen
Vortrag für "schlicht falsch" und bestreitet ein entsprechendes Gespräch sowohl einige
Tage nach der Überweisung noch zu einem anderen Zeitpunkt. Zur Begründung führt sie
an, anderenfalls hätte der Geschäftsführer F den Irrtum sofort aufgeklärt und den Kläger zur
Rückzahlung aufgefordert. Dazu bietet sie Beweis an durch Vernehmung des
Geschäftsführers F als Partei unter Hinweis auf § 448 ZPO.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist dieses Beweisangebot unzulässig mit
der Folge, dass sie beweisfällig geblieben ist. Nach § 445 ZPO kann eine Partei, die den
ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere
Beweismittel nicht vorgebracht hat, den Beweis dadurch antreten, dass sie beantragt, den
Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu vernehmen. Die eigene Partei als
Beweismittel kommt hingegen nur im Rahmen des § 448 ZPO in Betracht. Danach kann
das Gericht auch die beweisbelastete Partei vernehmen, wenn etwa das Ergebnis der
Verhandlungen nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit
einer zu erweisenden Tatsache zu begründen. § 448 ZPO will nicht die beweisbelastete
Partei von den Folgen der Beweisfälligkeit befreien, sondern dem Gericht im Rahmen
seines Ermessens ein Mittel zur Gewinnung letzter Klarheit an die Hand zu geben (Zöller,
ZPO, 23. Aufl. 2002, § 448 Rdnr. 2). Voraussetzung für die Parteivernehmung von Amts
wegen ist eine förmliche non-liquet Situation, in der aufgrund einer Gesamtwürdigung der
bisherigen Verhandlung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen
Behauptung besteht, d.h. es muss mehr für als gegen sie sprechen (st. Rspr. BAG Urteil
vom 16.09.1999 - 2 AZR 712/98 - EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 45; BAG
Urteil vom 6. 12. 2001 - 2 AZR 396/00, NZA 2002, 731).
Vorliegend sieht die Kammer keine Veranlassung, die Vernehmung des Geschäftsführers F
als Partei nach § 448 ZPO anzuordnen. Die von der Beklagten hierzu aufgeführten
Argumente vermögen nicht zu überzeugen, um auch nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit
für den von ihr behaupteten Geschehensablauf zu begründen. Zunächst erfolgte die
streitgegenständliche Überweisung auch mit dem Kürzel "JB", was der Kläger berechtigter
Weise als Jahresbonus verstehen konnte. Und die Zahlung von Jahresboni war üblich und
bedurfte grundsätzlich keiner Rückmeldung. Soweit der Kläger schildert, wie er sich beim
Geschäftsführer bedankte, bestätigt das vom Kläger geschilderte Gespräch den Eindruck,
der das bisherige Beklagtenverhalten bestimmte: Bis zur Kündigung hat die Beklagte es
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der das bisherige Beklagtenverhalten bestimmte: Bis zur Kündigung hat die Beklagte es
stets vermieden, ihre Positionen gegenüber dem Kläger klar und energisch durchzusetzen.
Ihre Reaktionen fielen zögerlich, hinhaltend und abwartend aus, Konfrontationen wurden
tunlichst vermieden. Das vom Kläger beschriebene Gespräch fügt sich nahtlos in dieses
Bild ein. Und selbst wenn dem Geschäftsführer die Zahlung tatsächlich nicht bekannt
gewesen sein sollte, kann er die vom Kläger geschilderte Antwort bewusst so gewählt
haben, um erst gar nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, er hätte die wirtschaftlichen
Dinge des Unternehmens nicht im Griff. Auch der Umstand, dass im Oktober 2002 der
Betrag mit laufenden Gehaltszahlungen verrechnet wurde, ist kein zwingendes Indiz dafür,
dass der Kläger sich nicht doch mit Geschäftsführer über die Zahlung unterhalten hatte.
a. Mangels wirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses war dem klageweise
geltend gemachten Weiterbeschäftigungsverlangen des Klägers zu entsprechen.
a. Der von der Beklagten gestellte Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer
Abfindung aufzulösen, ist unbegründet, die Voraussetzungen des § 9 Abs.1 Satz 2 KSchG
liegen nicht vor.
a. Der Kläger ist kein leitender Angestellter i.S. von § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Die
Ausnahmevorschrift des § 14 Abs.2 Satz 2 KSchG, die dem Arbeitgeber einen
begründungslosen Auflösungsantrag ermöglicht, greift deshalb nicht ein.
Für die Stellung als leitender Angestellter i.S. von § 14 Abs.2 Satz 1 KSchG ist allein
entscheidend, ob der Kläger zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von
Mitarbeitern befugt war. Diese Vorschrift ist von der Rechtsprechung ihrer Stellung als
Ausnahmevorschrift, die den Kündigungsschutz einschränkt, entsprechend zu Recht in
zweierlei Hinsicht restriktiv ausgelegt worden. Zum einen muss der Angestellte über die
Einstellung oder Entlassung einer bedeutenden Anzahl von Arbeitnehmern des Betriebs
gerade im Außenverhältnis selbständig entscheiden können (BAG Urteil v. 18.11.1999,
NZA 2000, 427 f.; BAG Urteil v.11.3.1982, EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 41; BAG Urteil v.
27.7.1961, AP Nr.: 24 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; KR-Rost, 6. Aufl. § 14
KSchG Rdnr. 29 m.w.N.). Zum anderen muss die selbständige Wahrnehmung von
Einstellungs- oder Entlassungsfunktionen einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des
Angestellten ausmachen, seine Tätigkeit muss durch diese Funktion schwerpunktmäßig
bestimmt werden (BAG Urteil vom 18.10.2000, EzA § 14 KSchG Nr.5 m. w. Nachw., KR-
Rost, 6. Aufl. § 14 KSchG Rdn. 32).
An beiden Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Da der Kläger nach der eigenen
Einlassung der Beklagten auch nach Abschluss der Aufbauphase in der
(Haupt)Verwaltungsabteilung allenfalls Personalhoheit über sechs bis sieben Mitarbeiter
gehabt hätte, handelt es sich nach § 14 Abs.2 Satz 1 KSchG nicht um eine "bedeutende"
Zahl von Mitarbeitern. Die Beklagte hat nämlich vorgetragen, dass insgesamt über 100
Mitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt seien. In Relation zu dieser Mitarbeiterzahl ist die
Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis gegenüber maximal sieben Mitarbeitern
verschwindend gering.
Ausschlaggebend ist jedoch, dass die selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis
des Klägers keinesfalls prägend für seine Tätigkeit war oder werden sollte. Wesentliche
Aufgabe des Klägers war die Leitung der Steuerabteilung in fachlicher Hinsicht, also eine
fachspezifische, im wesentlichen planerische, akquirierende Stabsaufgabe, die von
Personalfragen allenfalls beiläufig, am Rande, tangiert wird (im Ergebnis ähnlich: LAG
München 2. Kammer, Urteil v. 21.12.1998 - 2 Sa 1320/97 - n.v.).
a. Dem Auflösungsantrag der Beklagten fehlt es an einem tragfähigen Auflösungsgrund
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i.S. von § 9 Abs.1 Satz 2 KSchG. Die Beklagte hat keine substantiierten Gründe
vorgetragen, aus denen sich für das Gericht nachvollziehbar Gründe ergeben würden, die
eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht erwarten lassen.
Zwar können als Auflösungstatsachen im Sinne des § 9 KSchG auch solche Umstände
geeignet sein, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen (BAG, Urteil vom 16.05.1984 - 7
AZR 280/82 = EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 16). Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht
ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber jedoch noch nicht seiner
Darlegungslast ebenso wenig wie durch schlagwortartige Formulierungen und bloße
subjektive Wertungen, etwa des Inhalts, dass die Vertrauensgrundlage entfallen sei,
reichen nicht aus (BAG v.16.5.1984 a.a.O.). Er muss vielmehr im Einzelnen vortragen,
weshalb die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken
dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegen stehen sollen (KR-Spilger, 6. Aufl. 2002, §
9 KSchG Rdnr. 58). Da die primäre Zielsetzung des Kündigungsschutzgesetzes zu
beachten ist, den Arbeitnehmer im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes des
Arbeitsverhältnisses vor dem Verlust des Arbeitsplatzes durch sozialwidrige Kündigungen
zu bewahren, ist es gerechtfertigt, an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers strenge
Anforderungen zu stellen (BAG, Urteil vom 16.05.1984, a.a.O.; KR-Spilger, aaO, Rdnr. 52).
Andernfalls würde die Grenze zum begründungslosen Auflösungsantrag nach § 14 Abs.2
Satz 2 KSchG unzulässig verwischt (LAG München, Urteil v. 21.12.1998 - 2 Sa 1320/97 -
juris, sonst n.v). Diesem Anspruch wird die Beklagte nicht gerecht, die zur Begründung des
Auflösungsantrags nichts anderes vorgetragen hat als die für eine verhaltensbedingte
Kündigung nicht ausreichenden Umstände und allgemeine Wertungen. Ein darüber hinaus
gehender Vortrag fehlt.
1. Da die Beklagte das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss sie nach §§ 64 Abs.
6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO die Kosten der Berufung tragen.
1. Die Revision war nicht nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hat die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die
Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht und die
angesprochenen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Wegen der Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
(Dr. Brondics) (Gerresheim) (Hölscher)