Urteil des LAG Köln vom 22.10.2001

LArbG Köln (Ermächtigung, Geschäftsführer, Betriebsrat, Kündigung, Entlassung, Verfügungsbefugnis, Arbeitsgericht, Gehalt, Vereitelung, Rechtshängigkeit)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 2 (12) Sa 123/01
22.10.2001
Landesarbeitsgericht Köln
2. Kammer
Urteil
2 (12) Sa 123/01
Arbeitsgericht Bonn, 2 Ca 1345/00
Insolvenzeröffnungsverfahren, Nachteilsausgleich, Betriebsschliessung;
Masseforderung
§ 113 BetrVG, § 55 InsO
Arbeitsrecht
1. Beschließen der vorläufige Insolvenzverwalter und der Geschäftsführer
der Gemeinschuldnerin im Insolvenzeröffnungsverfahren die vollständige
Betriebsstilllegung, so sind die daraufhin ausgesprochenen Kündigungen
nicht deshalb unwirksam, weil der Geschäftsführer den geheimen
Vorbehalt hegte, unter Entwendung eines Teils der Betriebsmittel eine
Betriebsabteilung fortzuführen. 2. Eine Betriebsstilllegung löst dann den
Anspruch aus § 113 BetrVG aus, wenn so viele Kündigungen
ausgesprochen sind, dass der Betrieb ohne Zustimmung der Belegschaft
nicht mehr fortgeführt werden kann und der Verhandlungsanspruch des
Betriebsrats nicht mehr zur Betriebsfortführung führen könnte. 3. Der
Anspruch aus § 113 BetrVG stellt eine Insolvenzforderung und keine
Masseforderung dar, wenn die Stilllegung des Betriebs vor
Insolvenzeröffnung begonnen wurde. 4. § 55 Abs. 2 InsO kommt auch
nicht analog zur Anwendung, wenn ein sog. schwacher
Insolvenzverwalter mit partieller Ermächtigung zur Alleinvertretung
tatsächlich nicht alleine gehandelt hat, sondern die Kündigungen vom
Geschäftsführer mit Zustimmung des Insolvenzverwalters ausgesprochen
wurden.
Sowohl die Berufung der Klägerin als auch die Berufung des Beklagten
gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 4.10.2000 - 2 Ca 1345/00
- werden zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen
die Klägerin zu 16/17 und der Beklagte zu 1/17. Die Revision wird
zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um die Frage, ob es sich bei einem dem Grunde nach unstreitigen,
aus § 113 BetrVG hergeleiteten Anspruch der Klägerin auf Nachteilsausgleich um eine
Insolvenzforderung oder eine Masseforderung handelt. Zusätzlich ist die Höhe dieses
Anspruchs, soweit er 29.293,98 DM überschreitet zwischen den Parteien streitig.
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Die Klägerin war seit dem 05.04.1983 Arbeitnehmerin der Gemeinschuldnerin. Ihr
durchschnittliches Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt 4.882,33 DM.
Ende 1999 wurde das Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der
Gemeinschuldnerin, deren Insolvenzverwalter der jetzige Beklagte ist, eingeleitet. Mit
Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 17.11.1999 ( AZ: 99 IN 154/99) wurde der Beklagte
zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. In dem Beschluss wurde einerseits
angeordnet, dass die Gemeinschuldnerin nur noch mit Zustimmung des vorläufigen
Insolvenzverwalters wirksam über ihr Vermögen verfügen kann (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO).
Der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde ausdrücklich nicht als allgemeiner
Vertreter der Gemeinschuldnerin eingesetzt. Allerdings wurde er ermächtigt, auch allein mit
rechtlicher Wirkung für die Gemeinschuldnerin zu handeln, wobei er verpflichtet wurde, von
dieser Ermächtigung nur in dringend erforderlichen Fällen Gebrauch zu machen.
Am 18.01.2000 beschlossen der Geschäftsführer der Schuldnerin und der Beklagte als
deren vorläufiger Insolvenzverwalter die Betriebsstilllegung.
Hiervon wurde der Betriebsrat am darauffolgenden Tag unterrichtet. Ein
Interessenausgleich mit dem Betriebsrat konnte nicht erzielt werden. Der Betriebsrat
unterlag auch in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung, mit dem der drohende Ausspruch der Kündigungen verhindert werden sollte.
Mit Schreiben vom 27.01.2000 wurde der Klägerin wie auch den weiteren Mitarbeitern,
deren Kündigung keinem Zustimmungsvorbehalt unterlag, die Kündigung durch die
Gemeinschuldnerin mit Zustimmung des Beklagten ausgesprochen. Vorangegangen war
eine schriftliche Kündigungsanhörung des Betriebsrats. Am 01.02.2000 wurde das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen
der Gemeinschuldnerin bestellt. Nach der Insolvenzeröffnung einigten sich der Betriebsrat
und der Beklagte auf einen Sozialplan. Derzeit ist das Verfahren nicht massearm. Auf die
Insolvenzforderungen können voraussichtlich 10 % geleistet werden.
Der Betrieb ist zwischenzeitlich vollständig stillgelegt worden. Nach der Stilllegung der
Verwaltungsabteilung zum 31.05.2000 fand keine betriebliche Tätigkeit mehr statt.
Die Klägerin hält den dem Grunde nach unstreitigen Anspruch aus § 113 BetrVG für eine
Masseforderung im Sinne des § 55 InsO.
Dies folge daraus, dass das Arbeitsverhältnis erst nach Insolvenzeröffnung ende und unter
Entlassung im Sinne des § 113 BetrVG die Einstellung der Arbeit anzusehen sei. Selbst
wenn man dieser Argumentation nicht folge, sei jedenfalls wegen der im
Bestellungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 17.11.1999 enthaltenen Ermächtigung
des vorläufigen Insolvenzverwalters zur alleinigen Handlung für die Schuldnerin in
dringenden Fällen § 55 Abs. 2 InsO analog anzuwenden, so dass es sich auch aus diesem
Grunde bei der Nachteilsausgleichforderung um eine Masseverbindlichkeit handeln müsse.
Hinsichtlich der Höhe der Nachteilsausgleichsforderung setzt die Klägerin für jedes
Beschäftigungsjahr ein Bruttogehalt an, begrenzt durch die Höchstbetragsregelung aus §
10 KSchG.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie eine Abfindung in Höhe von 73.235,00 DM nebst
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4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen
1. hilfsweise die Nachteilsausgleichsforderung der Klägerin in Höhe von 73.235,00 DM
als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO zur Insolvenztabelle festzustellen, abzüglich
bereits anerkannter 4.598,00 DM.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der Nachteilsausgleichsforderung ist der Beklagte der Ansicht, dass es sich um
eine Insolvenzforderung handele, da die Betriebsschließung vor Insolvenzeröffnung
beschlossen worden sei und die Kündigungen ebenfalls vor Insolvenzeröffnung
ausgesprochen worden seien. Für eine Analogie des § 55 Abs. 2 InsO sei kein Raum, da
der Gesetzgeber hier ausdrücklich nur den sogenannten "starken" Insolvenzverwalter
gemeint habe. Hinsichtlich der Höhe des Nachteilsausgleichsanspruchs hielt er zunächst
ein Bruttomonatsgehalt wegen der Unabweisbarkeit der Betriebsstilllegung für
angemessen.
Das Arbeitsgericht Bonn hat durch Urteil vom 04.10.2000 die Nachteilsausgleichsforderung
der Klägerin im Rahmen des geltend gemachten Höchstbetrages zur Insolvenztabelle
festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung
eingelegt. Der Beklagte hat zwischenzeitlich eine Nachteilsausgleichsforderung in Höhe
von 6 Bruttomonatsvergütungen zur Insolvenztabelle festgestellt und hinsichtlich der
darüber hinaus gehenden Feststellung Berufung eingelegt.
Die Klägerin beantragt unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom
04.10.2000 - 2 Ca 1345/00 -,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine Ab-
findung in Höhe von 73235,00 DM nebst 4% Zinsen
seit Rechtshängigkeit bis zum 30. April 2000 und Zinsen
in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 1. Mai 2000
zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er beantragt,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 04.10.2000 - 2 Ca
1345/00 - die Klage insoweit abzuweisen, als ein weiterer Nachteilsausgleich von mehr als
24.695,98 DM zur Insolvenztabelle festgestellt wird.
Die Klägerin beantragt insoweit,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Beide Parteien wiederholen ihren Vortrag und vertiefen ihre Rechtsansichten.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die fristgerechten und im Übrigen zulässigen Berufungen beider Parteien sind nicht
begründet.
Der Klägerin steht der dem Grunde nach unstreitige Nachteilsausgleichsanspruch aus §
113 BetrVG nicht als Masseforderung, sondern lediglich als einfache Insolvenzforderung
nach § 38 InsO zu.
Maßgeblich für die Abgrenzung, ob ein Nachteilsausgleichsanspruch aus § 113 Abs. 3
BetrVG Masseforderung oder Insolvenzforderung ist, ist die Frage, ob die Klägerin zur Zeit
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits einen begründeten Vermögensanspruch an
die Gemeinschuldnerin hatte. Für das Vorliegen eines solchen Anspruchs ist es
ausreichend, wenn der Rechtsgrund für die Entstehung bereits vor Insolvenzeröffnung
gelegt wurde, ob der Anspruch in diesem Zeitpunkt bereits fällig ist, ist ohne Bedeutung
(vgl. BAG vom 03.04.1990 - 1 AZR 150/89 - AP-Nr. 20 zu § 113 BetrVG 1972).
Die erkennende Kammer folgt dem Bundesarbeitsgericht auch dahingehend, dass die
Grundlage für den Nachteilsausgleichsanspruch bereits dann gelegt ist, wenn mit der
Betriebsänderung ohne zuvor versuchten Interessenausgleich begonnen wurde und damit
das betriebsverfassungswidrige Vorgehen des Arbeitgebers feststeht. Denn § 113 BetrVG
ist die Sanktion dafür, dass der Arbeitgeber den Verhandlungsanspruch des Betriebsrates
vereitelt. Die Entlassung einzelner Arbeitnehmer im Sinne des Ausspruchs der Kündigung
kann dabei auch erst nach Insolvenzeröffnung vorgenommen werden. Denn ausgehend
von dem Zweck des § 113 BetrVG ist der Verhandlungsanspruch des Betriebsrates dann
zunichte gemacht, wenn bereits so viele Kündigungen zugegangen sind, dass der
Arbeitgeber die geplante Betriebsstilllegung nicht mehr einseitig rückgängig machen kann.
Aus der Sicht des Betriebsrates werden Verhandlungen mit dem Arbeitgeber dann sinnlos,
wenn dieser bereits in der Weise Fakten geschaffen hat, dass er die Planungshoheit über
die Stilllegung oder Fortführung des Betriebes verloren hat. Das ist der Fall, wenn der
Arbeitgeber als Verhandlungspartner ein mögliches Ergebnis, welches auf Fortsetzung des
Betriebes lauten würde, nicht mehr alleine umsetzen kann, weil er hierzu der Zustimmung
aller bereits gekündigten Arbeitnehmer bedürfte.
Aus den vorgenannten Urteil des Bundesarbeitsgerichts sowie aus dem Urteil vom
23.08.1988 - 1 AZR 276/87 - NZA 1989 Seite 31 ergibt sich zudem auch, dass das
Bundesarbeitsgericht den Tatbestand der Entlassung im Sinne des § 113 BetrVG nicht mit
dem letzten Verlassen des Betriebsgeländes gleichsetzt, sondern unter diesen Begriff
sowohl die arbeitgeberseitige als auch die Arbeitnehmerkündigung und den
Aufhebungsvertrag subsumiert.
Danach ergibt sich, dass die geplante Betriebsstilllegung bereits mit dem 27.01.2000, dem
Tag, an dem durch den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin alle nicht
zustimmungsbedürftigen Kündigungen ausgesprochen wurden, begonnen wurde. Nach
diesem Datum war der Verhandlungsanspruch des Betriebsrates vereitelt, da ein anderes
Ergebnis als die Betriebsstilllegung vom Arbeitgeber nicht mehr einseitig betrieblich
umgesetzt werden konnte. Demgegenüber ist die Entlassung der Klägerin im Sinne des
Ausspruchs der letztendlich ihr Arbeitsverhältnis beendenden Kündigung vom 14.02.2000
für die Begründung des Anspruchs als Insolvenzforderung nicht mehr maßgeblich. Es
handelt sich insoweit lediglich um den noch erforderlichen Schadenseintritt, der zu der
Vereitelung des Verhandlungsanspruchs des Betriebsrates hinzutreten muss. Dieser
Schadenseintritt kann, wie das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 03.04.1990
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ausgeführt hat, auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen.
Die Nachteilsausgleichsforderung aus § 113 BetrVG ist auch nicht deshalb als
Masseforderung zu behandeln, weil es sich um eine Verbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs.
2 InsO handeln würde. Aus dem Beschluss des Amtsgerichts Bonn (99 IN 155/99) vom
17.11.1999 ergibt sich, dass der Beklagte gerade nicht als sogenannter "starker" vorläufiger
Insolvenzverwalter im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 2 erste Alternative eingesetzt wurde. Zwar
ist der Wortlaut des § 55 Abs. 2 InsO (Verfügungsbefugnis übergegangen) und derjenige
des § 21 Abs. 2 Nr. 2 erste Alternative (Allgemeines Verfügungsverbot auferlegt) nicht
identisch. Allerdings ergibt sich aus § 22 Abs.1 InsO, dass die Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis nur dann auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht, wenn ein
Verfügungsverbot für den Schuldner angeordnet wurde. Daneben kann das Gericht
Einzelanordnungen nach § 22 Abs. 2 InsO treffen, die nicht zum Übergang der
Verfügungsbefugnis führen. Damit ergibt sich, dass bei unmittelbarer Anwendung des § 55
Abs.2 S.1 InsO vorliegend keine Masseverbindlichkeiten entstanden sind, da die
Verfügungsbefugnis nicht durch Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots
übergegangen war.
Vorliegend kann allerdings dahingestellt bleiben, ob auf eine im Einzelfall erteilte
Ermächtigung an den vorläufigen Insolvenzverwalter, in dringenden Fällen allein zu
handeln, während grundsätzlich lediglich Zustimmungsvorbehalt angeordnet ist, § 55 Abs.2
InsO zumindest analog angewandt werden kann. Insoweit wird eine analoge Anwendung
zumindest für den Fall in Erwägung gezogen, dass ein Insolvenzverwalter mit partieller
Ermächtigung an Stelle der Gemeinschuldnerin tätig geworden ist. ( Vergl.: Spliedt, ZIP
2001 S.1941) Denn selbst bei einer analogen Anwendung des § 55 Abs.2 InsO fehlt es hier
jedenfalls an der Voraussetzung, dass der streitige Anspruch eine Verbindlichkeit ist, die
vom vorläufigen Insolvenzverwalter aufgrund der Ausübung der ihm eingeräumten
Ermächtigung, allein für die Gesamtschuldnerin zu handeln, begründet worden ist. Denn
die vor Insolvenzeröffnung ausgesprochenen, den Nachteilsausgleich auslösenden
Kündigungen sind durch den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin lediglich mit
Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgesprochen worden. Somit beruhen
die Nachteilsausgleichsansprüche jedenfalls nicht auf einem allein vom Insolvenzverwalter
bestimmten Sachverhalt, sondern stellen sich als solche im Rahmen des regulären
Zustimmungsvorbehaltes dar. Bei dem Beginn der Durchführung der Betriebsstilllegung
durch Ausspruch der Kündigungen hat der Beklagte in seiner Eigenschaft als vorläufiger
Insolvenzverwalter gerade nicht von der Möglichkeit des Alleinhandelns im Rahmen des
Beschlusses des Amtsgerichts Bonn vom 17.11.1999 Gebrauch gemacht. Es bleibt damit
bei dem Regelfall, dass die Masse gerade nicht dadurch geschmälert werden soll, dass vor
Insolvenzeröffnung bereits Masseverbindlichkeiten begründet werden. Gerade die
Tatsache, dass der Gesetzgeber einerseits den Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen
Insolvenzverwalters einführt, andererseits alle die aus diesen Geschäften regelmäßig
herrührenden Verpflichtungen gleichwohl einfache Insolvenzforderungen werden, belegt,
dass es sich bei § 55 Abs. 2 InsO um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt,
die allenfalls im Rahmen einer größtmöglichen Masseerhaltung ausgelegt werden kann. (
Spliedt, a.a.O.)
Auch die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend bei der
Berechnung der Höhe des Nachteilsausgleichs berücksichtigt, dass dieser zum einen
Ersatz für den Verlust des Arbeitsplatzes als solchem bezweckt, zum anderen die
Komponente beinhaltet, dass eine fühlbare Sanktion für die Vereitelung des
Verhandlungsanspruchs des Betriebsrats erforderlich ist. Wenn das Arbeitsgericht in
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diesem Fall unter Beachtung der Höchstgrenze des § 10 KSchG ein ganzes Gehalt pro
Beschäftigungsjahr festlegt, so wird diese Überlegung auch von der erkennenden Kammer
getragen. Berücksichtigung findet dabei, dass regelmäßig im Kammerbezirk bereits der
Verlust des Bestandes des Arbeitsverhältnis mit einem halben Gehalt pro
Beschäftigungsjahr bewertet wird. Die Aufstockung auf ein ganzes Gehalt wegen der
Sanktionsfunktion erscheint damit im Verhältnis angemessen. Zudem ist zu
berücksichtigen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter und jetzige Beklagte in der
sicheren Erwartung, dass es sich ohnehin später nur um eine quotenmäßig zu
befriedigende Insolvenzforderung handeln werde, den Verhandlungsanspruch des
Betriebsrates übergangen hat. Er hat dabei bewusst in Kauf genommen, dass der Wert des
zu realisierenden Nachteilsausgleichsanspruchs letztlich immer noch deutlich unter den
möglichen Ansprüchen liegt, die sich bei einer Verzögerung des Kündigungsausspruchs
zugunsten der Arbeitnehmer ergeben hätten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt die Forderung des
Beklagten nach ihrem tatsächlich zu realisierenden Wert.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien Revision eingelegt werden. Die Revision
muss innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert
werden) von einem Monat nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt, eingelegt werden. Die Revision
ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
(Olesch) (Pohen) (Wittig)