Urteil des LAG Köln vom 03.04.2006

LArbG Köln: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, konzern, eigenkapital, anpassung, geschäftstätigkeit, insolvenz, arbeitsgericht, rangrücktritt, testat, gesellschafter

Landesarbeitsgericht Köln, 14 (1) Sa 98/06
Datum:
03.04.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 (1) Sa 98/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 5 Ca 6252/05
Schlagworte:
Betriebsrentenanpassung
Normen:
§ 16 BetrAVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Eine Betriebsrentenerhöhung setzt voraus, dass eine angemessene
Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet worden ist.
2. Verlustvorträge sind dabei zu berücksichtigen, wenn sie aus der
Geschäftstätigkeit des beklagten Unternehmens resultieren.
Tenor:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.11.2005
– 5 Ca 6257/05 – wird abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger begehrt mit der Klage die Anpassung seiner betrieblichen Altersversorgung.
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Der am 02.06.1940 geborene Kläger war bei der Beklagten bis zum Eintritt in den
Ruhestand am 31.03.2002 beschäftigt.
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Er erhält eine Betriebsrente von der Beklagten in Höhe von 293,90 € (Bl. 4 d. A.).
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Mit Schreiben vom 07.03.2005 (Bl. 8 d. A.) verlangte der Kläger eine Anpassung seiner
Betriebsrente, was die Beklagte mit Hinweis auf ihre schlechte Wirtschaftslage durch
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Schreiben vom 23.03.2005 (Bl. 9 d. A.) ablehnte.
Das Arbeitsgericht hat dem Erhöhungsverlangen, das sich auf einen Betrag von 12,93 €
monatlich beläuft, durch Urteil vom 25.11.2005 (Bl. 51 ff. d. A.) stattgegeben.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
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Die Beklagte hält das Anpassungsverlangen für nicht gerechtfertigt. Sie verweist darauf,
dass die Beklagte eigentlich infolge eines negativen Eigenkapitals von 45,8 Mio. €
überschuldet sei und die Insolvenz nur durch zinsfreie Darlehen der Muttergesellschaft
vermieden werde. Nur durch den diesbezüglichen Rangrücktritt könne die Beklagte
weiter existieren.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 25.11.2005 – Az.: 5
Ca 6252/05 – die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger beruft sich zum einen auf die in den letzten drei Jahren angefallenen
Gewinne bei der Beklagten und trägt darüber hinaus vor, soweit es auf die Verhältnisse
im Konzern ankomme, sei die Entwicklung des Konzerns insgesamt entscheidend.
Diese sei positiv, wie sie es aus verschiedenen Veröffentlichungen ergebe.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien
im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g rü n d e :
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung
hat in der Sache Erfolg.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente, wie sich
insbesondere aus den zusätzlich in der zweiten Instanz unstreitig gewordenen
Umständen ergibt.
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I. Ein Anspruch nach § 16 des Gesetzes über die Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung (BetrAVG) besteht nicht.
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Bei der Prüfung der Anpassungsverpflichtung ist das Interesse des Arbeitnehmers an
einem Kaufkraftausgleich mit dem Interesse des Arbeitgebers im Hinblick auf seine
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzuwägen. Eine Anpassung kommt nur in Betracht,
wenn die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens dies gestattet. Dabei ist nach
der Rechtsprechung Voraussetzung, dass das Unternehmen eine angemessene
Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet,
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s. BAG, Urt. v. 17.04.1996 – 3 AZR 56/95 – NZA 1997, S. 155 ff..
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Ist das Eigenkapital negativ und liegen entsprechende Verlustvorträge vor, so bilden die
handelsrechtlichen Jahresabschlüsse zunächst nur den geeigneten Einstieg in die
Prüfung. Die fehlende Belastbarkeit des Unternehmens kann sich aus einer
Eigenkapitalauszehrung ergeben, weshalb Verlustvorträge zu berücksichtigen sind,
allerdings kommt es auch auf die Ursache dieser Verlustvorträge an,
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s. BAG, Urt. v. 23.05.2000 – 3 AZR 83/99 – NZA 2002, S. 554 ff..
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II. Unter Anwendung dieser zuvor beschriebenen Grundsätze der höchstrichterlichen
Rechtsprechung besteht kein Anpassungsanspruch gegen die Beklagte.
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Es ist hier zwar unstreitig, dass die Beklagte in den Jahren 2002 bis 2004 Gewinne
gemacht hat, und zwar im Jahr 2002 2,15 Mio. €, im Jahr 2003 1,378 Mio. € und im Jahr
2004 0,351 Mio. €. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ein negatives
Eigenkapital von 45,8 Mio. € hat. Zum Ende des Jahres 2004 sind Verlustvorträge i. H.
v. 80,12 Mio. € bilanziert und steuerlich akzeptiert worden, wie sich aus dem Testat der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Bl. 27 ff. d. A.) ergibt. Hieraus ist auch ersichtlich, dass
die Beklagte eigentlich bilanziell überschuldet ist und daher Insolvenz anmelden müsste
und dies nur dadurch vermieden wird, dass die Gesellschafter hinsichtlich ihrer
Darlehensforderungen von 81,8 Mio. € einen Rangrücktritt erklärt haben.
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Das negative Eigenkapital und die Verlustvorträge können allerdings nicht schematisch
berücksichtigt werden, sondern es muss geprüft werden, welche Ursache sie haben.
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Hier ist in der mündlichen Verhandlung am 03.04.2006 vor dem Landesarbeitsgericht
Köln unstreitig geworden, dass das negative Eigenkapital und die Verlustvorträge aus
vorangegangener Geschäftstätigkeit der Beklagten resultierten. Die Beklagte ist Ende
der 90er Jahre von dem K -Konzern übernommen worden. Nach der von der
Beklagtenseite zur Akte gereichten Aufstellung über Umsatz und Ergebnis der
Beklagten (Bl. 80 f. d. A.), der die Klägerseite nicht widersprechen konnte, waren in den
Jahren bis 1998 bereits Verluste aus der Geschäftstätigkeit der Beklagten in Höhe von
85 Mio. € aufgelaufen. Die Verluste sind also aus der früheren Geschäftstätigkeit der
Beklagten hervorgegangen und müssen daher auch bei der Abwägung berücksichtigt
werden. Es kommt hinzu, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am
03.04.2006 weiterhin unwidersprochen vorgetragen hat, dass die Beklagte ihre
Produktionsstätte schließen werde und zur Zeit der Interessenausgleich mit dem
Betriebsrat diesbezüglich verhandelt werde. Folge dieser Betriebsschließung ist die
Entlassung der meisten der noch verbliebenen 200 Arbeitnehmer.
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Dies unterstreicht die negative wirtschaftliche Entwicklung bei der Beklagten.
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Eine wirtschaftliche Basis für eine Erhöhung der Betriebsrente des Klägers ist daher
nicht gegeben.
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III. Soweit der Kläger geltend macht, aufgrund der Entwicklung im Konzern, dem die
Beklagte angehört, müsse eine Erhöhung der Betriebsrenten erfolgen, kann er hiermit
ebenfalls nicht durchdringen.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des sog. Konzerndurchgriffs
erfüllt sind. Jedenfalls lässt sich aus der wirtschaftlichen Lage des Konzerns eine solche
Forderung nicht ableiten. Zwar hat der Kläger diesbezüglich auf verschiedene positive
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Publikationen hingewiesen. Entscheidend sind jedoch die tatsächlichen Ergebnisse.
Hierzu hat die Beklagte bereits im Schriftsatz vom 26.07.2005 (Bl. 22 d. A.) vorgetragen,
dass der Konzern im Jahre 2004 einen Verlust von über 10 Mio. € gehabt habe. Dem hat
der Kläger nicht mit anderslautenden Zahlen widersprechen können.
Angesichts dieses unstreitigen Verlustes besteht auch im Hinblick auf die Verhältnisse
im Konzern, dem die Beklagte angehört, kein Anspruch auf Erhöhung der Betriebsrente.
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Die Klage musste daher abgewiesen werden.
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Der Kläger hatte als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1
ZPO zu tragen.
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Die Revision konnte nicht zugelassen werden, insbesondere hatte die Rechtssache
keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beruhte auf der Anwendung von Grundsätzen
der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Hinsichtlich der Möglichkeit
der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG Bezug genommen.
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(Dr. Griese) (Hahn) (Kornmüller)
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