Urteil des LAG Köln vom 16.11.2010

LArbG Köln (bag, arbeitsverhältnis, urlaub, arbeitnehmer, juristische person, befristete rente, eugh, arbeitsgericht, zeitpunkt, verfall)

Landesarbeitsgericht Köln, 12 Sa 375/10
Datum:
16.11.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
12.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 Sa 375/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Aachen, 8 Ca 2485/09
Schlagworte:
Urlaubsabgeltung; ruhendes Arbeitsverhältnis; Ausschlussfrist
Normen:
§§ 26 Abs. 2 Buchst. c, 33 Abs. 2, 37 Abs. 1 TVöD
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Im nach § 33 Abs. 2 TVöD ruhenden Arbeitsverhältnis entsteht nach §
26 Abs. 2 Buchst. c TVöD kein über den gesetzlichen Mindesturlaub
hinausgehender Ur-laubsanspruch. Europarechtliche Vorschriften
stehen dem nicht entgegen.
2. Ob der gesetzliche Mindesturlaub entsteht, konnte offen bleiben, da
der geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch der tarifvertraglichen
Ausschlussfrist unterfällt und daher verfallen wäre. .
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Aachen vom 28.01.2010 (8 Ca 2485/09 d) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin
Urlaubsabgeltung zu zahlen. Die Klägerin war bei der Beklagten in der Zeit vom
13.06.1988 bis zum 30.09.2008 zu einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen in
Höhe von 2.149,45 € (im Jahr 2003) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der
BAT und zuletzt der TVöD Anwendung. In der Zeit vom 14.11.2002 bis zum 31.05.2006
war die schwerbehinderte Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 01.06.2004 bezog
sie eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zum 01.10.2008 wurde ihr
eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt, weshalb das
Arbeitsverhältnis gemäß § 33 Abs. 2 TVöD zum 30.09.2008 sein Ende fand. Nachdem
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sie zunächst mündlich außergerichtlich die Abgeltung ihres Urlaubsanspruchs für die
Jahre 2006 bis 2008 geltend gemacht hatte, erhob sie am 05.06.2009 vor dem
Arbeitsgericht Klage. Die Klageschrift wurde der Beklagten am 15.06.2009 zugestellt.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, für die Jahre 2005 bis 2007 stünden ihr
einschließlich des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte jeweils 35 Tage und für das
Jahr 2008 anteilig 26,25 Tage Urlaub zu, die ihr nach der Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.01.2009 abzugelten seien. Das Ruhen des
Arbeitsverhältnisses lasse Nebenpflichten und somit auch den Urlaubsanspruch
unberührt. Hinsichtlich der Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs im Einzelnen
wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21.08.2009 (Bl. 15 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Sie hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.808,31 € brutto zu zahlen.
5
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, im ruhenden Arbeitsverhältnis entstehe gemäß §§ 33
Abs. 2, 26 Abs. 2 c TVöD kein Urlaubsanspruch, der abgegolten werden könne. Dies
gelte jedenfalls für den über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden
Urlaub.
8
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 28.01.2010 (Az.: 8 Ca 2485/09 d) die
Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass
ab dem Jahr 2005 kein Urlaubsanspruch entstanden sei, da das Arbeitsverhältnis geruht
habe. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses zeichne sich dadurch aus, dass die
beiderseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert würden. Weder Vergütung noch
Urlaubsvergütung seien zu zahlen. Der Arbeitnehmer erwerbe keinen Urlaubsanspruch.
Der Gesetzgeber habe dies für die Elternzeit in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG und für den
Wehrdienst in § 4 Abs. 1 S. 1 ArbPlSchG ausdrücklich geregelt. Die
Tarifvertragsparteien hätten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise der Situation
des ruhenden Arbeitsverhältnisses durch anteilige Kürzung des
Erholungsurlaubsanspruchs in § 26 Abs. 2 c TVöD Rechnung getragen.
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Die Klägerin hat gegen dieses, ihr am 23.06.2010 zugestellte Urteil zunächst ohne
Angabe des vollen Rubrums am 05.03.2010 sowie mit vollem Rubrum am 11.03.2010
Berufung eingelegt und diese mit am 23.08.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz
begründet.
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Sie vertritt die Ansicht, der Urlaubsanspruch sei nach der Rechtsprechung des EuGH
als ein jedem Arbeitsverhältnis immanentes Recht anzusehen, welches auch beim
ruhenden Arbeitsverhältnis entstehe.
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Sie beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.01.2010 (8
Ca 2485/09 d) die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.808,31 € brutto zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie vertritt die Ansicht, da beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses die
Hauptleistungspflichten suspendiert seien, könne kein Urlaubsanspruch entstehen. Die
bislang herrschende Auffassung, die Urlaubsgewährung gehöre zu den Nebenpflichten
des Arbeitgebers, sei mit der neueren Rechtsprechung des EuGH nicht zu vereinbaren.
Zudem habe die Klägerin ihren Anspruch falsch berechnet, da sie im Rahmen einer 5-
Tage-Woche tätig gewesen sei.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige, insbesondere statthafte sowie jedenfalls mit am 11.03.2010 beim
Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz form- und fristgerecht eingelegte und
form- und fristgerecht begründete Berufung (§§ 64 Abs. 1, 2 Buchst. b, 66 Abs. 1 S. 1, 64
Abs. 6 S. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO) der Klägerin hatte in der Sache
keinen Erfolg.
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I. Die Klägerin hat keinen über den gesetzlichen Urlaub hinausgehenden
Urlaubsanspruch nach dem BAT bzw. TVöD erworben. Aufgrund der tariflichen
Regelungen der §§ 33 Abs. 2, 26 Abs. 2 Buchst. c) TVöD entsteht im ruhenden
Arbeitsverhältnis kein Urlaubsanspruch. Nach der erstgenannten Vorschrift ruht das
Arbeitsverhältnis in der Zeit, für die eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt
wurde. Nach der letztgenannten Vorschrift vermindert sich für jeden vollen
Kalendermonat des Ruhens der Urlaubsanspruch um 1/12. Gleiches galt im Fall der
Gewährung einer befristeten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den bis
zum 30.09.2005 geltenden Vorgängerregelungen der §§ 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5,
48 Abs. 3 Satz 1 BAT. Im Fall der Klägerin führt dies aufgrund des durchgehenden
Ruhens in den Jahren 2005 bis 2008 zu einem vollständigen Entfallen des (tariflichen)
Urlaubsanspruchs. Die Arbeits- und Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und
Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie
(Richtlinie 2003/88/EG) gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten
Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre
Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche
richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG beschränkt. Einem tariflich
angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung
steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH
kein Unionsrecht entgegen (zur Regelungsbefugnis der Arbeitsvertragsparteien: BAG,
Urteil vom 04.05.2010 – 9 AZR 183/09 -, juris, Rn. 23; zur Regelungsbefugnis der
Tarifvertragsparteien: Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 -, juris, Rn. 19 ff.).
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II. Es kann offen bleiben, ob die Klägerin während der Zeit des Ruhens des
Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erworben hat.
In der Rechtsprechung verschiedener Landesarbeitsgerichte wird die Frage, ob im
ruhenden Arbeitsverhältnis ein Urlaubsanspruch entstehen kann, unterschiedlich
beantwortet (befürwortend: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2010 – 11 Sa
64/09 –, ZTR 2010, 415 f.; ablehnend: LAG Düsseldorf, Urteil vom 05.05.2010 – 7 Sa
21
1571/09 –, juris; LAG Köln, Urteil vom 29.04.2010 – 6 Sa 103/10 –, juris). Ein eventueller
Anspruch der Klägerin wäre jedoch verfallen.
1. Gemäß § 37 Abs. 1 S. 1 TVöD verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn
sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit von der/dem
Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Ein
Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht nach neuerer Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (BAG) bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als reiner
Geldanspruch (BAG, Urteil vom 04.05.2010 – 9 AZR 183/09 -, juris, Rn. 21). Als solcher
ist er sofort fällig, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt
arbeitsfähig ist oder nicht (BAG, Beschluss vom 11.10.2010 – 9 AZN 418/10 –, juris, Rn.
20; Urteil vom 04.05.2010 – 9 AZR 183/09 -, juris, Rn. 23). Als reiner Geldanspruch ist er
aber auch innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfristen geltend zu machen.
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a. Ob ein Urlaubsabgeltungsanspruch Ausschlussfristen unterfallen kann, hat das
BAG zuletzt in seiner Entscheidung vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07, juris, Rn. 77)
ausdrücklich offen gelassen. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat es dies
jedoch aus zwei Gründen abgelehnt. Es begründete dies zum einen damit, dass
eine tarifliche Ausschlussfrist den gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht
erfassen könne, da dieser unabdingbar sei (vgl. BAG, Urteil vom 20.05.2008 – 9
AZR 219/07 –, juris, Rn. 48; BAG, Urteil vom 24.03.1988 – 2 AZR 630/87 – unter
Hinweis auf BAG, Urteil vom 05.04.1984 – 6 AZR 443/81). Zum anderen ergebe
sich die Unanwendbarkeit der Ausschlussfristen daraus, dass das Gesetz in § 7
Abs. 3 BUrlG eigenständige Verfallfristen vorsehe (BAG, Urteil vom 20.01.2009 –
9 AZR 650/07 –, juris, Rn. 27; BAG, Urteil vom 24.11.1992 – 9 AZR 549/91).
b. Das erste dieser Argumente vermag nicht zu überzeugen. Zwar ist der
Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs nach § 13
Abs. 1 BUrlG unabdingbar (BAG, Urteil vom 09.06.1998 - 9 AZR 43/97); aber auch
gesetzlich unabdingbare Ansprüche können einer Ausschlussfrist unterliegen.
Dies hat das BAG etwa für den ebenfalls gemäß § 12 EFZG unabdingbaren
Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mit der Begründung
entschieden, die tarifliche Ausschlussfrist betreffe nicht den Inhalt des Anspruchs
sondern dessen Geltendmachung und zeitliche Begrenzung (BAG, Urteil vom
16.01.2002 – 5 AZR 230/00 –, juris, Rn. 20; generell zu Ausschlussfristen: BAG,
Urteil vom 26.09.2007 - 5 AZR 881/06). Gleiches gilt beim
Urlaubsabgeltungsanspruch.
c. Das zweite Argument kann nur durchgreifen, wenn man weiterhin annimmt, der
Urlaubsabgeltungsanspruch verfalle wie der Urlaubsanspruch des arbeitsfähigen
Arbeitnehmers mit Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums. Das
BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Urlaubsanspruch auf
das Kalenderjahr befristet ist und gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG bei Vorliegen der dort
genannten Gründe auf das erste Vierteljahr des Folgejahres übertragen wird,
ansonsten jedoch verfällt (so schon BAG, Urteil vom 26.06.1969 – 5 AZR 393/68).
Die Befristung des Urlaubsanspruchs hat das Gericht daraus abgeleitet, dass
gemäß §§ 1, 7 Abs. 3 BUrlG jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch
auf bezahlten Erholungsurlaub habe. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG müsse der Urlaub im
laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Der Urlaubsanspruch
bestehe im Urlaubsjahr, nicht jedoch für das Urlaubsjahr (BAG, Urteil vom
23
13.05.1982 – 6 AZR 360/80 -, juris, Rn. 13). Ursprünglich war das BAG jedoch
davon ausgegangen, dass bei Unmöglichkeit der Urlaubsverwirklichung im
Kalenderjahr infolge langandauernder Arbeitsunfähigkeit der Urlaub ohne
Beschränkung auf die Dreimonatsfrist des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG auf das Folgejahr
übergehe (BAG, Urteil vom 13.11.1969 – 5 AZR 82/69). Später vertrat es dann die
Auffassung, der Urlaub erlösche auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf
der ersten drei Monate des Folgejahres (BAG, Urteil vom 13.05.1982 – 6 AZR
360/80 –, juris, Rn. 15). Demgegenüber nimmt die 12. Kammer des
Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in ständiger Rechtsprechung an, dass der
Urlaubsanspruch überhaupt nicht befristet sei (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom
02.02.2009 – 12 Sa 486/06 -, juris Rn. 20 f. m. w. N.). Das BAG hat in seiner
Entscheidung vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07, juris, Rn. 62) konzediert, dass der
Verfall des Urlaubsanspruchs im Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich angelegt
und dem Gesetzeszusammenhang nicht in einer Weise zu entnehmen ist, die jede
andere Auslegung ausschließt. d) Erst recht gilt dies aber für den
Urlaubsabgeltungsanspruch. § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG, aus dem die Befristung des
Urlaubs maßgeblich abgeleitet wird, sieht nämlich nur vor, dass der Urlaub im
laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Auf einen
Geldanspruch passt diese Formulierung nicht. Ebenso wenig macht die in § 7
Abs.3 S. 2 BUrlG vorgesehene Übertragung des Urlaubs auf das nächste
Kalenderjahr bei einem Zahlungsanspruch Sinn, dessen Erfüllbarkeit von der
Möglichkeit, bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses Urlaub zu gewähren,
unabhängig ist. Erwägungen, die dafür sprechen können, den Urlaubsanspruch
selbst zu befristen, sind beim Abgeltungsanspruch nicht einschlägig. Die
Befristung des Urlaubsanspruchs macht insoweit Sinn, als der Arbeitnehmer
hierdurch angehalten wird, seinen Urlaub im jeweiligen Urlaubsjahr zu nehmen.
Damit wird sichergestellt, dass der Anspruch nicht über Jahre angehäuft und somit
der Zweck gefährdet wird, dem Arbeitnehmer regelmäßige Erholungsphasen zu
gewähren. Beim Urlaubsabgeltungsanspruch kann jedoch nur der Urlaub
abgegolten werden, der noch nicht genommen bzw. verfallen ist. Weitere
Urlaubsansprüche können nicht mehr hinzutreten. Der Arbeitnehmer muss auch
nicht angehalten werden, den Abgeltungsanspruch innerhalb eines bestimmten
Zeitraums zu verwirklichen, da er das auszuzahlende Geld zwar nutzen kann, um
sich zu erholen, dies jedoch nicht muss. Selbst wenn er sich für die Erholung
entscheidet, ist der Zeitpunkt der Verwendung unabhängig vom Zeitpunkt der
Auszahlung. Die erkennende Kammer ist daher der Auffassung, dass der
Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG
befristet ist und abgesehen von den aus § 13 Abs. 1 BUrlG sich ergebenden
Einschränkungen so zu behandeln ist, wie jeder andere Zahlungsanspruch auch
(so schon Urteil vom 20.04.2010 – 12 Sa 1448/09 -, juris). Hierfür spricht auch,
dass der Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BurlG aus der
Annahme abgeleitet worden ist, dieser sei ein Surrogat für den Urlaubsanspruch.
Diese Theorie ist jedoch (jedenfalls für den Fall der Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers) aufgegeben worden (BAG, Urteil vom 04.05.2010 – 9 AZR 183/09
-, juris, Rn. 17). Dogmatisch lässt sich aber eine Unterscheidung beim Charakter
des Urlaubsanspruchs danach, ob der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist oder nicht,
kaum begründen. Zu Recht wird daher von einem Teil der Literatur angenommen,
dass (jedenfalls tarifvertragliche) Ausschlussfristen den Abgeltungsanspruch zum
Erlöschen bringen können (Grobys, NJW 2009, 2177, 2179; Gaul/Bonanni/Ludwig,
DB 2009, 1013, 1016; Schlachter, RdA-Beilage 2009, 31, 36; Bauer/Arnold, NJW
2009, 631, 635; Gaul/ Josten/Strauf, DB 2009, 497, 500; im Ergebnis wie hier auch
Arbeitsgericht Regensburg, Urteil vom 04.02.2010 – 8 Ca 1022/09; Röller,
Personalbuch 2010, Urlaubsabgeltung, Rn. 7 a [Beck Online]; a. A.: Arbeitsgericht
Berlin, Urteil vom 22.04.2009 – 56 Ca 21280/08; für den über den gesetzlichen
Mindesturlaub hinausgehenden Anspruch: Dreier/Dassau/Kiefer/ Thivessen, TV-L,
Stand Aktualisierung 6/2009, Anhang 1 zu § 26 TV-L, S. 119).
24
e) Gegen den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs, auch soweit er den
gesetzlichen Mindesturlaub betrifft, sprechen auch keine europarechtlichen Bedenken.
Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG steht nationalen Regelungen nicht entgegen, die den
Arbeitnehmer verpflichten, seinen Mindesturlaub innerhalb einer bestimmten Zeitspanne
geltend zu machen. Dabei spielt es europarechtlich keine Rolle, ob die nationalen
Regelungen durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag
getroffen werden. Wenn diese Gestaltungsfreiheit bereits für den Urlaubsanspruch
eingeräumt wird, gilt sie entsprechend auch für den Abgeltungsanspruch.
Voraussetzung ist nur, dass der Arbeitnehmer als Folge der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses den Abgeltungsanspruch geltend machen kann (wie hier:
Gaul/Bonanni/Ludwig, DB 2009, 1013, 1016; EuGH, Urteil vom 20.01.2009, a. a. O., Rn.
43).
25
f) Die hiernach auf einen eventuellen Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin
anwendbare Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 S. 1 TVöD hat die Klägerin indessen nicht
gewahrt. Das Arbeitsverhältnis hat zum 30.09.2008 sein Ende gefunden. Mithin wäre
der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin binnen 6 Monaten geltend zu machen
gewesen. Die Klageschrift ist der Beklagten allerdings erst am 15.06.2009 zugestellt
worden, sodass ein eventueller Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin verfallen
wäre.
26
g) Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen diesem Ergebnis nicht entgegen, da auch
nach der bisherigen Rechtsprechung der Anspruch am 31.03.2009 verfallen wäre. Dass
die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hatte, ist nicht
dargetan.
27
II. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG in Verbindung mit §
97 Abs. 1 ZPO.
28
III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 ArbGG zuzulassen, da die Sache
zum einen grundsätzliche Bedeutung hat und zum anderen von der bisherigen
Rechtsprechung des BAG zu der Anwendbarkeit von Ausschlussfristen auf den
Urlaubsabgeltungsanspruch abweicht.
29
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
30
Gegen dieses Urteil kann von
31
R E V I S I O N
32
eingelegt werden.
33
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
34
Die Revision muss
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
35
Bundesarbeitsgericht
36
Hugo-Preuß-Platz 1
37
99084 Erfurt
38
Fax: 0361 2636 2000
39
eingelegt werden.
40
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Die Revisionsschrift
muss
Bevollmächtigte
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1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische
Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser
Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung
durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
43
44
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
45
Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
46
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
47
Dr. Rech Kern Roll-Tholfus
48