Urteil des LAG Köln vom 29.10.2010

LArbG Köln (kläger, verhältnis zu, arbeitgeber, grundsatz der gleichbehandlung, arbeitnehmer, abschluss, mitarbeiter, überwiegendes interesse, antrag, bag)

Landesarbeitsgericht Köln, 10 Sa 524/10
Datum:
29.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
10.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 Sa 524/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 3 Ca 3487/09
Schlagworte:
Altersteilzeit
Normen:
TV ATZ § 2; ATG §§ 3, 4
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Zur Antragsablehnung im Rahmen des billigen Ermessens nach § 2
Abs. 1 TV ATZ bei Entscheidung über einen Antrag auf Altersteilzeit
dürfen auch finanzielle Erwägungen herangezogen werden.
2. Eine das Normalmaß übersteigende Belastung des Arbeitgebers kann
in der vom Arbeitnehmer gewünschten langen Vertragslaufzeit liegen,
wenn sie die Förderdauer von längstens 6 Jahren gem. § 4 Abs. 1 ATG
übersteigt.
3. Auch mit Rücksicht auf die Überschreitung der sog. Überlastquote
nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. ATG kann ein der Altersteilzeitgewährung
entgegenstehender Umstand vorliegen.
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn
vom 25.02.2010 – 3 Ca 3487/09 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Abschluss eines
Altersteilzeitarbeitsvertrages.
2
Der am 06.05.1953 geborene Kläger ist seit dem 14.01.1980 als Angestellter im
öffentlichen Dienst bei der beklagten Bundesanstalt beschäftigt. Ab dem Jahr 2007 ist
3
der Kläger als Sachgebietsleiter Kontokorrent mit monatlichen Bruttoeinkommen von
zuletzt 3.720,52 € tätig.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die
Tarifvorschriften des öffentlichen Dienstes Anwendung – hierbei insbesondere der
Tarifvertrag Altersteilzeit (TV ATZ).
4
Mit Rundschreiben vom 22.11.2005 wies das Bundesministerium des Innern die
obersten Bundesbehörden und damit auch die Beklagte an, bei Anträgen auf
Altersteilzeitarbeit nach dem TV ATZ von Tarifbeschäftigten der Altersgruppe 55 bis 59
wie folgt zu verfahren:
5
1. Anträge auf Altersteilzeitarbeitsverhältnisse soll grundsätzlich nicht mehr
entsprochen werden.
6
7
2. Ausnahmen von den Einschränkungen nach Ziffer 1) gelten
8
9
1. bei schwerbehinderten Beschäftigten,
10
11
2. in Stellenabbaubereichen, wenn auf Ausbringung einer Ersatzstelle verzichtet
wird.
12
13
3. aus personalwirtschaftlichen Gründen in begründeten Einzelfällen, um
besonderen Belangen einzelner Ressource Rechnung zu tragen,
14
15
4. beim Teilzeitmodell (§ 3 Abs. 2 Buchstabe b) TV ATZ), wenn keine Mehrkosten
16
entstehen.
17
Mit weiterem Rundschreiben vom 08.03.2006 ergänzte das Bundesministerium des
Inneren das vorgenannte Rundschreiben vom 22.11.2005 gegenüber den obersten
Bundesbehörden dahingehend, ab sofort Altersteilzeitarbeit grundsätzlich nur noch
nach § 3 Abs. 2 Buchstabe b) TV ATZ als Teilzeitmodell zu bewilligen, wobei
Bewilligungen im Blockmodell nach § 3 Abs. 2 Buchstabe a) TV ATZ ab sofort
ausgeschlossen seien. Ausnahmen von dieser Regelung sollten nach dem
Rundschreiben gelten
18
1. bei Kraftfahrern im Sinne des Pauschalentgelt-Tarifvertrages des Bundes
(Kraftfahrer TV Bund), für die aufgrund der Protokollerklärung zu § 3 Abs. 2 TV
ATZ Altersteilzeit nur im Blockmodell möglich ist.
19
2. für die nachfolgend im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der
Finanzen festgelegten Stellenabbaubereiche
20
- Bundeswehrverwaltung
21
- Bundesmonopolverwaltung für Branntwein.
22
Gemäß dem Rundschreiben vom 08.03.2006 konnten weitere Stellenabbaubereiche im
Einvernehmen mit den Ressorts und dem Bundesministerium der Finanzen durch
Anpassung dieses Rundschreibens festgelegt werden. Schwerbehinderte
Tarifbeschäftigte konnten auch weiterhin einen Antrag auf Altersteilzeitarbeit ab
Vollendung des 55. Lebensjahres stellen, wobei die Bewilligung ab sofort nur noch im
Teilzeitmodell nach § 3 Abs. 2 Buchstabe b) TV ATZ, nicht jedoch im Blockmodell
möglich sein sollte.
23
Der Kläger stellte mit Schreiben vom 25.09.2009 einen Antrag gegenüber der Beklagten
auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung im Blockmodell für den Zeitraum vom
31.12.2009 bis 05.12.2018.
24
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 28.09.2009 unter Hinweis auf die
entgegenstehende Weisung des Bundesministeriums des Inneren ab.
25
Mit der vorliegenden Klage vom 04.12.2009, welche am 19.12.2009 beim Arbeitsgericht
Bonn eingegangen ist, verfolgt der Kläger sein Begehren gegenüber der Beklagten
hinsichtlich des Abschlusses eines Altersteilzeitarbeitsvertrages für den Zeitraum vom
31.12.2009 im Blockmodell mit der Arbeitsphase vom 31.12.2009 bis zum 27.06.2014
und der Freistellungsphase vom 28.06.2014 bis zum 05.12.2018 weiter.
26
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, er könne einen entsprechenden
Rechtsanspruch aus § 2 Abs. 1 TV ATZ und der dort gebotenen Entscheidung der
Beklagten nach pflichtgemäßem Ermessen herleiten. Die Beklagte habe bei ihrer
Ablehnung im Schreiben vom 28.09.2009 nicht die Umstände seines Einzelfalles
angemessen gewürdigt und so eine Einzelfallabwägung vermissen lassen. Der Kläger
hat bestritten, dass sein Arbeitsbereich bei der Beklagten nicht zu den im
27
Rundschreiben vom 22.11.2005 des Bundesministeriums des Inneren benannten
Stellenabbaubereichen, in denen die Altersteilzeitgewährung im Blockmodell weiter
möglich sein soll, gehöre. Spätestens seit dem Umzug der Behörde von Frankfurt nach
Bonn seien keine Stellen mehr nachbesetzt worden, die durch normale Fluktuation
freigeworden seien. Auch die Stelle des Klägers sei mit einem Kw-Vermerk belegt.
Zumindest lägen personalwirtschaftliche Gründe vor, die ein
Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit dem Kläger zuließen. Der Arbeitsbereich des Klägers
sei seit dem Umzug nach Bonn stetig kleiner geworden, so dass seine Nettoarbeitszeit
täglich lediglich zwei Stunden betrage. Der Mitarbeiter B habe nach seinem Wechsel in
das Referat des Klägers einen Großteil der klägerischen Aufgaben übernommen.
Zudem verstoße die ablehnende Entscheidung der Beklagten gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern, die vor der entsprechenden
Weisung durch die Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren einen Antrag
auf Altersteilzeit gestellt hätten. Ein Sachgrund für diese Differenzierung sei nicht
ersichtlich. Vor ca. 1,5 bzw. 2 Jahren seien zumindest zwei Angestellten aus dem
Bereich des Klägers Teilzeitarbeitsverhältnisse im Blockmodell gewährt worden. Dies
betreffe die Mitarbeiter H -W und D . Dies sei nach der durch die Rundschreiben des
Bundesministeriums vom Inneren vom 22.11.2005 und 08.03.2006 eingetretenen
Erlasslage geschehen, ohne dass eine Schwerbehinderung beider Arbeitnehmer
vorgelegen habe. Der Kläger selber sei mit einem GdB von 30 % seit dem 08.10.2009
behindert.
Der Kläger hat beantragt,
28
die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines
Altersteilzeitarbeitsvertrages, beginnend ab dem 31.12.2009 im Blockmodell mit
der Arbeitsphase vom 31.12.2009 bis zum 27.06.2014 und der
Freistellungsphase vom 28.06.2014 bis zum 05.12.2018 anzunehmen.
29
Die Beklagte hat beantragt,
30
die Klage abzuweisen.
31
Sie hat die Auffassung vorgetragen, sie habe im Rahmen ihrer ablehnenden
Entscheidung über den Antrag auf Altersteilzeit des Klägers billiges Ermessen auch im
Einzelfall gewahrt. Das billige Ermessen könne in generalisierter Form ausgeübt
werden, wozu auch die Bezugnahme auf finanzielle Gründe ausreichend sei. Hierbei
habe die Beklagte zu Recht die Weisungen des Bundesministeriums des Inneren aus
den Rundschreiben vom 22.11.2005 und 08.03.2006 als Maßstab herangezogen, so
dass eine Altersteilzeitgewährung gegenüber dem Kläger im Blockmodell nicht in
Betracht gekommen sei. Die dahinter stehenden Sachgründe – Vermeidung einer
Mehrbelastung des Bundeshaushalts und von starken vorzeitigen Personalabgängen,
die mit dem Blockmodell verbunden sein könnten – griffen auch im Einzelfall des
Klägers durch. Der Arbeitsbereich des Klägers gehöre nicht einem Stellenabbaubereich
im Sinne der vorgenannten Rundschreiben an, da die Stelle des Klägers im Referat 212
der Beklagten aufgrund des dortigen Arbeitsgebiets nicht unbesetzt bleiben könne. Da
das Referat unter anderem für den Wirtschaftsplan, den Jahresabschluss, Kredite,
Kontokorrent und Zahlungsverkehr zuständig sei, müsse dieses die tägliche Abwicklung
des Zahlungs- und Kreditgeschäftes im Warenhaushalt der Beklagten gewährleisten,
weshalb der bestehende Personalbestand keinesfalls unterschritten werden dürfe. Ein
Kw-Vermerk sei auf der Stelle des Klägers nicht angebracht. Dem Referat sei im
32
Oktober 2009 mit dem Mitarbeiter B ein weiterer Arbeitnehmer zugewiesen worden. Ein
Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege gegenüber dem Kläger nicht vor.
Die Einführung eines Stichtages für die Änderung einer Bewilligungspraxis stelle einen
solchen Verstoß nicht dar. Die Altersteilzeit sei mit den betroffenen Arbeitnehmern H -W
und D bereits im Jahr 2002 bzw. 2003 – also vor der Erlasslage gemäß den
Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren aus den Jahren 2005 und 2006 –
vereinbart worden; lediglich der Beginn der vereinbarten Freistellungsphase sei in den
Jahren 2007 und 2008 erfolgt.
Durch Urteil vom 25.02.2010 – 3 Ca 8487/09 – hat das Arbeitsgericht Bonn die Klage
als unbegründet abgewiesen. Hierzu hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt,
die Ermessensentscheidung der Beklagten, den Altersteilzeitantrag des Klägers
abzulehnen, sei gemessen an den Vorgaben des § 2 TV ATZ als wirksam anzusehen.
Nach den Vorgaben durch das Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren
vom 08.03.2006 habe die Beklagte ihr diesbezügliches Ermessen zutreffend ausgeübt.
Eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der Gewährung von Altersteilzeit in
Stellenabbaubereichen sei von dem hierfür darlegungsbelasteten Kläger nicht
hinreichend dargelegt worden. Zudem habe der Kläger kein hervorgehobenes Interesse
an einer Altersteilzeitgewährung im Blockmodell vorgetragen.
33
Gegen das ihm am 15.03.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Bonn hat der
Kläger am 13.04.2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis 17.06.2010 am 10.06.2010 beim Landesarbeitsgericht
schriftlich begründet.
34
Der Kläger hält an seiner Rechtsauffassung fest, wonach er einen Anspruch auf
Gewährung von Altersteilzeit im Blockmodell ab dem 31.12.2009 aus § 2 Abs. 1 TV ATZ
gegenüber der Beklagten herleiten könne. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit mit
einem Restvolumen von zwei Stunden netto täglich sei mühelos auf andere
Arbeitnehmer im Referat übertragbar – insbesondere auf den im Oktober 2009
hinzugekommenen Mitarbeiter B . Zudem habe die Beklagte bei ihrer ablehnenden
Entscheidung die Behinderung des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt. Dies gelte
insbesondere vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers
durch seinen Bluthochdruck, Wirbelsäulen- und Magenbeschwerden, die bereits im Jahr
2009 zu Krankheitszeiten von fast drei Monaten beim Kläger geführt hätten. Auch die
den Kläger gravierend belastende Fahrtzeit und Fahrtstrecke von seinem Wohnort in
Frankfurt zur Arbeitsstätte nach Bonn sei zu berücksichtigen.
35
Der Kläger beantragt,
36
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 25.02.2010 – Az.: 3
Ca 3487/09 -, die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf
Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages, beginnend ab dem 31.12.2009
im Blockmodell mit der Arbeitsphase vom 31.12.2009 bis zum 27.06.2014 und
der Freistellungsphase vom 28.06.2014 bis zum 05.12.2018 anzunehmen.
37
Die Beklagte beantragt,
38
die Berufung zurückzuweisen.
39
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche klageabweisende Entscheidung des
40
Arbeitsgerichts Bonn unter Vertiefung ihres diesbezüglichen Sachvortrages. Sie
verbleibt bei ihrer Rechtsauffassung, wonach dringende fiskalische Interessen an
niedrigen Personalkosten ein überwiegendes Interesse im Rahmen der gebotenen
Ermessensentscheidung nach § 2 Abs. 1 TV ATZ wie auch sogar einen dringenden
dienstlichen Grund zur Ablehnung von Altersteilzeit gemäß § 2 Abs. 2 TV ATZ
darstellten. Zudem beruft sich die Beklagte auf den Überforderungsschutz gemäß § 3
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ATG, da in ihrem Betrieb 35 Mitarbeiter eine
Altersteilzeitvereinbarung hätten und damit 5,7 % des Personalbestandes hiervon
betroffen seien. Der Kläger könne keine überwiegenden eigenen Interessen hinsichtlich
der Gewährung von Altersteilzeit geltend machen. Die von ihm angeführten
gravierenden Fahrtzeiten beruhten auf der eigenen Wohnortwahl des Klägers. Die von
ihm vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen sprächen eher für ein Teilzeit-
als für das von ihm begehrte Blockmodell im Rahmen der Altersteilzeit. Ohnehin sei
seine Behinderung erst am 05.01.2010 beschieden worden, so dass diese von der
Beklagten bei der vorangegangenen Antragstellung nicht zu berücksichtigen gewesen
sei. Entgegen der Darstellung des Klägers sei dieser in seinem Arbeitsbereich nicht
mangelhaft ausgelastet; zudem könne diesem Umstand mit einer Aufgabenumverteilung
begegnet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze
der Parteien nebst den zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.
41
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
42
I. Die Berufung ist zulässig, weil sie nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft ist und
innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1, 5 ArbGG eingelegt und begründet wurde.
43
II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg, so dass sie als unbegründet
zurückzuweisen war.
44
Das Arbeitsgericht Bonn hat die Klage zu Recht abgewiesen.
45
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, mit dem Kläger für die Zeit ab dem 31.12.2009 ein
Altersteilzeitarbeitsverhältnis zu begründen.
46
1. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 2 TV ATZ. Der TV ATZ ist zwar auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme anwendbar.
Jedoch haben nach § 2 Abs. 2 TV ATZ nur Arbeitnehmer einen Anspruch auf
Vertragsänderung, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Der 1953 geborene Kläger
hat diese Altersgrenze bei Antragstellung nicht erreicht.
47
2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht nach § 2 Abs. 1 TV ATZ
zu.
48
Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer, der das 55.
Lebensjahr vollendet hat und der zusätzlich die in § 2 Abs. 1 Buchstabe b) und c) TV
ATZ genannten Voraussetzungen erfüllt, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein
Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren. Dem Arbeitnehmer wird kein Anspruch auf
Abschluss des Änderungsvertrages eingeräumt; er hat aber einen Anspruch darauf,
dass der Arbeitgeber seinen Antrag auf Wechsel in die Altersteilzeit nach den
49
Grundsätzen billigen Ermessens überprüft (vgl. BAG, Urteil vom 14.10.2008 – 9 AZR
511/07 -, in DB 2009, Seite 2159 ff.).
Die Grenzen des hierbei anzuwendenden billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der
Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalles
abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Dies
unterliegt der gerichtlichen Kontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, wobei der
Arbeitgeber alle Umstände zu berücksichtigen hat, die zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu
dem er die Ermessenentscheidung zu treffen hat. Nach dem Bundesarbeitsgericht
(Urteil vom 14.10.2008 – 9 AZR 517/07 – a. a. O.) spricht viel dafür, dass die
Ermessensentscheidung des Arbeitgebers durch die Arbeitsgerichte nur eingeschränkt
überprüfbar ist, nämlich dahin, ob der Rechtsbegriff "billiges Ermessen" verkannt, der
äußere Ermessensrahmen überschritten, innere Ermessenfehler begangen, unsachliche
Erwägungen zugrunde gelegt oder wesentlicher Tatsachenstoff außer Acht gelassen
worden ist.
50
a. Zur Antragsablehnung im Rahmen des billigen Ermessens genügt jeder sachliche
Grund, der sich auf den Übergang zur Altersteilzeit bezieht. In dem TV ATZ werden
keine Umstände genannt, die der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über einen
Antrag auf Altersteilzeit nach § 2 Abs. 1 TV ATZ zu berücksichtigen hat. Ausreichend
sind daher alle sachlichen Gründe, die vom Arbeitgeber zur Rechtfertigung vorgebracht
werden. Finanzielle Erwägungen des Arbeitgebers sind daher nicht ausgeschlossen
(BAG, Urteil vom 14.10.2008 – 9 AZR 511/07 -, a. a. O.; Urteil vom 10.05.2005 – 9 AZR
294/04 -, in AP Nr. 20 zu § 1 TVG Altersteilzeit; Urteil vom 12.12.2000 – 9 AZR 706/99 -,
in DB 2001, Seite 1995 ff.).
51
Dem steht das Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 17.08.2010 (9 AZR 414/09, zitiert
nach juris) nicht entgegen. In dieser Entscheidung wird für die Ermessensentscheidung
nach § 3 Abs. 2 TV ATZ hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit in der Altersteilzeit in
Block- oder Teilzeitmodell ausgeführt, dass eine höhere wirtschaftliche Belastung durch
das Blockmodell nicht allein als Sachgrund für die Ablehnung des Verteilungswunsches
herangezogen werden kann, weil die tariflichen Vorschriften weder dem Block- noch
dem Teilzeitmodell den Vorrang geben, da ansonsten § 3 Abs. 3 TV ATZ teilweise
"leerliefe". Vorliegend ist nicht die Ermessensabwägung bzgl. der Verteilung der
Arbeitszeit in Block- oder Teilzeitmodell betroffen, sondern die vorgelagerte
Ermessensentscheidung nach § 2 Abs. 1 TV ATZ, ob überhaupt Altersteilzeit zu
gewähren ist. Bzgl. des "Obs" des Abschlusses verbleibt es dabei, dass auch finanzielle
Gründe genügen können, um einen Altersteilzeitantrag abzulehnen (BAG, Urteil vom
17.8.2010 – 9 AZR 414/09, a. a. O.; Urteil vom 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, a. a. O.).
52
b. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vom Mitarbeiter gewünschte Vertragsgestaltung
der Altersteilzeit eine das Normalmaß übersteigende besondere Belastung beim
Arbeitgeber bewirkt (vgl. BAG, Urteil vom 14.10.2008 – 9 AZR 511/07 -, a. a. O.).
53
aa. Im vorliegenden Einzelfall des Klägers ist diesbezüglich die vom Kläger gewünschte
lange Vertragslaufzeit von über sechs Jahren zu berücksichtigen, da diese
Vertragslaufzeit über die Förderdauer gemäß § 4 Abs. 1 ATG hinausgeht. Die Beklagte
kann sich folglich auf die von der gewünschten Vertragslaufzeit von mehr als sechs
Jahren ausgehende Kostenbelastung berufen. Die Erstattungsleistung der
Bundesagentur für Arbeit sind nämlich in § 4 Abs. 1 ATG auf längstens sechs Jahre
begrenzt. Bei einer längeren Dauer muss der Arbeitnehmer nicht nur die tariflichen
54
Zusatzleistungen, sondern die gesamte Aufstockung tragen, ohne dass er die
Möglichkeit der Refinanzierung hat (vgl. BAG, Urteil vom 14.10.2008 – 9 AZR 511/07 –
a. a. O.).
bb. Die das Normalmaß übersteigende besondere Belastung beim
Altersteilzeitbegehren des Klägers ergibt sich auch mit Rücksicht auf die Überschreitung
der sogenannten Überlastquote. Hierzu hat die Beklagte – vom Kläger unwidersprochen
– vorgetragen, dass in ihrem Betrieb 35 Mitarbeiter eine Altersteilzeitvereinbarung
geschlossen hätten und daher eine Quote von 5,7 % der Belegschaft darstellten. Damit
war im Betrieb der Beklagten die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. ATG genannte Höchstquote
von 5 % der Beschäftigen, ab der der Arbeitgeber frei über den Abschluss von
Altersteilzeitarbeitsverträgen entscheiden können muss, überschritten. Dieser
Gesichtspunkt konnte von der Beklagten im Rahmen der Ermessensentscheidung zu
Lasten des Klägers berücksichtigt werden, denn diese gesetzliche Quotierung dient
auch dazu, altersteilzeitbedingte finanzielle Mehraufwendungen des Arbeitgebers in
Grenzen zu halten. Da dieser Umstand ein Grund ist, den der Arbeitgeber sogar gegen
Ansprüche aus § 2 Abs. 2 TV ATZ anwenden kann, kann er ihn erst recht bei der
Ausübung seines Ermessens im Rahmen von § 2 Abs. 1 TV ATZ berücksichtigen (vgl.
BAG, Urteil vom 14.10.2008 – 9 AZR 511/07 – a. a. O.).
55
cc. Zudem stellt die generelle Entscheidung des Arbeitgebers,
Altersteilzeitvereinbarungen mit Arbeitnehmern zwischen den Lebensjahren 55 und 59
nur dann abzuschließen, wenn diese Stellen Abbaubereichen angehören, einen
billigenswerten Ablehnungsgrund dar, weil die sonst notwendige Ersatzeinstellung zu
erhöhten wirtschaftlichen Belastungen führen kann. Auch die Beschäftigung eines
sogenannten Wiederbesetzers führt bei der durch die Bundesanstalt für Arbeit
geförderten Altersteilzeitregelung zu einer Mehrbelastung des Arbeitgebers, da die nach
dem TV ATZ vorgesehenen Leistungen von 83 % Mindestnettovergütung nach § 5 Abs.
2 TV ATZ und die zusätzlich anfallenden Arbeitgeberanteile im Vergleich zu den
Förderungsleistungen von 70 % (Mindestnettovergütung) nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs.
1 Nr. 1 ATG diese übersteigen. Zudem hat der Arbeitgeber neben den von ihm zu
tragenden Sozialversicherungsbeiträgen, die nach § 5 Abs. 4 TV ATZ dem
Arbeitnehmer zustehenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.
Diese müssen mindestens so hoch sein, dass der Unterschiedsbetrag 90 % des
Entgelts, dass die Beschäftigen für eine entsprechende Vollzeitbeschäftigung erhalten
würden, zusätzlich versichert wird. Von diesen zusätzlich zu entrichtenden Beiträgen für
die Altersteilzeitbezüge trägt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil
(vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2000 – 9 AZR 706/99 – a. a. O.).
56
dd. Entgegen der Ansicht des Klägers ist vorliegend kein Stellenabbaubereich gegeben.
Im Rundschreiben vom 08.03.2006 sind die Stellenabbaubereiche auf die Bereiche der
Bundeswehrverwaltung und der Bundesmonopolverwaltung für Brandwein beschränkt.
Nicht ersichtlich ist, dass gemäß dem Rundschreiben vom 08.03.2006 weitere
Stellenabbaubereiche im Einvernehmen mit den Ressource und dem
Bundesministerium der Finanzen festgelegt worden sind.
57
ee. Eigene Interessen, die einzelbezogen als besondere Umstände zu seinen Gunsten
wirken könnten, hat der Kläger in nicht hinreichendem Maße vorgetragen. Die von ihm
angeführten gesundheitlichen Gründe, die Behinderung mit einem GdB von 30 %, die
räumliche Entfernung zum Arbeitsplatz fallen nicht derart ins Gewicht, dass die von der
Beklagten getroffene Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre. Insbesondere stellt die
58
vom Kläger vorgetragene Behinderung mit einem GdB von 30 % keine
Schwerbehinderung und damit keinen Ausnahmetatbestand gemäß den Rundschreiben
des Bundesministeriums des Inneren dar.
Dementsprechend macht der Kläger ohne Erfolg geltend, die Beklagte habe keine
Einzelfallentscheidung getroffen. Durch das Gebot, im Rahmen der
Ermessensentscheidung eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles
vorzunehmen, sind generelle Vorentscheidungen des Arbeitgebers, wie er eine
Tarifnorm in die Praxis umsetzt, nicht ausgeschlossen. Derartige Regelungen dienen
zum einen einer einheitlichen Anwendung der Tarifvorschriften. Sie tragen außerdem
dem Bedürfnis nach Transparenz Rechnung; der Arbeitnehmer weiß, welche Kriterien
für die Entscheidung des Arbeitgebers maßgeblich sind. In eine weitergehende Prüfung
der bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Belange des
Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber danach erst dann eintreten, wenn der
Arbeitnehmer über die im Tarifvertrag normierten Anspruchsvoraussetzungen hinaus auf
seinen Fall bezogene Umstände darlegt. Dies ist durch den Kläger nicht in
hinreichendem Maße nach dem o. g. geschehen.
59
3. Der Kläger kann auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
seinen Anspruch auf Abschluss des gewünschten Altersteilzeitarbeitsvertrages im
Blockmodell gegenüber der Beklagten nicht herleiten.
60
a. Der Kläger hat hierzu eingewandt, es liege eine ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung seines Antrages auf Abschluss eines Altersteilzeitverhältnisses im
Verhältnis zu jenen Mitarbeitern vor, die vor der Maßgeblichkeit der Weisungen aus den
Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 22.11.2005 und 08.03.2006
Altersteilzeitvereinbarungen geschlossen hätten. Hierbei verkennt der Kläger, dass die
Einführung von Stichtagen durchaus ein zulässiges Differenzierungskriterium bei der
Behandlung von Altersteilzeitbegehren darstellt. Die mit der Einführung von
Stichtagsregelungen verbundenen Härten sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BAG,
Urteil vom 15.04.2008 – 9 AZR 111/07 – in AP Nr. 39 zu § 1 TVG Altersteilzeit).
61
b. Der Kläger hat hinsichtlich der von ihm konkret benannten Mitarbeiter Frau H -W und
Herr D lediglich pauschal behauptet, beide hätten nach Eintritt der Erlasslage durch die
Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 22.11.2005 und 08.03.2006
Altersteilzeitverträge im Blockmodell erhalten, ohne dass bei ihnen eine
Schwerbehinderung vorgelegen habe. Nachdem die Beklagte substantiiert auf den
Abschluss der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse mit diesen Mitarbeitern bereits in den
Jahren 2002 und 2003 – und damit vor der Erlasslage gemäß den genannten
Rundschreiben aus den Jahren 2005 und 2006 – hingewiesen hat, hat der Kläger hierzu
nicht mehr substantiiert erwidert. Er ist daher der ihm für die Voraussetzungen eines
Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz obliegenden Darlegungslast nicht
nachgekommen.
62
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der unterlegene Kläger nach § 97 ZPO.
63
Gründe für eine Revisionszulassung nach § 72 ArbGG waren nicht gegeben, da die
Entscheidung den Umständen des Einzelfalles entspricht und die hierbei relevanten
Rechtsfragen soweit entscheidungserheblich bereits höchstrichterlich geklärt sind.
64
Rechtsmittelbelehrung
65
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
66
Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG
verwiesen.
67
Dr. Staschik Steinhilper Klinkenberg
68