Urteil des LAG Köln vom 20.03.2007

LArbG Köln: aussetzung, straftat, arbeitsgericht, verdacht, einfluss, strafprozess, interessenabwägung, gefährdung, prozesskosten, ermessensausübung

Landesarbeitsgericht Köln, 8 Ta 1/07
Datum:
20.03.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 Ta 1/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Aachen, 6 Ca 505/03
Schlagworte:
Aussetzung; Verdacht einer Straftat; Beschwerde
Normen:
§§ 149, 252 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Für die Aussetzung eines Verfahrens nach § 149 ZPO ist neben der zu
prüfenden Annahme des Bestehens des Verdachts einer Straftat, deren
Ermittlung auf die zu treffende Entscheidung des Rechtsstreits von
Einfluss sein kann (Stufe 1), eine umfassende Abwägung der Vor- und
Nachteile einer Aussetzung des Rechtsstreits vorzunehmen (Stufe 2).
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den
Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 16.11.2006 – 6
Ca 505/03 – wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Beschwerdeführerein wendet sich gegen den Aussetzungsbeschluss des
Arbeitsgerichts vom 16.11.2006 nach § 149 ZPO wegen Bestehens des Verdacht einer
Straftat, deren Ermittlung auf die zu treffende Entscheidung des Rechtsstreits von
Einfluss sein kann.
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II.
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Die gemäß § 252 ZPO statthafte und im Übrigen auch form- und fristgerecht eingelegte
sofortige Beschwerde des Klägers ist in der Sache unbegründet.
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1. Die gerichtliche Aussetzungsentscheidung erfordert eine zweistufige Prüfung:
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Für die Aussetzung nach § 149 ZPO ist neben der zu prüfenden Annahme für das
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Bestehenden des Verdacht einer Straftat, deren Ermittlung auf die zu treffende
Entscheidung des Rechtsstreits von Einfluss sein kann (Stufe 1), eine umfassende
Abwägung der Vor- und Nachteile einer Aussetzung des Rechtsstreits vorzunehmen
(Stufe 2).
Beide Voraussetzungen hat das Arbeitsgericht geprüft und danach die
Voraussetzungen der Aussetzung bejaht.
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2. Die getroffene Entscheidung ist nicht zu beanstanden.
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a) Bezüglich der Annahme des Verdachts einer Straftat ( Stufe 1) gilt:
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Bezüglich der Voraussetzung nach § 149 ZPO steht wie im Falle der Aussetzung nach §
148 ZPO dem Gericht kein Ermessen zu (so für § 148 ZPO LAG Nürnberg, Beschluss
vom 14.05.2001 – 7 Ta 93/01 – NZARR 2001, 661; LAG Köln vom - 3 Ta 384/03 – n.v.).
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Das Arbeitsgericht hat den zu fordernden Verdacht einer Straftat aus
Widersprüchlichkeiten in Angaben des Geschäftsführers der Beklagten zu dessen
Versicherung an Eides Statt abgeleitet.
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Derartige Widersprüche liegen vor.
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Dass das Arbeitsgericht bei der Bewertung dieser Widersprüche - wie der
Beschwerdegegner und anders als die Beschwerdeführerin - nicht von einer
anzunehmenden Trennung der Provisionsvereinbarung zwischen Insolvenzverwalter
und Beklagter einerseits und Ansprüche der Beklagten gegenüber den
Insolvenzverwaltern andererseits ausgegangen ist sondern insoweit einen untrennbaren
Zusammenhang angenommen hat, ist eine dem Arbeitgericht zustehende Bewertung
tatsächlicher Umstände, die im vorliegenden Beschwerdeverfahren einer Überprüfung
nicht zugänglich ist.
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Unter dieser hinzunehmenden Tatsachenbewertung des Arbeitsgerichts ist sodann die
Annahme eines Aussetzungsgrundes nach § 149 ZPO als rechtlich zutreffend
anzunehmen.
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b) Bezüglich der Ermessensentscheidung (2. Stufe) gilt:
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Die Ermessenentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts ist in der Beschwerdeinstanz
nur eingeschränkt überprüfbar.
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Das Beschwerdegericht kann lediglich eine Kontrolle der erstinstanzlichen
Ermessensausübung vornehmen und nicht seine eigene Ermessensentscheidung an
dessen Stelle setzen.
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Das Beschwerdegericht hat nur zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung die
gesetzlichen Voraussetzungen der Aussetzung verkannt oder nicht befolgt hat oder ob
sie gegen Denkgesetze verstößt (LAG Sachsen, Beschluss vom 12.12.2001 – 4 Ta
379/01 – LAGE § 148 ZPO Nr. 37; LAG Köln vom 04.06.2004 - 3 Ta 122/04 - n.v.).
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Bei Anlegung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs ist auch die
Ermessensentscheidung des Arbeitgerichts nicht zu beanstanden.
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Aus der Begründung des Arbeitsgerichts ist im einzelnen zu erkennen, dass das Gericht
bei seiner Aussetzungsentscheidung eine umfassende Interessenabwägung
vorgenommen hat.
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Es hat sich - bei angenommenen deckungsgleichen Aufklärungsumständen - wegen der
durch den Amtsermittlungsgrundsatz im Strafprozess anzunehmenden gesteigerten
Erkenntnismöglichkeiten für die Aussetzung des Rechtstreits entschieden zumal
Nachteile für eine Gefährdung in der Erfüllbarkeit der streitgegenständlichen
Zahlungsansprüche nicht ersichtlich seien.
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Damit hat das Arbeitsgericht eine nicht zu beanstandende Ermessensentscheidung
getroffen.
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Die Beschwerde macht eigene Gesichtspunkte, aus denen die Fehlerhaftigkeit der
getroffenen Ermessenentscheidung ableiten soll, nicht geltend.
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III.
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Eine Kostenentscheidung war im Beschwerdeverfahren nicht zu treffen, da die
entstandenen Kosten als Teil der Prozesskosten ggf. bei der Hauptsacheentscheidung
zu berücksichtigen sind.
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IV.
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Veranlassung für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO besteht
nicht.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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(Jüngst)
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