Urteil des LAG Köln vom 24.02.2006

LArbG Köln: befristung, wirtschaftliche tätigkeit, treu und glauben, start, mission, vergütung, abnahme, luft, rechtfertigung, arbeitsgericht

Landesarbeitsgericht Köln, 11 Sa 1190/05
Datum:
24.02.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 1190/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 2 Ca 397/05
Schlagworte:
Befristung, Befristungsgrundform, Projekt
Normen:
§ 14 TzBfG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Eine bestimmte Ausdrucksweise ist für die Vereinbarung der
Befristungsgrundform gem. Nr. 2 Abs. 1 SR 2 y BAT nicht
vorgeschrieben. Vielmehr ist durch Auslegung des Arbeitsvertrages zu
ermitteln, welche Befristungsgrundform die Parteien vereinbart haben.
Auch missverständliche und nach dem juristischen Sprachgebrauch
unzutref-fende Formulierungen sind unschädlich, wenn sich ein
übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen lässt.
Grundsätzlich darf die wirtschaftliche Tätigkeit eines dauerhaft
bestehenden Unter-nehmens oder die Verwaltungstätigkeit desselben
nicht in einzelne „Projekte“ zerlegt werden, um die Arbeitsverhältnisse
dementsprechend zu befristen. Ein „Projekt“ kann eine Befristung nur
dann rechtfertigen, wenn die Prognoseanforderungen erfüllt sind, die
das Bundesarbeitsgericht an die Befristung wegen vorübergehenden
zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs aufgrund betrieblicher Gründe anlegt.
Eine Beschränkung der Prognose auf den Arbeitskräftebedarf in einem
konkreten Projekt kommt daher grund-sätzlich nicht in Betracht (a. A.
BAG Urt. v. 25.08.2004 – 7 AZR 7/04 – AP Nr. 13 zu § 14 TzBfG).
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeits-gerichts
Köln vom 29.07.2005 – 2 Ca 397/05 – wird kos-tenpflichtig
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Vertragsbefristung.
2
Die Klägerin ist Volkswirtin, 52 Jahre alt und ledig. Sie war zuletzt bei der Beklagten als
Projektassistentin beschäftigt. Hier war sie tätig im Projekt "R ". Die Raumfahrtmission R
ist ein europäisches Raumfahrtprogramm im Rahmen des E -Wissenschaftsprogramms.
D ist bei der "R -Mission" der wichtigste europäische Partner und mit wesentlichen
Experimenteinheiten beteiligt. Das finanzielle Gesamtvolumen der Mission im Rahmen
der E beträgt ca. eine Milliarde Euro. Der ursprünglich für Januar 2003 geplante
Raketenstart musste wegen technischer Probleme der Rakete verschoben werden. Der
Start wurde am 02.03.2004 erfolgreich durchgeführt. Die Flugphase der Sonde wird
mindestens bis ins Jahr 2014 reichen. Zwischen den Parteien ist unter anderem streitig,
wie sich der notwendige Tätigkeitsumfang einer Projektassistentin entwickelt in der
Übergangszeit zwischen Vorbereitungsphase und Flugphase des Projekts. Unstreitig ist
zwischen den Parteien jedenfalls, dass spätestens zur Jahreswende 2004/2005 die
Vorbereitungsphase des Projekts abgeschlossen war und dies im Mitarbeiterstab des
Projekts zu einer personellen Reduzierung geführt hat, da während der
Vorbereitungsphase andere Tätigkeiten anfallen, als während der Flugphase.
3
In rechtlicher Hinsicht vertreten die Parteien unterschiedliche Auffassungen zu der
Frage, ob sich die Prognose des Arbeitsgebers im Zeitpunkt des Abschlusses eines
befristeten Vertrages auf das zukünftige Beschäftigungsbedürfnis im konkreten Projekt
beschränken darf, oder ob diese Prognose die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit in
einem anderen Projekt umfassen muss.
4
Die Klägerin erhielt zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.101,59 €. Auf das
Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestelltentarifvertrag und die diesen ergänzenden
und ändernden Tarifverträge durch eine arbeitsvertragliche Bezugnahme Anwendung.
Der Beklagte ist das nationale Zentrum der B für Luft- und Raumfahrt. Aufgabe ist es, auf
den Gebieten Luft- und Raumfahrt Forschung zu betreiben. Bei dem Beklagten sind ca.
5000 Mitarbeiter beschäftigt. Er unterhält ca. 30 verschiedene Institute bzw. Test- und
Betriebseinrichtungen. Diese Institute sind in Arbeitsgruppen eingeteilt. Die
Forschungsprojekte sind diesen Arbeitsgruppen zugeordnet. Das Projekt "Rosetta-
Mission" ist nur eines dieser vielen Forschungsprojekte, gehört aber zu den
bedeutenden.
5
Ab dem 15.09.1998 trat die Klägerin bei dem Beklagten auf der Grundlage eines
gemäss § 1 Beschäftigungsförderungsgesetz befristeten Vertrages ein. Der Vertrag war
befristet bis zum 12.03.1999. Ab dem 15.03.1999 wurde sie als Zeitarbeitskraft bei der
Firma S an die Beklagte ausgeliehen. Ab dem 15.09.2001 waren wieder Arbeitsverträge
mit der Beklagten selbst Grundlage ihrer Tätigkeit. Insgesamt wurden drei Verträge
geschlossen:
6
Vertrag vom von bis
7
1.) 18.09.2001
15.09.2001
31.05.2003 (Anlage K 2)
2.) 12.05.2003
verlängert bis
31.05.2004 (Blatt 16 d.A.)
3.) 23.03.2004
01.06.2004
31.12.2004
8
Im Vertrag 1) vereinbarten die Parteien unter § 2, dass sich das Arbeitsverhältnis nach
SR 2 y Nr. 1 lit. a richte. In der Anlage heißt es:
9
"Die Einstellung erfolgt für befristete drittmittelfinanzierte Tätigkeiten...Die Befristung
erfolgt aufgrund der Projektanforderungen zum Ende der "R -Commissioning-Phase"
(Übergabe des Satelliten in der Umlaufbahn). Nach Abschluss dieser Phase wird die
Projektaktivität während der achtjährigen Flugphase deutlich reduziert, so dass eine
Projektassistenz nicht mehr erforderlich sein wird..."
10
Der Vertrag 2) lautet auszugsweise:
11
"Das bis zum 31.05.2003 befristete Beschäftigungsverhältnis wird bis zum 31.05.2004
verlängert. Die Weiterbeschäftigung ist aufgrund der eingetretenen Startverzögerung
und der erwarteten Verlängerung des von der E finanzierten "R Projekts" erforderlich.
Der für Januar 2003 geplante R start wurde von der E wegen Problemen mit "A "
verschoben. Die neuen Planungen verfolgen zur Zeit einen Start mit einem
Startfenster 2004. Aus heutiger Sicht wird die Möglichkeit zur Anschlussbeschäftigung
nach Ablauf des Zeitvertrages leider nicht gesehen..."
12
Im Vertrag 3) vereinbarten die Parteien erneut, dass sich das Arbeitsverhältnis nach SR
2 y Nr. 1 lit. a richte. In der Anlage heißt es:
13
"Die Weiterbeschäftigung erfolgt für befristete drittmittelfinanzierte Tätigkeiten bei R .
Frau J bearbeitet im Projekt "R Lander die Projektadministration. Diese Aufgaben
werden nach der Commissioning-Phase ab 31.12.2004 entfallen. Die
Routineaufgaben des Projektcontrollings werden vom Institutscontroller übernommen.
Aus heutiger Sicht wird die Möglichkeit zur Anschlussbeschäftigung nach Ablauf des
Zeitvertrages leider nicht gesehen..."
14
Auf den vollständigen Inhalt der Vertragsurkunden wird Bezug genommen (Anlagen K1,
K2 und Blatt 16 d.A.).
15
Mit der am 12. Januar 2005 anhängig gemachten Klage hat sich die Klägerin gegen die
Wirksamkeit der Vertragsbefristungen gewandt und die Feststellung begehrt, dass das
Arbeitsverhältnis unbefristet fortbestehe.
16
Sie hat vorgetragen, dass nach ihrer Auffassung nur der Vertrag Nr. 1 zur Überprüfung
anstehe. Die Verträge Nr. 2 und Nr. 3 seien nur unselbständige Annexe des ersten. Die
ursprüngliche Befristung sei nur verlängert worden wegen der Verschiebung des
Raketenstarts. Werde der Vertrag Nr. 1 zur Überprüfung gestellt, so sei keinesfalls
nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsachen der Beklagte eine Prognose habe
anstellen können für den zukünftigen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses. Selbst
wenn der Vertrag Nr. 3 der Prüfung zugrunde gelegt werde, sei kein Befristungsgrund
ersichtlich.
17
Eine Begründung der Befristung wegen "Aufgaben von begrenzter Dauer" komme nach
ihrer Auffassung nicht in Frage, weil alle drei Verträge ausdrücklich Bezug nähmen auf
Buchstabe "a" der SR 2 y Nr. 1 (Zeitbefristung). Eine Zeitbefristung wegen befristeter
Drittmittel sei nicht möglich, da ihre Tätigkeit nicht drittmittelfinanziert gewesen sei. Das
18
gesamte Projekt sei vielmehr unter "Grundfinanzierung" verbucht worden. Lediglich in
der Zeit der letzten Befristung vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2004 seien Drittmittel im
Einsatz gewesen. Die E habe wegen der Verschiebung des Raketenstarts einen
Sonderzuschuss gewährt in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Ende 2004 seien davon aber
1 Million EUR noch nicht verbraucht gewesen.
Auch wenn die Befristungsgrundform "Aufgaben von begrenzter Dauer" (SR 2 y Nr. 1 lit.
b) zugrundegelegt werde, ergebe sich nichts anderes. Denn aus den Darlegungen der
Beklagten erschließe sich nicht, wann die Aufgabe der Projektadministration denn nun
tatsächlich habe entfallen sollen. Der Beklagte habe sich bei seiner Prognose nicht auf
das Beschäftigungsbedürfnis im Projekt "Rosetta-Mission" beschränken dürfen. Nach
ihrer Auffassung sei nur dann von einer hinreichend fundierten Prognoseentscheidung
auszugehen, wenn absehbar sei, dass in Zukunft bei keinem anderen Projekt eine
entsprechende Tätigkeit gefragt sei. Der Beklagte betreibe ausschließlich Projektarbeit.
Das Risiko, weniger Projekte zu akquirieren, sei das Unternehmerrisiko des Beklagten,
das dieser nicht auf die Arbeitnehmer abwälzen dürfe.
19
Selbst wenn eine Fokussierung der Prognose auf das Projekt "Rosetta-Mission"
zulässig wäre, sei ein Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zum Ende der
vereinbarten Befristung nicht ersichtlich. Es sei falsch, dass das Projektteam aufgelöst
worden sei. Falsch sei auch, dass das Industriekonsortium aufgelöst worden sei. Von
einem Rückgang der Arbeitsmenge ab dem 01.01.2005 könne keine Rede sein. Sie
beziehe sich hier auf das Protokoll der Sitzung des Steuerungskomitees vom
18/19.11.2004. Hier finde sich neben einem Projektplan für die Flugphase die
Aufgabenverteilung in den Jahren 2005 ff. (Anlage K6). Dem Projektplan und dem
Protokoll könne entnommen werden, das die Aufgabenintensität erst im Jahre 2006
nachlassen werde. Die Höhe der Säulen im Diagramm gebe die Arbeitsintensität an.
Aber auch während der angeblich ruhigen Flugphase gebe es immer wieder länger
andauernde Aufgaben von erheblicher Bedeutung für das Projekt, die mit
entsprechendem Sach- und Personalaufwand betrieben werden müssten. Das
Projektteam bestehe weiterhin nahezu unverändert (die Herren U , M , B , R , N , S , J ,
W , B , N sowie Frau P und Frau F . Aus alldem ergebe sich, dass der Beklagte bei
Abschluss des letzten Vertrages nicht habe vorhersehen können, dass das
Beschäftigungsbedürfnis am 31.12.2004 ende. Zum Zeitpunkt des letzten
Vertragsschlusses seien die Investitions-, Sach- und Personalkosten noch gar nicht
genehmigt gewesen. Hiervon sei aber der Beschäftigungsbedarf abhängig,
insbesondere für die Projektassistenz. Noch am 16.12.2004 habe sie eine
Mittelkalkulation vorgenommen, die der Finanz-Agentur als Quasi-Projekt-Planwerte
bzw. Prognose-Werte habe zur Verfügung gestellt werden sollen. Der Kalkulation
(Anlage K8) sei deutlich zu entnehmen, dass die Mittel hätten fast gleich bleiben sollen.
Erst im September 2004 habe es eine Umstrukturierung des Instituts gegeben.
Gegenstand sei gewesen, dass alle Finanzaufgaben des Instituts einschließlich
derjenigen der Abteilung M der Mitarbeiterin M übertragen worden seien, die diese
Aufgaben von ihrem Homeoffice aus zu erfüllen habe. Diese
Organisationsentscheidung, die ihr tatsächlich einen Teil ihrer Arbeit entziehe, sei bei
Abschluss des Vertrages nicht vorhersehbar gewesen. Die Arbeitsverhältnisse der
Mitarbeiter B und M seien mit dem gleichen Grund befristet worden wie das ihrige. Nach
dem Start der Rakete sei aber der Vertrag des Herrn B verlängert worden bis zum
31.03.2005 und der von Herrn M bis zum 30.06.2005. Herr M sei inzwischen sogar
unbefristet tätig. Soweit die Beklagte darlege, der Projektbetreuer S sei inzwischen
wieder in seiner ursprünglichen Tätigkeit in B beschäftigt, sei dies ohne Belang. Der
20
Projektbetreuer sei nun Herr U
Jedenfalls widerspreche es Treu und Glauben, sich auf die Befristung als
Beendigungstatbestand zu berufen, da ihr eine Festanstellung versprochen worden sei.
In der Arbeitsgruppe M , die Herrn Dr. W unterstehe, würden weiterhin die Projekte I , P
und U betreut, die hinsichtlich Budget, Finanzen und Personalaufwand vergleichbar
seien mit dem "R -Projekt". In dieser Arbeitsgruppe sei es vorübergehend zu einem
Personalengpass gekommen, da die Controllerin M ausgefallen sei. Am 05.08.2004
habe es ein Gespräch zwischen ihr und Herrn Dr. W gegeben. Im Rahmen dieses
Gesprächs habe ihr Herr Dr. W angeboten, projektübergreifend für ihn tätig zu werden.
Sie habe Herrn Dr. W gesagt, sie sei einverstanden und wolle die Aufgaben
übernehmen. Herr Dr. W übe Arbeitgeberfunktionen aus und könne selbst entscheiden,
ob Stellen geschaffen werden sollen oder nicht. Weitere Gespräche mit dem
Projektleiter S , der Personalabteilung und Herrn Dr. W hätten bei ihr das Vertrauen
erzeugt, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden.
21
Die Hilfsanträge 3 und 4 beträfen die Vergütung von Mehrarbeit und Urlaubsabgeltung
für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis komme, das Arbeitsverhältnis sei
beendet.
22
Die Klägerin hat beantragt,
23
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der
Befristung zum 31.12.2004 nicht beendet ist;
24
25
bzw. für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1),
26
2. den Beklagten im Wege des Schadensersatzes zu verurteilen, ihr Angebot auf
Abschluss eines Arbeitsverhältnisses auf Beschäftigung im Institut für
Raumsimulation zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 15.09.2001
anzunehmen; Hilfsweise den Beklagten im Wege des Schadensersatzes zu
verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines Arbeitsverhältnisses auf
Beschäftigung im Institut für Raumsimulation, Arbeitsgruppe M als Assistentin für
alle dort laufenden Projekte zu ansonsten gleichen Bedingungen wie bisher
anzunehmen; Hilfsweise für das Unterliegen mit den Anträgen zu 1) und 2),
27
28
3. den Beklagen zu verurteilen, an sie 5.871,97 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 01.01.2005 zu zahlen,;
29
30
4. den Beklagten zu verurteilen, an sie 185,97 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 01.01.2005 zu zahlen.
31
32
Der Beklagte beantragt,
33
die Klage abzuweisen.
34
Der Beklagte hat vorgetragen, die "R Mission" sei in die typischen drei Teile
untergliedert, nämlich die erste Entwicklungsphase, die nach einem Test und der
Abnahme des Raumfahrzeuges kurz nach dem Start im Orbit beendet sei. Hieran
schließe sich die Flugphase zu einem Missionsziel an und schließlich in einer dritten
Projektphase das Wissenschaftsprogramm. Während der ersten Projektphase sei eine
Projektassistenz erforderlich gewesen bis zum Abschluss einiger Tests im Orbit und der
Durchführung von Abwicklungsarbeiten. Ursprünglich sei der Raketenstart im Jahre
2003 geplant gewesen. Daher sei der Vertrag zunächst befristet gewesen bis zum Mai
2003. Der Raketenstart sei dann in den März 2004 verlegt worden. Der Vertrag Nr. 3
könne kein Annex zu den beiden vorangegangenen Verträgen sein, da er eine andere
Vergütung vorsehe. Nach dem Start, den Manövern im All und den Abwicklungsarbeiten
sei das aus ca. 20 Personen bestehende Projektteam und das Industriekonsortium
bestehend aus ca. 16 Partnern aufgelöst worden.
35
Es liege eine kalendermäßige Befristung vor im Sinne der Nr. 1 a der SR 2 y.
Maßgeblich sei lediglich der letzte Vertrag. Er sei kein unselbständiger Annex der
vorangegangenen Verträge. Von einer verhältnismäßig geringfügigen Korrektur im
Sinne der Rechtsprechung könne schon angesichts des beträchtlichen Zeitraums von
insgesamt 1 ½ Jahren nicht ausgegangen werden. Selbst wenn von Annexverträgen
auszugehen wäre, sei auch der erste Vertrag nicht zu beanstanden. Die Auslegung der
Befristungsabrede ergebe, dass die Frage der Drittmittelfinanzierung lediglich
erläuternden Charakter hätte.
36
Tatsächlich sei auch von einer Befristung wegen Aufgaben von begrenzter Dauer (Nr. 1
b der SR 2 y ) auszugehen. Nach dem flight operation plan 3.3 sei die Testphase und
die anschließende Abnahme nebst Übergabe an das Team der Betriebsphase am
07.02.2003 abgeschlossen. Nach Abschluss der Arbeiten sei das Projektteam aufgelöst
worden. Der Projektleiter sei seit Ende 2004 wieder in seiner ursprünglichen Tätigkeit in
B betraut worden. Nach Abnahme und Übergabe des Satelliten seien zur Zeit nur noch
ca. vier Wissenschaftler mit der Betreuung der ersten Phase der Flugphase beschäftigt
mit jeweils einer Stunde pro Woche. Daher sei eine Projektassistenz nicht notwendig.
Das sei auch absehbar gewesen. Die verbleibenden administrativen Tätigkeiten würden
von Frau M von ihrem Heimarbeitsplatz aus mit ca. vier Stunden wöchentlich erledigt.
Die Klägerin könne sich nicht auf die Verträge der Mitarbeiter B und M berufen. Bei
diesen Mitarbeitern handele es sich um einen Astronomen und einen
Raumfahrtingenieur.
37
Das von der Klägerin behauptete Angebot des Dr. W , sie weiter zu beschäftigen werde
bestritten. Herr Dr. W sei auch nicht berechtigt gewesen, selbst eine Stelle zu schaffen.
Es gebe vielmehr ein festes Prozedere für die Schaffung von Stellen. Dies sei der
Klägerin bekannt.
38
Die Hilfsanträge seien unbegründet. Die Klägerin habe die Möglichkeit gehabt
Gleitzeitguthaben abzubauen. Hierzu sei sie auch aufgefordert worden. Bei der
Berechnung ihres Gleitzeitguthabens habe die Klägerin die dazu ergangene
Betriebsvereinbarung nicht beachtet. Diese sehe eine Kappungsgrenze vor. Auch einen
Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestehe nicht. Dieser sei schon rechnerisch nicht
nachvollziehbar. Außerdem sei sie wiederholt aufgefordert worden, Urlaub zu nehmen,
was sie abgelehnt habe.
39
Mit Urteil vom 29.07.2005 – 2 Ca 397/05 – hat das Arbeitsgericht Köln der Klage mit
dem Hauptantrag stattgegeben mit der Begründung, es könne offengelassen werden, ob
die Verträge Nr. 2 und Nr. 3 bloß Annexe gewesen seien. Weiter habe offen bleiben
können, ob "Aufgaben von begrenzter Dauer" als Befristungsgrundform vereinbart
worden seien. Selbst wenn nur der letzte Vertrag zur Überprüfung anstünde, sei die
Befristung nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt. Die Darlegungen des Beklagten
zu der notwendigen Prognose seien nicht hinreichen. Notwendig sei der Vortrag von
Tatsachen aus denen sich ergebe, dass die Klägerin nach Ablauf des
Befristungszeitraums nicht mehr weiter beschäftigt werden könne, ggf. nach
Umorganisationen des Arbeitsbereichs.
40
Gegen das ihm am 18.08.2005 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Beklagte am
25.08.2005 Berufung eingelegt, die er am 18.10.2005 begründet hat.
41
Der Beklagte trägt vor, seit dem 01.01.2005 sei im Projekt "Rosetta-Mission" keine
Administration mehr notwendig. Es seien lediglich neun Wissenschaftler auf 4,5 Stellen
mit der Datenauswertung beschäftigt. Die wenigen Verwaltungsaufgaben, die
verblieben, würden von Herrn N und Frau M erledigt. Es bestehe daher keine
Möglichkeit mehr, die Klägerin in dem Projekt zu beschäftigen. Ihre Arbeit werde
während der Flugphase bis zum Jahr 2014 nicht mehr benötigt. Im letzten Arbeitsvertrag
sei nach der SR 2 y die Befristungsgrundform "Zeitangestellte" vereinbart worden. Es
sei daher § 14 Abs. 2 TzBfG anwendbar. Zwar erlaube dieser nur eine sachgrundlose
Befristung bis zu 2 Jahren Dauer. Nach seiner Auffassung erfolge aber aus der
Protokollnotiz Nr. 2 zu Nr. 1 der SR 2 y, dass im Bereich des BAT der Zeitraum auf 5
Jahre ausgeweitet sei.
42
Auch wenn die Befristung anhand des § 14 Abs. 1 TzBfG überprüft werde, erweise sie
sich als wirksam. Der Befristung liege nämlich die Prognose zugrunde, dass der
Arbeitsplatz der Klägerin als Projektadministratorin im Projekt "R Lander" entfalle ab
dem 31.12.2004. Da das Projektteam Ende des Jahres 2004 aufgelöst worden sei, sei
die Prognose eingetreten. Ein Anschlussprojekt existiere nicht.
43
Er vertrete bezugnehmend auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.08.2004 die
Auffassung, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Projekt keine
Rolle spielen könne. Im Rahmen der bestehenden betrieblichen Regelungen habe die
Klägerin Zugriff auf freie Stellen gehabt. Es sei hier lediglich eine Bewerbung ihrerseits
notwendig gewesen. Dass er im Rahmen einer angedachten Prozessbeschäftigung
eine Tätigkeit für das Projekt "K " angeboten habe, könne keine Auswirkungen haben
44
auf die Wirksamkeit der Befristung und auf die ihr zugrundeliegende Prognose.
Der Beklagte beantragt,
45
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.07.2005 – 2 Ca 397/05 - , zugestellt
am 28.08.2005, abzuändern und die Klage abzuweisen.
46
Die Klägerin beantragt,
47
die Berufung zuzuweisen.
48
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vortrages. Soweit die Beklagte zur Frage, ob es sich beim letzten Vertrag um einen
unselbständigen Annex handele, darauf Bezug nehme, dass dieser letzte Vertrag die
erhöhte Vergütung nicht fortschreibe, sei dies nicht richtig. Sie habe immer die gleiche
Vergütung erhalten.
49
Im Übrigen haben die Parteien Bezug genommen auf die Schriftsätze und ihre Anlagen.
50
E n t s ch e i d u n g s g r ü n d e:
51
I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG)
und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64
Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).
52
II. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht
festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Befristung vom 31.12.2004 nicht
beendet worden ist.
53
54
Die Befristungsabrede im Vertrag vom 23.03.2004 ist unwirksam. Die Klägerin hat
gemäss § 17 TzBfG rechtzeitig, nämlich innerhalb von 3 Wochen nach dem
vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses, Klage erhoben. Die Befristung
bedurfte eines rechtfertigenden Grundes gemäss § 14 Abs. 1 TzBfG. Da sich ein solcher
sachlicher Grund nicht aus den Darlegungen des Beklagten ergibt, gilt das
Arbeitsverhältnis gemäss § 16 Abs. 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
55
1. Nur der letzte Vertrag vom 23.03.2004 unterlag der gerichtlichen Kontrolle.
56
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dieser Arbeitsvertrag nicht ein bloßer Annex
der vorher geschlossenen befristeten Arbeitsverträge. Nach ständiger Rechtsprechung
des BAG ist bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen im
Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung
des letzten Vertrages auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu überprüfen. Etwas
anderes gilt nur, wenn die Parteien bei Abschluss des letzten Vertrages einen
entsprechenden Vorbehalt vereinbart haben oder wenn es sich bei dem letzten Vertrag
57
um einen unselbständigen Annex zum vorherigen Vertrag handelt, mit dem das
bisherige befristete Arbeitsverhältnis nur hinsichtlich seines Endzeitpunktes modifiziert
werden sollte (BAG-Urteil vom 13.10.2004 – 7 AZR 654/03 – AP Nr. 13 zu § 14 TzBfG
und I 2 a der Gründe). Zur Annahme eines entsprechenden Parteiwillens reicht es nicht
aus, dass der letzte und der vorletzte Vertrag in den Vertragsbedingungen
übereinstimmen und auch die zu erfüllende Arbeitsaufgabe die gleiche bleibt. Es
müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen. Diese liegen etwa vor, wenn der
Anschlussvertrag lediglich eine verhältnismäßig geringfügige Korrektur des im früheren
Vertrag vereinbarten Endzeitpunkts betrifft, diese Korrektur sich am Sachgrund der
Befristung des früheren Vertrags orientiert und allein in der Anpassung der ursprünglich
vereinbarten Vertragszeit an später eintretende, zum Zeitpunkt des vorangegangenen
Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Umstände, besteht. Es darf den Parteien nur
darum gegangen sein, die Laufzeit des alten Vertrages mit dem Sachgrund der
Befristung in Einklang zu bringen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Es handelte sich bei dem
Vertrag vom 23.03.2004 schon nicht um eine zeitlich nur kurze Verlängerung des
bisherigen befristeten Arbeitsvertrages. Die Parteien haben mit dem Vertrag vom
23.03.2004 eine Befristung von einem halben Jahr vereinbart. Das ist nicht mehr eine
nur geringfügige Korrektur des im früheren Vertrag vereinbarten Endzeitpunkts. Hinzu
kommt, dass die Begründung der Befristung in der Anlage des letzten Vertrages von der
Begründung in der Anlage des Vertrages vom 12.05.2003 abweicht. Während dieser
vorletzte Vertrag auf den Starttermin der Rakete abstellt, bezieht sich die Begründung für
den letzten Vertrag, der nach dem Start der Rakete abgeschlossen wurde, allgemeiner
auf das Ende der Commissioning-Phase. Der erfolgreiche Raketenstart trat somit als
Neuursache hinzu.
58
2. Der Beklagte kann sich nicht auf eine Rechtfertigung der Befristung berufen, die der
Befristungsgrundform
59
a. Eine kalendermäßige Befristung gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG war entgegen der
Auffassung des Beklagten nicht möglich. Nach der genannten Vorschrift ist eine
kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen
Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Die Klägerin war aber bereits seit dem
15.09.2001 durchgehend bei dem Beklagten beschäftigt und damit weit länger als zwei
Jahre. Die Protokollnotiz Nr. 2 zu Nr. 1 der SR 2 y BAT verlängert diese Zweijahresfrist
nicht auf fünf Jahre. Sie beschränkt vielmehr die Befristung mit Sachgrund auf eine
Höchstdauer. Hinzu kommt, dass gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine sachgrundlose
Befristung nicht zulässig ist, wenn mit dem selben Arbeitgeber bereits zuvor ein
befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Zwischen den Parteien
bestand aber vom 15.09.1998 bis zum 15.03.1999 ein Arbeitsverhältnis.
60
b. Die Finanzierung des Projekts durch Drittmittel kann die Befristung des Projekts nicht
rechtfertigen. Haushaltsrechtliche Erwägungen stellen grundsätzlich keinen sachlichen
Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages dar. Nach der Rechtssprechung des
Bundesarbeitsgerichts ist die Befristung eines Arbeitsvertrages im öffentlichen Dienst
allerdings dann sachlich gerechtfertigt, wenn eine Haushaltsstelle von vornherein für
eine bestimmte Zeitdauer bewilligt wird und sie anschließend fortfällt. Entsprechendes
gilt für drittmittelfinanzierte Arbeitsverhältnisse. Auch bei der Drittmittelfinanzierung ist
die Ungewissheit über die in Zukunft zur Verfügung stehenden Mittel als Sachgrund für
die Befristung nicht ausreichend. Nur wenn die Stelle von vornherein lediglich für eine
61
genau bestimmte Zeitdauer bewilligt ist und sie anschließend wegfallen soll, ist die
Befristung sachlich gerechtfertigt. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass sowohl der
Drittmittelgeber als auch der Arbeitgeber sich gerade mit den Verhältnissen dieser Stelle
befasst und ihre Entscheidung über den Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes aus
sachlichen Erwägungen getroffen haben (BAG, Urteil vom 07.04.2004 – AZR 441/03 –
AP Nr. 4 zu § 17 TzBfG und II 2 b aa der Gründe). Eine solche Befassung mit der
konkreten Stelle der Klägerin ist von dem Beklagten nicht einmal vorgetragen worden.
3. Der Beklagte kann sich auch nicht auf eine Rechtfertigung der Befristung berufen, die
der Befristungsgrundform des Angestellten für Aufgaben von begrenzter Dauer im Sinne
der Nr. 1 b SR 2 y BAT entspricht.
62
a. Solche Rechtfertigungsgründe sind nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen,
weil die besagte Befristungsgrundform nicht vereinbart worden wäre. Nach der Nr. 2
Abs. 1 SR 2 y BAT ist im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, ob der Angestellte als
Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als
Aushilfsangestellter eingestellt wird. Das Erfordernis der Vereinbarung bestimmter
Befristungsgrundformen dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Dieser
Normzweck hat zur Folge, dass der Arbeitgeber sich nicht auf Sachgründe berufen darf,
die einer Befristungsgrundform zuzuordnen sind, die im Arbeitsvertrag nicht vereinbart
wurde (BAG, Urteil vom 31.07.2002 – 7 AZR 72/01 – AP Nr. 237 zu 620 BGB befristete
Arbeitsvertrag unter II 2 a der Gründe). Eine bestimmte Ausdrucksweise ist für die
Vereinbarung der Befristungsgrundform nicht vorgeschrieben. Vielmehr ist durch
Auslegung des Arbeitsvertrages zu ermitteln, welche Befristungsgrundform die Parteien
vereinbart haben. Auch missverständliche und nach dem juristischen Sprachgebrauch
unzutreffende Formulierungen sind unschädlich, wenn sich ein übereinstimmender
Wille der Vertragspartner feststellen lässt.
63
Zwar ist in allen drei Arbeitsverträgen seit dem Jahr 2001 die Rede von Nr. 1 a der SR 2
y zum BAT. Auch hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auf ausdrückliche
Nachfrage in der Berufungsverhandlung zunächst darauf bestanden, lediglich einen
Befristungsgrund geltend machen zu wollen, der der Grundform des Zeitangestellten
entspricht. Die Auslegung des Vertrages vom 23.03.2004 ergibt aber, dass die Parteien
zumindest auch eine Befristung für Aufgaben von begrenzter Dauer vereinbart haben.
Wenn es in der Anlage zum Vertrag heißt "diese Aufgaben werden nach der
Commissioning-Phase ab 31.12.2004 entfallen, die Routineaufgaben des
Projektcontrollings werden vom Institutscontroller übernommen", dann wird damit zum
Ausdruck gebracht, dass die Aufgaben nur eine begrenzte Dauer haben, nämlich die
Dauer der Commissioning-Phase (zu diesem großzügigen Maßstab vergleiche auch
LAG Köln, Urteil vom 29.03.2004 – 2 AZR 1320/03 – n. v. JURIS).
64
b. Die Befristung ist nicht wegen eines projektbedingten vorübergehenden Mehrbedarfs
an Arbeitskräften gerechtfertigt. Die Tätigkeit der Klägerin ist rein administrativer Art. Die
Klägerin ist Volkswirtin. Weder nach ihrer Ausbildung noch nach der
Tätigkeitsbeschreibung der Beklagten (vergleiche Schriftsatz vom 18.10.2005, Blatt 145
ff.) ist sie inhaltlich mit luft- und raumfahrttechnischen Angelegenheiten befasst oder gar
spezifischen Tätigkeiten, die nur bei diesem speziellen Forschungsprojekt anfallen. Die
Klägerin übt daher eine Daueraufgabe aus, die in den verschiedenen Projekten bei der
Beklagten durchgehend anfällt.
65
Grundsätzlich darf die wirtschaftliche Tätigkeit eines dauerhaft bestehenden
66
Unternehmens oder die Verwaltungstätigkeit desselben nicht in einzelne "Projekte"
zerlegt werden, um die Arbeitsverhältnisse dementsprechend zu befristen. Der Begriff
"Projekt" ist kein Zauberwort für befristete Arbeitsverhältnisse (Backhaus in APS, § 14
TzBfG, Rn. 268). Ein "Projekt" kann eine Befristung nur dann rechtfertigen, wenn die
Prognoseanforderungen erfüllt sind, die das Bundesarbeitsgericht an die Befristung
wegen vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs aufgrund betriebliche
Gründe anlegt:
In zahlreichen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts haben sich folgende
Grundsätze herausgebildet: Ein zusätzlicher aber vorübergehender Arbeitskräftebedarf
kann die Befristung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich rechtfertigen. Dafür muss im
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit einiger Sicherheit zu erwarten sein, dass für eine
Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers über das Vertragsende hinaus
kein Bedarf besteht. Dafür ist eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zu
Grunde liegen müssen. Die tatsächlichen Grundlagen der Prognose hat der Arbeitgeber
im Rechtsstreit darzulegen, damit der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhält, deren
Richtigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu überprüfen. Die Prognose ist Teil
des Sachgrundes für die Befristung. Eine bloße Unsicherheit über die künftige
Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs reicht für die Befristung nicht aus (BAG Urteile
vom 13.05.1982, 29.09.1982, 25.11.1992, 12.09.1996, 11.12.2004 AP Nr. 68, 70, 150,
182, 256 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag und Urteil vom 05.06.2002 AP Nr. 13
zu § 1 BeschFG 1996). Je nach einzelnen Fallgruppen legt das BAG differenzierte
Anforderungen an die erforderliche Prognose an (vgl. die Darstellung von Oberthür in
DB 2001, 2246). Am strengsten sind die Anforderungen an die Darlegung der Prognose,
wenn es um einen vorübergehend erhöhten oder künftig sinkenden Arbeitskräftebedarf
aus betrieblichen Ursachen geht. Das hat seinen Grund darin, dass Unsicherheiten der
wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung dem Risiko des Unternehmers
zuzurechnen ist und die Befristung deshalb gerade nicht rechtfertigen sollen. Die vom
Arbeitgeber in einem solchen Fall auszuweisende Bedarfsprognose muss exakt und
detailliert sein (BAG Urteil vom 29.09.1982 AP Nr. 70 zu § 620 BGB Befristeter
Arbeitsvertrag). Aus der späteren Entwicklung kann sich eine Vermutung ergeben.
67
Die vorgenannten Grundsätze finden in der bisherigen Rechtsprechung auch
unverändert Anwendung auf Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis wegen eines zeitlich
begrenzten Projekts befristet wurde (Urteil vom 05.06.2002 – 7 AZR 241/01 – AP Nr. 13
zu § 1 Beschäftigungsförderungsgesetz 1969; Urteil vom 07.04.2004 – 7 AZR 441/03 –
AP Nr. 4 zu § 17 TzBfG). Im ersten zitierten Urteil formuliert der 7. Senat des
Bundesarbeitsgerichts wörtlich:
68
"...vielmehr wäre erforderlich gewesen, konkrete Tatsachen dafür vorzutragen, die die
Prognose rechtfertigen, es seien keine Anschlussprojekte zu erwarten, die eine
Weiterbeschäftigung des Klägers ermöglichen könnten."
69
Im zweiten zitierten Urteil des 7. Senats heißt es wörtlich:
70
"Ein projektbedingt erhöhter Personalbedarf kann die Befristung des Arbeitsvertrages
eines projektbezogen beschäftigten Arbeitnehmers rechtfertigen (...). Dies setzt wie
jede Befristung wegen eines vorübergehenden Mehrbedarfs an Arbeitskräften, voraus,
dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten
ist, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers über das vereinbarte Vertragsende
hinaus kein Bedarf besteht. Hierzu muss der Arbeitgeber eine Prognose erstellen, (...).
71
Wird ein Arbeitnehmer für eine Arbeit von begrenzter Dauer, zum Beispiel die
Mitarbeit an einem zeitlich begrenzten Forschungsprojekt, befristet eingestellt, muss
im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erwarten sein, dass die Aufgabe nur für die
Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrages anfällt. Für eine solche Prognose müssen
ausreichend konkrete Anhaltspunkte vorliegen (...)...Einen vorübergehenden
Mehrbedarf bei den der Landesforstanstalt obliegenden Daueraufgaben hat das
beklagte Land nicht hinreichend dargelegt... Alleine das voraussichtliche Projektende
reicht dazu nicht aus. Es müssten vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorgelegen
haben, dass im Gegensatz zu der bisherigen Entwicklung nicht mit der Durchführung
weiterer Projekte in diesem der Landesforstanstalt dauerhaft obliegenden
Aufgabenbereich gerechnet werden konnte."
In Anwendung dieser Grundsätze kann der Vortrag des Beklagten die streitige
Befristung nicht rechtfertigen, denn der Beklagte fokussiert seine gesamte Darlegung
zur Prognose auf das "R -Projekt". Trotz entsprechender Rüge der Klägerin und trotz der
deutlichen Worte im Urteil erster Instanz, hat der Beklagte nicht einmal behauptet, dass
zum Zeitpunkt des letzten Vertragsabschlusses eine Weiterbeschäftigung in anderen
Projekten nach Beendigung der Commissioning-Phase hätte ausgeschlossen werden
können. Im Gegenteil hat er die Klägerin auf die Notwendigkeit einer Bewerbung
ihrerseits hingewiesen, sofern sie sich für offene Stellen in anderen Projekten
interessiere. Er hat im Rahmen einer von ihm sogenannten Prozessbeschäftigung der
Klägerin sogar die Assistenzstelle in einem anderen Projekt angeboten. Die
Befristungsvereinbarung erweist sich damit selbst dann als unwirksam, wenn unterstellt
wird, dass sich das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin im "R -Projekt" Ende des
Jahres 2004 tatsächlich signifikant reduziert hat.
72
Allerdings hat der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 25.08.2004 (7 AZR
7/04 – AP Nr. 13 zu § 14 TzBfG) im zweiten Leitsatz wie folgt entschieden:
73
"Die Prognose des Arbeitgebers ist nicht deshalb unzutreffend, weil der Arbeitnehmer
nach Fristablauf aufgrund seiner Qualifikation auf einem freien Arbeitsplatz in einem
anderen Projekt befristet oder unbefristet hätte beschäftigt werden können und der
Arbeitgeber dies bei Vertragsschluss erkennen konnte. Die Prognose des
Arbeitsgebers muss sich nur auf das konkrete Projekt beziehen. Dessen hinreichend
sicherer künftiger Wegfall begründet den nur vorübergehenden Beschäftigungsbedarf
und damit den Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG."
74
Mit dieser Begrenzung der Prognose auf das Projekt scheint der 7. Senat von seiner
bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Allerdings ist im Urteil ausdrücklich von einer
Abweichung oder gar der Aufgabe der alten Rechtsprechung nicht die Rede. Das Urteil
setzt sich auch nicht argumentativ mit vorangegangenen Entscheidungen auseinander.
Aus dem Urteil ergibt sich nicht, unter welchen Voraussetzungen von einem "Projekt"
auszugehen ist, das eine Befristung rechtfertigt, oder umgekehrt unter welchen
Voraussetzungen in Abgrenzung zum Projektbegriff von einer bloß benennbaren
Arbeitsaufgabe oder bloß von einem Kundenauftrag die Rede sein muss. Wird aber
jeder Kundenauftrag als "Projekt" bezeichnet und wird jedes dieser "Projekte" als
Befristungsgrund anerkannt, so entfiele weitgehend die nach dem Gesetz
durchzuführende Sachgrundprüfung. Die Umgehung zwingenden Rechts wäre durch
die bloße Umbenennung eines Kundenauftrages in ein "Projekt" jederzeit möglich. Das
Berufungsgericht folgt daher dem Leitsatz des vorgenannten Urteils des
Bundesarbeitsgerichts nicht.
75
III. Da der Beklagte das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, hat er gemäß § 64 Abs.
6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Die Revision
war zuzulassen im Hinblick auf die Tatsache, dass die vorliegende Entscheidung in
ihren Gründen von dem Leitsatz des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 25.08.2004 –
7 AZR 7/04 – AP Nr. 13 zu § 14 TzBfG abweicht.
76
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
77
Gegen dieses Urteil kann von dem Beklagten
78
R E V I S I O N
79
eingelegt werden.
80
Die Revision muss
81
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
82
schriftlich beim
83
Bundesarbeitsgericht
84
Hugo-Preuß-Platz 1
85
99084 Erfurt
86
Fax: (0361) 2636 - 2000
87
eingelegt werden.
88
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
89
Die Revisionsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
90
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
91
(Dr. Fabricius) (Hanel) (Kastner)
92