Urteil des LAG Köln vom 18.07.2006

LArbG Köln: treu und glauben, tarifvertrag, wechsel, gestaltung, private unfallversicherung, anpassung, zusage, altersgrenze, gesellschaft, invalidität

Landesarbeitsgericht Köln, 9 (3) Sa 350/06
Datum:
18.07.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 (3) Sa 350/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 9 Ca 7305/05
Schlagworte:
Teilkündigung; betriebliche Übung; tarifvertragliche Schriftform; Treu und
Glauben
Normen:
§§ 133, 157 BGB, §§ 611, 242 BGB, § 1 Abs. 3 Manteltarifvertrag für das
Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG (MTV DLH)
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. In der bloßen Äußerung einer - möglicherweise falschen -
Rechtsansicht liegt noch keine Teilkündigung (Anschluss an BAG, Urteil
vom 22.01.1997 - 5 AZR 658/95 -).
2. Bei der in Form einer betrieblichen Übung erfolgten Zusage auf
Fortführung von Flugdienstuntauglichkeits-, Unfall- und
Lebensversicherungen mit unveränderten Versicherungssummen und
Entrichten der Versicherungsbeiträge handelt es sich um eine
Nebenabrede im Sinne von § 1 Abs. 3 MTV DLH.
3. Die Berufung auf die Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Schriftform
nach § 1 Abs. 3 MTV DLH verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242
BGB), wenn der Arbeitgeber das Schriftformerfordernis nur geltend
macht, um mit seinem Einwand Erfolg zu haben, die Zusage habe zwar
in der Vergangenheit gegolten, nunmehr sei aber eine andere Regelung
in Kraft getreten, die den Arbeitnehmer im Wesentlichen gleich
begünstige.
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 25.01.2006 – 9 Ca 7305/05 – wie folgt abgeändert:
a) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch für die Zeit
nach dem 31.07.2005 Versicherungsbeiträge für die L-of-L-Versicherung
mit einer Versicherungssumme in Höhe von 51.130,00 € zu zahlen.
b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch für die Zeit
nach dem 31.07.2005 Versicherungsbeiträge für die Unfallversicherung
mit einer Versicherungssumme für den Todesfall in Höhe von
mit einer Versicherungssumme für den Todesfall in Höhe von
255.646,00 € und für den Invaliditätsfall in Höhe von 255.646,00 € zu
zahlen.
c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu ¼ und die Beklagte
zu ¾.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, zugunsten des Klägers
Versicherungsbeiträge für eine sog. L -of-L -Versicherung mit einer
Versicherungssumme in Höhe von EUR 51.130,00 und für eine Unfallversicherung mit
einer Versicherungssumme für den Todesfall/den Invaliditätsfall in Höhe von EUR
255.646,00 weiterzuzahlen.
2
Der Kläger war zunächst bei der G C S GmbH (GCS) als Flugzeugführer eingestellt. In
dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 17. Oktober 1991 war bestimmt, dass die GCS
zusätzlich zur gesetzlichen Unfallversicherung für den Kläger eine Unfallversicherung
für den Todesfall/den Invaliditätsfall über eine Leistung von DM 500.000,00 abschloss.
Zudem wurde gemäß dem Arbeitsvertrag von der GCS für den Kläger eine L -of-L -
Versicherung über eine Leistung in Höhe von DM 100.000,00 bis zum vollendeten 50.
Lebensjahr und in Höhe von DM 50.000,00 nach dem vollendeten 50. bis zum
vollendeten 55. Lebensjahr abgeschlossen.
3
Nach der Verschmelzung mit dem ausgegliederten Cargo-Bereich der D L AG wurde
der Kläger bei der L C AG (L ) als Flugzeugführer weiterbeschäftigt. In einem zwischen
dem Kläger und der L abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1. Februar
1996 heißt es, dass die L für ihre Mitarbeiter eine Unfallversicherung für den Todesfall
über eine Leistung von DM 90.000,00 und für den Invaliditätsfall über eine Leistung von
DM 180.000,00 abschließe. Für den Kläger bei Abschluss des Arbeitsvertrages
geltende höhere Versicherungssummen bestünden fort, es sei denn, er wünsche eine
Absenkung der Versicherungssummen. Am 8. November 2004 vereinbarten die L und
der Kläger die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 16. Dezember
2004 im Hinblick auf die ab 17. Dezember 2004 wirksame Übernahme des Klägers
durch die Beklagte.
4
Mit der Beklagten schloss der Kläger am 17. Dezember 2004 für die Zeit ab dem 17.
Dezember 2004 einen schriftlichen Arbeitsvertrag über die Beschäftigung als
Flugzeugführer. Unter Ziff. 2 wurde bestimmt, dass die gegenseitigen Rechte und
Pflichten sich aus dem Gesetz, den Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und
5
Dienstvorschriften der L in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den
Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages ergäben. Unter Ziff. 4 "Betriebliche
Altersversorgung" heißt es, es gelte die Regelung des § 7 Abs. 11 Tarifvertrag Wechsel
und Förderung Nr. 2, nachdem die bei der L geltenden tarifvertraglichen Regelungen zur
Übergangsversorgung und Altersversorgung weiterbestünden.
Der Kläger ist Mitglied der V C e. V. (V ) und die Beklagte ist Mitglied der A V H e. V. (A
).
6
Diese Tarifvertragsparteien schlossen unter dem 15. Mai 2000 einen Tarifvertrag
Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der D L AG (D ). Dieser Tarifvertrag gilt
für Mitarbeiter des Cockpitpersonals der D , auf die der Manteltarifvertrag
Cockpitpersonal D anwendbar ist. Zudem gilt er im Rahmen der Regelungen des
Tarifvertrages Wechsel und Förderung in seiner jeweils geltenden Fassung auch für
Cockpitmitarbeiter der D , die einen Arbeitgeberwechsel zu einer anderen Gesellschaft
im Konzerntarifvertrag vollziehen. Weiter heißt es, der Tarifvertrag gelte für
Cockpitmitarbeiter der L , die dort nach dem 27. September 1995 erstmals ein
Arbeitsverhältnis aufgenommen hätten.
7
Die Tarifvertragsparteien schlossen unter dem 5. November 2002 zudem den
Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L mit Einstellungsdatum
vor dem 27. September 1995. Dieser Tarifvertrag gilt für Mitarbeiter des
Cockpitpersonals der L , die vor dem 27. September 1995 eingestellt wurden und auf die
der Manteltarifvertrag Cockpitpersonal L anwendbar ist. Zudem gilt er im Rahmen der
Regelung des Tarifvertrages Wechsel und Förderung in seiner jeweils geltenden
Fassung für die vorgenannten Cockpitmitarbeiter der L auch dann, wenn sie einen
Arbeitgeberwechsel zu einer anderen Gesellschaft im Konzerntarifvertrag vollziehen.
8
In dem vorstehend genannten Tarifvertrag über Wechsel und Förderung Nr. 2, gültig ab
dem 27. Juni 1998, ist unter § 7 Ziff. 11 Folgendes bestimmt:
9
"Nach einem im Rahmen dieses Tarifvertrages erfolgten Arbeitgeberwechsel zur D , C ,
L oder C B gelten für die Mitarbeiter bei der Übergangsversorgung und Altersversorgung
die für sie bei ihrer bisherigen Gesellschaft hierzu geltenden tariflichen Regelungen
weiter. Zur D gewechselte Mitarbeiter der C , C B oder der L , die nicht unter den
Geltungsbereich des Tarifvertrages Übergangsversorgung Cockpit D fallen, wird die
Möglichkeit einer Beschäftigung als Cockpitmitarbeiter bis zum 60. Lebensjahr
angeboten ...."
10
In einer Protokollnotiz Nr. III Ziff. 1 e zu dem Tarifvertrag über Wechsel und Förderung
Nr. 2 bestimmten die Tarifvertragsparteien ergänzend Folgendes:
11
"Nach einem Wechsel zur D , C oder C B gilt bei der Übergangsversorgung und bei der
Altersversorgung die jeweilige Gestaltung, die auf die Cockpitmitarbeiter der L
Anwendung findet anstelle der tarifvertraglichen Regelungen bei D , C oder C B ...."
12
In dem Manteltarifvertrag für das Cockpitpersonal der D (MTV) ist u. a. Folgendes
festgelegt:
13
§ 1 Abs. 3
14
Die D ist verpflichtet, den Arbeitsvertrag schriftlich auszufertigen und dem Mitarbeiter
eine Ausfertigung auszuhändigen. Nebenabreden und Vertragsänderungen bedürfen zu
ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
15
§ 23 Versicherungen
16
(1) Die D schließt neben der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft)
auf ihre Kosten für die Mitarbeiter Unfallversicherungsverträge über folgende Leistungen
ab:
17
a. für den Todesfall EUR 51.129,19
b. für den Invaliditätsfall EUR 102.258,38
18
19
Die Beklagte behauptet, sie habe mit Schreiben vom 17. Juli 2003 Cockpitmitarbeitern,
die bei der L mit Einstellungsdatum vor dem 27. September 1995 beschäftigt gewesen
und vor dem Zeitpunkt der Mitteilung bereits zu ihr gewechselt seien, Folgendes
mitgeteilt:
20
"... auf Ihre Anfrage hinsichtlich der Ausgestaltung Ihrer Übergangsversorgung aufgrund
Ihres Arbeitgeberwechsels von der L zur D dürfen wir Ihnen Folgendes mitteilen: Sie
werden nach dem Willen der Tarifpartner vom Geltungsbereich des neuen
Tarifvertrages "Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L CARGO AG mit
Einstellungsdatum vor dem 27. September 1995" erfasst. Aufgrund Ihres Wechsels zur
D finden daher § 7 Abs. 11 sowie Ziff. 1 e der Protokollnotiz III zum Tarifvertrag Wechsel
und Förderung Anwendung, wonach die tarifliche Gestaltung der Übergangsversorgung
bei der L auch nach Ihrem Wechsel zu D für Sie weiterbesteht ..."
21
Die Beklagte zahlte bis zum 31. Juli 2005 die Versicherungsbeiträge für die L -of-L -
Versicherung und die Unfallversicherung mit Versicherungssummen in unveränderter
Höhe.
22
Mit Schreiben vom 11. Juli 2005 teilte sie dem Kläger Folgendes mit:
23
"... aufgrund geänderter Begleitumstände ist eine Anpassung der Versicherungen
erforderlich geworden, die L zu Ihren Gunsten führt. Wir möchten Sie daher heute über
den Hintergrund dieses Anpassungsbedarfs und über die daraus resultierenden
Veränderungen in Bezug auf Ihren konkreten Versicherungsschutz informieren.
24
In der Vergangenheit galt speziell bei Ihnen und Ihren Kollegen, die ebenfalls zu dem
Personenkreis der ehemaligen G -Mitarbeiter der L C AG gehören, die Besonderheit,
dass es zunächst weder tarifvertragliche Regelungen zur Übergansversorgung noch zur
Altersversorgung gab. Aufgrund dieser Versorgungssituation hat L C bisher als
gewissen Ausgleich zu Ihren Gunsten eine L -of-L -Versicherung geführt sowie eine
Unfallversicherung, die im Vergleich zu den nach MTV Nr. 5 a Cockpitpersonal D
vorgesehenen Bedingungen eine höhere Unfallversicherungssumme vorsieht. Diese
25
Versicherungen wurden von der L P nach Ihrem Arbeitgeberwechsel zunächst
fortgeführt. Dabei wurden die Versicherungsbeiträge ausschließlich arbeitgeberseitig
getragen.
Mittlerweile wurden Tarifverträge zur Altersversorgung und zur Übergansversorgung für
Ihre Personengruppe abgeschlossen (vgl. "Vereinbarung zur
Übergansversorgung/Altersteilzeit für die ehemaligen G -Mitarbeiter der L C AG" vom 5.
November 2002; "Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L C
AG mit Einstellungsdatum vor dem 27. September 1995" vom 5. November 2002). Das
heißt, Sie haben inzwischen einen Anspruch auf Alters- und Übergangsversorgung
gegenüber L . Demzufolge ist der Grund entfallen, speziell für Ihre Personengruppe die
erhöhte Unfall- und L -of-L -Versicherung zu führen.
26
Um insoweit eine Gleichbehandlung der Cockpitmitarbeiter bei der L P herzustellen,
werden Ihre Versicherungen daher künftig an die bei der L geltenden tariflichen
Regelungen angepasst. Hiernach sehen die von diesen Änderungen betroffenen
Versicherungen im Einzelnen wie folgt aus:
27
L -of-L
28
In der L -of-L -Versicherung werden Sie derzeit über L mit EUR 51.130,00 versichert.
Diese L -of-L -Versicherung endet am 31. Juli 2005.
29
Unfallversicherung
30
In der Unfallversicherung sind Sie momentan mit EUR 255.646,00 für den Todesfall und
für den Invaliditätsfall versichert. Künftig bestimmt sich Ihre Unfallversicherung nach den
im Tarifvertrag Nr. 5 a Cockpitpersonal D geregelten Versicherungsbedingungen (vgl. §
23 MTV Nr. 5 a). Hiernach besteht die Unfallversicherung für Sie in Höhe von EUR
51.129,19 für den Todesfall und EUR 102.258,38 für den Invaliditätsfall. Diese
Anpassung der Unfallversicherung wird zum 1. August 2005 umgesetzt.
31
Beachten Sie bitte, dass die geringeren Versicherungssummen letztlich aufgewogen
werden durch die tarifliche Zusage der L , Ihnen eine Übergangsversorgung und eine
betriebliche Altersversorgung zu zahlen. Diese Versorgung stand Ihnen bei Abschluss
der erhöhten Unfall- und L -of-L -Versicherung durch L C noch nicht zu.
32
Falls Sie weiterhin mit erhöhten Summen versichert sein möchten, haben Sie über die
Beratungsstellen der A die Möglichkeit, eine entsprechende private Unfallversicherung
mit Einschluss des dienstlichen Luftfahrtrisikos abzuschließen..."
33
Mit der vorliegenden Klage, die am 4. August 2005 beim Arbeitsgericht Köln
eingegangen ist, wendet sicher der Kläger gegen die Aufhebung der L -of-L -
Versicherung und gegen die Änderungen bei der Unfallversicherung.
34
Er ist der Ansicht, die Beklagte sei sowohl nach § 7 Abs. 11 Tarifvertrag über Wechsel
und Förderung Nr. 2 als auch aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet, die
Versicherungen unverändert fortzuführen und die Versicherungsbeiträge zu leisten.
Dem Anspruch aus betrieblicher Übung stehe nicht das Schriftformerfordernis nach § 1
Abs. 3 MTV entgegen. Die tarifliche Schriftform diene nur Beweiszwecken. Jedenfalls
verhalte sich die Beklagte rechtsmissbräuchlich, wenn sie das Schriftformerfordernis
35
geltend mache.
Die Mitteilung der Beklagten vom 11. Juli 2005 beinhalte eine unzulässige
Teilkündigung des Arbeitsverhältnisses.
36
Der Kläger hat beantragt,
37
1. festzustellen, dass die Teilkündigung des
38
Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte mit Schreiben
39
vom 11. Juli 2005 in Bezug auf den Wegfall der
40
L -of-L -Versicherung ab dem 1. August 2005
41
rechtsunwirksam ist,
42
2. festzustellen, dass die Teilkündigung des
43
Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte mit Schreiben
44
vom 11. Juli 2005 in Bezug auf die Reduzierung der
45
Unfallversicherung ab 1. August 2005
46
von EUR 255.646,00 auf EUR 51.129,19 für den Todesfall
47
und von EUR 255.646,00 auf EUR 102.258,38 für den
48
Invaliditätsfall rechtsunwirksam ist,
49
hilfsweise
50
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
51
auch für die Zeit nach dem 31. Juli 2005 Versicherungs-
52
beiträge für die L -of-L -Versicherung mit einer
53
Versicherungssumme in Höhe von EUR 51.130,00 zu
54
zahlen,
55
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
56
auch für die Zeit nach dem 31. Juli 2005 Versicherungs-
57
beiträge für die Unfallversicherung mit einer
58
Versicherungssumme für den Todesfall in Höhe von
59
EUR 255.646,00 und für den Invaliditätsfall in
60
Höhe von EUR 255.646,00 zu leisten,
61
höchst hilfsweise,
62
5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem
63
Kläger ab dem 1. August 2005 diejenige Versicherungs-
64
summe zu bezahlen, die er durch die L -of-L -
65
Versicherung bei Fortführung dieser Versicherung im
66
Versicherungsfall erhalten hätte,
67
6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem
68
Kläger ab dem 1. August 2005 diejenigen Unfallver-
69
sicherungsleistungen für den Todesfall und
70
Invaliditätsfall zu bezahlen, die der Kläger bzw. seine
71
Erben im Versicherungsfall in Höhe von EUR
72
255.646,00 für den Todesfall/Invaliditätsfall bis zum
73
31. Juli 2005 erhalten hätten.
74
Die Beklagte hat beantragt,
75
die Klage abzuweisen.
76
Sie trägt vor, die L -of-L -Versicherung und die Unfallversicherung seien abgeschlossen
worden, weil die vor dem 27. September 1995 eingestellten Mitarbeiter der L mangels
tarifvertraglicher Regelung weder durch eine Übergangsversorgung noch durch eine
Altersversorgung abgesichert gewesen seien. Nachdem am 5. November 2002 der
Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L mit Einstellungsdatum
vor dem 27. September 1995 abgeschlossen worden sei und der Kläger – gerechnet ab
dem 1.1.1995 – am 31. Dezember 2004 10 Dienstjahre vollendet habe, stünden ihm
nach diesem Tarifvertrag bei Erreichen der tariflichen Altersgrenze eine Altersrente und
bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Flugdienstuntauglichkeit
eine Flugdienstuntauglichkeitsrente zu. Da der Kläger durch diese tarifvertraglichen
Regelungen abgesichert sei, habe er ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr vor den Risiken
Flugdienstuntauglichkeit, Tod und Invalidität unverändert durch die Versicherungen
geschützt zu werden brauchen. Bei Gewährung einer Flugdienstuntauglichkeitsrente
könne der Kläger mit jährlichen Leistungen in Höhe von EUR 46.200,00 rechnen.
Dagegen hätten dem Kläger Versorgungsleistungen nach dem Tarifvertrag
Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der D nicht zugestanden.
77
Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 25. Januar 2006 die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, das Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2005
beinhalte keine Teilkündigung. Auch sei die Beklagte weder verpflichtet, die
Versicherungen im bisherigen Umfang fortzuführen, noch Leistungen an den Kläger zu
erbringen, damit er selbst die Versicherungen bedienen könne. Ein tariflicher Anspruch
bestehe nicht. Da zwischen dem Kläger und der L keine vertragliche Vereinbarung über
Versicherungen mit den vom Kläger geltend gemachten Versicherungssummen
abgeschlossen worden sei, könne dahinstehen, ob mit der "jeweiligen Gestaltung" im
Sinn der Protokollnotiz Nr. III Ziff. 1 e zu dem Tarifvertrag über Wechsel und Förderung
Nr. 2 nicht nur eine tarifvertragliche, sondern auch eine einzelvertragliche Regelung
gemeint sei. Es bestehe auch kein arbeitsvertraglicher Anspruch. Ziff. 5 Abs. 2 des
zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages betreffe Anwartschaften auf
eine betriebliche Altersversorgung, nicht aber anders geartete Versicherungen gegen
Unfall/Invalidität und Lizenzverlust. Zwar bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die
vorbehaltlose Weiterzahlung der Versicherungsprämien für die genannten
Versicherungen bis zum 31. Juli 2005 eine betriebliche Übung darstelle. Jedoch stehe
die Schriftformklausel nach § 1 Abs. 3 MTV, der kraft beiderseitiger
Organisationszugehörigkeit Anwendung finde, einer rechtswirksam entstandenen
betrieblichen Übung entgegen. Für die Beklagte gelte insoweit nichts anderes als für
Arbeitgeber des öffentliches Dienstes. Anwendbar sei der Tarifvertrag
Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L mit Einstellungsdatum vor dem 27.
September 1995, da nach § 7 Abs. 11 und der Protokollnotiz III Ziff. 1 e des
Tarifvertrages über Wechsel und Förderung Nr. 2 für die Alters- und
Übergangsversorgung die bei der bisherigen Gesellschaft hierzu geltenden tariflichen
Regelungen weiter gelten würden.
78
Das Urteil ist dem Kläger am 6. März 2006 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 24.
März 2006 Berufung einlegen und diese zugleich begründen lassen.
79
Er ist der Ansicht, das Schreiben vom 11. Juli 2005 stelle eine unzulässige
Teilkündigung dar, weil die Beklagte nicht nur eine Rechtsansicht geäußert habe,
sondern sich einseitig von einzelnen Vertragsbedingungen habe lösen wollen. Es
bestehe ein tariflicher Anspruch auf die Fortführung der Versicherungen im bisherigen
Umfang. Im Arbeitsvertrag mit der L vom 1. Februar 1996 sei vereinbart, dass bei
Abschluss des Arbeitsvertrages geltende höhere Versicherungssummen fortbestünden.
Dabei handle es sich um eine "jeweilige Gestaltung" im Sinn der Protokollnotiz Nr. III
Ziff. 1 e zum Tarifvertrag über Wechsel und Förderung Nr. 2. Der Anspruch bestehe aber
auch aufgrund betrieblicher Übung. Die Schriftformklausel stehe nicht entgegen. Die
Schriftformklausel sei durch die betriebliche Übung vertraglich abbedungen worden.
Zudem verstoße die Beklagte gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf die
Schriftformklausel berufe. Ansprüche nach dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für
das Cockpitpersonal der D stünden ihm nicht zu, da er noch nicht 10 Jahre bei der
Beklagten beschäftigt sei. Ansprüche nach dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für
das Cockpitpersonal der L mit Einstellungsdatum vor dem 27. September 1995 stünden
ihm nicht zu, da er nicht unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages falle.
80
Der Kläger beantragt,
81
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln
82
vom 25. Januar 2006 – 9 Ca 7305/05 – entsprechend
83
den erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
84
Die Beklagte beantragt,
85
die Berufung zurückzuweisen.
86
Das Schreiben vom 11. Juli 2005 beinhalte keine Teilkündigung, weil dem Kläger nach
dem mit ihr abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag kein Anspruch auf eine
Beibehaltung der bisherigen Versicherungen zustehe. Auch bestehe kein
tarifvertraglicher Anspruch. Zutreffend habe das Arbeitsgericht einen Anspruch aufgrund
betrieblicher Übung verneint. Den Cockpitmitarbeitern sei bekannt gewesen, dass die
genannten Versicherungen nur solange fortgeführt würden, bis ihnen Ansprüche nach
dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L zustünden. Sie
verweist auf ihr Schreiben vom 17. Juli 2003. Sie verstoße nicht gegen Treu und
Glauben, wenn sie sich auf das Schriftformerfordernis berufe. Der Kläger sei nunmehr
hinreichend nach dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L
abgesichert für den Fall der Flugdienstuntauglichkeit und für die Zeit nach Erreichen der
tariflichen Altersgrenze. Dieser Tarifvertrag finde nach der Regelung unter § 7 Ziff. 11
i.V.m. der Protokollnotiz III Ziff. 1 e Tarifvertrag über Wechsel und Förderung Nr. 2
Anwendung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers.
87
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
88
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
89
I.
90
Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S.
1 ArbGG eingelegt und begründet worden.
91
II.
92
1.
mit Schreiben vom 11. Juli 2005 hinsichtlich der genannten Versicherungen erklärten
Teilkündigung ist unbegründet.
93
Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 11. Juli 2005 keine Teilkündigung
ausgesprochen.
94
a.
Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei einseitig ändern
will. Von der Kündigung unterscheidet sich die Teilkündigung dadurch, dass die
Kündigung das Arbeitsverhältnis in seinem ganzen Bestand erfasst, während die
Teilkündigung unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen nur einzelne
Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag beseitigen soll.
95
Eine Teilkündigung ist grundsätzlich unzulässig. Während der Bestand des
Arbeitsverhältnisses durch § 1 KSchG geschützt wird, gilt für den Inhalt des
96
Vereinbarten der Schutz nach § 2 KSchG. Die einseitige Änderung einzelner
Vertragsbedingungen durch Teilkündigung ist, da sie das vereinbarte Ordnungs- und
Äquivalenzgefüge eines Vertrages stört, grundsätzlich unzulässig. Ausnahmsweise ist
sie dann zulässig, wenn einem Vertragspartner das Recht hierzu durch Vertrag
vorbehalten oder durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag eingeräumt ist.
Allerdings darf sie nicht zu einer Umgehung von zwingenden Kündigungsvorschriften
führen (vgl. BAG, Urteil vom 14. November 1990 – 5 AZR 509/89 -).
In der bloßen Äußerung einer – möglicherweise falschen – Rechtsansicht liegt
allerdings noch keine Teilkündigung (vgl. BAG, Urteil vom 14. November 1990 – 5 AZR
509/89 – und vom 22. Januar 1997 – 5 AZR 658/95 -).
97
b.
künftig die L -of-L -Versicherung nicht mehr und die Unfallversicherung nur mit
reduzierter Versicherungssumme fortführen werde. Sie hat dabei weder ausdrücklich
erklärt, dass sie die arbeitsvertragliche Bestimmungen über die genannten
Versicherungen kündige, noch ergibt sich eine derartige Willenserklärung durch
Auslegung des Schreibens. In dem Schreiben hat sie vielmehr die Ansicht vertreten,
nachdem der Kläger nunmehr einen tarifvertraglichen Anspruch auf Alters- und
Übergangsversorgung erworben habe, sei die (Rechts-)Grundlage für einen höheren
Versicherungsschutz als ihn der MTV vorsehe entfallen. Die Beklagte wollte sich
folglich nicht einseitig durch eine rechtsgestaltende Erklärung von arbeitsvertraglichen
Pflichten lösen, sondern nur den Beginn der Änderung ab dem 1. August 2005 mitteilen.
98
2.
die Zeit nach dem 31. Juli 2005 Beiträge für die L -of-L -Versicherung und die
Unfallversicherung mit den bisherigen Versicherungssummen zu entrichten, ist zulässig.
99
Für die Feststellungsklage besteht insbesondere das nach § 256 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse, da sie unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu
einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung des aufgetretenen Streits führt. Es ist zu
erwarten, dass die Beklagte bei der Feststellung ihrer Leistungspflicht im Urteil zur
Leistung fähig und bereit ist (vgl. dazu: Thomas-Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 256 Rdn. 18
m.w.N.).
100
3.
101
a.
Ziff. 1 e des Konzerntarifvertrages über Wechsel und Förderung Nr. 2 herleiten. Nach
der genannten Protokollnotiz des Konzerntarifvertrages, der auf das Arbeitsverhältnis
der Parteien sowohl kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit als auch kraft
Inbezugnahme der "Tarifverträge der L " unter § 2 des Arbeitsvertrages vom 28. Januar
2005 Anwendung findet, gilt bei der Alters- und Übergangsversorgung die "jeweilige
Gestaltung", die auf Cockpitmitarbeiter der L Anwendung findet anstelle der
tarifvertraglichen Regelung bei der D . Soweit mit der "jeweiligen Gestaltung"
tarifvertragliche Regelungen gemeint sind, besteht schon deshalb kein Anspruch, weil in
den für Mitarbeiter der L abgeschlossenen Tarifverträgen zur Übergangs- und
Altersversorgung die vom Kläger geltend gemachten Versicherungen für Tod/Invalidität
und Lizenzverlust nicht vorgesehen sind. Soweit mit der "jeweiligen Gestaltung" auch
bei der L getroffene einzelvertragliche Regelungen gemeint sein sollten, bestehen
102
schon wegen des Schriftformerfordernisses nach § 1 Abs. 2 TVG Bedenken gegen die
Rechtswirksamkeit einer solchen anspruchsbegründenden Inbezugnahme. Die
Tarifvertragsparteien können zwar auf jeweils geltende andere tarifliche Vorschriften
verweisen, nicht aber unter Verzicht auf die ihnen zugewiesene
Rechtssetzungsbefugnis auf nicht näher bezeichnete Vertragsgestaltungen verweisen
(vgl. BAG, Urteil vom 9. Juli 1980 – 4 AZR 564/78 -). Im Übrigen kann die Beschränkung
unter § 7 Abs. 11 des genannten Tarifvertrages auf die Fortgeltung von "tariflichen
Regelungen" dafür sprechen, dass auch in der ergänzenden Protokollnotiz mit der in der
Einzahl genannten "Gestaltung" nur die jeweils gültige tarifvertragliche Regelung
gemeint sein sollte.
b.
abgeschlossenen Arbeitsvertrages. Darin ist nur darauf verwiesen worden, dass nach §
7 Abs. 11 Tarifvertrag Wechsel und Förderung Nr. 2 die bei der L geltenden
tarifvertraglichen Regelungen zur Übergangsversorgung und Altersversorgung
weiterbestehen.
103
c.
2005 hinaus Beiträge für beide Versicherungen mit unveränderter Versicherungssumme
zu entrichten.
104
aa.
Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer
schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer
eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des
Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen
wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen
Leistungen. Eine betriebliche Übung ist für jeden Gegenstand vorstellbar, der
arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen Form geregelt werden kann. Entscheidend für
die Entstehung eines Anspruchs ist jedoch nicht der Verpflichtungswille, sondern wie
der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu
und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB)
verstehen musste und durfte (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl.
z. B. BAG, Urteil vom 7. September 1982 – 3 AZR 357/80 -, Urteil vom 16. Juli 1996 – 3
AZR 352/95 -, Urteil vom 27. Juni 2001 – 10 AZR 488/00-, Urteil vom 20. Januar 2004 –
9 AZR 43/03 -). Eine vorhandene betriebliche Übung begründet eine vertragliche
Anspruchsgrundlage und mit Eintritt der weiteren Anspruchsvoraussetzungen die
Entstehung des Anspruchs auch für neu eingetretene Arbeitnehmer (vgl. BAG, Urteil
vom 27. Juni 2001 – 10 AZR 488/00 -).
105
bb.
betrieblicher Übung Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses
geworden.
106
Die Beklagte hat bis Juli 2005 für die Cockpitmitarbeiter, die mit Einstellungsdatum vor
dem 27. September 1995 zunächst bei der L beschäftigt und von der L zu ihr gewechselt
waren, sowohl die L -of-L -Versicherung als auch die Unfallversicherung mit den
höheren Versicherungssummen fortgeführt und die Beiträge entrichtet. Es ist davon
auszugehen, dass sie nicht gegenüber den Arbeitnehmern vor deren Wechsel von der L
erklärt hat, sie führe die Versicherungen nur fort bis zum Abschluss eines auf ihr
107
Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrages mit Regelungen zur
Übergangsversorgung und Alterssicherung bzw. bis zur Erfüllung der im Tarifvertrag
festgelegten Anspruchsvoraussetzungen für eine Übergangsversorgung und
Alterssicherung. Es fehlt jeglicher substantiierte Vortrag darüber, wann, wo und durch
wen eine solche Erklärung gegenüber dem Kläger abgegeben worden ist. Sie hat diese
Praxis auch noch nach Abschluss - am 5. November 2002 - und nach Inkrafttreten - am
1. Januar 2003 - des Tarifvertrages Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L
mit Einstellungsdatum vor dem 27. September 1995 fortgeführt bei Cockpitmitarbeitern,
die erst danach von der L zu ihr gewechselt sind. In den neun gleichgelagerten
Verfahren, die von der Kammer heute entschieden worden sind, erfolgte der Wechsel
von der L zu der Beklagten zwischen dem 4. September 2000 und dem 28. Januar 2005.
Soweit die Beklagte unter dem 17. Juli 2003 damals bereits zu ihr gewechselte
Cockpitmitarbeiter der L über die Übergangsversorgung unterrichtet haben sollte, hatte
dies nur die Feststellung zum Inhalt, dass für sie nicht der Tarifvertrag
Übergangsversorgung D vom 15. Mai 2000, sondern der Tarifvertrag
Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L mit Einstellungsdatum vor dem 27.
September 1995 gelte. In diesem letzteren Tarifvertrag ist nicht vorgesehen, dass bei
Inkrafttreten des Tarifvertrages bzw. bei Erfüllen der in dem Tarifvertrag genannten
Anspruchsvoraussetzungen für eine Übergangsversorgung und Alterssicherung die L -
of-L -Versicherung entfällt und die Unfallversicherung nur mit geringerer
Versicherungssumme fortgeführt wird. Ein von der Beklagten im Verfahren 9 (8) Sa
355/06 überreichtes Mailschreiben vom 11. März 2005 (Bl. 104 der genannten Akte) an
einen der Kläger spricht dafür, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt nach einer rechtlichen
Prüfung zu dem Ergebnis gelangt war, die genannten Versicherungen seien nicht
Bestandteil der nach § 7 Abs. 11 Tarifvertrag über Wechsel und Förderung Nr. 2
fortzuführenden Übergangsversorgung und Alterssicherung.
cc.
Versicherungen und Entrichten der Versicherungsbeiträge nach dem Wechsel von der L
steht nicht die Schriftformklausel nach § 1 Abs. 3 MTV entgegen.
108
aaa.
im Sinne des § 126 BGB. Die Nichteinhaltung der Form führt – anders als eine sog.
einfache vertragliche Schriftformklausel (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 20. Januar 2004 – 9
AZR 43/03 -) - grundsätzlich zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 125 Satz 1
BGB (vgl. BAG, Urteil vom 7. September 1982 – 3 AZR 357/80 -).
109
Auch eine betriebliche Übung kann grundsätzlich nur dann bindende Wirkung entfalten,
wenn der tariflichen Formvorschrift genügt ist. Es können aus einer
stillschweigend/konkludent erfolgten Gesamtzusage keine weitergehenden Rechte als
aus einer ausdrücklichen Verpflichtungserklärung begründet werden (vgl. BAG, Urteil
vom 7. September 1982 – 3 AZR 357/80 - ).
110
Es handelt sich bei der in Form einer betrieblichen Übung erfolgten Zusage auf
Fortführung der Versicherungen mit unveränderten Versicherungssummen und
Entrichten der Versicherungsbeiträge um eine Nebenabrede im Sinne von § 1 Abs. 3
MTV, da sie nicht zu den beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag, d. h. der
Leistungs- und Entgeltverpflichtung gehört.
111
bbb.
jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ungerechtfertigt sein, wenn sich der eine
112
jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ungerechtfertigt sein, wenn sich der eine
Vertragsteil dadurch zu Lasten des anderen Vorteile verschafft, die die Rechtsordnung
wegen des angestrebten Zwecks oder der angewandten Mittel missbilligen muss. Ob
das anzunehmen ist, hängt vor allem davon ab, welchen Zweck die Formvorschrift
verfolgt. Dient sie dem öffentlichen Interesse oder bezweckt sie gar die staatliche
Überwachung rechtsgeschäftlicher Vorgänge, so kommt ihrer strikten Beachtung
größeres Gewicht zu, als wenn es nur um die beiderseitigen Interessen der Parteien
eines Vertrages geht (vgl. BAG, Urteil vom 7. September 1982 – 3 AZR 357/80 -, Urteil
vom 9. Juli 1985 – 1 AZR 631/80 und vom 16. Juli 1996 – 3 AZR 352/95 -).
Im vorliegenden Fall dient die Schriftform nicht dem öffentlichen Interesse. Es geht
vielmehr nur um die beiderseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien. Dabei ist zu
beachten, dass sich die Beklagte widersprüchlich verhält. Sie vertritt selbst den
Standpunkt, die von der L gewechselten Cockpitmitarbeiter mit Einstellungsdatum vor
dem 27. September 1995 hätten gegen sie den geltend gemachten Anspruch bis zu
dem Zeitpunkt gehabt, als sie einen Anspruch auf Übergangsversorgung und
Alterssicherung nach dem für diesen Personenkreis abgeschlossenen Tarifvertrag
Übergangsversorgung erworben hätten. Dieser Zeitpunkt sei der 1. Januar 2005
gewesen. Auch dieser Anspruch konnte nur aufgrund betrieblicher Übung entstanden
sein. Lediglich um dem Fortbestand des Anspruchs für die Zeit nach Erfüllen der
tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen zu entgehen, beruft sie sich auf den
Formfehler, der aber zu der Nichtigkeit der Zusage bereits vor diesem Zeitpunkt geführt
haben müsste. Sie macht nur deshalb die Formnichtigkeit geltend, weil sie keine andere
Möglichkeit sieht, der Bindungswirkung der betrieblichen Übung zu entgehen. Damit
verstößt die Beklagte gegen Treu und Glauben (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 7.
September 1982 – 3 AZR 357/80 -).
113
Es kommt hinzu, dass die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. III Ziff. 1 e des
Tarifvertrages über Wechsel und Förderung Nr. 2 missverständlich auf die Fortgeltung
der "jeweiligen Gestaltung" hingewiesen haben, die auf die Cockpitmitarbeiter der L
Anwendung findet. Auch wenn dies – wie vorstehend ausgeführt – keine
anspruchsbegründende Inbezugnahme der einzelvertraglichen Abmachungen über die
beiden Versicherungen beinhaltete, so konnten die Arbeitnehmer doch bei einer weiten
Auslegung der Klausel zumindest zu dem Schluss kommen, die Fortführung der
Versicherungen als Bestandteil ihrer Übergangs- und Altersversorgung erfolge
unabhängig von allgemeinen tariflichen Formvorschriften mit dem ausdrücklichen
Einverständnis der Tarifvertragsparteien.
114
d.
Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der L mit Einstellungsdatum vor dem 27.
September 1995 nicht dadurch berührt, dass dem Kläger nunmehr bei
Flugdienstuntauglichkeit oder Erreichen der tarifvertraglichen Altersgrenze
Rentenzahlungen erhält. Der Tarifvertrag greift nicht in den Anspruch ein. Wie bereits
ausgeführt sieht er nicht vor, dass bestehende Versicherungsverträge, die der
Absicherung gegen die Risiken Flugdienstuntauglichkeit, Tod und Invalidität dienen,
aufgelöst oder abgeändert werden. Es kann daher dahinstehen, ob ein solcher Eingriff
in einzelvertragliche Versicherungsansprüche im Hinblick auf das Günstigkeitsprinzip
nach § 4 Abs. 3 TVG überhaupt zulässig wäre (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 3. März 1993
– 10 AZR 42/92 -).
115
e
2005 damit begründet hat, sie wolle eine Gleichbehandlung mit den Cockpitmitarbeitern
116
bei der D herstellen, ist zum Einen festzuhalten, dass für diesen Personenkreis der
Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal der D mit anders
ausgestalteten Leistungen gilt. Die Beklagte hat den Vorschlag des Klägers abgelehnt,
die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrages mit ihm zu vereinbaren, wenn er im Gegenzug
die Anpassung der Versicherungen akzeptiere. Zum Anderen ist festzuhalten, dass bei
einem Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz allenfalls
eine Anpassung nach oben hin stattfinden kann, d. h. die benachteiligten Arbeitnehmern
den begünstigten gleichgestellt werden, nicht aber eine Anpassung nach unten (vgl.
HWK-Thüsing, Arbeitsrechtskommentar, § 611 BGB Rdn. 211 m.w.N.).
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass nach dem von der Beklagten nicht
bestrittenen Vorbringen des Klägers, die Cockpitmitarbeiter mit Einstellungsdatum vor
dem 27. September 1995, die bei der L weiterbeschäftigt werden, unverändert von
dieser Konzerngesellschaft durch die L -of-L -Versicherung und die Unfallversicherung
abgesichert werden, auch nachdem sie – wie die Kläger - die Voraussetzungen für
Rentenleistungen bei Flugdienstuntauglichkeit oder bei Erreichen der Altersgrenze
nach dem Tarifvertrag Übergangsversorgung erreicht haben.
117
Nach alledem ist die Klage begründet.
118
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
119
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Fragen, ob eine
Teilkündigung vorliegt und ob die Berufung auf das tarifvertragliche
Schriftformerfordernis treuwidrig ist, zuzulassen.
120
RECHTSMITTELBELEHRUNG
121
Gegen dieses Urteil kann von
122
R E V I S I O N
123
eingelegt werden.
124
Die Revision muss
125
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
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schriftlich beim
127
Bundesarbeitsgericht
128
Hugo-Preuß-Platz 1
129
99084 Erfurt
130
Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
133
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
133
Die Revisionsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
134
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
135
(Schwartz) (Hahn) (Winthuis)
136