Urteil des LAG Köln vom 19.05.2005

LArbG Köln: vergleich, arbeitsgericht, mehrwert, versprechen, abfindung, kündigung, arbeitsrecht, datum, beendigung

Landesarbeitsgericht Köln, 7 Ta 439/04
Datum:
19.05.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 Ta 439/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 22 (12) Ca 9994/03
Schlagworte:
Streitwert, Fortbestehensantrag gegenüber Betriebserwerber,
Mehrvergleich, Titulierungsinteresse
Normen:
§ ZPO, § 42 GKG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Der gegen den Betriebserwerber gerichtete Antrag auf Fortbestand
des Arbeitsverhältnisses mit diesem ist selbständig neben dem gegen
den Betriebsveräußerer gerichteten Kündigungsschutzantrag mit einem
weiteren Vierteljahresverdienst zu bewerten.
2. Vereinbaren die Parteien in einem Vergleich, der einen
Kündigungsschutzprozess beilegt, ein befristetes
Anschlussarbeitsverhältnis, so liegt hierin kein Vergleichsmehrwert.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1)
hin, der sich die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2) und der
Prozessbevollmächtigte des Klägers angeschlossen haben, wird der
Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 08.11.2004 in Sachen
22 (12) Ca 9994/03 abgeändert:
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 77.750,36 € festgesetzt, der
Streitwert für den Vergleich vom 27.08.2004 auf 82.853,16 €.
Die weitergehende Beschwerden werden zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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1. Die zulässigen Streitwertbeschwerden sind überwiegend begründet. Dies ergibt sich
aus dem Folgenden:
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a. Die im Kammertermin vom 21.04.2004 gestellten Sachanträge führen zu einem
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Verfahrensstreitwert von insgesamt 77.750,36 €.
aa. Der Feststellungsantrag zu I. 4 (Kündigung vom 26.08.2003) war unstreitig mit drei
Monatseinkommen zu bewerten.
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bb. Hinsichtlich des Klageantrags zu I. 5 (Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten zu 2 für die Zeit ab dem 01.12.2003) schließt sich das Beschwerdegericht der
Auffassung der Beschwerdeführer an, wonach dieser Antrag ebenfalls mit drei
Monatsgehältern selbständig zu bewerten ist. Dies folgt daraus, dass auch der Antrag I.
5 den (Fort-) Bestand eines Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand hat, aber zwischen
anderen Parteien als beim Klageantrag zu I. 4.
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cc. Ist der Streitgegenstand des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu
der Beklagten zu 2 in dem selbständig zu bewertenden Antrag I. 5 schwerpunktmäßig
angesiedelt, so besitzt der Antrag I. 3 wiederum nur den Charakter eines "mitlaufenden"
Weiterbeschäftigungsantrags, welcher nach der aktuellen Bezirksrechtsprechung nur
mit einem Monatsgehalt anzusetzen ist.
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dd. Die Anträge I. 3 bis I. 5 waren somit mit insgesamt 7 x 6.088,14 € zu bewerten.
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ee. Die Zahlungsanträge zu II. belaufen sich, wie von den Beschwerdeführern zutreffend
ermittelt, auf insgesamt 27.133,38 €.
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Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sind auch die Klageanträge zu II. 5 und 6 zu
bewerten, und zwar insgesamt mit dem Betrag von 7.857,75 €. Die Besonderheit der
Klageanträge II. 5 und 6 besteht darin, dass sie alternativ zu betrachten sind: Je nach
dem, ob in dem vorliegenden Rechtsstreit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des
Klägers oder aber dessen Fortbestand festgestellt wird, verlangt der Kläger entweder
Urlaubsabgeltung gemäß Antrag II. 5 oder aber Gewährung eines entsprechenden
Urlaubs in Natura (Antrag II. 6). Einer der beiden Anträge bleibt dann aber in jedem Fall
streitwertrelevant.
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ff. Über die Bewertung der beiden Auskunftsanträge mit jeweils 4.000,00 € bestehen
zwischen den Beschwerdeführern und dem Arbeitsgericht keine
Meinungsverschiedenheiten.
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Insgesamt errechnet sich somit ein Verfahrensstreitwert von 77.750,36 €.
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b. Der Vergleich vom 27.08.2004 enthält einen über den Verfahrensstreitwert
hinausgehenden Mehrwert.
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aa. Dabei bemisst sich aber entgegen der Auffassung der Vertreterin der Beklagten zu 2
der Streitwert eines Vergleichs nicht danach, welche Leistungen oder Zugeständnisse
die vergleichsschließenden Parteien einander in dem Vergleich versprechen. Ein
sogenannter Vergleichsmehrwert ist vielmehr nur gegeben, wenn in dem Vergleich über
den Verfahrensstreitgegenstand hinaus weitere zwischen den Parteien bestehende
Streitgegenstände beigelegt werden, sei es, dass diese den Gegenstand anderer
Verfahren bilden, sei es, dass sie bislang zwischen den Parteien nur außergerichtlich
ausgetragen wurden. Aus diesem Grunde führt die Vergleichsziffer 7 entgegen der
Auffassung der Vertreterin der Beklagten zu 2 nicht zu einem Vergleichsmehrwert: Der
vergleichsweise Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und
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der Beklagten zu 2 dient lediglich der Beilegung des Streits darüber, ob aufgrund eines
Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2
ohnehin bereits ein - unbefristetes - Arbeitsverhältnis entstanden war. Die Leistung, die
hier in dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages besteht, ist alternativ zu sehen
etwa zu der denkbaren Gewährung einer Abfindung.
bb. Einen echten Vergleichsmehrwert enthalten dagegen die Ziffern 5 und 6 des
Vergleichs vom 27.08.2004. Durch diese Ziffern wurden die zwischen dem Kläger und
dem Beklagten zu 1 streitigen Ansprüche geregelt, die der Kläger, vom Beklagten zu 1
bestritten, zur Insolvenztabelle angemeldet hatte und die nicht unter den
Streitgegenständen des vorliegenden Gerichtsverfahrens enthalten sind. Das
Arbeitsgericht hat insoweit übersehen, dass durch die Vergleichsziffer 6
alle
angemeldeten Forderungen vollständig erledigt wurden, auch soweit sie der Beklagte
zu 1 gemäß Vergleichsziffer 5 nicht anerkannt hat. Entsprechend der zu erwartenden
Insolvenzquote beträgt der Mehrwert der Vergleichsziffern 5 und 6 somit 10 % der
Gesamtsumme der vom Kläger zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen,
demnach 4.493,99 €, und nicht lediglich 593,28 €, wie vom Arbeitsgericht angenommen.
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cc. Für die Vergleichsziffer 3 kann dagegen höchstens der vom Arbeitsgericht
angesetzte Betrag von 608,81 € als Vergleichsmehrwert angenommen werden. Dieser
Betrag rechtfertigt sich ausschließlich unter dem Gesichtpunkt des
Titulierungsinteresses und ist bereits großzügig bemessen. Ein Streit der Parteien über
einen Anspruch des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses hat nicht
bestanden. Es trifft auch nicht zu, dass durch die Vergleichsziffer 3 ein Streit der
Parteien über den Inhalt eines zu erteilenden Zeugnisses beigelegt worden wäre.
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2. Gegen die vorliegende Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.
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(Dr. Czinczoll)
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