Urteil des LAG Köln vom 24.01.2002

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Landesarbeitsgericht Köln, 5 Sa 1000/01
Datum:
24.01.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Sa 1000/01
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 1 Ca 2505/00
Schlagworte:
Wiedereinsetzung
Normen:
§ 236 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Eine Wiedereinsetzung ohne entsprechenden Antrag, § 236 Abs. 2 ZPO,
kann nur erfolgen, wenn sich aus dem Vorbringen der Partei ergibt, dass
sie die verspätete Prozesshandlung als rechtzeitig behandelt wissen
möchte und entsprechende Tatsachen vorbringt.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn
vom 21.06.2001 - 1 Ca 2505/00 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil des
Arbeitsgerichts Bonn vom 16.11.2000 als unzulässig verworfen wird. Die
Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Die Revision wird
nicht zugelassen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung der Klägerin ist in
gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist somit zulässig. Sie
ist jedoch in der Sache unbegründet.
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Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom
16.11.2000 muss gem. § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen werden, weil
er nicht fristgerecht eingelegt worden ist. Nach § 341 Abs. 1 ZPO hat das Gericht von
Amts wegen zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und in gesetzlicher Form und
Frist eingelegt ist. Diese - zunächst vom Arbeitsgericht anzustellende - Prüfung hat im
Berufungsverfahren das Berufungsgericht durchzuführen. Vorliegend führt sie zu dem
Ergebnis, dass der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 16.11.2000 verspätet ist.
Das Versäumnisurteil ist der Klägerin durch Niederlegung am 21.11.2000 zugestellt
worden ist, ihr Einspruch vom 04.12.2000 ist am gleichen Tag und somit nach Ablauf
der Einspruchsfrist von einer Woche gem. § 59 ArbGG per Fax beim Arbeitsgericht Bonn
eingegangen. Auf die Fristversäumnis hat das Arbeitsgericht die Klägerin in der
Verhandlung vom 22.12.2000 hingewiesen.
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Der Klägerin kann keine Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist
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gewährt werden. Zwar kann nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO Wiedereinsetzung auch
ohne Antrag gewährt werden, sofern innerhalb der Antragsfrist nach § 236 Abs. 1 die
versäumte Prozessverhandlung nachgeholt wird. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt
gem. § 234 Abs. 2 ZPO "mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist". Das
Hindernis bestand nach dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 21.12.2000
darin, dass "die "Zustellungskarte" sich nicht in ihrem Briefkasten, sondern "in einer
Werbungszeitung" befunden habe und sie dies erst am 02.12.2000 entdeckt habe.
Somit begann die Wiedereinsetzungsfrist am 02.12.2000, denn an diesem Tag konnte
die Klägerin feststellen, dass die Einspruchsfrist bereits verstrichen war. Zwar liegt eine
der Voraussetzungen des § 236 Abs. 2 Satz 2 (Nachholung der versäumten
Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist) vor, weil die Klägerin den Einspruch am
04.12.2000 schriftlich beim Arbeitsgericht eingelegt hat. Es fehlt jedoch an den übrigen,
für eine Wiedereinsetzung erforderlichen Voraussetzungen: Zunächst müssen innerhalb
der Antragsfrist die Tatsachen, die für die Versäumung und das Verschulden der in
Betracht kommenden Personen und für die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO bedeutsam sein
können, vorgetragen werden, es muss sich aus dem Vorbringen ferner ergeben, dass
nach Behebung des Hindernisses das Wiedereinsetzungsgesuch rechtzeitig gestellt
wurde (vgl. Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl., § 236 ZPO, Rdn. 4, 5).
Darüber hinaus muss sich aus dem Vorbringen der betroffenen Partei ergeben, dass sie
den Willen hat, die betreffende Prozesshandlung wegen der vorgebrachten Tatsachen
als rechtzeitig anzusehen, was etwa daraus entnommen werden könnte, dass sich die
Partei wegen der Verspätung entschuldigt (Thomas/Putzo, a.a.O., Rdn. 3).
Vorliegend hat die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 21.12.2000 - und damit erst
nach dem Ablauf der Antragsfrist gem. § 234 Abs. 1 ZPO, die am 02.12.2000 begann
und am 18.12.2000 endete - geltend gemacht, dass sie das Versäumnisurteil erst am
04.12.2000 erhalten hat, weil die Zustellungskarte nicht im Briefkasten, sondern in einer
Werbungszeitung gelegen habe. Dieses Vorbringen kann somit für einen etwaigen
Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht mehr berücksichtigt werden, weil es
außerhalb der Antragsfrist erfolgt ist. Innerhalb der Antragsfrist, insbesondere am
04.12.2000, hat die Klägerin keinerlei Gründe oder Tatsachen für die Ursache der
Fristversäumnis oder deren Entschuldigung vorgetragen.
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Soweit die Klägerin im Einspruchsschriftsatz vom 04.12.2000 auf angebliche
Verfahrensfehler des Arbeitsgerichts bei Erlass des Versäumnisurteils verweist, hat dies
auf die Unzulässigkeit des Einspruchs keinen Einfluss. Eine Versäumnisentscheidung
kann auf prozessuale oder materielle Fehler nur innerhalb eines zulässigen
Einspruchsverfahrens überprüft werden. Das gilt auch für das Berufungsgericht, welches
durch das Verfahren des Gerichts erster Instanz, welches in der Sache entschieden hat,
nicht gebunden ist.
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Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO und der im Tenor
enthaltenen Maßgabe zurückzuweisen.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
8
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die
Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsbehelf, § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
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(Rietschel) (Haeser) (Fiegler)
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