Urteil des LAG Köln vom 17.01.2006

LArbG Köln (kläger, freizeit, anlage, arbeitszeit, vergütung, abgeltung, mitarbeiter, umfang, bestimmungsrecht, arbeitgeber)

Landesarbeitsgericht Köln, 9 Sa 1242/05
Datum:
17.01.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Sa 1242/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegburg, 4 Ca 348/05
Schlagworte:
Rufbereitschaft - Überstundenvergütung - Freizeitausgleich
Normen:
§ 8 Abs. 3 Unterabsatz 3 der Anlage 5 zu den AVR (Richtlinien für
Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas Verbandes)
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Nach § 8 Abs. 3 Unterabsatz 3 der Anlage 5 zu den AVR hat der
Arbeitgeber ein dauerhaftes Bestimmungsrecht zwischen einer
Abgeltung durch Vergütung und Freizeitausgleich, wobei auch beide
Abgeltungsformen miteinander kombiniert werden können.
2. Der Arbeitgeber verletzt nicht die Grundsätze billigen Ermessens i. S.
d. § 315 Abs. 3 BGB, wenn er auf dem Hintergrund der Krise im
Gesundheitswesen die Bedingungen für alle Beschäftigten eines
Krankenhauses verschlechtert und dabei für die Beschäftigten in der
technischen Abteilung die Abgeltung der Rufbereitschaft ändert
(Freizeitausgleich statt Überstundenvergütung).
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Siegburg vom 09.06.2005
– 4 Ca 348/05 G – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten darüber, wie die Rufbereitschaft des Klägers zu vergüten ist.
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Der Kläger ist bei der Beklagten, die Träger des S Krankenhauses in W ist, als
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Angestellter im technischen Dienst seit 1976 beschäftigt. In dem schriftlichen
Arbeitsvertrag vom 31. März 1977 ist vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis
Anwendung finden die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des
Deutsches Caritas Verbandes (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Zudem ist
vereinbart, dass sich der Kläger am Rufbereitschaftsdienst beteiligt. Der technischen
Abteilung in dem Krankenhaus sind 7 Mitarbeiter einschließlich des Klägers
zugeordnet, von denen 3 (einschließlich des Klägers) in der Vergangenheit regelmäßig
Rufbereitschaftsdienste geleistet haben.
Im Jahr 1983 teilte die Beklagte den Mitarbeitern des technischen Dienstes mit , ab 1.
Januar 1983 werde sie die Rufbereitschaftsdienste und die innerhalb der
Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten Dienste wie folgt vergüten: Gemäß § 8 Abs. 3
AVR werde die Zeit der Rufbereitschaft mit 12,5 % als Arbeitszeit vergütet, und zwar
durch Freizeitausgleich. Sofern ein solcher Freizeitausgleich nicht möglich sei, werde
für die Rufbereitschaft Überstundenvergütung gezahlt, wobei ebenfalls die Zeit der
Rufbereitschaft mit 12,5 % als Arbeitszeit gewertet werde. Für tatsächlich geleistete
Dienste einschließlich der Wegezeit werde daneben Überstundenvergütung gezahlt.
Sodann wurden in dem Schreiben Pauschalsätze für die Vergütung sowohl der
Rufbereitschaftsdienste als auch der tatsächlich geleisteten Dienste ausgewiesen,
wobei die tatsächlichen Dienste für jeden Tag der Rufbereitschaft mit 2 Stunden in
Ansatz gebracht wurden, unabhängig davon, ob solche überhaupt geleistet worden
waren. Nach diesem pauschalisierten Verfahren wurde in der Folgezeit Vergütung
sowohl für die Rufbereitschaft als auch für die tatsächlich geleisteten Dienste gezahlt,
wobei in den Gehaltsabrechnungen aus abrechnungstechnischen Gründen so verfahren
wurde, dass der sich danach errechnende Betrag als Produkt aus einer fiktiven Zahl von
Rufbereitschaftsstunden, die mit 12,5 % als Arbeitszeit bewertet wurden, und dem
Stundenlohn ergab. So wurden beispielsweise für September 2004 528 und für Oktober
2004 480 Rufbereitschaftsstunden in den Gehaltsabrechnungen ausgewiesen.
Daneben wurden regelmäßige Kontrolltätigkeiten des Klägers außerhalb der normalen
Arbeitszeit als Überstundenarbeit gesondert vergütet.
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Mit Schreiben vom 17. Januar 2005 teilte die Beklagte den technischen Mitarbeitern mit,
aus Kostengründen werde sie ab 1. Februar 2005 die tatsächlich geleisteten Dienste
durch Freizeit ausgleichen und die Rufbereitschaft weiterhin als Überstundenarbeit
vergüten. Dabei werde die Rufbereitschaftszeit mit 12,5 % als Arbeitszeit gewertet.
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Ab Mai 2005 teilt die Beklagte einen weiteren Mitarbeiter des technischen Dienstes für
den Rufbereitschaftsdienst ein mit der Folge, dass sich die Anzahl der
Rufbereitschaftsdienste des Klägers verringerte.
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Mit der vorliegenden Klage, die am 26. Januar 2005 beim Arbeitsgericht Siegburg
eingegangen ist, wendet sich der Kläger sowohl gegen einen Ausgleich der während
der Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten Dienste durch Freizeit als auch gegen eine
Verringerung der von ihm zu verrichtenden Rufbereitschaftsdienste durch die
Berücksichtigung eines weiteren Mitarbeiters bei der Verteilung dieser Dienste.
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Er hat vorgetragen, zu diesen Änderungen sei die Beklagte nicht berechtigt. Es werde in
den Kernbereich seines Arbeitsverhältnisses eingegriffen, da er monatliche
Vergütungseinbußen in Höhe von etwa EUR 1.000,00 erleide und sich damit seine
Gesamtbezüge um etwa 27 % verringerten. Die über 28-jährige Praxis verschaffe ihm
einen Anspruch darauf, dass die Beklagte weiterhin wie bis Januar 2005 abrechne und
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ihn zu Rufbereitschaftsdiensten heranziehe.
Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, einseitig zu bestimmen, dass
anrechenbare Arbeitszeit (= tatsächlich geleistete Zeit) während des
Rufbereitschaftsdienstes durch Freizeit ausgeglichen wird,
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm anrechenbare Arbeitszeit
während des Rufbereitschaftsdienstes als Arbeitzeit zu vergüten,
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3. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, ohne Zustimmung des Klägers
bzw. der Mitarbeitervertretung den Umfang des Rufbereitschaftsdienstes des
Klägers dadurch zu kürzen, dass weitere Personen am Rufbereitschaftsdienst
beteiligt werden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, sie sei aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, Personalkosten
dadurch einzusparen, dass die während des Rufbereitschaftsdienstes tatsächlich
geleisteten Dienste seit dem 1. Februar 2005 durch Freizeit ausgeglichen würden. Sie
sei auch dazu berechtigt, die Anzahl der Rufbereitschaftsdienste zu kürzen oder aber
die Rufbereitschaft ganz entfallen zu lassen.
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Das Arbeitsgericht Siegburg hat durch Urteil vom 9. Juni 2005 die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, für den Antrag zu 1) fehle bereits das
Rechtsschutzbedürfnis, da sich aus der begehrten Feststellung keine konkreten
Folgerungen ergäben. Der Antrag zu 2) sei unbegründet, weil die Beklagte nach § 8
Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 5 zu den AVR berechtigt sei, die während der
Rufbereitschaft geleisteten tatsächlichen Dienste durch Freizeit auszugleichen. Nach
den AVR stehe ihr ein Wahlrecht zu, ob sie diese Dienste vergüte oder durch Freizeit
ausgleiche. Dieses Wahlrecht sei durch die langjährige Praxis, die Dienste zu vergüten,
nicht eingeschränkt. Aus berechtigten wirtschaftlichen Gründen habe die Beklagte
nunmehr entschieden, die tatsächlich geleisteten Dienste durch Freizeit auszugleichen.
Streitgegenstand sei nicht die weitere Umstellung, die sich daraus ergebe, dass nicht
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mehr wie in der Vergangenheit pauschalisiert abgerechnet werde. Auch der Antrag zu 3)
sei unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch darauf habe, in einem bestimmten
Umfang Rufbereitschaftsdienste leisten zu können.
Das Urteil ist dem Kläger am 12. August 2005 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 8.
September 2005 Berufung einlegen und diese zugleich begründen lassen.
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Der Kläger ist der Ansicht, für den Klageantrag zu 1) fehle nicht das erforderliche
Rechtsschutzinteresse. Es gehe um die Grenzen des Direktionsrechts der Beklagten.
Der Klageantrag zu 2) sei begründet, da seit mehr als 28 Jahren die während der
Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten Dienste vergütet und nicht durch Freizeit
ausgeglichen worden seien. Die Beklagte sei nicht berechtigt, diese Handhabung
einseitig zu ändern. Schließlich sei auch der Klageantrag zu 3) begründet. Die Beklagte
habe nicht das Recht, die Zahl seiner Rufbereitschaftsdienste dadurch zu vermindern,
dass sie einen weiteren technischen Mitarbeiter für Rufbereitschaften heranziehe. Seine
monatlichen Bezüge verringerten sich durch diese Maßnahmen von durchschnittlich
EUR 2.500,-- netto auf durchschnittlich EUR 2.000,00 netto. Zudem zahle die Beklagte
an die beiden technischen Mitarbeiter V und M nach wie vor Überstundenvergütung für
die während der Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten Dienste. Ihn benachteilige sie,
weil er die vorliegende Klage erhoben habe.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 9. Juni 2005 – 4
Ca 348/05 – entsprechend den erstinstanzlichen Klageanträgen zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und wiederholt ihr erstinstanzliches
Vorbringen. Es treffe zu, dass ein Teil der während der Rufbereitschaft tatsächlich
geleisteten Dienste Herrn M und Herrn V vergütet worden seien, weil sie aufgrund ihrer
Funktion als Abteilungsleiter und stellvertretender Abteilungsleiter nur sehr
eingeschränkt Freizeitausgleich nehmen könnten. Dies ändere nichts daran, dass auch
sie ebenso wie der seit Mai 2005 zusätzlich für Rufbereitschaften eingesetzte
Arbeitnehmer G grundsätzlich gehalten seien, Überstunden durch Freizeit
auszugleichen.
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Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Die Berufung ist zulässig.
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Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S.
1 ArbGG eingelegt und begründet worden.
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II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
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Zu Recht hat das Arbeitsgericht Siegburg erkannt, dass der Kläger weder einen
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Anspruch darauf hat, dass die während der Rufbereitschaft geleisteten Dienste als
Überstundenarbeit vergütet werden, noch dass die Anzahl der von ihm geleisteten
Rufbereitschaftsdienste beibehalten wird.
1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht Siegburg ausgeführt, dass der Feststellungsantrag
zu 1) bereits unzulässig ist. Es fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse. Zwischen
den Parteien ist streitig, ob die während der Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten
Dienste durch Freizeit ausgeglichen oder als Überstundenarbeit vergütet werden
müssen. Eine Entscheidung, dass diese Dienste als Überstundenarbeit zu vergüten
sind, bedeutet gleichzeitig auch, dass ein Freizeitausgleich nicht vorgenommen werden
kann. Folglich besteht für die negative Feststellung, dass ein Freizeitausgleich nicht
stattfinden kann, kein Feststellungsinteresse, da die mit dem Antrag zu 2) begehrte
positive Feststellung, dass eine Vergütung als Überstundenarbeit zu erfolgen hat, zu
einer umfassenden Klärung führt (vgl. dazu: Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, § 256 Rdn.
19).
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2. Der zulässige Klageantrag zu 2) ist nicht begründet.
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Nach § 8 Abs. 3 Unterabsatz 3 der Anlage 5 zu den AVR ist die Beklagte berechtigt, die
während der Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten Dienste durch Freizeit
auszugleichen.
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a. Im Arbeitsvertrag haben die Parteien die AVR in Bezug genommen, in deren Anlage
5 u. a. Folgendes bestimmt ist:
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§ 8 Abs. 2 Unterabsatz 3:
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Die danach errechnete Arbeitszeit kann statt dessen bis zum Ende des dritten
Kalendermonats durch entsprechende Freizeit abgegolten werden (Freizeitausgleich).
Für den Freizeitausgleich ist eine angefangene halbe Stunde, die sich bei der
Berechnung ergeben hat, auf eine halbe Stunde aufzurunden. Für die Zeit des
Freizeitausgleichs werden die Dienstbezüge (Abschnitt II der Anlage 1 zu den AVR) und
die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt.
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§ 8 Abs. 3:
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Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird die Zeit der Rufbereitschaft mit 12,5 v.H.
als Arbeitszeit gewertet und mit der Überstundenvergütung (§ 1 Abs. 3 Unterabsatz 2
der Anlage 6 a zu den AVR) vergütet.
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Für angefallene Arbeit einschließlich einer etwaigen Wegezeit wird daneben die
Überstundenvergütung gezahlt. Für eine Heranziehung zur Arbeit außerhalb des
Aufenthaltsortes werden mindestens drei Stunden angesetzt. Wird der Mitarbeiter
während der Rufbereitschaft mehrmals zur Arbeit herangezogen, wird die
Stundengarantie nur einmal, und zwar für die kürzeste Inanspruchnahme, angesetzt.
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Die Überstundenvergütung für die sich nach Unterabsatz 2 ergebenden Stunden entfällt,
soweit entsprechende Arbeitsbefreiung erteilt wird (Freizeitausgleich). Für den
Freizeitausgleich gilt Absatz 2 Unterabsatz 3 entsprechend.
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§ 8 Abs. 4:
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Bei Mitarbeitern, die ständig zu Bereitschaftsdiensten bzw. Rufbereitschaften
herangezogen werden, kann ein Ausgleich durch eine pauschale Abgeltung erfolgen.
Die pauschale Abgeltung kann sowohl als zusätzliche Freizeit wie auch als zusätzliche
Vergütung gewährt werden. Die Höhe der pauschalen Abgeltung soll grundsätzlich der
Einzelberechnung der durchschnittlich in den Kalendermonaten für den Mitarbeiter
anfallenden Bereitschaftsdienste bzw. Rufbereitschaften entsprechen.
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b. Ausweislich der Dienstanweisung vom 6. Januar 1983 hat die Beklagte ab dem 1.
Januar 1983 sowohl die Rufbereitschaft als auch die während der Rufbereitschaft
tatsächlich geleisteten Dienste entsprechend § 8 Abs. 4 der Anlage 5 zu den AVR
pauschal abgegolten, und zwar durch zusätzliche Vergütung.
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Wie in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2006 vor dem Berufungsgericht
klargestellt worden ist, hat sich an der pauschalen Abgeltung auch in dem Zeitraum, der
bis zur letzten mündlichen Verhandlung abzurechnen war, nichts geändert. Die für die
Zukunft geplante Änderung, wonach die während der Rufbereitschaft geleisteten
tatsächlichen Dienste nicht mehr pauschal abgegolten werden sollen, sondern nach der
konkret angefallenen Arbeitszeit einschließlich Wegezeit, ist hier nicht zu beurteilen.
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Geändert hat sich bisher nur, dass die Pauschalabgeltung nicht mehr ausschließlich
durch zusätzliche Vergütung erfolgt. Vielmehr wird nur die Rufbereitschaft entsprechend
§ 8 Abs. 3 Unterabsatz 1 und Unterabsatz 4 S. 2 der Anlage 5 zu den AVR weiterhin mit
der Überstundenvergütung vergütet. Dagegen werden die während der Rufbereitschaft
tatsächlich geleisteten Dienste entsprechend § 8 Abs. 3 Unterabsatz 3 und Unterabsatz
4 S. 2 der Anlage 5 zu den AVR durch Arbeitsbefreiung ausgeglichen.
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c. Die Änderung der Abgeltungsform (Freizeitausgleich statt Vergütung) ist zulässig. Aus
den AVR ergibt sich nicht, dass eine einmal gewählte Abgeltungsform beizubehalten ist.
Vielmehr wird ausweislich § 8 Abs. 3 Unterabsatz 3 der Anlage 5 zu den AVR dem
Arbeitgeber ein dauerhaftes Bestimmungsrecht zwischen einer Abgeltung durch
Vergütung und Freizeitausgleich eingeräumt, wobei auch beide Abgeltungsformen
miteinander kombiniert werden können. Dies folgt aus Wendung "...
soweit
entsprechende Arbeitsbefreiung erteilt wird ....". Dieses Wahlrecht besteht ausweislich §
8 Abs. 4 S. 2 der Anlage 5 zu den AVR auch bei der pauschalen Abgeltung.
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Die Beklagte hat ihr einseitiges Bestimmungsrecht nicht durch die Dienstanweisung
vom 6. Januar 1983 eingeschränkt. In dieser Dienstanweisung hat sie ausdrücklich auf
§ 8 Abs. 3 der Anlage 5 zu den AVR verwiesen und damit klargestellt, dass es ihr
ausschließlich darum ging, diese Richtlinie umzusetzen. Aus dem Schreiben ergibt sich,
dass sie nur Unklarheiten beseitigen wollte, nicht aber Anlass für eine Abänderung der
Anwendbarkeit der Richtlinien auf das Arbeitsverhältnis des Klägers hatte, zu der es
ohnehin der Zustimmung des Klägers bedurft hätte.
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Auch die langjährige Praxis, die während der Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten
Dienste durch Überstundenvergütung abzugelten, führt nicht dazu, dass die Beklagte
von dem ihr nach § 8 Abs. 3 Unterabsatz 3 und Abs. 4 S. 2 der Anlage 5 zu den AVR
zustehenden Bestimmungsrecht keinen Gebrauch mehr machen kann. Ein besonderer
Vertrauenstatbestand auf Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes konnte sich für
den Kläger nicht entwickeln. Denn dazu hätte es über die tatsächliche Übung hinaus
zusätzlicher konkreter Anhaltspunkte bedurft (ständige Rechtsprechung des
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Bundesarbeitsgerichts, z. B. BAG, Urteil vom 24. November 1993 – 5 AZR 206/93 -).
Diese fehlen jedoch.
d. Die Beklagte hat durch die Änderung der Abgeltungsform die Grundsätze billigen
Ermessens nicht verletzt.
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Soweit dem Arbeitgeber ein einseitiges Bestimmungsrecht zukommt, darf er es nur nach
billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB ausüben. Die Grundsätze der
Billigkeit sind gewahrt, wenn alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und
die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt sind (vgl. BAG, Urteil vom 24.
November 1993 – 5 AZR 206/93 -).
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Die Beklagte hat schon in dem Schreiben an den Kläger vom 17. Januar 2005
dargelegt, dass sie auf dem Hintergrund der Krise im Gesundheitswesen die
Bedingungen für alle Beschäftigten des Krankenhauses verschlechtern musste. Dabei
musste sie auch die Beschäftigten in der technischen Abteilung einschließen, wobei
sich für sie die finanzielle Verschlechterung durch die genannte Änderung der
Abgeltungsform als eine die Arbeitnehmer geringer belastende Maßnahme im Vergleich
zu einer befristeten Reduzierung der Stellen in der Abteilung darstellte.
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Es trifft zu, dass sich aus der Änderung der Abgeltungsform eine erhebliche finanzielle
Einbuße für den Kläger ergibt. Jedoch ist zu beachten, dass nach den AVR, auf deren
Geltung sich die Parteien verständigt haben, der Freizeitausgleich als gleichwertige
Abgeltungsform anzusehen ist. Zudem war dieser Verdienstbestandteil ohnehin nicht
garantiert. Die Rufbereitschaft und die während der Rufbereitschaft geleisteten
tatsächlichen Dienste konnten sich verringern oder sogar wegfallen. Der Arbeitsvertrag
der Parteien enthält keine Regelung darüber, dass der Kläger in einem bestimmten
Umfang zur Rufbereitschaft verpflichtet oder berechtigt ist. Die vertraglich eingeräumte
Möglichkeit für den Arbeitgeber, Rufbereitschaft anzuordnen, enthält nicht gleichzeitig
auch seine Pflicht, Rufbereitschaft anzuordnen. Daher kann der Arbeitnehmer, wenn
dies nicht ausdrücklich vereinbart ist, auch nicht verlangen, in einem bestimmten
Umfang Rufbereitschaft zu leisten (vgl. BAG, Urteil vom 24. November 1993 – 5 AZR
206/93 -). Auch eine langjährige tatsächliche Heranziehung zur Rufbereitschaft führt
nicht dazu, dass sich das Arbeitsverhältnis dahin konkretisiert. Vielmehr bedarf es
neben der tatsächlichen Übung zusätzlicher konkreter Anhaltspunkte (vgl. BAG, Urteil
vom 24. November 1993 – 5 AZR 206/93 -), die hier fehlen.
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Angesichts dieser Umstände kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die
Grundsätze der Billigkeit nicht gewahrt hat, als sie bestimmte, dass ab dem 1. Februar
2005 die während der Rufbereitschaft tatsächlich geleisteten Dienste mit Freizeit
ausgeglichen werden.
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e. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nur dem Kläger Freizeitausgleich
gewährt, hingegen den anderen 3 technischen Mitarbeitern Überstundenvergütung für
die während der Rufbereitschaft geleisteten tatsächlichen Dienste gewährt, bestehen
nicht. Sie hat dargelegt, dass sie auch den anderen Mitarbeitern in erster Linie
Freizeitausgleich gewährt. Soweit sie 2 Mitarbeitern auch nach dem 1. Februar 2005 für
solche Dienste Überstundenvergütung gewährt hat, beruht dies darauf, dass ihnen
aufgrund ihrer Funktion als Abteilungsleiter bzw. stellvertretender Abteilungsleiter nicht
innerhalb des 3-monatigen Ausgleichszeitraums Freizeitausgleich gewährt werden
konnte.
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3. Der zulässige Klageantrag zu 3) ist ebenfalls nicht begründet.
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a. Wie vorstehend ausgeführt, hat der Kläger weder nach dem Arbeitsvertrag noch
aufgrund der langjährigen Handhabung einen Anspruch darauf, in einem bestimmten
Umfang zur Rufbereitschaft herangezogen zu werden.
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b. Soweit überhaupt Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung durch die
Einteilung eines weiteren technischen Mitarbeiters für die Rufbereitschaftsdienste
betroffen und verletzt sein sollten, folgt daraus nicht, dass der Kläger einen
individualrechtlichen Anspruch auf einen Einsatz im Rufbereitschaftsdienst in
unverändertem Umfang hat. Die Wahrnehmung etwaiger kollektivrechtlicher Ansprüche
ist eine Angelegenheit der Mitarbeitervertretung.
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Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.
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Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Zu
den sich stellenden Rechtsfragen besteht höchstrichterliche Rechtsprechung.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil ist für die Partei ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Gegen dieses Urteil ist für mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision nicht
statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision
selbständig durch Beschwerde beim
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Bundesarbeitsgericht
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Hugo-Preuß-Platz 1
66
99084 Erfurt
67
Fax: (0361) 2636 - 2000
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anzufechten, auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.
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(Schwartz) (Wiedemann) (Hölscher)
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