Urteil des LAG Köln vom 04.11.2010

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Landesarbeitsgericht Köln, 5 Ta 333/10
Datum:
04.11.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5.Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 Ta 333/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 10 Ca 7335/09
Schlagworte:
Abänderung der PKH-Entscheidung wegen ausgezahlter Abfindung
Normen:
§ 120 Abs. 4 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Beantwortet ein PKH-Empfänger im Rahmen des
Abänderungsverfahrens die gerichtliche Nachfrage, ob ein
Abfindungsbetrag brutto oder netto ausgezahlt worden ist, nicht, so kann
nicht unterstellt werden, dass die Abfindung netto ausgezahlt worden
sei, weil Abfindungen grundsätzlich steuerpflichtig sind.
2. In einem solchen Fall kann aber zugrunde gelegt werden, dass nur
der Eingangssteuersatz (unterster Grenzsteuersatz) von 14 % nach § 32
a EStG angefallen ist.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 05.05.2010 wird der
Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2010 aufgehoben. Die
Prozesskostenhilfe ist weiterhin mit der Maßgabe bewilligt, dass der
Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu
leisten hat.
G r ü n d e :
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I. Durch Beschluss vom 16.11.2009 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne
Rückzahlungsverpflichtung für den von ihm geführten Prozess gegen die
ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses bewilligt. Der
Rechtsstreit endete durch Vergleich im erstinstanzlichen Kammertermin am 05.11.2009,
in welchem ein Abfindungsanspruch des Klägers in Höhe von 6.000,00 € brutto
festgelegt worden war.
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Im Hinblick hierauf fragte das Arbeitsgericht mit Schreiben vom 05.02.2010 (Bl. 14 der
PKH-Akte) an, ob der Kläger die Abfindung in Höhe von 6.000,00 € zwischenzeitlich
erhalten habe. Nachdem insoweit keine Reaktion des Klägers erfolgte, änderte das
Arbeitsgericht durch Beschluss vom 21.04.2010 den
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Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss dahingehend ab, dass der Kläger aus seinem
Vermögen einen Betrag in Höhe bis zu 3.400,00 € zur Deckung der Prozesskosten zu
zahlen habe. In der Begründung hieß es, dass mangels entgegenstehender Äußerung
des Klägers davon auszugehen sei, dass die Abfindungssumme zwischenzeitlich in
voller Höhe zur Auszahlung gelangt sei. Als Schonvermögen sei ein Betrag von
2.600,00 € in Abzug zu bringen, so dass ein Betrag in Höhe von 3.400,00 € verbleibe,
welcher in voller Höhe zur Deckung der Kosten der Prozessführung zu verwenden sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 05.05.2010, bei
Gericht eingegangen am 06.05.2010.
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II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde
ist in der Sache begründet. Es hat bei dem ursprünglichen
Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 16.11.2009 zu
verbleiben, wonach der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der
Prozessführung zu leisten hat.
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1. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht in dem angegriffenen Beschluss ein
Schonvermögen von nur 2.600,00 € gemäß § 90 SGB XII in Ansatz gebracht. Nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 24.04.2006 – 3 AZB 12/05,
NZA 2006, S. 751) ist bei der Berücksichtigung einer zugeflossenen Abfindung als
Vermögenswert das Schonvermögen gemäß § 90 SGB XII und zusätzlich ein
Pauschalbetrag in Höhe eines nochmaligen Schonbetrages abzuziehen. Letzterer soll
als Pauschale die durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise entstehenden
Kosten abdecken. Daher ist im Regelfall das doppelte Schonvermögen abzuziehen.
Dieser weitere Abzug ist nicht etwa daran gebunden, dass die hilfebedürftige Partei die
Kosten des Arbeitsplatzverlustes im Einzelnen spezifiziert, etwa Kosten der
Arbeitsplatzsuche, Schulungen, Umzug wegen Wechsel des Arbeitsplatzes oä im
Einzelnen darlegt. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
dieser weitere Schonbetrag als Regelfall zugrunde zu legen. Soweit keine
Anhaltspunkte für eine besondere Ausnahmesituation vorliegen, ist daher der zweifache
Schonbetrag in Abzug zu bringen.
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Vor diesem Hintergrund sind jedenfalls 5.200,00 € der erhaltenen Abfindung
anrechnungsfrei.
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2. Des Weiteren kann bei der Anwendung des § 115 Abs. 2 ZPO nicht unterstellt
werden, dass die im Vergleich zugesagte Abfindung netto, d. h. steuerfrei, gezahlt
worden ist. Zwar hat der Kläger entsprechende gerichtliche Nachfragen in Bezug auf die
Höhe des tatsächlich zur Auszahlung gelangten Betrages nicht beantwortet. Dies
rechtfertigt aber nicht, zu unterstellen, die Abfindung sei netto gezahlt worden.
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Dagegen spricht schon, dass die Abfindung im Vergleich ausdrücklich als Bruttozahlung
bezeichnet worden ist.
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Maßgeblich ist des Weiteren, dass die Steuerfreiheit der Abfindungen entfallen ist. Nach
dem Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes sind Abfindungen grundsätzlich
wie jedes andere Entgelt steuerpflichtig (s. Küttner, Personalbuch 2010, Stichwort
Abfindung, Rz. 41 ff.).
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Selbst wenn eine Abfindung ohne Abzug darauf entfallender Steuer zur Auszahlung
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gelangt sein sollte, bleibt die Steuerschuld des Arbeitnehmers insoweit bestehen und
mindert den Gesamtsaldo seines Vermögens.
Angesichts dessen kann auch dann, wenn der Arbeitnehmer entsprechende Anfragen
nicht beantwortet, nicht unterstellt werden, die Abfindung sei steuerfrei zur Auszahlung
gelangt.
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Denn dies würde bedeuten, dem auszahlenden Arbeitgeber ein rechtswidriges, ggf.
steuerhinterziehendes Verhalten zu unterstellen, ohne dass es hierfür Anhaltspunkte
gäbe. Auszugehen ist vielmehr vom Regelfall, dass Steuern und Abgaben
gesetzeskonform abgeführt werden.
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Erst recht gilt dies, wenn die Parteien die Abfindung im Vergleich ausdrücklich als
Bruttozahlung bezeichnet haben.
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Allerdings vermag es in einem Fall der Nichtbeantwortung der gerichtlichen Nachfrage
gerechtfertigt zu sein, zu unterstellen, dass mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auf die
Abfindungssumme nur der Mindeststeuersatz, also der Eingangssteuersatz nach § 32 a
EStG angefallen ist. Damit kann zu Lasten einer Partei, die entsprechende Anfragen
nicht beantwortet, unterstellt werden, dass der Abfindungsbetrag jedenfalls nur
abzüglich des darauf entfallenden Eingangssteuersatzes von z. Zt. 14 % ( siehe
Schmidt, Kommentar zum Einkommenssteuergesetz, 28. Auflage § 32 a EStG Rn. 8 ff. )
zur Auszahlung gelangt ist.
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Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass zu Lasten des Klägers davon
auszugehen ist, dass als Steuer nur ein Betrag von 14 % von 6.000,00 € = 840,00 €
angefallen ist, und dem Kläger folglich 6.000,00 € - 840,00 € also 5.160,00 € aus dem
Abfindungsbetrag verblieben sind.
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Unter Berücksichtigung des doppelten Schonvermögens und des angeführten
Mindeststeuerbetrages verbleibt aber kein positiver Vermögenssaldo, so dass bereits
aus diesem Grund nicht von einer wesentlichen, für den Kläger günstigen Änderung
seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse i. S. d. § 120 Abs. 4 ZPO
gesprochen werden kann.
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4. Da die Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung von Zahlungen gemäß §
120 Abs. 4 ZPO nicht vorlagen, konnte der Abänderungsbeschluss des Arbeitsgerichts
vom 21.04.2010 keinen Bestand haben und musste aufgehoben werden, so dass es bei
dem ursprünglichen Prozesskostenhilfebeschluss vom 16.11.2009 verbleibt.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen diesen Beschluss ist kein weiteres Rechtsmittel zugelassen.
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Dr. Griese
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