Urteil des LAG Köln vom 14.01.2010

LArbG Köln (fristlose kündigung, kündigung, mutter, arbeitsgericht, arbeitsunfähigkeit, arbeitsverhältnis, ordentliche kündigung, unfall, krankheitsfall, bescheinigung)

Landesarbeitsgericht Köln, 7 Sa 954/09
Datum:
14.01.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
7.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Sa 954/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 5 Ca 5270/07
Schlagworte:
Außerordentliche Kündigung; Arbeitsunfähigkeit; Nachweis- und
Meldepflichten im Krankheitsfall
Normen:
§ 626 BGB; § 5 EFZG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Der Tatbestand eines "unentschuldigten Fehlens" im Sinne eines
Fehlens am Arbeitsplatz ohne rechtlichen Grund ist streng zu
unterscheiden von den Fällen, in denen der Arbeitnehmer aufgrund
einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit entschuldigt am
Arbeitsplatz fehlt, jedoch seine Melde- und Nachweispflichten im
Krankheitsfall verletzt.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 18.03.2009 in Sachen
3 Ca 5270/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten darum, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis
aufgrund einer außerordentlichen, fristlosen arbeitgeberseitigen Kündigung am
06.06.2007 sein Ende gefunden hat oder erst – im Wege der Umdeutung dieser
Kündigung in eine ordentliche, fristgerechte Kündigung – mit Ablauf der Kündigungsfrist
am 15.07.2007.
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Die Beklagte betreibt ein sogenanntes Nagelstudio. Die am 18.11.1983 geborene,
ledige Klägerin war seit dem Jahre 2006 bei der Beklagten als "Nageldesignerin"
beschäftigt. Sie verdiente 800,00 € brutto monatlich. Das Arbeitsverhältnis war befristet
3
bis zum 31.08.2007.
Am 18.01.2007 hatte die Beklagte der Klägerin eine Gefälligkeitsbescheinigung zur
Vorlage bei deren Vermieter erteilt, der zufolge die Klägerin bei der Beklagten nicht
lediglich 800,00 € brutto verdienen sollte, sondern zusätzlich eine Provision in Höhe von
600,00 € (Bl. 29 d. A.).
4
Für die Zeit vom 26.05. bis 31.05.2007 hatte die Klägerin antragsgemäß Urlaub
genehmigt erhalten. Bei der Fahrt an ihren Urlaubsort erlitt sie am späten Abend des
25.05.2007 auf der Bundesautobahn einen schweren Autounfall.
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Nach ihrer Darstellung geriet sie bei Tempo 130 km/h wegen eines durch ein anderes
Fahrzeug erzwungenen Fahrstreifenwechsels ins Schleudern und überschlug sich.
Anlässlich der ärztlichen Notfallversorgung in einer Klinik wurde ein ärztlicher
Notfallschein ausgestellt, in welchem folgendes eingetragen ist: "Pat. hatte AU auf der
Autobahn, bei Aufnahme Schmerzen HWS, Kopfschmerzen, Pat. zittert und weint. Rö:
HWS-Steifstellung, Pat. hat Schanz‘sche Krawatte. Möchte nicht stat. bleiben, geht auf
eigene Verantwortung." (Bl. 31 d. A.).
6
Am 26.05.2007 informierte die Mutter der Klägerin "die Beklagte" (gemeint ist wohl: die
Geschäftsführerin der Beklagten) fernmündlich über den Unfall. Der genaue Inhalt der
Unterredung ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls will die Geschäftsführerin der
Beklagten die Mutter der Klägerin bereits bei dieser Gelegenheit gebeten haben,
"umgehend eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen"
(Klageerwiderungsschriftsatz vom 01.08.2007, (Bl. 13 d. A.).
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Zu einem weiteren Telefonat zwischen "der Beklagten" und der Mutter der Klägerin kam
es am 29.05.2007. Auch hier ist der Inhalt der Kommunikation streitig geblieben.
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Durch ärztliche Bescheinigung vom 31.05.2007 wurde die Klägerin zunächst bis zum
08.06.2007 arbeitsunfähig krankgeschrieben (Bl. 30 d. A.). Nach Angaben der Klägerin
blieb sie in der Folgezeit bis zum 15.07.2007 krankgeschrieben.
9
Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 31.05.2007 fand die Beklagte
spätestens am Morgen des 04.06.2007, einem Montag, in ihrem Briefkasten vor. Die
Klägerin behauptet, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am
Samstagnachmittag, dem 02.06.2007, an der Privatadresse der Geschäftsführerin der
Beklagten deren Ehemann übergeben zu haben.
10
Mit Schreiben vom 02.06.2007, der Klägerin zugegangen am 06.06.2007, kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos. Hiergegen ließ die Klägerin am
26.06.2007 durch ihren Prozessbevollmächtigten Kündigungsschutzklage erheben.
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Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.09.2007, beim Arbeitsgericht Köln am selben Tag
eingegangen, ließ die Klägerin die Kündigungsschutzklage um einen Zahlungsantrag
erweitern, wonach die Beklagte rückwirkend ab dem 01.02.2007 eine monatliche
Provision in Höhe von 600,00 € zahlen sollte. Dabei nahm die Klägerin auf die
Gefälligkeitsbescheinigung vom 18.01.2007 Bezug. Nachdem die Beklagte im
Gütetermin vom 19.09.2007 eine Ausfertigung der Verdienstbescheinigung vom
18.01.2007 vorweisen konnte, auf welcher die Klägerin handschriftlich den
Gefälligkeitscharakter der Bescheinigung bestätigt hatte, nahm der
12
Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 10.10.2007, beim
Arbeitsgericht Köln am selben Tage eingegangen (Bl. 38 d. A.), den Zahlungsantrag
vom 18.09.2007 wieder zurück.
Mit Schriftsatz vom 16.10.2007 (Bl. 109 ff. d. A.) erstattete der Prozessbevollmächtigte
der Beklagten wegen des Zahlungsantrags der Klägerin vom 18.09.2007 bei der
Staatsanwaltschaft Köln Strafanzeige wegen versuchten Prozessbetruges. Hierin führt
der Prozessbevollmächtigte der Beklagten gegenüber der Staatsanwaltschaft - objektiv
wahrheitswidrig - aus, dass die Klägerin den Zahlungsantrag "bis heute", also bis zum
16.10.2007, noch nicht zurück genommen habe.
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Auf diese Strafanzeige hin, erließ das Amtsgericht Köln am 29.07.2008 einen
Strafbefehl gegen die Klägerin, gegen den diese Einspruch einlegte. Im
Hauptverhandlungstermin des Strafverfahrens am 19.01.2009 wurde das Verfahren
unter der Auflage einer Zahlung von 100,00 € an den Kölner Tierschutzverein vorläufig,
und nach Erfüllung der Auflage mit Beschluss vom 18.02.2009 endgültig gemäß § 153 a
StPO eingestellt (Bl. 127 f. d. A.).
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Die Klägerin hat behauptet, ihre Mutter habe die Beklagte bereits bei dem Telefonat vom
26.05.2007 und nochmals bei dem Telefonat vom 29.05.2007 darauf hingewiesen, dass
die Klägerin am 01.06. und 02.06.2007 keinesfalls werde arbeiten kommen können.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung
der Beklagten vom 02.06.2007, der Klägerin zugegangen am 06.06.2007,
aufgelöst worden sei, sondern unverändert fortbesteht.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat behauptet, die Mutter der Klägerin habe am 26.05.2007 auf die Frage
nach dem Gesundheitszustand der Klägerin nur geantwortet, der Klägerin sei bei dem
Unfall ihr Handy abhanden gekommen, ansonsten sei ihr "nicht viel passiert". Am
29.05.2007 habe die Mutter der Klägerin eine Arbeitsunfähigkeit gar nicht erwähnt,
sondern nur darauf hingewiesen, dass sich ihre Tochter doch im Urlaub befinde.
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Auf der Grundlage der Behauptung, ihr, der Beklagten, sei die
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin erst am 04.06.2007 zugegangen, hat die
Beklagte erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Klägerin habe am 01.06. und
02.06.2007 ‚unentschuldigt gefehlt‘.
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Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind mangels hinreichender Betriebsgröße die
Regeln des Kündigungsschutzgesetzes nicht anwendbar.
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Mit Urteil vom 18.03.2009 hat das Arbeitsgericht Köln festgestellt, dass das
Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 02.06.2007 nicht
fristlos aufgelöst worden ist, sondern erst zum Ablauf der Kündigungsfrist am
15.07.2007. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
23
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 13.08.2009 zugestellt. Die
Beklagte hat hiergegen am 20.08.2009 Berufung einlegen und diese am 01.09. und
07.09.2009 begründen lassen.
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Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts vom 18.03.2009 für eine
‚Überraschungsentscheidung‘. Sie wiederholt ihre Behauptung, dass ihr die
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 31.05.2007 erst am 04.06.2007 zugegangen sei,
und meint, der gegenteilige Sachvortrag der Klägerin in erster Instanz habe wegen
Widersprüchlichkeit als unsubstantiiert gewertet werden müssen.
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Weiterhin meint die Beklagte, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen Vortrag
ihrerseits "für das nicht vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit bzw. für das Erstellen einer
Gefälligkeitsbescheinigung seitens des die Bescheinigung ausfüllenden Arztes"
vermisst. Der entsprechende Vortrag liege darin, dass noch nicht einmal die Mutter der
Klägerin behauptet habe, die Klägerin könne am 01. bzw. 02.06.2007 krankheitsbedingt
nicht arbeiten, vielmehr gesagt habe, es sei "nicht viel passiert".
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Im Übrigen meint die Beklagte nunmehr, bei der Entscheidung des
Kündigungsschutzprozesses müsse auch das prozessuale Verhalten der Klägerin
gewürdigt werden, was zu der Strafanzeige vom 16.10.2007 und zu dem Strafbefehl
vom 29.07.2008 geführt habe. Einer Arbeitnehmerin, die sogar vor einem
Betrugsversuch gegenüber ihrer Arbeitgeberin nicht zurückschrecke, sei es ohne
weiteres zuzutrauen, dass sie auch eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nur
vortäusche.
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Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 18.03.2009 die
Klage abzuweisen.
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Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
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die Berufung der Gegenseite zurückzuweisen.
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Die Klägerin und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und
wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Sie führt aus, dass es
in Anbetracht des Ablaufs des Unfalls vom 25.05.2007 fast an ein Wunder grenze, dass
sie ‚nur‘ die dargelegten Verletzungsfolgen davon getragen habe.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 18.03.2009
ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde
nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.
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II. Die Berufung der Beklagten ist jedoch ersichtlich unbegründet und war
zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht Köln hat den Kündigungsschutzrechtstreit
zutreffend entschieden. Die Kündigung der Beklagten vom 02.06.2007 ist als
außerordentliche, fristlose Kündigung rechtsunwirksam; denn hierzu hätte es
gemäß § 626 Abs. 1 BGB Tatsachen bedurft, aufgrund derer es der Beklagten als
der kündigenden Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und
unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar gewesen wäre,
das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist
fortzusetzen. An einem solchen ‚wichtigen Grund‘ im Sinne des Gesetzes fehlt es
hier.
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1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin weder am 01.06.2007
noch am 02.06.2007 unentschuldigt gefehlt hat. Dass die Klägerin an diesen beiden
Tagen der Arbeit fern geblieben ist, wird nämlich dadurch entschuldigt, dass sie
ärztlicherseits arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Die ärztliche
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 31.05.2007 weist eine Arbeitsunfähigkeit für die
Zeit vom 31.05.2007 bis mindestens 08.06.2007 aus.
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2. Auf die zwischen den Parteien heftig umstrittene Frage, wann der Beklagten die
ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zugegangen ist, kommt es
streitentscheidend nicht an; denn auch wenn die ärztliche
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Beklagten erst am 04.06.2007 zugegangen sein
sollte, ändert dies nichts an deren Inhalt, wonach nämlich die Klägerin am 01.06. und
02.06.2007 tatsächlich arbeitsunfähig gewesen ist. Die Klägerin war deshalb nicht
verpflichtet, am 1.6.2007 ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Ein vernünftiger Zweifel
hieran ist nicht erkennbar.
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3. Vorsorglich hat das Arbeitsgericht sodann noch die Frage geprüft, ob die Kündigung
der Beklagten vom 02.06.2007 als außerordentliche fristlose Kündigung deshalb
gerechtfertigt sein könnte, weil die Klägerin ihre aus § 5 Abs. 1 EFZG folgenden
Anzeige- und Nachweispflichten im Krankheitsfall verletzt haben könnte. Diese Frage
hat das Arbeitsgericht zu Recht verneint.
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a. Die Behauptungen der Parteien zur Frage, ob der Beklagten die Arbeitsunfähigkeit
der Klägerin rechtzeitig bekanntgegeben wurde, sind streitig geblieben.
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aa. Die Mutter der Klägerin soll, wie von dieser behauptet, ausdrücklich darauf
hingewiesen haben, dass die Klägerin am 01.06 und 02.06. nicht werde zur Arbeit
erscheinen können. Damit wären die Anzeigepflichten der Klägerin frühzeitig erfüllt
worden.
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bb. Die Beklagte als diejenige Partei, die aus der Verletzung solcher Pflichten Rechte
herleiten will, wäre hierfür darlegungs- und beweispflichtig gewesen. Der Sachvortrag
der Beklagten ist in wichtigen Teilen bereits als widersprüchlich zu werten. So
behauptet die Beklagte einerseits, die Mutter der Klägerin habe im Telefonat vom
26.05.2007 über den Gesundheitszustand ihrer Tochter gesagt, es sei "nicht viel
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passiert". Im gleichen Atemzug behauptet die Beklagte jedoch, sie habe die Mutter der
Klägerin gebeten, "umgehend eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen".
Eine solche Bitte macht überhaupt nur dann Sinn, wenn die Beklagte aus dem
Gesamtinhalt des Telefonats eben doch den Schluss ziehen musste, dass die Klägerin
aufgrund der Unfallfolgen arbeitsunfähig sei. In diesem Zusammenhang stellt sich auch
die naheliegende Frage, weshalb die Mutter der Klägerin die Beklagte überhaupt über
den Unfall ihrer Tochter hätte informieren sollen, wenn dieser – in Ermangelung einer
Arbeitsunfähigkeit – keinerlei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis gehabt hätte.
b. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 31.5.2007 hätte die Klägerin selbst dann
innerhalb der in § 5 Abs.1 S.2 EFZG vorgesehenen Frist vorgelegt, wenn die Beklagte
sie erst am 4.6.2007 erhalten haben sollte; denn bei dem 3.6.2007 handelte es sich
nicht um einen Arbeitstag, sondern um einen Sonntag.
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c. Aber selbst wenn man einmal zugunsten der Beklagten unterstellte, dass die Klägerin
ihre Anzeige- und Nachweispflichten im Krankheitsfall nicht korrekt erfüllt gehabt hätte,
hätte dies vorliegend, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, keine fristlose
arbeitgeberseitige Kündigung rechtfertigen können. Vielmehr gilt der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch und gerade im Kündigungsschutzrecht. Vor dem
Ausspruch einer auf eine derartige Nebenpflichtverletzung gestützten Kündigung hätte
es vielmehr zunächst einer einschlägigen Abmahnung durch die Beklagte bedurft, an
der es unstreitig fehlt.
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4. Auch der nunmehr zweitinstanzliche unternommene Versuch der Beklagten, die
außerordentliche Kündigung darauf zu stützen, dass der Tatbestand der
Arbeitsunfähigkeit als solche angezweifelt wird, ist zum Scheitern verurteilt.
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a. Die Klägerin hat ihre Arbeitsunfähigkeitszeit vom 31.05. bis 08.06.2007 durch eine
einschlägige ärztliche Bescheinigung belegt. Der Beweiswert der
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird vorliegend noch zusätzlich durch die ärztlichen
Eintragungen in dem von der Klägerin erstinstanzlich vorgelegten Notfallschein vom
25.05.2007 belegt. Danach haben Röntgenaufnahmen nach der Notfallaufnahme der
Klägerin eine HWS-Steifstellung ergeben.
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b. Objektive Anhaltspunkte, die geeignet sein könnten, den Beweiswert der von der
Klägerin beigebrachten ärztlichen Bescheinigungen zu erschüttern, sind auch nicht
ansatzweise erkennbar.
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aa. Insbesondere können solche nicht in den subjektiven Äußerungen eines am
Geschehen nicht beteiligten Dritten – der Mutter der Klägerin – gesehen werden, der
noch dazu medizinischer Laie ist.
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bb. Abgesehen davon: Selbst wenn man einmal die Behauptung der Beklagten, die
Mutter habe am Telefon geäußert, bei dem Unfall sei der Klägerin "nicht viel passiert",
als richtig unterstellt, so wäre diese Aussage nach Lage der Dinge sogar ohne weiteres
auch mit einer wochenlangen Krankschreibung wegen eines HWS-Syndroms zu
vereinbaren; denn nach der Schilderung des Unfallhergangs hätte die Klägerin bei dem
Unfall auch versterben können.
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5. Die Machenschaften der Parteien im Zusammenhang mit der zum Zwecke der
Täuschung des Vermieters der Klägerin ausgestellten Gefälligkeitsbescheinigung der
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Beklagten vom 18.01.2007, dem späteren vorübergehenden Versuch der Klägerin,
hieraus durch die Klageerweiterung vom 18.09.2007 Kapital zu schlagen sowie die
anschließende strafrechtliche Aufarbeitung dieser Vorgänge, bei der die Beklagte
ihrerseits wiederum gegenüber der Staatsanwaltschaft ebenfalls objektiv
wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, sind für die Beurteilung des vorliegenden
Kündigungsschutzverfahrens ohne jeden Belang.
a. So kommt die Klageerweiterung durch den Zahlungsantrag der Klägerin vom
18.09.2007 schon deshalb nicht als Kündigungsgrund in Betracht, weil eine Kündigung
nur auf solche Tatsachen gestützt werden kann, die im Zeitpunkt ihres Ausspruchs
bereits geschehen sind. Spätere Ereignisse können nicht als Kündigungsgrund
nachgeschoben werden.
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b. Etwas anderes hat auch das BAG in der von der Beklagten mit Schriftsatz vom
07.09.2009 zitierten Entscheidung nicht zum Ausdruck gebracht. Vorliegend scheitert
die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 02.06.2007 nicht an einer
zugunsten der Klägerin vorzunehmenden Interessenabwägung, sondern daran, dass
die Beklagte die Kündigungsgründe ‚Unentschuldigtes Fehlen am 01.06. und
02.06.2007‘ und ‚Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit‘ schon nicht schlüssig dargelegt
hat. Der nach dem Sachvortrag der Beklagten einzig denkbare Kündigungsgrund, der in
einer möglichen Verletzung der Anzeigepflichten im Krankheitsfall hätte liegen können,
kommt nur in einem hier ersichtlich nicht gegebenen Ausnahmefall für eine
außerordentliche Kündigung in Betracht und scheitert vorliegend bereits in
Ermangelung einer vorangegangenen Abmahnung am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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6. Die Rechtswirksamkeit der streitigen Kündigung der Beklagten vom 02.06.2007 als
außerordentliche, fristlose Kündigung hat das Arbeitsgericht somit zu Recht nicht
anerkannt.
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7. Nicht zu beanstanden ist, dass das Arbeitsgericht aber die außerordentliche
Kündigung der Beklagten vom 02.06.2007 in eine ordentliche fristgerechte Kündigung
zum 15.07.2007 umgedeutet hat, da der Wille der Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit
der Klägerin unbedingt zu beenden, unverkennbar war und die Klägerin wegen der
fehlenden Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes durchgreifende
Einwendungen gegen eine ordentliche Kündigung nicht erheben konnte und auch nicht
erhoben hat.
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III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil ist ein weiteres Rechtsmittel nicht statthaft.
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Dr. Czinczoll Recki Baur
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