Urteil des LAG Köln vom 25.01.2010

LArbG Köln (arbeitszeit, klausel, durchschnitt, juristische person, arbeitsvertrag, monat, höhe, tarifvertrag, aufstockung, bag)

Landesarbeitsgericht Köln, 2 Sa 963/09
Datum:
25.01.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Sa 963/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 18 Ca 902/09
Schlagworte:
Dauer der Arbeitszeit, Blue-pencil-Test, Arbeitszeitverlängerung
Normen:
§ 9 TzBfG, § 307 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Bei der Klausel "im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden" handelt es
sich um eine nach dem blue-pencil-Test teilbare Klausel.
Bei einer Einsatzsteuerung nach Fremdvorgaben auf Grund
mitbestimmter Schichtpläne muss die Arbeitgeberin im Fall eines
Aufstockungsverlangens nach § 9 TzBfG darlegen, dass eine sinnvolle
Schichtplangestaltung bei Zuordnung von Arbeitsstunden zu einem
Vollzeitarbeitsverhältnis nicht mehr möglich ist. Sie muss auch darlegen,
dass alle Verhandlungsmöglichkeiten mit dem Betriebsrat zur
Schichtplananpassung an die Arbeitszeitwünsche ausgeschöpft sind.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 24.06.2009 – 18 Ca 902/09 – wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 24.06.2009 wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird auf den Hilfsantrag der Klägerin verurteilt, dem Antrag
der Klägerin auf Erhöhung der monatlichen Arbeitszeit als
Flugsicherheitsfachkraft auf dem Köln/Bonner Flughafen von 150
Stunden auf 160 Stunden monatlich zuzustimmen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, soweit nicht bereits rechtskräftig
über sie entschieden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits und der Berufung trägt die Klägerin zu 4/5
und die Beklagte zu 1/5.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten um den Umfang der Beschäftigungspflicht im Arbeitsverhältnis
sowie hilfsweise um die Aufstockung des Arbeitsvolumens. Die am 01.05.1969
geborene Klägerin ist seit mehreren Jahren als Flugsicherheitskraft auf dem Flughafen
K eingesetzt. Seit dem 01.01.2009 ist die Beklagte nach Betriebsübergang
Arbeitgeberin der Klägerin.
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Unter dem 19.12.2003 unterzeichneten die Klägerin und der vorherige Betriebsinhaber
einen Arbeitsvertrag dessen § 2 Abs. 2 wie folgt lautet:
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Die Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu
arbeiten, wobei die Arbeitstage auch auf Samstage, Sonn- und Feiertage
fallen können. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem jeweiligen
Diensteinsatzplan, der von der Firma rechtzeitig im Voraus erststellt wird.
Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen werden durch
den Vorgesetzten festgelegt. Die Arbeitszeit beginnt und endet am
Einsatzort.
4
Auf das Arbeitsverhältnis findet der im März 2007 für allgemeinverbindlich erklärte
Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in N -W vom 01.01.2006
Anwendung. § 2 MTV lautet:
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1. Die tarifliche Mindestarbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten
Arbeitnehmers beträgt monatlich 160 Stunden.
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2. Die monatliche Regelarbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten
Arbeitnehmers beträgt im Durchschnitt eines Kalenderjahres 260
Stunden.
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3. …..
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Die Klägerin hat ihre im Jahr 2008 bei der Betriebsvorgängerin der Beklagten
geleisteten Arbeitsstunden aufgeteilt nach den einzelnen Monaten angegeben und
hierbei einen Stundendurchschnitt von 180 Monatsstunden errechnet. Die Beklagte hat
in Erwiderung die bezahlten Stunden des Jahres 2008 mitgeteilt, woraus sich ein
Stundendurchschnitt von 140 Stunden monatlich ergibt. Nach dieser Aufstellung lag die
geleistete Stundenzahl in 8 Monaten über 150 Monatsstunden. Nach der Aufstellung der
Beklagten hat die Klägerin im Jahr 2009 bis einschließlich Mai im Monatsdurchschnitt
175 Stunden geleistet. Unbestritten hat die Klägerin die Arbeitszeit für Juni 2009 mit
192,5 und für Juli 2009 mit 194,5 Stunden mitgeteilt.
9
Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass der schriftliche Arbeitsvertrag bereits durch die
Rechtsvorgängerin der Beklagten spätestens aber durch die Beklagte selber durch
tatsächliche Handhabung abgeändert worden sei, so dass sich ein
Beschäftigungsanspruch in Höhe von monatlich 180 Stunden ergebe. Jedenfalls sei die
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arbeitsvertragliche Klausel, wonach der Stundendurchschnitt 150 Stunden monatlich
betrage, insgesamt unwirksam und gänzlich zu streichen. Der hierdurch lückenhaft
gewordene Arbeitsvertrag sei durch das "gelebte Arbeitsverhältnis" zu ergänzen. Aus
dem geleisteten monatlichen Stundendurchschnitt ergebe sich die vertragliche
Verpflichtung, der Klägerin 180 Monatsstunden zuzuweisen. Jedenfalls habe der Wille
bestanden, ein Vollzeitarbeitsverhältnis zu begründen.
Hilfsweise macht die Klägerin die Aufstockung ihres Arbeitszeitvolumens auf 180
Stunden gemäß § 9 TzBfG geltend. Das Aufstockungsverlangen wurde der Beklagten
am 10.02.2009 zugestellt.
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Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die tatsächliche Arbeitszeiteinteilung nicht zu
einer Änderung des schriftlichen Arbeitsvertrages führen könne und geführt habe.
Letztlich beruhten die schwankenden Arbeitszeiten auf der Ausübung des durch
Tarifvertrag vorgesehenen Rechtes, die Mindestarbeitszeit von 160 Stunden auf bis zu
260 Stunden durch Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts aufzustocken.
Die arbeitsvertragliche Klausel sei nur insoweit unwirksam, als sie eine
Durchschnittsstundenzahl festlege. Die Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit sei
getrennt von der Regelung zur Arbeitszeit als solcher zu beurteilen. Streiche man die
Worte "im monatlichen Durchschnitt" ergebe der Arbeitsvertrag mit einer Arbeitspflicht
von 150 Stunden immer noch Sinn, ohne dass die Regelung auseinandergerissen
werde. Streiche man die Worte "im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden" ergebe sich
die ohnehin selbstverständliche Erklärung, dass die Angestellte verpflichtet sei zu
arbeiten.
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Hinsichtlich des Hilfsantrages beruft sich die Beklagte darauf, dass die unstreitig freien
Arbeitsplätze lediglich mit Mitarbeitern besetzt werden sollen, die bereit sind einen
Teilzeitarbeitsvertrag über 120 Monatsstunden abzuschließen. Dies beruhe darauf, dass
die Zeiten der Inanspruchnahme von Flugsicherheitskräften im Tagesverlauf stark
schwanke und sich nach der Vorgabe der Bundespolizei richte, die jeweils monatlich im
Voraus eine Personalanforderung vornehme. Danach ergebe sich, dass im Laufe von
24 Stunden 2 Auftragsspitzen, einmal am frühen Morgen, einmal am späten Nachmittag
auftreten, während in den dazwischenliegenden Arbeitsstunden sowie in der Nacht ein
deutlich geringerer Personaleinsatz erforderlich sei. Aufgrund einer gekündigten aber
nachwirkenden Betriebsvereinbarung sei sie verpflichtet, mindestens 6-
Stundenschichten anzuordnen und dürfe keine 2 Schichten an einem Tag durch einen
Arbeitnehmer verrichten lassen. Zudem sei sie verpflichtet, für Stunden, die keine
Pausen beinhalteten und die bisher als unbezahlte Breakstunden angeordnet wurden,
Vergütung zu leisten. Deshalb bestehe kein Interesse an unflexiblen
Vollzeitmitarbeitern.
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Das Arbeitsgericht hat der Klägerin einen Beschäftigungsanspruch von 160 Stunden
zugesprochen, da die gesamte vertragliche Arbeitszeitregelung gemäß § 307 Abs. 1 S.
1 BGB unwirksam sei. An dessen Stelle trete das tarifliche Vollzeitarbeitsverhältnis mit
160 Stunden. Damit sei die Klägerin vollzeitbeschäftigt, was eine Aufstockung
entsprechend dem Hilfsantrag nicht mehr möglich mache.
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In der Berufung vertiefen beide Parteien ihre Rechtsansichten und verfolgen ihre
ursprünglichen Klageziele weiter.
15
Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 24.06.2009,
Aktenzeichen 18 Ca 902/09 die Beklagte zu verurteilen, sie als
Flugsicherheitskraft auf dem K /B Flughafen monatlich tatsächlich 180
Stunden zu beschäftigen und zu vergüten, sowie die Berufung der
Beklagten zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln insoweit aufzuheben, als die Beklagte
darin verurteilt wurde, die Klägerin als Flugsicherheitskraft auf dem
Flughafen K /B monatlich in Höhe von 160 Stunden tatsächlich zu
beschäftigten und die Klage mit dem Hauptantrag zu Ziffer 1. und dem
Hilfsantrag zu Ziffer 2. insoweit abzuweisen, sowie die Berufung der
Klägerin zurückzuweisen.
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Hinsichtlich der weiten Einzelheiten des Sach- und Streitstandes insbesondere der
umfassend geäußerten Rechtsansichten wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Beide Berufungen sind fristgerecht eingelegt und begründet sowie auch im Übrigen
zulässig. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Berufung der Beklagten ist
teilweise begründet, so dass der ursprünglich gestellte Hilfsantrag in der Berufung zur
Entscheidung anfiel. Dieser war teilweise begründet.
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Da der Hilfsantrag der Klägerin gerichtet auf die Abgabe einer vertragsändernden
Willenserklärung ist, kommt der geänderte Vertrag erst mit Rechtskraft zustande. Damit
war derzeit der Beschäftigungsanspruch abzuweisen, da andere Rechtsgründe, die eine
Verpflichtung der Beklagten zur Beschäftigung mit mehr als 150 Stunden begründen
könnten, nicht gegeben sind.
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Nach Ansicht der erkennenden Kammer ist die vertragliche Vereinbarung über die
Arbeitszeit insoweit unwirksam gemäß § 307 Abs. 2 Ziffer 1 BGB als lediglich eine
durchschnittliche Arbeitszeit festgelegt wird, ohne die Klägerin darüber zu informieren,
welches der Referenzzeitraum ist, in dem der Beschäftigungsdurchschnitt erreicht
werden muss, sowie in welcher Weise Zeiten mit geringerem Beschäftigungsanfall
gegen Zeiten mit erhöhter Beschäftigung verrechnet werden. Das Fehlen der Angabe
eines Ausgleichszeitraumes macht es der Klägerin unmöglich,
Annahmeverzugsansprüche wegen zu geringem Arbeitsvolumen durch zu setzen.
Zudem wäre eine abgesicherte Lebensplanung durch diesen Arbeitsvertrag nicht
möglich, da die Klägerin nie im Voraus erkennen kann, mit welcher Vergütung sie in den
nächsten Monaten zu rechnen hat. Die Regelung verteilt damit das
Annahmeverzugsrisiko, welches gemäß § 615 BGB der Arbeitgeber bei Arbeitsmangel
zu tragen hat, unbillig. Die vertragliche Regelung stellt damit eine unangemessene
Benachteiligung dar, die zur Unwirksamkeit führt.
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Keine unangemessene Benachteiligung sieht die erkennende Kammer allerdings
hinsichtlich der Frage der Nichtvorhersehbarkeit der Einsatzzeiten. Zum einen wird die
Klägerin aufgrund eines mitbestimmten Schichtplanes eingesetzt, der der Zustimmung
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des Betriebsrates bedarf. Zum anderen sieht auch der allgemeinverbindliche
Tarifvertrag ein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht im Umfang von 100 Monatsstunden
vor, die der Arbeitgeber nutzen kann, um die tarifliche Mindestarbeitszeit seinen
Einsatzbedürfnissen anzupassen. Bedenken an dieser Regelung, die auch
Arbeitsbereitschaft sowie die Anordnung von 60 Wochenstunden umfasst, soweit der
Stundendurchschnitt in 24 Wochen 8 Stunden werktäglich nicht übersteigt, bestehen
nicht (BAG vom 22.04.2009, 5 AZR 629/09)
Von der Unwirksamkeit wegen unangemessener Benachteiligung ist allerdings nur der
Teil des Arbeitsvertrages erfasst, der die Verteilung der Arbeitszeit betrifft. Streicht man
die Worte "im monatlichen Durchschnitt", so ist der restliche Regelungsgegenstand für
sich sinnvoll und wird nicht von der Unwirksamkeit erfasst. Nach Ansicht der
erkennenden Kammer handelt es sich innerhalb des fraglichen Satzes des
Arbeitsvertrages um zwei verschiedene Regelungsgegenstände und damit um eine
teilbare Klausel. Zum einen wird die Verteilung der Arbeitszeit auf einen unbestimmt
gebliebenen Gesamtzeitraum geregelt, zum anderen wird eine Stundenanzahl genannt,
die die Arbeitspflicht konkretisieren soll. Die Stundenanzahl gibt an, welche
Regelarbeitszeit gewollt ist, wenn der monatliche Durchschnitt in jedem Monat exakt
erreicht würde und Schwankungen nicht stattfinden. Die beiden Regelungsbereiche
sind deshalb getrennt voneinander zu beurteilen. Insbesondere spricht für die
Teilbarkeit der Klausel, dass bei der gesamten Streichung der Worte "im monatlichen
Durchschnitt 150 Stunden", der verbleibende Inhalt schlicht lauten würde, "die
Angestellte ist verpflichtet zu arbeiten". Streicht man nur die Worte "im monatlichen
Durchschnitt" bleibt als sinnvolle Regelung der Text, " die Angestellte ist verpflichtet, im
Monat 150 Stunden zu arbeiten (vergl. BAG vom 06.05.2009, 10 AZR 443/08).
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Auch Mitarbeiter, die die fragliche Durchschnittsregelung mit 40 Stunden oder mit 240
Stunden abgeschlossen haben, müssten bei vollständiger Streichung der Klausel zum
gleichen vertraglichen Beschäftigungsumfang wie die Klägerin gelangen. Entweder
müsste in allen Fällen die tarifliche Mindestarbeitszeit zugrundegelegt werden oder für
den Beschäftigungsumfang wäre der tatsächliche durchschnittliche Einsatz
entsprechend der Schichtpläne maßgeblich. Insbesondere in einem Beispielsfall, in
dem arbeitsvertraglich im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden vereinbart sind, der
tatsächliche Einsatz sich aber in der Vergangenheit lediglich auf 120 Stunden oder
weniger beläuft, ergeben sich bei einer vollständigen Streichung der Klausel
einschließlich der Stundenangaben erhebliche Schwierigkeiten, eine
Beschäftigungspflicht von 150 Stunden durchzusetzen. Der Mitarbeiter, der also von
Anfang an nicht einmal die beabsichtigte Durchschnittsbeschäftigung erreicht, hätte es
schwer, einen konkreten, höheren Beschäftigungsumfang durchzusetzen.
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Auch die im Arbeitsvertrag vereinbarte Regelung, ab wann Überstunden anfallen und
mit Zuschlag bezahlt werden (§ 3 des Vertrages), gibt keinen Hinweis darauf, welche
Arbeitsmenge Grundlage für die Berechnung eines evt. Annahmeverzugsanspruchs
sein soll, falls man die Klausel aus § 2 des Arbeitsvertrages für unteilbar hält. Denn
Überstundenzuschläge fallen zum einen an, wenn die monatliche Arbeitszeit 195
Stunden überschreitet, aber auch dann, wenn die tägliche vorhergeplante Arbeitszeit um
mehr als 15 Minuten am Arbeitstag überschritten wird. Ein Rückschluss auf die Menge
der regelmäßigen Arbeitszeit ist aber nicht möglich, da der Vertrag insoweit gerade
wieder auf seinen § 2 verweist. Die verwendete Klausel ist dabei ebenso wie die
tatsächlichen Umstände der Beschäftigung nicht identisch mit dem Sachverhalt, der der
Entscheidung des BAG vom 08.10.2008, 5 AZR 155/08 zugrunde lag. Hinweise darauf,
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dass unabhängig von der Durchschnittsstundenzahl ein Vollzeitarbeitsverhältnis
vereinbart worden ist, sind im konkreten Fall nicht gegeben.
Vorliegend ergeben sich auch außerhalb des Arbeitsvertrages keine
Auslegungshinweise darauf, welche Willenserklärungen anzunehmen sein sollen, wenn
der Arbeitsvertrag keinerlei Arbeitsmenge festlegt. Der tatsächliche Einsatz ist
unabhängig von seiner teilweise streitigen Höhe nicht geeignet, den Rückschluss auf
eine Willenserklärung zuzulassen. Dies ist im vorliegenden Fall insbesondere deshalb
der Fall, weil der Tarifvertrag eine besonders weitreichende Möglichkeit beinhaltet,
einseitig Arbeitsstunden über die Mindestarbeitszeit hinaus zuzuweisen. Angesichts
dieser tariflichen Regelung kann das Verhalten des vorherigen Arbeitgebers und der
Beklagten nicht dahin verstanden werden, dass dem ein rechtsgeschäftlicher
Erklärungswert beigemessen werden kann (vergl. BAG vom 22,04.2009, 5 AZR 133/09).
Gerade die Tatsache, dass andere Erklärungen über die Dauer der Arbeitszeit außer
der in § 2 des Arbeitsvertrages nicht feststellbar sind, spricht dafür, die Klausel für teilbar
und damit hinsichtlich der zahlenmäßigen Höhe der Arbeitszeit für wirksam zu halten.
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Damit ergibt sich als Ergebnis, dass die Klägerin arbeitsvertraglich mit 150 Stunden
monatlich beschäftigt werden muss.
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Diese arbeitsvertragliche Regelung ist weder durch tatsächliche Handhabung noch
durch Willenserklärungen abgeändert worden. Damit ist dem Landesarbeitsgericht der
erstinstanzlich nur teilweise abgewiesene Hilfsantrag zur Entscheidung angefallen.
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Die Verpflichtung der Beklagten, die Arbeitszeit der Klägerin auf 160 Stunden monatlich
zu verlängern ergibt sich aus § 9 TzBfG in Verbindung mit dem allgemeinverbindlichen
Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe. Nach § 2 Abs. 1 MTV beträgt
die Mindeststundenzahl im Vollzeitarbeitsverhältnis 160 Stunden monatlich. Die
Klägerin hat das Verlängerungsverlangen spätestens durch Zustellung der Klageschrift
am 10.02.2009 geltend gemacht.
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Bei der Beklagten besteht auch, wie unstreitig ist, Arbeitskräftebedarf, d. h. es sind
ausreichend Arbeitsstunden vorhanden, die der Klägerin zugeordnet werden könnten
und die der Klägerin tatsächlich auch zugeordnet wurden. Die Klägerin wurde in der Zeit
von Januar 2009 bis Juli 2009 in keinem Monat mit weniger als 167 Stunden eingesetzt.
Bereits diese Zahl liegt um 7 Stunden höher als die tarifvertragliche
Vollzeitbeschäftigung.
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Dem Verlängerungsverlangen stehen auch keine dringenden betrieblichen Gründe
entgegen. Das teilweise schwankende Arbeitsvolumen, das der Beklagten zur
Verfügung stand, hätte durch Vereinbarung eines Arbeitszeitmodells mit flexibler
Arbeitszeiteinteilung und abgesicherten Arbeitszeitkonten berücksichtigt werden
können, so dass es der Vertragsänderung nicht im Wege steht. Ein solches
Arbeitszeitmodell hätte die von der Beklagten gewünschte Flexibilität ermöglicht und
den Anspruch auf Vertragsänderung erfüllen können. Auf Grund des tatsächlichen
Einsatzes steht auch gleichzeitig fest, dass es der Beklagten nicht unmöglich ist, die
Klägerin in Dienstplänen einzuplanen, die ihr ein Vollzeitarbeitsverhältnis ermöglichen.
Die Schwierigkeit, die es macht, ausgeklügelte Schichtpläne zu erstellen, die einerseits
die Anforderungen an die nachwirkende Betriebsvereinbarung erfüllen, die andererseits
möglichst keine bezahlten arbeitsfreien Stunden beinhalten, sondern die gesetzlichen
Ruhepausen so verteilen, dass sie in den lastschwachen Zeiten genommen werden, ist
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nicht von einem derartigen Gewicht, dass es sich um einen dringenden betrieblichen
Grund im Sinne des § 9 TzBfG handeln würde, der es rechtfertigen würde, den
Aufstockungsanspruch der Klägerin zu verneinen.
Es mag sein, dass dann, wenn eine Vielzahl von Arbeitnehmern insbesondere auch von
den mit nur 120 Monatsstunden neu eingestellten Teilzeitkräften einen
Aufstockungswunsch geltend macht, zu irgendeinem Zeitpunkt die Grenzen einer
betriebswirtschaftlich sinnvollen Schichtplanung erreicht werden. Dies vorzutragen und
insbesondere darzustellen, dass eine weitere vertragliche Zusage der Beschäftigung mit
der tariflichen Mindestarbeitszeit jetzt nicht mehr möglich ist ohne dringende betriebliche
(auch monetäre) Interessen der Beklagten zu vernachlässigen, gehört zur
Darlegungslast der Beklagten. Die Beklagte hat jedoch nicht dargestellt, dass dieser
Zeitpunkt bereits jetzt gegeben ist, dass es also trotz der in den vergangenen 1 ½
Jahren ganz überwiegend durchgeführten Arbeitszeiteinteilung nicht möglich ist,
Schichtpläne auf zu stellen, in denen die Klägerin zukünftig mindestens mit 160
Stunden pro Monat eingeplant ist.
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Da insbesondere die Schichtpläne der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen, wäre
es zudem Sache der Beklagten, eine betriebliche Einigung dahingehend
herbeizuführen, dass die Schichtplangestaltung den angemeldeten
Aufstockungswünschen gerecht wird. Hierzu kann auch gehören, dass ein Einsatz in
der 6 Tagewoche, die weder nach Arbeits- noch nach Tarifvertrag ausgeschlossen ist,
eingeplant wird. In diesem Fall würde eine einzelne Schicht bei 160 Stunden
Monatsstunden geringfügig über 6 Stunden werktäglich dauern. Dass auch diese
Arbeitszeitgestaltung die Aufstockung des Arbeitszeitvolumens der Klägerin nicht
ermöglichen kann, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat auch noch nicht alle
Möglichkeiten ausgeschöpft, mit ihrem Betriebsrat eine Einigung über Lage und Länge
unbezahlter Erholungspausen zu finden. Da die Erholungspausen nach dem
Arbeitszeitgesetz nur Mindesterholungszeiten beinhalten, ist eine mitbestimmte
Verlängerung von Erholungspausen im Sinne einer effektiven Anpassung der
Arbeitskapazitäten an die Arbeitskräfteanforderungen der Bundespolizei noch nicht
vollständig ausgeschöpft, so dass auch hier nicht festgestellt werden kann, dass eine
Schichtplangestaltung, die eine Vollzeittätigkeit der Klägerin berücksichtigt, unmöglich
oder aus dringenden betrieblichen Gründen nicht denkbar ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Revision wurde für beide Parteien
zugelassen, da eine grundsätzliche Klärung insbesondere zum Blue-pencil-Test
wünschenswert ist aufgrund der Vielzahl der in erster und zweiter Instanz noch
anhängigen Parallelverfahren.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von
39
R E V I S I O N
40
eingelegt werden.
41
Die Revision muss
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
42
Bundesarbeitsgericht
43
Bundesarbeitsgericht
43
Hugo-Preuß-Platz 1
44
99084 Erfurt
45
Fax: 0361 2636 2000
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eingelegt werden.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Die Revisionsschrift
muss
Bevollmächtigte
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1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Olesch Eubel Hester
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