Urteil des LAG Köln vom 28.07.2004

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Landesarbeitsgericht Köln, 2 Ta 237/04
Datum:
28.07.2004
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ta 237/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 14 Ca 7126/03
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Abfindung, Leistungsfähigkeit
Normen:
§ 115 Abs. 2 ZPO, § 88 BSHG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Abfindungen, die dem Prozesskostenhilfeberechtigten nach Bewilligung
der Prozesskostenhilfe zugeflossen sind, sind bei der Beurteilung der
Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen, soweit sie den Schonbetrag
aus § 88 BSHG überschreiten. Die Neuaufnahme von Darlehen nach
Prozesskostenhilfegewährung und deren angebliche Rückzahlung
stellen keine besondere Notlage dar, die es gerechtfertigte erscheinen
lassen könnte, vom Einsatz der Abfindung zur Tilgung der Kosten
abzusehen.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den
prozesskostenhilfeändernden Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom
09.02.2004 - 14 Ca 7126/03 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
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I.
Kündigungsschutzklage beantragte der Kläger zur Durchführung dieses Verfahrens die
Gewährung von Prozesskostenhilfe. Er gab im Formular seinerzeit an, lediglich einen
einzigen Kredit aufgenommen zu haben und hierauf 243,21 EUR monatlich zu zahlen.
Hinsichtlich der weiteren Angaben im Prozesskostenhilfeantrag wird auf diesen und die
Anlagen hierzu verwiesen. In der Güteverhandlung wurde dem Kläger
Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt. Durch Vergleich vom 09.05.2003
verpflichtete sich die Beklagte, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 4.800,00
EUR zu zahlen. Diese ist dem Kläger vollständig im Februar 2004 zugeflossen.
Daraufhin änderte das Arbeitsgericht Köln den PKH-Beschluss dahingehend ab, dass
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der Kläger 10 % der Abfindungssumme, das heißt 480,00 EUR zur Deckung der
Prozesskosten zu zahlen habe. Eine Zustellung des Beschlusses ist nicht vermerkt. Der
Klägerprozessbevollmächtigte teilt mit, der Beschluss sei am 17.02.2004 zugegangen.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist am 17.03.2004 beim Arbeitsgericht
Köln eingegangen.
Der Kläger vertritt die Ansicht, die Abfindung müsse ihm vollständig verbleiben, da sie
für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werde. Hilfsweise müsse die
Abfindungssumme zum Ausgleich zwischen der bezogenen Arbeitslosenhilfe und dem
bisherigen Nettoeinkommen verwendet werden. Zudem habe er insgesamt weitere
5.300,00 EUR geliehen gehabt, die er am 11.02.2004 an Herrn M B und am 15.02.2004
an Herrn Ö C zurückgezahlt habe.
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II.
behandelnde sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Auch die 2. Kammer des
Landesarbeitsgerichts Köln schließt sich der überwiegenden Auffassung der
Landesarbeitsgerichte und der weiteren Kammern des Landesarbeitsgericht Köln an,
wonach eine vom Arbeitnehmer im Vergleichswege erzielte Abfindung grundsätzlich
einen nach § 115 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigenden Vermögenswert darstellt (vgl. LAG
Niedersachsen, Beschluss vom 28.03.2003 - 17 Ta 86/03 - m. w. N., LAG Köln,
Beschluss vom 30.09.2003 - 13 Ta 291/03 -).
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Nach § 115 Abs. 2 ZPO hat der Kläger sein Vermögen einzusetzen, soweit dies
zumutbar ist. Hierbei ist § 88 BSHG entsprechend anzuwenden. Nach § 88 Abs. 1
BSHG gehört zum Vermögen im Sinne des Gesetzes das gesamte verwertbare
Vermögen. Gemäß § 88 Abs. 2 BSHG darf die Sozialhilfe allerdings nicht abhängig
gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder
sonstiger Geldwerte. Dabei ist eine besondere Notlage des Hilfesuchenden zu
berücksichtigen. Ferner darf der Einsatz oder die Verwertung des Vermögens auch
keine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG darstellen.
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Bei der Abfindung nach § 9 und 10 KSchG ziehlt die gesetzgeberische Intention darauf
ab, die unmittelbar mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen
vermögensrechtlichen und immateriellen Nachteile des Arbeitnehmers auszugleichen.
In soweit ist die Zahlung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verknüpft. Ist der Geldbetrag
aber einmal zugeflossen, so unterliegt seine Verwendung der freien Verfügung des
Arbeitnehmers wie jeder andere Geldbetrag auch. Der Arbeitnehmer ist im Umgang mit
diesem Betrag nicht an bestimmte Zwecke gebunden. Bei einer im Vergleichswege
vereinbarten Kündigungsabfindung spielen darüber hinaus noch vielfältige vom
gesetzgeberischen Modell abweichende Motive eine Rolle, die Abfindung anzubieten
und anzunehmen. Es ist deshalb im Rahmen der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit
zwischen einem Vermögenszufluss als Abfindung und einem anderweitigen
Vermögenszufluss kein Unterschied zu machen. Maßgeblich ist vielmehr die
Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nach Zufluss des Geldbetrages.
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Vorliegend ist es dem Kläger zumutbar, 10 % der Abfindungssumme, das heißt 480,00
EUR zur teilweisen Deckung der Prozesskosten aufzuwenden. Der verbleibende Betrag
der Abfindung liegt immer noch über dem sozialhilferechtlichen Selbstbehalt bzw. der
Schongrenze gemäß § 88 Abs. 2 und Abs. 4 BSHG.
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Der Kläger hat auch nicht hinreichend dargestellt, dass ihm der Abfindungsbetrag
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deshalb verbleiben muss, weil bei ihm eine besondere Notlage im Sinne des § 88 Abs.
2 Ziffer 8 Halbsatz 2 BSHG zu berücksichtigen wäre. Wenn die erhaltene Abfindung zur
Behebung einer akuten Notlage gebraucht wird, kann der Kostenbeitrag reduziert oder
gänzlich fallengelassen werden. Eine solche Notlage ist nicht hinreichend glaubhaft
dargestellt worden. Der Kläger hat bei Beantragung der Prozesskostenhilfe nur ein
einziges Darlehen dargestellt, auf welches er 243,21 EUR monatlich zahlt. Es ist
deshalb davon auszugehen, dass die weiteren Darlehensverpflichtungen, soweit sie
denn überhaupt bestanden, nach Beginn des Prozesses eingegangen wurden. Solche
Darlehensverpflichtungen sind jedoch lediglich nachrangig zu berücksichtigen. Denn
der Kläger muss nach Beginn des Prozesses seinen Lebensstandard darauf einstellen,
mit den verfügbaren Mitteln zu wirtschaften. Selbst ein Sozialhilfeempfänger kann nicht
mehr Geld ausgeben, als ihm durch die Sozialhilfe zur Verfügung gestellt wird. Der
Wunsch, einen höheren Lebensstandard beizubehalten, kann jedenfalls nicht zu Lasten
der Staatskasse realisiert werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kläger
bereits im Januar 2004 aufgefordert worden war, Auskunft über die Auszahlung der
Abfindungssumme zu geben.
Da zudem nicht ersichtlich ist, dass der Kläger nicht auch eine Verlängerung der
Darlehensgewährung hätte erreichen können, ist bei diesem eine besondere Notlage im
Sinne des § 88 Abs. 2 Ziffer 8 BSHG nicht zu berücksichtigen. Die Zweifel am Vorliegen
einer besonderen Notlage und der inhaltlichen Richtigkeit des glaubhaft zu machenden
Sachverhalts beruhen zudem auch darauf, dass es dem Kläger offensichtlich gelungen
ist, eine Summe zurückzuzahlen, die um 500,00 EUR höher lag als die geleistete
Abfindung und damit mutmaßlich weiteres nicht vom Kläger angegebenes Vermögen
vorhanden war, aus dem der überschießende Betrag geleistet wurde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung
der Landesarbeitsgerichte zu sichern.
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(Olesch)
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