Urteil des LAG Köln vom 03.02.2006
LArbG Köln: konzept, teilzeitarbeit, abgrenzung, anteil, anerkennung, form, vergleich, pauschal, gespräch, willenserklärung
Landesarbeitsgericht Köln, 11 (13) Sa 1246/05
Datum:
03.02.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 (13) Sa 1246/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Aachen, 3 Ca 273/05
Schlagworte:
Teilzeit
Normen:
§ 8 Abs. 4 TzBfG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Entscheidung einer Bank, im Interesse der Kundennähe in Zukunft
auf allen Ar-beitsplätzen mit Kundenkontakt den Teilzeitbegehren der
Mitarbeiter nicht mehr statt-zugeben, stellt allein keinen
entgegenstehenden "betrieblichen Grund" i. S. d. § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG
dar.
Je näher das behauptete unternehmerische Konzept an die
Entscheidung, keine Teil-zeitbeschäftigung zuzulassen, heranrückt, um
so höher sind die Anforderungen an die Darlegung dieses Konzepts.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Aachen vom 23.06.2005 – 3 Ca 273/05 – wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um die von der Klägerin beantragte Reduzierung der Arbeitszeit.
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Die Klägerin ist am 12.06.1973 geboren, verheiratet und einem Kind zum Unterhalt
verpflichtet. Sie hat Elternzeit in Anspruch genommen bis zum 07.02.2005. Zur Zeit steht
für das Kind nur ein Kindergartenplatz bis 14.00 Uhr zur Verfügung. Die Klägerin ist bei
der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit August 1994 zunächst als
Auszubildende später als Bankangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet
der Tarifvertrag für die Volksbanken und Raiffeisenbanken vom 08.07.2004
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Anwendung. Dort heißt es unter § 9 Nr. 5 "Umwandlungswünschen der Arbeitnehmer
hinsichtlich ihres Arbeitszeitvolumens ist Rechnung zu tragen, sofern die
arbeitsorganisatorischen Gegebenheiten sowie die personelle Situation dies zulassen".
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer. Sie ist hervorgegangen
aus diversen Fusionen von Volks- und Raiffeisenbanken. Der Anteil der
Teilzeitbeschäftigten beträgt 18 %.
Am 29.11.2004 führte die Klägerin mit der Beklagten ein Gespräch im Rahmen dessen
sie mündlich den Antrag stellte, zukünftig in Teilzeit beschäftigt zu werden, nämlich mit
der Hälfte der Arbeitszeit. Diesen Antrag bestätigte die Beklagte schriftlich mit Schreiben
vom 02.12.2004 und lehnte den Antrag ab. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
stellte den Antrag mit Schreiben vom 03.12.2004 noch einmal, dieses mal mit genauer
Verteilung der beabsichtigten Arbeitszeit. Auch im Hinblick auf dieses Schreiben hat die
Beklagte das Teilzeitbegehren der Klägerin abgelehnt mit dem Hinweis auf ein
Organisationskonzept, das dem Teilzeitbegehren entgegenstehe.
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Mit ihrer seit dem 18.01.2005 beim Arbeitsgericht anhängigen Klage hat die Klägerin die
Zustimmung der Beklagten zu einer Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit begehrt.
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Sie hat vorgetragen, der mündliche Antrag vom 29.11.2004 entfalte unter Einhaltung der
3-Monatsfrist Wirkung ab dem 29.02.2005. Sie vertrete die Auffassung, dass die
tarifvertragliche Regelung über den Geltungsbereich des TzBfG hinausgehe und die
Beklagte selbst dann zum Abschluss eines Teilzeitvertrages verpflichte, wenn das von
der Beklagten vorgetragene Konzept zutreffend sei. Den von der Beklagten behauptete
Beschluss des Vorstandes zum Organisationskonzept bestreite sie mit Nichtwissen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin vom 29.11.2004 auf
Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit von 39 auf 20 Wochenstunden ab dem
01.03.2005 zuzustimmen,
8
9
hilfsweise
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die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin vom 08.12.2004 auf
Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit von 39 auf 20
Wochenstunden ab dem 08.03.2003 zuzustimmen,
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2. die Beklagte zu verurteilen, die Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin auf montags
bis freitags von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr, hilfsweise von 8.45 Uhr bis 12.24 Uhr,
hilfsweise von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr festzulegen.
12
13
Die Beklagte hat beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Sie hat vorgetragen, dem Teilzeitanspruch der Klägerin stünden betriebliche Gründe in
Form eines Organisationskonzeptes entgegen. Sie leide seit mehreren Jahren unter
dem erheblichen Konkurrenzdruck auf dem Bankenmarkt, der insbesondere von
Großbanken und Direktbanken ausgeübt werde. Es habe in der Vergangenheit deshalb
diverse Fusionen von Volks- und Raiffeisenbanken gegeben. Die Strategie sei, den
Vorteil der Kundennähe auszunutzen. Daher sei im Juli 2003 durch den Vorstand die
Entscheidung getroffen worden, auf den kundennahen Arbeitsplätzen nur noch
Vollzeitarbeitskräfte zu beschäftigen. Das Konzept bestehe darin, dass aus Gründen der
Kundennähe und zur Sicherstellung der Eigenheiten eines genossenschaftlichen
Bankwesens sowie der Existenz der Beklagten und in Abgrenzung zu ebenso
marktüblichen wie tarifbekannten Verhaltensweisen der Großbanken und Sparkassen
Kundenkontinuität und durchgehende Zuständigkeit aller Bankmitarbeiter in volltägiger
Beschäftigung stattfinden soll. Das Konzept werde auch durchgesetzt. Es sei zwar
richtig, dass es viele Teilzeitfälle gebe. Diese seien aber aufgrund der diversen
Verschmelzungen und Betriebsübergänge ererbt. Die Unternehmerentscheidung gehe
dahin, keine neuen Teilzeitvereinbarungen abzuschließen und die bestehenden durch
natürliche Fluktuation abzubauen. Lediglich in den Geschäftsstellen L und G bestünde
ein Bedürfnis für zwei Teilzeitstellen, da dort die Öffnungszeiten entsprechend begrenzt
seien. Würde dem Teilzeitbegehren der Klägerin gefolgt, so müsse erstmals gegen das
unternehmerische Konzept verstoßen werden. Bei einer Anerkennung des
Teilzeitwunsches der Klägerin werde das Organisationskonzept auch wesentlich
beeinträchtigt, denn die Anerkennung würde es ad absurdum führen. Jeder weitere
Mitarbeiter könne sich dann darauf berufen, dass das Konzept nicht durchgesetzt werde.
Der Kundenkreis der Beklagten bestehe in erster Linie aus solchen Kunden, die die
entpersonifizierte Betreuung durch Direkt- oder Großbanken als unpersönlich
empfänden und auf ein durchgehendes Vertrauensverhältnis zu einem Kundenberater
besonders Wert legten. Sie vertrete die Auffassung, dass sie nicht darlegen müsse,
warum das so sei. Gegen eine Teilzeitvereinbarung sprächen darüber hinaus folgende
Gesichtspunkte: Es sei nicht möglich, auf dem Arbeitsmarkt eine Bankangestellte zu
finden, die bereit sei, nachmittags zu arbeiten. Durch mehr Teilzeitkräfte steigere sich
das Sicherheitsrisiko. Die Arbeitszeit steigere sich insgesamt durch die erforderlichen
Übergabe- und Einarbeitungszeiten. In der Personalabteilung erweitere sich der
Verwaltungsaufwand.
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Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 23.06.2005 der Klage stattgegeben mit der
Verteilung der Arbeitszeit von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr. Zur Begründung hat es
ausgeführt, es lägen keine betrieblichen Gründe vor, die dem Teilzeitbegehren der
Klägerin entgegenstünden.
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Gegen das ihr am 12.08.2005 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte am
08.09.2005 Berufung eingelegt und diese am 07.10.2005 begründet.
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Sie trägt vor, der bei der Beklagten "verortete" typische Traditionskunde und die
Mitglieder der Beklagten hätten die Erwartung, dass sie in ihrer jeweiligen
Geschäftsstelle "ihren" Sachbearbeiter vorfänden, der sie mit Namen und Kontonummer
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kenne. Die zusätzliche persönliche Bindung des Kunden an "den" Betreuer
kompensiere die teilweise etwas ungünstigeren Kreditbedingungen (0,3 % - 0,4 %) im
Vergleich zur Konkurrenz. Eine umfassende Betreuung des Kunden sei durch
Halbtagskräfte jedenfalls im Filialgeschäft nicht möglich. Im Rahmen der
Kundenbetreuer seien drei Hierarchieebenen zu unterscheiden, nämlich der
Privatkundenbetreuer (hochqualifiziert, Außendienst), der Privatkundenberater
(zuständig für Geschäfte jenseits der Routine) und der Serviceberater. Der
Serviceberater sei der "erste Kontakt" und müsse die Verhältnisse und Bedürfnisse der
Kunden kennen. Es existierten im Filialdienst 102 Vollzeitstellen (52
Privatkundenberater und 50 Serviceberater) und 15 Teilzeitstellen (1
Privatkundenberater und 14 Serviceberater). Alle Stellen seien besetzt. Nach den
diversen Fusionen habe es durchaus Kunden gegeben, die nach dem bisherigen
Kundenberater gefragt hätten. Ein Interesse des Kunden an der durchgehenden
Betreuung bestehe also durchaus. Ein Teilzeitarbeitsplatz könne nicht freigemacht
werden. Teilzeit komme nur in größeren Filialen in Betracht. Dort seien sämtliche
Teilzeitstellen besetzt. Die Klägerin sei in der sog. Personalreserve tätig. Aufgabe der
Personalreserve sei es, Arbeitsausfälle durch Krankheit und Urlaub aufzufangen.
Wegen der Aufgabenstruktur der Personalreserve müsse diese notwendig dem
sonstigen Stellenbesetzungsplan der Beklagten folgen, da insofern eine
Aufgabenparallelität zwischen Personalreserve und sonstiger Zweigstellenbelegschaft
der Beklagten bestehe. Der Anteil der Teilzeitkräfte in der Personalreserve müsse dem
Anteil der Teilzeitkräfte in den Zweigstellen entsprechen. Aus dem dargestellten
Organisationskonzept folge zwingend, dass auch im Vertretungsfall ein
Stammbeschäftigter durch nur einen Vertreter ersetzt werde. Zur Zeit seien neben 4
Vollzeitmitarbeiterinnen 14 Teilzeitmitarbeiter in der Personalreserve tätig.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.06.2005
21
- 3 Ca 273/05 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
22
Die Klägerin beantragt,
23
die Berufung zurückzuweisen.
24
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vortrages.
25
Im Übrigen haben die Parteien auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und deren Anlagen
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
27
I.
ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1,
64 Abs. 6 S. 1, 519, 520 ZPO).
28
II.
Beklagte zu Recht verurteilt, der von der Klägerin begehrten Arbeitszeitreduzierung
zuzustimmen.
29
zuzustimmen.
1. Die Klage ist zulässig. Die Antragstellung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Mit
ihrer Leistungsklage auf Abgabe einer zustimmenden Willenserklärung der Beklagten
zu der von ihr begehrten Vertragsänderung hat sie die zutreffende Verfahrensart gewählt
(Urteil vom 30.09.2003 – 9 AZR 665/02 – AP Nr. 5 zu § 8 TzBfG; LAG Köln, Urteil vom
09.04.2003 – 3 Sa 975/02 – LAGE, § 8 TzBfG Nr. 11 b). Der Antrag ist auch bezüglich
des Reduzierungsumfanges und der konkreten wöchentlichen Arbeitszeitverteilung
hinreichend bestimmt.
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2. Wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden hat, ist die Klage auch begründet. Die
Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 8 Abs. 1 TzBfG einen Anspruch auf
Zustimmung zu der von ihr begehrten Arbeitszeitverringerung.
31
a. Die allgemeinen Voraussetzungen des § 8 TzBfG sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis
der Parteien hat länger als 6 Monate bestanden (§ 8 Abs. 1 TzBfG), die Beklagte
beschäftigte regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer (§ 8 Abs. 7 TzBfG) und vorherige
Gespräche der Parteien über das Begehren der Klägerin sind erfolglos geblieben (§ 8
Abs. 3 TzBfG). Schließlich ist im Hinblick auf den beantragten Änderungszeitpunkt auch
die 3-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 TzBfG gewahrt. Da die begehrte Willenserklärung
gemäß § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO erst mit Rechtskraft des Urteils fingiert wird, kann auch
offen bleiben, ob die Frist bereits mit dem mündlichen Antrag vom 29.11.2004 oder erst
mit dem Antrag des Prozessbevollmächtigten vom 03.12.2004 zu laufen begann.
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Dem Klagebegehren stehen auch keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4
S. 1 und 2 TzBfG entgegen. Nach den Vorschriften aus diesen beiden Absätzen hat der
Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe
nicht entgegenstehen (S. 1). Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die
Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder aber die
Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten
verursacht (S. 2). Es genügt, dass der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat.
Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch
hinreichend gewichtig sein (zu den Voraussetzungen im Einzelnen BAG, Urteil vom
30.09.2003 – 9 AZR 665/02 – AP Nr. 5 zu § 8 TzBfG, unter III 1. der Gründe). Der
Arbeitgeber kann daher die Ablehnung nicht allein mit einer abweichenden
unternehmerischen Vorstellung von der "richtigen" Arbeitszeitverteilung begründen. Ob
hinreichend gewichtige betriebliche Gründe zur Ablehnung berechtigen, ist gerichtlich
festzustellen. Dazu gilt folgende dreistufige Prüfungsfolge:
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In der ersten Stufe ist festzustellen, ob überhaupt und wenn ja welches betriebliche
Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen
Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die
unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Die
Darlegungslast dafür, dass das Organisationskonzept die Arbeitszeitregelung bedingt,
liegt beim Arbeitgeber. Die Richtigkeit seines Vortrages ist arbeitsgerichtlich voll
überprüfbar. Die dem Organisationskonzept zugrunde liegende unternehmerische
Aufgabenstellung und die daraus abgeleiteten organisatorischen Entscheidungen sind
jedoch hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich sind. Voll überprüfbar ist dagegen, ob
das vorgetragene Konzept auch tatsächlich im Betrieb durchgeführt wird.
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In einer zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem
Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch der
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Frage nachzugehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von
betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes der betrieblich als erforderlich
angesehene Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzeptes mit dem
individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann.
Ergibt sich, dass das Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers nicht mit dem
organisatorischen Konzept und der daraus folgenden Arbeitszeitregelung in
Übereinstimmung gebracht werden kann, ist in einer dritten Stufe das Gewicht der
entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen, nämlich die Frage, ob durch die
vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG genannten
besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept und die
ihm zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentliche beeinträchtigt
werden.
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Nach Durchführung dieser dreistufigen Prüfung ergibt sich, dass keine betrieblichen
Gründe dem Wunsch der Klägerin nach Verlängerung ihrer durchschnittlichen
wöchentlichen Arbeitszeit entgegenstehen.
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aa. Schon im Rahmen der ersten Prüfungsstufe zeigt sich, dass sich aus den
Darlegungen der Beklagten betriebliche Gründe im Sinne der Regelung nicht ergeben.
Dabei ist hervorzuheben, dass die Beklagte hier nicht, wie in anderen bereits
entschiedenen Fällen der Instanzrechtsprechung, im Hinblick auf einzelne
Arbeitsbereiche oder Abteilungen die Reduzierung der Arbeitszeit für untunlich hält und
daher ausschließen möchte. Wie sich aus dem Vorstandsbeschluss (Bl. 52 d.A.) ergibt,
möchte sie vielmehr unternehmensweit keine weitere Teilzeitvereinbarung abschließen,
unabhängig von der konkreten Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers und unabhängig
von der Struktur und der Tätigkeit der konkret betroffenen Abteilung.
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Zur Abgrenzung der freien Unternehmerentscheidung und gleichzeitiger richtiger
tatbestandlicher Erfassung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe im Sinne des
§ 8 Abs. 4 TzBfG ist es aufgrund der Parallelen zur Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts im Kündigungsrecht zur "Unternehmerentscheidung"
naheliegend, die dortigen Rechtsprechungsgrundsätze zu übertragen. Danach muss der
Arbeitgeber, je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den
Kündigungsentschluss rückt, um so mehr durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass
ein Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Sind die
Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne
nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich, greift die ansonsten vom
Bundesarbeitsgericht angenommene Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus
sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein ein, sondern der Arbeitgeber muss
darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum
bisherigen Zustand anfallen und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal
ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können (BAG, Urteil vom
17.06.1999 – 2 AZR 141/99 – NZA 1999, 1098, 1100).
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Überträgt man diese Rechtsprechung auf die Darlegungspflicht des Arbeitgebers im
Rahmen des § 8 Abs. 4 TzBfG so bedeutet dies, dass eine Entscheidung des
Arbeitgebers, bestimmte Arbeitsplätze nur mit Vollzeitkräften zu besetzen,
deckungsgleich mit der Ablehnung des Teilzeitwunsches ist. Es bedarf daher in einem
solchen Fall immer zusätzlicher Erläuterungen des Arbeitgebers, warum diese
Organisationsentscheidung nicht unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Hier muss
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ein schlüssiges Konzept zugrunde liegen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2002
– 3 Sa 161/02 – NZA 2002, 856, 857) und der Arbeitgeber muss eine stimmige,
plausible und damit nachvollziehbare Begründung für gerade dieses Konzept geben, in
bestimmten Betriebsbereichen bzw. im gesamten Betrieb ausschließlich Vollzeitkräfte
zu beschäftigen (ErfK-Preiss, § 8 TzBfG, Rz. 27; LAG Köln, Urteil vom 09.02.2003 – 3
Sa 975/02 – LAGE, § 8 TzBfG Nr. 11 b).
Ein derartiges hinter der Organisationsentscheidung stehendes Konzept hat die
Beklagte nicht dargelegt. Der von ihr geäußerte Wille, die Kundenbeziehung zu
intensivieren, ist eine gerichtlich nicht überprüfbare und daher anzuerkennende
Motivation. Wieso diese Motivation aber zum Ausschluss von Teilzeitarbeit in allen
Abteilungen und auf allen Arbeitsplätzen führen soll, ist nicht ersichtlich. Der generelle
und im Übrigen nicht spezifizierte Beschluss, keine weiteren Teilzeitverträge
abzuschließen, ist deckungsgleich mit dem Entschluss, Teilzeitbegehren der
Arbeitnehmer abzulehnen. Aus den oben dargestellten Grundsätzen und der gezogene
Parallele zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf solche
Unternehmerentscheidungen, die sich mit Kündigungsentscheidungen decken, folgt,
dass hier die Ansprüche an die Darlegung des unternehmerischen Konzeptes
besonders hoch sind. Diesen Ansprüchen wird die Darlegung der Beklagten nicht
gerecht. Nach dem Sach- und Streitstand, wie er sich bei Verkündung des
erstinstanzlichen Urteils darstellte, hat das Arbeitsgericht zu Recht ohne weitere
Vertiefung ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, wieso der "normale Bankkunde" einen
permanent anwesenden Betreuer verlange. Zu Unrecht rügt die Beklagte, hier habe ein
"einzelner Richter" der Entscheidung seine "höchst subjektive Auffassung", seine
"persönlichen Vorlieben" und sein "persönliches Werturteil" zugrunde gelegt. Einmal
muss in Erinnerung gerufen werden, dass nicht ein "einzelner Richter" sondern eine
vollbesetzte Kammer entschieden hat. Die ehrenamtlichen Richter werden in allen
Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit beteiligt, um dadurch die unmittelbaren
Anschauungen der Kreise des Arbeitslebens durch die Rechtsprechung verwerten zu
können. Sie haben die Aufgabe, ihre besonderen Sachkenntnisse und ihre
Berufserfahrung und Berufsauffassung mit in das Gerichtsverfahren einzubringen
(Germelmann u.a. ArbGG, § 6 Rdnr. 4). Es haben also drei Richter entschieden. Alle
drei Richter sind Bankkunden. Sie sind nicht nur berechtigt, ihre Erfahrungen in den
Prozess der Urteilsfindung einzubeziehen, sondern sie sind dazu verpflichtet. Dies gilt
insbesondere dann, wenn es um die Prüfung der Plausibilität eines vorgetragenen
Konzeptes geht. Des weiteren geht es angesichts der oben dargestellten
Darlegungsgrundsätze nicht darum, dass eine als nicht sachwidrig und nicht willkürlich
unterstellte Unternehmerentscheidung durch "subjektive Werturteile" oder objektive
Feststellungen in Frage gestellt werden könnte oder müsste, sondern es ist umgekehrt
zu prüfen, ob die Arbeitgeberin Tatsachen und eben nicht subjektive Werturteile
vortragen kann, aus denen sich ein nachvollziehbares unternehmerisches Konzept
ergibt.
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Aus dem Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren ergibt sich nichts anderes.
42
Das Ziel, den Kunden für die gegebenenfalls etwas schlechteren finanziellen
Konditionen in Abgrenzung zu den Groß- und Direktbanken einen Gegenwert zu bieten
in Form von messbarer Kundennähe, persönlicher Erreichbarkeit und individueller
Ansprechbarkeit, kann als Konzept unterstellt werden. Dieses Konzept widerspricht aber
nicht der Teilzeitarbeit. Auch in Teilzeit beschäftigte Bankangestellte können
Kundennähe in dem Sinne gewährleisten, dass ein Kunde, ohne lange Wartezeiten
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befürchten zu müssen, seine Bankgeschäfte in individuellem ausführlichen Gespräch
abwickeln kann, ohne auf technische Substitute zurückgreifen zu müssen. Die Intensität
dieser individuellen Betreuung ist eher eine Frage des Personalschlüssels in der
jeweiligen Filiale, als eine Frage der persönlichen Arbeitszeit des einzelnen
Angestellten. Gleiches gilt für die persönliche Erreichbarkeit und die individuelle
Ansprechbarkeit.
Dass die Verwirklichung des vorgenannten Ziels in allen Beratungsebenen der Bank
die konkrete Zuordnung eines einzelnen Mitarbeiters zu konkreten Kundennamen
voraussetzt, ergibt sich nicht aus den Darlegungen der Beklagten. Nachvollziehbar ist
noch, dass es bei der Beratung vermögender Kunden und Firmenkunden ein
servicefreundliches Organisationskonzept darstellt, wenn der vermögende Kunde für
seine oftmals umfassenden und vernetzten Bankgeschäfte nur einen festen Berater hat,
so dass sich eine personifizierte Kundenbeziehung entwickeln kann, die gleichermaßen
auf gegenseitigem Vertrauen und auf komplexer Kenntnis beruht. Es ist ebenfalls
nachvollziehbar, dass der vermögende Kunde durch größtmögliche Flexibilität seitens
seines Beraters jederzeit einen Ansprechpartner haben soll, um - entsprechend seinem
in der Regel überdurchschnittlichen Beratungsbedarf - seine oft kurzfristig anstehenden
finanziellen Entscheidungen treffen zu können (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 21.12.2004
– 6 Sa 1294/04 – JURIS unter 2.2.1. der Gründe). Wieso dies auch für den schlichten
Schalterdienst gelten soll, ist nicht ersichtlich, zumal die dortigen Serviceberater bei
komplexeren Angelegenheiten den Kunden ohnehin an einen Privatkundenberater
weiter verweisen müssen, der dem Kunden in aller Regel unbekannt ist. In einem Fall
komplexer Fragen hilft es dem Kunden auch nicht weiter, wenn der Serviceberater über
dessen "Knatsch und Tratsch" (so wörtlich die Beklagte) Bescheid weiß. Die Darlegung
der Beklagten (Schriftsatz vom 07.10.2005, Seite 9, Beweisantritte: Vernehmung der
Zeugen P und M ), die "jeweiligen Kunden" hätten nach den diversen Fusionen
"durchaus gezielte Nachfragen hinsichtlich ihres bisherigen Kundenbetreuers gestellt"
und sie hätten "verlangt, von ihrem bisherigen Kundenbetreuer auch weiter betreut zu
werden", ist pauschal, nicht einlassungsfähig und daher unerheblich. Pauschal ist diese
Darlegung insbesondere deshalb, weil sich die Beklagte hier nicht ihrer eigenen
Terminologie (Privatkundenbetreuer/Privatkundenberater/Serviceberater) bedient,
sondern allgemein von "Kundenbetreuern" spricht. Auf welche Hierarchieebenen sich
dieser gezielten Nachfragen bezogen haben sollen und wie viele solcher Nachfragen
gestellt wurden, bleibt im Dunkeln. Außerdem muss hier unterstellt werden, dass die
vermissten Kundenbetreuer im Rahmen der Fusionen gänzlich ihren bisherigen
Aufgabenbereich verlassen haben. Von einer bloß zeitlichen Beschränkung der
Erreichbarkeit ist hier nicht die Rede.
44
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Vortrag der Beklagten zum
Organisationskonzept den hohen Anforderungen nicht gerecht wird, die an die
Darlegung zu stellen sind, wenn das behauptete Konzept sich inhaltlich deckt mit der
Entscheidung grundsätzlich keine Teilzeitarbeit zuzulassen.
45
bb. Da es wie gezeigt an einen nachvollziehbaren Konzept fehlt, kann auch auf der
zweiten Prüfungsstufe nicht festgesellt werden, dass ein Organisationskonzept
tatsächlich durchgeführt wird. Von einer Durchführung ist aber auch aus einem anderen
Grund nicht auszugehen: Die Beklagte trägt selbst vor, das Konzept habe bereits beim
ursprünglichen Arbeitgeber der Klägerin vor Betriebsübergang bestanden. Dass es dort
durchgesetzt worden ist, wurde nicht dargelegt.
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cc. Selbst wenn aber das Prinzip "ein Kunde – ein Mitarbeiter" als Organisationskonzept
anerkannt wird und selbst wenn dieses Konzept auch tatsächlich bei der Beklagten und
ihrer Rechtsvorgängerin durchgesetzt worden wäre, scheitert die Anerkennung des
betrieblichen Bedürfnisses auf der dritten Prüfungsebene. Eine wesentliche
Beeinträchtigung des Konzepts durch eine nur teilzeitige Tätigkeit der Klägerin ist nicht
erkennbar. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Klägerin im Vertreterpool
beschäftigt ist. Wie bei den dortigen Mitarbeitern das genannte Prinzip durchgehalten
werden soll, ist nicht mehr nachvollziehbar. Ein Spiegelbild des Vertreterpools zu den
Stammkräften ist ebenfalls nicht zwingend. Zum einen ist der Vertreterpool viel zu klein,
um tatsächlich alle anstehenden Vertretungen aufzufangen und zum anderen kann ein
Vollzeitmitarbeiter bei vorübergehender teilweiser Arbeitsverteilung auf andere
anwesende Stammmitarbeiter durchaus durch eine Teilzeitkraft vertreten werden.
47
c. Die noch erstinstanzlich vorgebrachten weiteren Einwände - Sicherheitsrisiko,
erhöhte Arbeitszeit durch Übergabephase, gesteigerter Verwaltungsaufwand - sind in
der Berufungsinstanz nicht weiter vertieft worden. Im übrigen handelt es sich bei den
bezeichneten Belastungen des Arbeitgebers um typische Phänomene, die mit Teilzeit
verbunden und daher systemimmanent sind. Sie können somit nicht als betriebliche
Gründe gegen einen Teilzeitwunsch vorgebracht werden. Da sonstige Einwände der
Beklagten insbesondere hinsichtlich der von der Klägerin begehrten
Arbeitszeitverteilung nicht vorgebracht wurden, war dem Begehren der Klägerin auf eine
Verurteilung der Beklagten zur Erteilung der Zustimmung zu der von ihr begehrten
Arbeitszeitreduzierung in vollem Umfang stattzugeben. Auf die tarifliche Vorschrift zur
Förderung der Teilzeitarbeit kommt es nicht an. Die Berufung gegen das somit richtige
erstinstanzliche Urteil war daher zurückzuweisen.
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III.
Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO die Kosten der Berufung tragen.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72
Abs. 2 ArbGG, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls
beruht.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil ist für die Klägerin ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Gegen dieses Urteil ist für die Beklagte mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision
nicht statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der
Revision selbständig durch Beschwerde beim
53
Bundesarbeitsgericht
54
Hugo-Preuß-Platz 1
55
99084 Erfurt
56
Fax: (0361) 2636 - 2000
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anzufechten die Beklagte auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.
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Dr. Fabricius Hanel Knoth
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