Urteil des LAG Köln vom 08.12.2005
LArbG Köln: handelsregister, arbeitsgericht, schuldnerwechsel, anschluss, abspaltung, aktiven, gestaltung, betriebsrat, gefährdung, gesellschaft
Landesarbeitsgericht Köln, 6 Sa 1149/05
Datum:
08.12.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Sa 1149/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 15 Ca 13354/04
Schlagworte:
Versorgungszusage; Übergang; Rentnergesellschaft
Normen:
§§ 4 BetrAVG, 613 a BGB, 22, 132, 133, 134 UmwG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Der Übergang von Versorgungsverbindlichkeiten bei der Abspaltung
von Unternehmensteilen nach dem Umwandlungsgesetz ist nicht von
der Zustimmung der Versorgungsberechtigten und/oder des Pensions-
Sicherungs-Vereins abhängig (im Anschluss an BAG v. 22.02.2005 – 3
AZR 499/03 (A)).
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 02.06.2005 verkündete Urteil
des Arbeitsgerichts Köln – 15 Ca 13354/04 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte weiterhin Schuldner einer gegenüber
dem Kläger zu erfüllenden Versorgungszusage ist.
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Der Kläger war in der Zeit von Februar 1974 bis zum 31.10.2003 als amtlich anerkannter
Sachverständiger beim Beklagten beschäftigt. Am 01.11.2003 schied der Kläger
altersbedingt aus. Seit diesem Zeitpunkt bezieht er eine betriebliche Altersrente nach
Maßgabe der Betriebsvereinbarung zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung
bei dem Beklagten vom 14.11.2000.
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Aufgrund notariellen Vertrages vom 24.05.2004 gliederte der Beklagte seinen
Geschäftsbereich (Teilbetrieb) "Amtliche Anlagentechnik" mit allen Aktiva und Passiva
sowie weitere Vermögensgegenstände und Pensionsverpflichtungen gemäß § 123 Abs.
3 S. 1 UmwG auf die T R P F G (im Folgenden: TRPF) aus. Ferner wurden durch
Vertrag vom selben Tag im erheblichen Umfang Vermögensgegenstände sowie die
Pensionsverpflichtungen des ehemaligen Geschäftsbereichs "Kraftfahrt" des Beklagten
auf die T ausgegliedert. Die Ausgliederung wurde am 16.08.2004 sowohl in das
Handelsregister des Beklagten als auch in das Handelsregister der T eingetragen.
Wirtschaftlich wurden die Pensionszahlungen erstmals mit Wirkung ab dem 01.09.2004
durch die T erbracht.
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Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 10.09.2004 der Ausgliederung seiner
Pensionsansprüche auf die T .
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Mit seiner am 22.12.2004 eingereichten Klage hat sich der Kläger gegen den
Schuldnerwechsel gewandt und geltend gemacht, es bedürfe zur Übertragung seiner
Versorgungsansprüche auf einen neuen Schuldner entweder seiner ausdrücklichen
Zustimmung gemäß § 4 BetrAVG oder der Zustimmung des P als Träger der
gesetzlichen Insolvenzsicherung, und zwar auch dann, wenn der Schuldnerwechsel im
Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach umwandlungsrechtlichen Vorschriften erfolge.
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Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, dass der Beklagte Partei eines mit ihm bestehenden
betrieblichen Versorgungsverhältnisses und damit nach wie vor Schuldner
einer ihm gegenüber zu erfüllenden Versorgungszusage auf der Grundlage
der Betriebsvereinbarung zur Neuregelung der betrieblichen
Altersversorgung bei dem T R /B -B e. vom 14.11.2000 – in Kraft getreten
am 01.01.2001 – ist, auch über eventuelle gesamtschuldnerische
Haftungstatbestände nach dem Umwandlungsgesetz hinaus.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat die Auffassung vertreten, dass eine über die gesamtschuldnerische Haftung nach
§ 133 UmwG hinausgehende Haftung nicht bestehe. Die Verbindlichkeit aus der
Pensionszusage gegenüber dem Kläger sei mit Eintragung der Ausgliederung in das
Handelsregister am 16.08.2004 kraft Gesetzes auf die T als Gesamtrechtsnachfolgerin
übergegangen. Dieser Rechtsansicht werde auch durch den Beschluss des
Bundesarbeitsgerichts vom 22.02.2005 – 3 AZR 499/03 (A) – bestätigt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.06.2005 abgewiesen und zur
Begründung im Anschluss an den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts im
Wesentlichen ausgeführt, das Umwandlungsrecht kenne keinen Widerspruch und ein
Zustimmungserfordernis ergebe sich auch nicht aus § 4 BetrAVG.
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Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren unter Vertiefung
seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.06.2005 – 15 Ca 13354/04 –
abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte Partei eines mit ihm
bestehenden betrieblichen Versorgungsverhältnisses und damit nach wie
vor Schuldner einer ihm gegenüber zu erfüllenden Versorgungszusage auf
der Grundlage der Betriebsvereinbarung zur Neuregelung der betrieblichen
Altersversorgung bei dem T R /B -B e. vom 14.11.2000 – in Kraft getreten
am 01.01.2001 – ist, auch über eventuelle gesamtschuldnerische
Haftungstatbe-stände nach dem Umwandlungsgesetz hinaus.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil aus Rechtsgründen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf
die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20
I.
ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist.
21
II.
22
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung, der das Berufungsgericht
folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Klägers
rechtfertigen keine andere Beurteilung. Ergänzend ist lediglich auszuführen:
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Mit seinem Beschluss vom 22.02.2005 – 3 AZR 499/03 (A) – (MDR 2005, 875) hat das
Bundesarbeitsgericht grundsätzlich anerkannt, dass der Übergang einer
Versorgungsverbindlichkeit durch Spaltungsplan im Rahmen einer Umwandlung nicht
von einer Zustimmung des Versorgungsberechtigten und/oder des P -S -V (P ) abhängig
ist. Er werde auch nicht durch einen ausdrücklichen Widerspruch des Berechtigten
verhindert. Diese Rechtsauffassung findet – soweit ersichtlich – volle Zustimmung auch
in der Rechtsliteratur (vgl. Langohr-Plato, NZA 2005, 966, Simon/Zerres, FA 2005, 231;
beide m.w.N.). Sie lässt sich im Kern dahin zusammenfassen, dass Zustimmungs- und
Widerspruchsrechte außerhalb des Anwendungsbereichs des § 613 a BGB der
partiellen Gesamtrechtsnachfolge, wie sie bei der Abspaltung nach dem
Umwandlungsgesetz vorliegt, fremd sind, so dass die §§ 414, 415 BGB und § 4
BetrAVG keine Anwendung finden. Auch die Gesetzesbegründung zu § 132 UmwG
nennt § 4 BetrAVG nicht als Vorschrift, die die Übertragbarkeit ausschließt oder an
bestimmte Voraussetzungen knüpft. Die §§ 133, 134 UmwG bilden vielmehr zusammen
mit § 22 UmwG ein in sich geschlossenes Haftungssystem, das als spezielles
Regelwerk auch Vorrang vor § 4 BetrAVG beansprucht. So geht auch der P als Träger
der gesetzlichen Insolvenzsicherung selbst von der Zustimmungsfreiheit der
Übertragung von Versorgungsverbindlichkeiten ausgeschiedener Mitarbeiter aus (vgl.
Simon/Zerres, a.a.O., mit Hinweis auf P -Merkblatt 300/M15 – Stand 1/05, Nr. 2 und 3).
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Die vorliegende Fallgestaltung gibt entgegen der Ansicht des Klägers keinen Anlass,
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von diesen Rechtsgrundsätzen abzuweichen. Es kann nicht davon ausgegangen
werden, dass der Beklagte die Teilunternehmensübertragung rechtsmissbräuchlich und
langfristig zum Nachteil der Versorgungsgläubiger vorgenommen hat. Schon
tatbestandlich trifft es nicht zu, dass der aktive Geschäftsbetrieb "eine juristische
Sekunde später" von der T "weitergereicht" und auf die T A G ausgegliedert worden ist.
Allein die Versorgungsverpflichtungen seien – so der Vorwurf des Klägers – auf diesem
Weg bei einer "inaktiven Rentnergesellschaft" verblieben, deren einziger Zweck darin
bestehe, die Versorgungsverbindlichkeiten zu verwalten, wobei eine hinreichende
finanzielle Ausstattung zweifelhaft sei.
Demgegenüber ist nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten
zugrundezulegen, dass er aufgrund des Notarvertrags vom 24.05.2004 seinen
Geschäftsbereich (Teilbetrieb) "Amtliche Anlagentechnik" auf die T ausgliederte und
diese erst mit Vertrag vom 29.09.2004 den "aktiven Geschäftsbereich" auf die T I S G -T
R G weiter übertrug. Diese Weiterübertragung hat die Schuldnerstellung der T
gegenüber dem Kläger nicht mehr verändert.
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Der Beklagte hat zudem nachvollziehbar dargelegt, dass die T über ausreichendes
Vermögen verfügt, um sämtliche Pensionsverpflichtungen bedienen zu können. Wäre es
anders, so hätte der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung zumindest Bedenken
gegen den Übertragungsvorgang geäußert und nicht sogleich ein Beitragskonto für die
T eingerichtet. Auch der Betriebsrat hat keine Einwendungen gegenüber dem
Ausgliederungsvertrag erhoben. Alles dies macht deutlich, dass keine greifbaren
Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung und eine besondere
Gefährdung der Versorgungsansprüche gegeben sind. Selbst wenn die Motivation des
Beklagten darin bestanden haben sollte, mit der T – wie der Name bereits zum
Ausdruck bringt – letztlich eine "inaktive" Gesellschaft zur Verwaltung der
Versorgungsverbindlichkeiten zu gründen, so kann dies aus Rechtsgründen nicht
beanstandet werden, weil rechtliche zulässige Gestaltungsmöglichkeiten gewählt
worden sind, die einen ausreichenden Schutz auch der Versorgungsgläubiger
sicherstellen.
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III.
Abs. 6 S. 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung tragen.
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IV.
Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
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(Dr. Kalb) (Keßeler) (Frau Zensen)
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