Urteil des LAG Köln vom 19.01.2009
LArbG Köln: pauschalierung, arbeitsgericht, mehrbelastung, datum, gruppenbildung, gleichbehandlung, tarifvertrag, steuer, rechtfertigung, saldo
Landesarbeitsgericht Köln, 5 Sa 1013/08
Datum:
19.01.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Sa 1013/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 7 Ca 1350/08
Schlagworte:
Betriebliche Altersversorgung
Normen:
ARD-Grundsatztarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung (GTV
2005)
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die im ARD-Grundsatztarifvertrag (GTV 2005) festgelegte
Stichtagsregelung ist unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu
beanstanden.
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 11.06.2008 – 7 Ca 1350/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Altersrente des Klägers.
2
Der 1936 geborene Kläger war seit dem 01.11.1978 für die Beklagte tätig. Gemäß § 11
des Arbeitsvertrages erteilte die Beklagte dem Kläger eine Versorgungszusage nach
den bei ihr geltenden Bestimmungen. Zum 01.04.2001 trat der Kläger in den Ruhestand.
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Der Kläger erhielt zunächst eine Betriebsrente nach der Dienstvereinbarung über die
Versorgungszusage vom 31.07.1998. Diese Dienstvereinbarung sah eine Netto-
Gesamtversorgungsobergrenze vor, die bei 93,5 % lag.
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Zum 31.07.2001 kündigte die Beklagte diese Dienstvereinbarung, weil eine
unveränderte Fortführung der Netto-Gesamtversorgungsgrenze angesichts der
zwischenzeitlichen und absehbaren Entwicklung im Steuer- und
Sozialversicherungsrecht nach ihrer Einschätzung im Rahmen des
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Gesamtversorgungssystems zu erheblichen Mehrbelastung geführt hätte.
Im Oktober 2004 vereinbarte die Beklagte mit den Gewerkschaften den rückwirkend zum
01.07.2003 in Kraft getretenen "Tarifvertrag über die Versorgungszusage des
Westdeutschen Rundfunks Köln" (TV-VZ 2003). Dieser Tarifvertrag wurde am
12.09.2005 durch den ARD-Grundsatztarifvertrag 2005 (GTV 2005) insoweit abgelöst,
als die bisherige Netto-Gesamtversorgungsgrenze in eine Brutto-
Gesamtversorgungsobergrenze umgewandelt wurde. Diese Umwandlung erfolgte zum
Stichtag 01.01.2005. Gemäß Nr. 4.2 GTV 2005 wurde für die Betriebsrentner der
Beklagten zu diesem Stichtag letztmalig eine Berechnung der Gesamtversorgung
durchgeführt. Hinsichtlich des Umstellungsverfahrens verständigten sich die
Tarifvertragsparteien auf eine standardisierte Berechnung der Brutto-
Gesamtversorgungsobergrenze am Maßstab eines 63jährigen, kinderlosen, nicht
schwerbehinderten Anwärters der Steuerklasse III und gleichzeitiger Berechnung der zu
erwartenden BfA-Rente nach dem steuerlichen Nährungsverfahren.
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Im zeitlichen Zusammenhang mit dieser Umstellung wurden die Versorgungsbezüge
des Klägers von monatlich 1.148,94 EUR auf 1.299,80 EUR erhöht, wobei zwischen
den Parteien streitig ist, ob dies aufgrund der Umstellung auf den GTV 2005 (so die
Beklagte) oder aufgrund des alten Netto-Gesamtversorgungssystems (so der Kläger)
erfolgte.
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Die Beklagte zahlt die Betriebsrente in Höhe von 1.299,80 EUR 13,04 mal im Jahr an
den Kläger.
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Mit seiner Klage verlangte der Kläger eine um 422,72 EUR pro Monat höhere
Betriebsrente.
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Er hat vorgebracht, dass ihm nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz eine
Teilhabe an den Verbesserungen, die den Neurentnern zum Stichtag 01.01.2005 zuteil
würden, zustehe. Wäre er nicht vor dem Stichtag sondern nach dem Stichtag in
Ruhestand getreten, hätte er eine erheblich höhere Betriebsrente erhalten. Der Kläger
hat hierzu auf die von ihm vorgelegte Vergleichsberechnung (Bl. 74 d. A.) verwiesen.
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Ursache sei eine generelle Anhebung der Versorgungsobergrenze, die wiederum
daraus resultiere, das geänderte Parameter bei der Ermittlung der Brutto-
Gesamtversorgungsobergrenze zugrundegelegt würden, nämlich die
Versorgungsberechnung für einen 63jährigen, nicht schwerbehinderten Anwärter mit der
Steuerklasse III zum Stichtag der Umwandlung. Damit erhalte ein 63jähriger bereits das,
was nach der alten Regelung nur 65jährige erdient hätten. Dies stelle ein
Versorgungsgeschenk an alle Neurentner ab dem Stichtag 01.01.2005 in Höhe von
durchschnittlich 14,4 % dar. Diese Ungleichbehandlung verstoße gegen Artikel 3 des
Grundgesetzes. Eine sachliche Begründung für diese Ungleichbehandlung gebe es
nicht. Die von der Beklagtenseite angeführten Zwecke könnten durch die von der
Beklagten vorgenommene Gruppenbildung nicht erreicht werden. Zudem sei die
gewählte Stichtagsregelung unsachlich und willkürlich.
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Im Ergebnis sei der Kläger so zu behandeln, wie Rentner, deren Versorgungsfall nach
dem Stichtag eingetreten sei.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.203,15 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2005 zu
zahlen;
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2. festzustellen, dass seine Versorgungsbezüge ab dem Stichtag
01.012005 nach dem neuen Brutto-Gesamtversorgungssystem zu
berechnen sind, welches durch Grundsatztarifvertrag 2005 eingeführt
worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz
bestritten. Dass die Beklagte zwischen Versorgungsempfängern und Anwärtern nach
dem Umstellungsstichtag unterscheide, sei weder willkürlich noch rechtswidrig. Die
Wahl des Stichtags 01.01.2005 sei nicht zu beanstanden, da die Gesetzesänderungen
im Wesentlichen erstmalig beim Anpassungslauf zum 01.01.2005 erhebliche
zahlungswirksame Folgen gezeigt hätten.
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Schließlich sei die Pauschalierung zur Überleitung der Bestandsrentner in den GTV
2005 nicht zu beanstanden.
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Durch Urteil vom 11.06.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Auf den
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz könne der Kläger seinen Anspruch
nicht stützen. Die Umstellung auf ein Brutto-Gesamtversorgungssystem habe für den
Kläger keine Verschlechterung gebracht. Auch die von den Tarifvertragsparteien
gewählte Pauschalierung zur Überleitung der Bestandsrentner in den GTV 2005 sei
nicht zu beanstanden. Denn die Notwendigkeit einer Typisierung oder Pauschalierung
von Tatbeständen sei als sachliche Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen
anerkannt, sofern sie sach- und realitätsgerecht erfolge und sich am typischen Fall
orientiere. Dabei stehe den Tarifvertragsparteien aufgrund der verfassungsrechtlich in
Artikel 9 Abs. 3 geschützten Tarifautonomie ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum
zu. Sachgerecht sei schließlich, dass die Beklagte zwischen Alt- und Neurentnern
differenziert habe.
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Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung einlegen und
begründen lassen.
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Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, mit der Einführung des GTV 2005 seien für
die Neurentner, die nach dem Stichtag 01.01.2005 in Ruhestand gingen, erheblich
höhere Versorgungsbezüge festgelegt worden als für die Altrentner. Dabei habe sich die
Höhe der Betriebsrente des Klägers bezogen auf den Stichtag nicht deshalb geändert,
weil das Versorgungssystem geändert worden sei; es sei vielmehr lediglich zu einer
vorgezogenen Anpassungsberechnung nach dem alten System gekommen.
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Der Kläger beruft sich auf das Urteil des BAG vom 06.06.1974 – 3 AZR 44/74 -. Das
Arbeitsgericht sei fehlerhaft dem Vortrag nicht gefolgt, wonach die Sachgründe für die
Anhebung der Versorgungsbezüge für Neurentner nur vorgeschoben seien. Die im GTV
2005 niedergelegte Motivation, Mehrbelastungen für die öffentlichen Rundfunkanstalten
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zu vermeiden, sei tatsächlich nicht gegeben. Die Mehrbelastung werde bestritten. Die
angebliche finanzielle Mehrbelastung könne nicht der wahre Beweggrund für die
Änderung der Versorgungsordnung sein, denn dies stehe im Widerspruch dazu, dass
der GTV 2005 zu einem höheren Rentenanspruch für Neurentner führe. Aus der
Vergleichsberechnung des Klägers ergebe sich, dass dann, wenn er nicht vor dem
Stichtag, sondern nach dem Stichtag in Ruhestand getreten wäre, er eine um 422,72
EUR höhere Betriebsrente erhalten würde. Durch die tarifvertragliche Regelung erhalte
ein 63jähriger, der in Ruhestand gehe, dasjenige, das nach der alten Regelung nur ein
65jähriger erzielen könne.
Ein sachlicher Differenzierungsgrund bestehe nicht. Denn es gehe hier nicht darum,
dass zwischen Rentnern und Anwärtern unterschieden werde. Gleichheitswidrig sei das
Ruheständler mit unterschiedlichen Pensionierungsdaten unterschiedlich behandelt
würden. Es werde eine Gruppe von Pensionären begünstigt, die nach einem
bestimmten Stichtag in den Ruhestand getreten sei. Die bewusste Anhebung der
Versorgungsbezüge führe ursächlich zur Ungleichbehandlung zweier ansonsten
vollkommen einheitlichen Gruppen von Versorgungsempfängern. Es handele sich um
eine Ungleichbehandlung anhand eines statusbezogenen Merkmals, nämlich dem
Status als Altrentner oder Neurentner zum Stichtag. Damit werde letztlich das
persönliche Merkmal "Datum des Ausscheidens" zum ausschlaggebenden
Differenzierungskriterium gemacht, das aber gerade keinen sachlichen Grund im Sinne
von Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes darstellen könne.
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Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom
11.06.2008 – 7 Ca 1350/08 –
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.203,15 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.07.2005 zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Versorgungsbezüge des Klägers ab dem
Stichtag 01.01.2005 nach dem neuen Brutto-Gesamtversorgungssystem
zu berechnen sind, welches durch Grundsatztarifvertrag 2005 eingeführt
worden ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Kläger habe keinen Anspruch
aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es fehle schon daran, dass
"gleiche Sachverhalte" bezüglich Altrentnern und Neurentnern vorlägen. Unrichtig sei
insbesondere das Vorbringen des Klägers, dass mit dem GTV 2005 das Ziel einer
massiven Anhebung der Versorgungsbezüge für Versorgungsempfänger, die ab dem
Stichtag in den Ruhestand getreten sind, verfolgt worden sei. Die Beklagte verweist
darauf, dass durch die pauschale Ableitung der Bruttogesamtversorgungsobergrenzen
von einem 63jährigen Versorgungsempfänger und dem Umstand, dass es bereits im
alten Nettosystem für diesen Personenkreis im Grunde keinen Unterschied mache, ob
sie mit Alter 63 oder erst mit Alter 65 ausschieden, tatsächlich ein von den
Tarifvertragsparteien erkannter Effekt nicht auszuschließen gewesen sei, nämlich
derjenige, dass Versorgungsempfänger, die keine oder nur geringfügige Kürzungen
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wegen vorzeitiger Inanspruchnahme von Renten hinzunehmen hätten, im neuen System
tatsächlich etwas höhere Rentenansprüche hätten, als im bisherigen Netto-
Gesamtversorgungssystem. Dieser Umstand sei den Tarifvertragsparteien bekannt
gewesen. Es habe sich um ein Entgegenkommen gegenüber den Gewerkschaften
gehandelt und sei der Preis gewesen für die in Zukunft erzielbaren Einsparungen durch
die Umstellung auf das neue Bruttosystem.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten ausführlichen Schriftsätze und die diesen Schriftsätzen beigefügten
Anlagen und Berechnungen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung des Klägers, an deren Zulässigkeit keine Zweifel bestehen, hatte in der
Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht
die Klage abgewiesen. Für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch besteht keine
Anspruchsgrundlage.
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I.
Arbeitsvertrag und dem dort enthaltenen Verweis auf die jeweilige Versorgungszusage
nach den bei der Beklagten geltenden Bestimmungen herleiten. Aus den bei Abschluss
des Arbeitsvertrages geltenden Bestimmungen ergibt sich der Anspruch des Klägers
nicht. Auch die späteren Änderungen der für die Versorgungszusage geltenden
Bestimmungen führt zu keinem Anspruch des Klägers. Denn auch die späteren
Änderungen und tarifvertraglichen Neuregelungen enthalten keine Bestimmung, dass
der Kläger so behandelt werden müsste, wie die Neurentner, die nach dem 01.01.2005
in Ruhestand gehen. Auch der GTV 2005 sieht eine solche Regelung nicht vor.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Köln am 19.01.2009 hat
die Klägerseite nochmals bestätigt, dass der Kläger entsprechend den Buchstaben des
GTV 2005 behandelt worden ist; sein Begehren besteht gerade darin, die
unterschiedliche Behandlung, die der GTV 2005 für Alt- und Neurentner vorsieht, für
gleichheitswidrig zu erklären und den Kläger über die im GTV 2005 getroffene
Regelung hinausgehend so zu behandeln, wie Neurentner nach dem GTV 2005
behandelt werden.
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II.
Gleichbehandlungsgrundsatz folgen.
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1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde
Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in
vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern
einer bestimmten Ordnung. Immer dann, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem
erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt, greift
das Gebot der Gleichbehandlung ein. In einem solchen Fall dürfen Arbeitnehmer nur
aus sachlichen Gründen von einer solchen Regelung ausgeschlossen werden (siehe
BAG, Urteil vom 29.09.2004 – 5 AZR 43/04 - , EZA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung
Nr. 4; BAG, Urteil vom 14.06.2006 – 5 AZR 584/05 - , EZA § 242 BGB 2002
Gleichbehandlung Nr. 9 m.umfangreichen weiteren Nachweisen aus der
Rechtsprechung). Auch eine sachfremde Gruppenbildung ist aufgrund des
Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht zulässig.
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Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht zulässig.
2. Im vorliegenden Fall haben die Tarifvertragsparteien eine Gruppenbildung anhand
des Eintrittsdatums in den Ruhestand gewählt. Darauf stellt auch der Kläger ab, der
dahingehend argumentiert, dass die Tarifvertragsparteien allein das Datum des Eintritts
in den Ruhestand als Anknüpfungspunkt für die Differenzierung genommen hätten,
wobei zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beklagte selbst Tarifvertragspartei
und daher an den Tarifvertrag gebunden ist.
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Die Differenzierung nach dem Datum des Renteneintritts ist ein Stichtagsregelung.
Denn sie impliziert eine unterschiedliche Behandlungsweise, je nachdem, ob der
Renteneintritt vor oder nach dem Stichtag erfolgt.
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a. Stichtagsregelungen sind nach der ständigen Rechtssprechung des
Bundesarbeitsgerichts als "Typisierung in der Zeit" ungeachtet der damit verbundenen
Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises grundsätzlich zulässig.
Erforderlich ist lediglich, dass sich die Wahl des Zeitpunkts am zu regelnden
Sachverhalt orientiert und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfasst
(siehe BAG, Urteil vom 11.01.2003 – 6 AZR 84/03 - , NZA 2004, Seite 723 ff.; BAG,
Urteil vom 28.07.2004 – 10 AZR 19/04 -NZA 2004, Seite 1152; BAG, Urteil vom
25.04.2007 – 6 AZR 746/06 - , NZA 2007, Seite 881).
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b. Soweit sich der Kläger diesbezüglich auf die Entscheidung des BAG, Urteil vom
06.06.1974 – 3 AZR 44/74 – (NJW 1975, Seite 78) beruft, ergibt sich auch aus dieser
Entscheidung eindeutig, dass Stichtagsregelungen zulässig sind. Insbesondere darf der
Arbeitgeber für solche Arbeitnehmer, die nach einem bestimmten Stichtag in den
Ruhestand treten, Verbesserungen vorsehen. Nur dann, wenn die Wahl des Stichtages
auf unsachlichen oder sachfremden Gründen beruht, kann eine solche
Stichtagsregelung unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten beanstandet werden. In
der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.04.2008 – 3 AZN 1353/07 – hat
das Bundesarbeitsgericht zudem deutlich gemacht, dass sowohl sie Stichtagsregelung
des GTV wie auch die Regelung über die Pauschalierung sach- und realitätsgerecht
waren und im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
nicht zu beanstanden sind (ebenso zuvor LAG Köln, Urteil vom 16.8.2007 – 3 Sa
345/07; LAG Köln , Urteil vom 3.7.2007 – 1 Sa 162/07).
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c. Im vorliegenden Fall liegen ausreichende sachliche Gründe für die
Stichtagsfestlegung vor. Bereits in der Präambel zum GTV 2005 haben die
Tarifvertragsparteien ausdrücklich festgehalten, dass Grund für die Stichtagsfestsetzung
die erfolgten und absehbaren Gesetzesänderungen waren, insbesondere das
Alterseinkünftegesetz, das Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz, das Gesetz zur
Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Abschaffung des
Zuschusses zum Pflegeversicherungsbeitrag auf die Sozialversicherungsrenten durch
das 2. Gesetz zur Änderung des VI. Buches des SGB und anderer Gesetze. Dabei kann
dahingestellt bleiben, welche Mehrbelastungen im Einzelnen durch die zum Stichtag
vorgenommene Umstellung von der Nettooberversorgungsgrenze auf die
Bruttooberversorgungsgrenze summenmäßig erreicht worden sind.
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Denn unabhängig von der konkreten Höhe ist offenkundig, dass eine Umstellung von
einer Nettooberversorgungsgrenze auf eine Bruttooberversorgungsgrenze für die
Beklagte finanziell vorteilhaft war. Denn hierdurch wurde die Beklagte von zukünftigen
Schwankungen der Nettoverdienste durch eine Änderung der Sozial- und
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Steuergesetzgebung unabhängig. Damit war nicht nur eine bessere Kalkulierbarkeit
verbunden, sondern auch, dass Schmälerungen der Nettovergütung der Mitarbeiter
durch neue Steuer- oder Sozialgesetze nicht zu einer Erhöhung der jeweiligen
Betriebsrenten führte. Denn bei Fortgeltung des Nettoversorgungssystem hätte jede
Erhöhung beispielsweise der Sozialversicherungsbeiträge, etwa des Kranken- oder
Rentenversicherungsbeitrages, aber auch jede steuerliche Mehrbelastung unmittelbar
dazu geführt, dass das Nettoeinkommen der Mitarbeiter gesunken und folglich bei
gleichbleibender Nettooberversorgungsgrenze die Betriebsrente des in Ruhestand
gehenden Arbeitnehmers gestiegen wäre.
Bereits diese Zwecke rechtfertigen die vorliegende Stichtagsbildung, ohne dass es
bezüglich der Vermeidung von Mehrbelastungen auf die konkrete Höhe ankäme.
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d. Nicht gefolgt werden kann der Klägerseite, wenn sie vorträgt, der Zweck des GTV
2005 sei in Wahrheit eine erhebliche Anhebung der Versorgungsbezüge für Neurentner
gewesen. Zustandekommen und Präambel des Tarifvertrages sprechen eindeutig
gegen diese Annahme.
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Die Tatsache, dass die Beklagte durch die Umstellung auf eine
Bruttooberversorgungsgrenze von allen Steigerungen der Betriebsrenten freigestellt
wird, die sich durch eine Erhöhung von Sozialversicherungsabgaben oder Steuern
durch eine Änderung der steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Gesetze ergeben
könnten, freigestellt wird, widerlegt diese Vermutung der Klägerseite.
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Nicht schädlich ist in diesem Zusammenhang, dass sich möglicherweise, wie die
Klägerseite geltend macht, für einzelne Neurentner gegenüber der bisherigen Regelung
auch Vorteile ergeben könnten. Aufgrund der neugetroffenen Pauschalierungsregelung,
die an einen 63jährigen, kinderlosen, nicht schwerbehinderten Anwärter der
Steuerklasse III anknüpft, kann dies in der Tat für diejenigen Arbeitnehmer der Fall sein,
die erst nach dem 63. Lebensjahr in den Ruhestand gehen.
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Bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung des angeführten
Differenzierungszwecks ist aber nicht darauf abzustellen, ob die getroffene Neuregelung
in jedem Einzelfall zu einer finanziellen Verbesserung für die Beklagte führt.
Entscheidend ist allein, ob die Pauschalierung selbst sach- und realitätsgerecht ist und
im Saldo das Vorgetragene und Bezweckte erreichen kann.
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Im Saldo aber ergibt sich, wie bereits dargelegt, eine erhebliche Verbesserung für die
Beklagte, so dass hinzunehmen ist, dass die neugefundene
Pauschalierungsbestimmung in Einzelfällen auch zu Verbesserungen führt. Denn
Prüfungsmaßstab ist, wie bereits das BAG in seinem Beschluss vom 29.08.2008 (- 3
AZN 1353/07 - ) ausgeführt hat, ob die Pauschalierung insgesamt sach- und
realitätsgerecht war. Dies ist zu bejahen.
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e. Unerheblich ist für die Entscheidung des Rechtsstreits, auf welchen Ursachen die
Erhöhung der Betriebsrente des Klägers in zeitlichem Zusammenhang mit dem GTV
2005 beruhte. Selbst wenn es sich dabei, wie der Kläger vorträgt, nur um eine normale
Anpassung unabhängig von dem Inkrafttreten des GTV 2005 handelte, führt dies nicht
zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn die Beklagte durfte
Altrentner und Neurentner aufgrund der im GTV 2005 vorhandenen Stichtagsregelung
unterschiedlich behandeln. Eine Grenze bestand allein darin, dass die Beklagte nicht in
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die bereits zuvor gezahlte Betriebsrente durch Absenkung eingreifen durfte. Dies ist
jedoch unstreitig nicht geschehen.
f. Nicht beanstandet werden kann schließlich die Festlegung des Stichtages auf den
01.01.2005. Angesichts der Tatsache, dass der GTV 2005 im Jahre 2005 in Kraft trat
und keine rückwirkenden Verschlechterungen enthielt, kann die Stichtagsbildung zum
01.01.2005 nicht beanstandet werden. Zudem ist auch insoweit, wie bei der gesamten
Beurteilung des GTV 2005 die nur eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit einer
tariflichen Regelung zu berücksichtigen (siehe BAG, Urteil vom 27.02.2007 – 3 AZR
734/05 - , DB 2007, Seite 1763).
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Auch hinsichtlich der Wahl des Stichtags kann die im GTV 2005 getroffene Regelung
daher nicht beanstandet werden.
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III.
mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.
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Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da kein Fall von Divergenz vorlag und
die Rechtssache angesichts der bereits ergangenen Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts zum GTV 2005 (BAG, Beschluss vom 29.04.2008 – 3 AZN
1353/07 - ) keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung mehr hatte.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Hinsichtlich der
Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG Bezug
genommen.
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Dr. Griese May Tholfus
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