Urteil des LAG Köln vom 30.10.2006

LArbG Köln: ordentliche kündigung, abmahnung, verletzung der anzeigepflicht, kündigungsfrist, adäquate gegenleistung, ärztliche behandlung, fristlose kündigung, patient, rehabilitation, datum

Landesarbeitsgericht Köln, 14 Sa 158/06
Datum:
30.10.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 Sa 158/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 17 Ca 7507/04
Schlagworte:
Außerordentliche Kündigung bei ordentlicher Unkündbarkeit
Normen:
§ 626 Abs. 1 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. An eine außerordentliche Kündigung bei ordentlicher Unkündbarkeit
sind strenge Maßstäbe anzulegen (im Anschluss an BAG, Urteil vom
11.03.1999 - 2 AZR 427/08 - AP Nr. 150 zu § 626 BGB).
2. Eine solche außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn
eine Patientenbetreuerin in einer Vielzahl von Fällen unter Gefährdung
der Gesundheitsinteressen der Patienten ihre Arbeit nicht oder
nachlässig verrichtet und insgesamt vier Abmahnungen zu keiner
Besserung führen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagtenseite wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Köln vom 16.08.2005 – 17 Ca 7507/04 – abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz, nach dem ein zusätzlicher Streitpunkt
zwischen den Parteien – die Erteilung eines Zwischenzeugnisses – durch die insoweit
rechtskräftig gewordene erstinstanzliche Entscheidung erledigt ist, über die
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Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Die am 21.05.1959 geborene Klägerin war seit dem 02.01.1989 als Diplom
Sozialarbeiterin für die Beklagte tätig.
3
Die Klägerin arbeitete im Sozialdienst der Beklagten, in dem insgesamt zwölf
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter tätig sind. Der Sozialdienst des beklagten
Klinikums ergänzt die ärztliche und pflegerische Versorgung der Patienten bei
persönlichen und sozialen Problemen im Zusammenhang mit behandelten
Erkrankungen oder Behinderungen. Die jeweiligen Sozialarbeiter haben die Aufgabe,
die Probleme der Patienten eigenverantwortlich aufzugreifen und zu einer
angemessenen Lösung beizutragen. Hierzu gehört insbesondere, Pläne zur
Rehabilitation und zur Reintegration aufzustellen, die Entlassung der Patienten
vorzubereiten sowie die Nachsorge sicherzustellen. Eine wichtige Aufgabe besteht
ferner darin, Hilfen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation, zur Pflege und
Nachsorge sowie wirtschaftliche und hauswirtschaftliche Hilfen zu vermitteln. Dabei
werden die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in verschiedenen Kliniken und
Stationen eingesetzt. Hinsichtlich der Organisation von Rehabilitationsmaßnahmen
haben die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bei krebskranken Patienten die
Aufgabe, entsprechende Anträge direkt an die Rehabilitationskliniken zu stellen, dort
Termine abzusprechen und die entsprechenden Zusagen einzuholen. Bei anderweitig
erkrankten Patienten besteht die Aufgabe bei Rehabilitationsmaßnahmen darin,
entsprechende Anträge an die Rentenversicherungsträger bzw. an die entsprechenden
Krankenkassen zu stellen und dort die Zusagen zur Kostenübernahme einzuholen
sowie Termine mit den Rehabilitationskliniken zu vereinbaren.
4
Bei der Beklagten existiert eine elektronische Zeiterfassung, wobei die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet sind, ihre Arbeitszeit per
elektronischer Erfassung zu dokumentieren. Die Klägerin war entsprechend der für sie
geltenden Dienstvereinbarung zur Einhaltung einer Kernarbeitszeit zwischen 09:00 und
15:00 Uhr verpflichtet.
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Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist seit langem belastet.
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Innerhalb des Zeitraums vom 12.06.2001 bis zum 29.06.2001 nahm die Klägerin an
neun Tagen keine Einbuchung in das elektronische Zeiterfassungssystem vor. Zudem
begann die Klägerin ihren Dienst am 25.06.2001 erst nach Beginn der Kernzeit um
09:24 Uhr. Die Beklagte gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme und erteilte
der Klägerin, nachdem diese sich nicht geäußert hatte unter dem Datum vom
29.10.2001 (Anlage 5 des Anlagenkonvoluts) eine erste Abmahnung.
7
Mit Schreiben vom 31.01.2002 (Anlage 6 des Anlagenkonvoluts) beschwerte sich der
Stationsarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Psychiatrie des beklagten
Klinikums Dr. G darüber, dass die Klägerin in der Angelegenheit des Patienten A. E.
äußerst mangelhaft gearbeitet habe. So habe die Klägerin versichert, dass der Patient
definitiv am 23.01.2002 in die Fachklinik "R - " in K verlegt werden könne und die
Kostenzusage der Krankenkasse vorliege. Wenige Minuten vor dem Abfahrtstermin um
10:00 Uhr habe die Klägerin dann völlig überraschend erklärt, es müsse erst noch ein
aktueller körperlicher Befund an die Klinik gefaxt werden, so dass der Transport auf den
25.01.2002 verschoben werden musste. Nachdem die Klägerin erklärt habe, dass die
Aufnahme des Patienten E. jetzt definitiv für den 25.01.2002 vorgesehen sei, habe die
8
Klägerin am 25.01.2002 erklärt, dass notwendige Unterlagen noch nicht ausgefüllt
worden seien. Nach dem die Klägerin bestätigt habe, dass als Aufnahmetermin der
29.01.2002 von der R-Klinik bestätigt worden sei, sei die Verlegung auf diesen Tag
festgelegt worden. Auch dieser Termin habe letztlich nicht realisiert werden können, da
sich herausgestellt habe, dass eine Kostenzusage der Krankenkasse fehlte.
Die Beklagte hörte wegen dieser Vorwürfe die Klägerin an, die unter dem 06.02.2002
eine schriftliche Stellungnahme hierzu abgab (Bl. 67f. d. A.).
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Nach Eingang dieser Stellungnahme erteilte die Beklagte der Klägerin die zweite
Abmahnung unter dem Datum 09.04.2002 (Anlage 7 des Anlagenkonvoluts).
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Mit Beschwerdeschreiben vom 12.07.2002 wandte sich der Leiter des Sozialdienstes
Herr O an die Personalabteilung (Anlage 8 des Anlagenkonvoluts) und teilte mit, dass
die Klägerin am 01.07.2002 um 09:30 Uhr angerufen habe, um einen halben Gleittag zu
nehmen, weil ihre Katze krank sei. Am 04.07.2002 habe sich die Klägerin dann
gemeldet und mitgeteilt sie sei krankgeschrieben. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
sei am 05.07.2002 eingegangen. Zudem sei festgestellt worden, dass die Arbeit der
Klägerin an vielen Punkten unerledigt gewesen sei. Eine Aktenführung bzw.
Dokumentation fehle. Innerhalb der letzten zwei Wochen hätten sich die Beschwerden
in der Art sowohl von Patienten als auch von Kliniken und Stationen gehäuft, dass die
Klägerin Zusagen gemacht habe, Anträge zu stellen oder Termin zu machen, was
jedoch nie erledigt worden sei. In einem Fall sei es sogar so gewesen, dass eine ältere
Dame mehrmals weinend auf den Anrufbeantworter der Klägerin angerufen habe, weil
sie auf eine Antwort der Klägerin gewartet habe.
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Hierzu angehört teilte die Klägerin mit am 16.08.2002 bei der Beklagten
eingegangenem Schreiben mit, ihr sei deutlich geworden, dass sie in der Vergangenheit
Überlastungssituationen eher überspielt und nicht angezeigt habe. Sie sei gerne bereit
zu erläutern welche Bemühungen erfolgt seien, um eine solche Situation nie mehr
entstehen zu lassen. Darauf hin kam es am 22.08.2002 zu einem Gespräch, dass im
Schreiben der Personalabteilung der Beklagten vom 22.08.2002 (Anlage 11 des
Anlagenkonvoluts) zusammen- gefasst ist. Darin hieß es, dass von einer Abmahnung
abgesehen werde. Es werde der Klägerin ein Zeitraum von sechs Monaten gewährt, um
unter Beweis zu stellen, dass sie dauerhaft bemüht sei, wieder zu einer guten
Arbeitsleistung zurückzufinden. Parallel dazu stellte das beklagte Klinikum die Klägerin
in der Zeit vom 10.11. bis 15.11. 2002 und in der Zeit vom 17.11. bis 22.11.2002 von der
Arbeit frei, damit die Klägerin an einem Seminar "Emotionale Kompetenz und
Selbstmanagement" und an einem weiteren Seminar mit dem Thema "Mit Zeit und
Stress positiv umgehen" teilnehmen konnte.
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Mit Schreiben vom 25.11.2002 (Anlage 13 des Anlagenkonvoluts) berichtete der
Vorgesetzte der Klägerin Herr O der Personalverwaltung über ein Fehlverhalten der
Klägerin in drei Fällen, nämlich bezüglich des Patienten P., bezüglich des Patienten
Sch. und bezüglich des Patienten G. A.
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Dazu nahm die Klägerin, nachdem sie um Stellungnahme gebeten worden war, mit am
17.12.2002 bei der Beklagten eingegangenem handschriftlichen Schreiben (Anlage 15
des Anlagenkonvoluts) Stellung und teilte u. a. mit:
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"Damit meine Vorgesetzten entsprechend reagieren können und auch sie informiert
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werden, habe ich mir überlegt, sie zukünftig schriftlich zu informieren, falls die von
mir zu bearbeitenden Fallzahlen unverhältnismäßig hoch sind und eine
notwendige zeitnahe Bearbeitung und damit einhergehend eine gute
Patientenversorgung deswegen nicht möglich sein sollte."
Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Herrn Ott vom 29.11.2002 und nach
Beteiligung des Personalrates sprach die Beklagte unter dem Datum des 22.01.2003
die dritte Abmahnung aus (Anlage 16 des Anlagenkonvoluts).
16
Gegenstand des Beschwerdeschreibens vom 05.06.2003 (Anlage 17 des
Anlagenkonvoluts) war, dass der Vorgesetzte der Klägerin anlässlich des Urlaubs der
Klägerin ab 30.05.2003 festgestellt hatte, dass wiederholt die gleichen Fehler wie in der
Vergangenheit aufgetreten seien. Belegt wurde dies mit den Beispielen Frau R. in dem
die Klägerin es trotz eines entsprechenden Auftrages versäumt habe, eine frühere
Rehabilitation einzuleiten sowie hinsichtlich der Fälle Frau W. und Herr R., in denen die
Patienten bereits in Rehakliniken gewesen seien, während keine Akten gefunden und
keine Kostenübernahmen beantragt worden seien sowie in den Fällen Frau T. und Herr
W., die als Patienten nach Hause entlassen worden seien, obwohl sie einen Anspruch
auf Rehabilitation gehabt hätten und die Klägerin trotz Kenntnis hiervon keine
Rehabilitation eingeleitet habe. Zudem habe man aufgrund telefonischer Anfragen
verschiedener Patienten diverse Akten vermisst und festgestellt dass eine Tür des
Aktenschrankes verschlossen gewesen sei. Nach Öffnung dieser Tür habe man einen
dicken Stapel unsortierter Akten von Reha-Anträgen, Aktendeckeln,
Schwerbehindertenanträgen, losen Blättern und Merkzetteln vorgefunden.
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Mit Schreiben vom 12.06.2003 (Bl. 10 d. A.) hörte die Beklagte die Klägerin zu diesen
Vorwürfen an und machte darauf aufmerksam, dass für den Fall, dass die Klägerin die
Vorwürfe nicht entkräften könne, man eine ordentliche Kündigung zum 31.03.2004
beabsichtige. Mit Schreiben vom 23.06.2002 (Anlage 18 des Anlagenkonvoluts) führt
die Klägerin aus, Frau S habe ihr die Fälle genannt, bei denen die notwendigen Anträge
nicht gestellt worden sein sollten. Diesbezüglich habe sie leider verabsäumt, ihren
Urlaubsvertreter noch durch eine Notiz darüber zu informieren, dass sich noch Fälle in
einer Mappe zur Bearbeitung befunden hätten. Richtig sei auch, dass es zu
Rückständen bei der Urlaubsvertretung leider wirklich gekommen sei. Durch die
zusätzliche Krankheitsvertretung, die sich nahtlos an die Urlaubsvertretung des
Kollegen angeschlossen hätte, sei es bei ihr scheinbar wieder zu einer
Überlastungssituation gekommen ohne dass dies ihr selbst bewusst geworden sei. Es
seien tatsächlich drei Fälle unbearbeitet geblieben. Hinsichtlich der in dem
Aktenschrank vorgefundenen Akten handele es sich zum Teil um Kopien und
Durchschriften zum Teil um Originalanträge, bei denen bereits ein Antrag von anderer
Seite gestellt worden sei. Aus Zeitmangel sei sie zum Aussortieren dieses Ablagefachs
vor dem Antritt des Urlaubs nicht mehr gekommen. Nach einer ergänzenden
Stellungnahme des Herrn O , einer weiteren Stellungnahme der Klägerin vom
23.09.2003 (Bl. 116ff. d. A.) und einer weiteren Stellungnahme von Herrn O vom
06.11.2003 (Bl. 119f. d. A.) hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat mit
Schreiben vom 17.12.2003 (Bl. 121f. d. A.) an und teilte mit, dass eine mögliche
ordentliche Kündigung nicht weiter verfolgt, aber eine Abmahnung geplant sei. Der
Personalrat beschloss in seiner Sitzung vom 22.12.2003, die Frist für eine
Stellungnahme verstreichen zu lassen.
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Daraufhin erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem Datum 13.01.2004 (Anlage 19
19
des Anlagenkonvoluts) eine vierte Abmahnung.
Mit Schreiben vom 28.06.2004 setzte die kommissarische Leiterin des Sozialdienstes
Frau Schell-Dürscheidt die Personalabteilung der Beklagten von weiteren Beschwerden
über die Arbeitsleistung der Klägerin in Kenntnis (Anlage 20 des Anlagenkonvoluts).
Dies betraf den Fall von Frau S , die am 07.06.2004 angerufen hatte und sich darüber
beklagt hatte, dass die Klägerin ihr mehrfach versichert habe, dass sie ihre gewünschte
Rehabilitationsbehandlung im Juli in der Klinik in St-.Peter-Ording durchführen könne.
Tatsächlich habe sich herausgestellt, dass die Rehabilitationsmaßnahme erst zum 1.
September begonnen werden könne, worüber die Patientin sehr erbost gewesen sei
und sich offiziell beschwert habe. Bezug genommen wurde ferner auf Beschwerden von
Prof. E und Schwester I . Ferner warf die Beklagte der Klägerin vor, die
Anschlussbehandlung des Patienten V. nicht organisiert zu haben, obwohl Frau Rafael
der Klägerin die Akte am 31.03.2004 übergeben und darauf hingewiesen hatte, dass die
Nachbehandlung des krebskranken Patienten dringend organisiert werden müsse. Die
Klägerin habe in dieser Angelegenheit nichts unternommen. Die Akte sei am
21.05.2004 auf dem Schreibtisch der dafür nicht zuständigen Arzthelferin Frau Kl
vorgefunden worden. Weitere Vorfälle betrafen die Patienten U. H., bei der die Klägerin
trotz entsprechender Zusage keinen Kostenübernahmeantrag gestellt habe und die
Patientin J. Sch., hinsichtlich der Organisation einer Haushaltshilfe.
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Aufgrund dessen hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat durch
Schreiben vom 01.07.2004 (Anlage 2 des Anlagenkonvoluts) zur geplanten
außerordentlichen Kündigung an. Mit Schreiben vom 09.07.2004 (Anlage 3 des
Anlagenkonvoluts) widersprach der Personalrat der geplanten Kündigung.
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Die Beklagte kündigte daran anschließend das Arbeitsverhältnis außerordentlich durch
Kündigung vom 12.07.2004.
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Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Köln durch
Urteil vom 16.08.2005 (Bl. 156 bis 162 d. A.) statt. Zur Begründung verwies das
Arbeitsgericht darauf, dass die gebotene Interessenabwägung hier ergäbe, dass die seit
mehr als 15 Jahren beschäftigte und ordentlich unkündbare Klägerin nur durch eine
außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist habe gekündigt werden können.
Es sei der Beklagten zumutbar gewesen, die Klägerin noch bis zum Ablauf einer
solchen Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen müsse, weiter zu
beschäftigen. Dem im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten
Zeugnisanspruch hat das Arbeitsgericht, nachdem die Beklagtenseite diesen Anspruch
anerkannt hat, stattgegeben.
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Gegen dieses am 10.01.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagtenseite, beschränkt auf
die Kündigungsschutzklage, am 10.02.2006 Berufung eingelegt und diese nach
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf den 10.04.2006 am 10.04.2006
begründet.
24
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Kündigung sei als außerordentliche Kündigung
gerechtfertigt. Die der Klägerin gemachten Vorwürfe seien weitgehend unstreitig. Die
Klägerin habe über einen langen Zeitraum hinweg eine Vielzahl von Schlechtleistungen
begangen und ihr Verhalten trotz insgesamt vier erteilter Abmahnungen nicht geändert.
Deshalb sei hier ausnahmsweise auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt.
Denn es habe sich nicht bloß um unterdurchschnittliche Leistungen der Klägerin
25
gehandelt. Vielmehr stützten sich die Abmahnungen und die Vorwürfe, die zur
außerordentlichen Kündigung geführt hätten darauf, dass durch diese
Pflichtverletzungen massive Beeinträchtigungen bei den Patienten des beklagten
Klinikums aufgetreten seien und es bisher nur durch Zufall nicht zu schweren
gesundheitlichen Schäden bei Patienten geführt habe. Die Pflichtverletzungen hätten
auch zu finanziellen Schäden bei Patienten geführt, da diese aufgrund der Verzögerung
der Antragstellung höhere Zuzahlungsleistungen hätten erbringen müssen. Neben dem
Leistungsbereich sei auch der Vertrauensbereich betroffen, denn die Klägerin habe
mehrfach versucht, durch Täuschung ihr Fehlverhalten zu verdecken. Sie habe
Patienten und Mitarbeiter angelogen und behauptet Anträge gestellt zu haben bzw.
Kostenzusagen eingeholt zu haben, obwohl sie die Unrichtigkeit dieser Aussagen
genau gekannt habe. Es mangle daher an der für das Arbeitsverhältnis unerlässlichen
Vertrauensbasis. Zu Lasten der Klägerin sei zu berücksichtigen, das aufgrund der
außergewöhnlich hohen Zahl an Pflichtverletzungen, die durchgehend von der Klägerin
begangen worden seien, auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit weiteren
Pflichtverstößen zu rechnen gewesen wäre. Es könne nicht davon ausgegangen
werden, dass die Klägerin, die sich im ungekündigten Arbeitsverhältnis nicht durch
Abmahnungen habe beeindrucken lassen, ausgerechnet nach einer Kündigung
innerhalb der Auslauffrist plötzlich ohne Beanstandungen ihre Arbeitsleistung erbringen
werde. Angesichts der Gefährdung der Patienteninteressen sei dem beklagten Klinikum
eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende einer Auslauffrist nicht
zumutbar. Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB/§ 54 Abs.
2 BAT sei eingehalten worden.
Die Beklagtenseite beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.08.2005 – 17 Ca 7507/04 – unter
Aufrechterhaltung des anerkannten Zeugnisanspruchs teilweise abzuändern
und die Kündigungsschutzklage der Klägerin abzuweisen.
27
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
29
Die Klägerin hält die ausgesprochene außerordentliche Kündigung für
rechtsunwirksam.
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Das Verhalten der Beklagtenseite sei widersprüchlich. Falls die Vorwürfe der
Beklagtenseite so gravierend seien, wie die Beklagte es jetzt darstelle, hätte die
Beklagte früher reagieren müssen.
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Die Kündigungserklärungsfrist des § 54 Abs. 2 BAT sei nicht beachtet worden. Denn
Frau Schell-Dürscheidt als Leiterin des Sozialdienstes und Vorgesetzte der Klägerin
habe bereits mehr als zwei Wochen vor dem Ausspruch der Kündigung von den zur
Kündigung führenden Vorfällen gewusst. Sie sei gegenüber der Leitung der Beklagten
berichtspflichtig. Ihr Wissen müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Frau Schell-
Dürscheidt habe bereits am 07.06.2004 von den Vorfällen Kenntnis gehabt. Es werde
bestritten dass der Personalverantwortliche Herr J erst durch das Schreiben vom
28.06.2004, zugegangen am 29.06.2004 von den Kündigungsvorfällen Kenntnis
erhalten habe.
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Die Beklagte habe auch deshalb nicht kündigen dürfen, weil einige behandelnde Ärzte,
insbesondere die Orthopädieabteilung, mit der Arbeit der Klägerin sehr zufrieden
gewesen seien. Als milderes Mittel sei daher geboten gewesen, der Klägerin ein neues
Arbeitsgebiet zuzuweisen. Die Kündigung scheitere ferner daran, dass die Beklagte die
Klägerin zu oft abgemahnt habe. Eine Abmahnung könne nur dann die Funktion
erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen
Pflichtverletzung die Kündigung drohe, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst
nehmen müsse. Dies könne je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn
jahrelang die Kündigung nur angedroht werde. Es handele sich dann um eine leere
Drohung. Ein solcher Fall liege hier angesichts insgesamt viermaliger Abmahnungen
vor. Zudem seien die Abmahnungen vom 22.01.2003 und 13.01.2004 zu unbestimmt.
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Die Abmahnung vom 13.01.2004 sei verwirkt, da die Beklagte sich mehr als sechs
Monate Zeit gelassen habe, die Abmahnung auszusprechen. Zu berücksichtigen sei
ferner, dass die Klägerin an einem Burn-Out-Syndrom leide und zudem bei ihr ein Grad
der Erwerbsminderung von 30 % vorliege. Ferner sei die Klägerin überbelastet
gewesen, insbesondere durch den häufigen Wechsel des Arbeitsgebietes. Insofern
werde auf die Stellungnahme des Personalrates Bezug genommen.
34
Wegen weiterer Einzelheiten des umfangreichen Parteivorbringens wird auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
36
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien
ist durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 12.07.2004 aufgelöst worden.
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I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft gemäß § 64 ArbGG. Sie ist
auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. In zulässiger Weise hat die
Beklagtenseite ihre Berufung auf die Kündigungsschutzklage der Klägerin beschränkt,
nachdem sie bereits in erster Instanz den Zeugnisantrag der Klägerin anerkannt hatte,
sodass das erstinstanzliche Urteil, bezogen auf den titulierten Zeugnisanspruch
rechtskräftig geworden ist.
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II. Die bezogen auf den Kündigungsschutzantrag der Klägerin eingelegte Berufung hatte
auch in der Sache Erfolg. Die Kündigungsschutzklage der Klägerin musste abgewiesen
werden.
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1. Hinsichtlich der Anforderungen an die außerordentliche Kündigung ist im
vorliegenden Fall ein strenger Maßstab anzulegen.
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Das Landesarbeitsgericht folgt insoweit im Ausgangspunkt den zutreffenden
Überlegungen des Arbeitsgerichts. Denn die Klägerin ist aufgrund tarifvertraglicher
Vorschrift ordentlich nicht kündbar. Nur eine außerordentliche Kündigung kommt in
Betracht. Sie ist nur möglich, wenn dem Arbeitgeber nicht einmal mehr zumutbar ist, den
Arbeitnehmer bis zum Ablauf einer fiktiv einzuhaltenden ordentlichen Kündigungsfrist
weiter zu beschäftigen,
41
siehe BAG Urteil vom 11.03.1999 – 2 AZR 427/98 -, AP Nr. 150 zu § 626 BGB.
42
Dem liegt die zutreffende Überlegung zugrunde, dass die außerordentliche Kündigung
43
eines Arbeitnehmers nicht deshalb an geringere Voraussetzungen geknüpft werden
kann, weil er ordentlich nicht mehr kündbar ist. Nur dann, wenn ein Ausnahmefall
dergestalt vorliegt, dass eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf einer fiktiv
einzuhaltenden Kündigungsfrist nicht zumutbar ist, kommt eine außerordentliche
Kündigung in Betracht.
Ein solcher Ausnahmefall ist im vorliegenden Fall gegeben.
44
2. Für eine außerordentliche Kündigung ist nach § 626 Abs. 1 BGB und der
entsprechenden tarifvertraglichen Vorschrift in § 54 BAT erforderlich, dass Tatsachen
vorliegen müssen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr
zugemutet werden kann. Solche Tatsachen liegen im vorliegenden Fall vor.
45
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die den Vorwürfen zugrunde liegenden Tatsachen
im wesentlichen unstreitig sind. Dies gilt sowohl für die Vorwürfe, die letztlich zur
Kündigung geführt haben, als auch für die Vorwürfe, die Gegenstand der hier
vorangegangenen Abmahnungen waren.
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Im Einzelnen ist hierzu folgendes festzustellen.
47
a) Hinsichtlich der ersten Abmahnung ist unstreitig, dass die Klägerin einen erheblichen
und den Vertrauensbereich berührenden Vertragsverstoß dadurch begangen hat, dass
sie an insgesamt neun Tagen im Juni 2001 keine Einbuchung in das
Zeiterfassungssystem vorgenommen hat. Sie hat damit eine Kontrolle ihrer Arbeitszeit
vereitelt und sich bereits hierdurch in erheblichem Umfang vertragswidrig verhalten,
ohne dass die Klägerin hierfür hat Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe
vorbringen können.
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b) Im Wesentlichen unstreitig ist weiterhin der Vorwurf, der der Klägerin in der zweiten
Abmahnung vom 09.04.2002 gemacht wurde. Diesbezüglich hatte die Klägerin
hinsichtlich des Patienten A. E. zugesichert, dass eine Kostenzusage der Krankenkasse
vorliege und der Patient in die Rehaklinik verlegt werden könne. In ihrer Stellungnahme
hat die Klägerin nicht in Abrede stellen können, dass sie am 23.01.2002 vor dem
geplanten Krankentransport mitteilen musste, dass eine Zusage doch noch nicht vorlag
und der Patient deshalb nicht verlegt werden konnte. Abgesehen von den psychischen
Belastungen, die dies für den Patienten bedeutete, ist damit unstreitig, dass die Klägerin
unzutreffende Auskünfte gegeben hatte, die zu Fehlplanungen und Reibungsverlusten
führten.
49
c) Unstreitig sind weiter die Vorwürfe geblieben, die Gegenstand des
Beschwerdeschreibens vom 12.07.2002 (Anlage 8 des Anlagenkonvoluts) waren. Diese
bezogen sich insbesondere auf die Verletzung der Anzeigepflicht anlässlich einer
Erkrankung gemäß § 5 EFZG sowie auf die Feststellung, dass die Arbeit der Klägerin
an vielen Punkten unerledigt war und festgestellt werden musste, dass beispielsweise
eine Patientin in eine Rehaklinik angereist war, ohne dass der Antrag auf
Kostenübernahme gestellt war, sowie auf Beschwerden von Patienten als auch von
Kliniken und Stationen, die sich darüber beschwerten, dass das die Klägerin Zusagen
gemacht habe Anträge zu stellen oder Termine zu vereinbaren, was tatsächlich nicht
geschehen sei. Zu den Vorwürfen diesbezüglich gehörte auch, dass eine ältere Dame
50
mehrmals weinend auf den Anrufbeantworter angerufen hatte, weil sie auf eine Antwort
der Klägerin wartete. Die Klägerin antwortete darauf mit am 16.08.2002 eingegangenem
Schreiben (Anlage 10 des Anlagenkonvoluts) und führte aus, ihr sei deutlich geworden,
dass sie in der Vergangenheit Überlastungssituationen eher überspielt und nicht
angezeigt habe. Sie werde zukünftig ihre Arbeitsvorgänge mit Unterstützung ihres
Vorgesetzten übersichtlicher strukturieren und den Stand ihrer Arbeiten transparenter
gestalten. Damit wird deutlich, dass die Klägerin die Vorwürfe in der Sache nicht
bestreiten konnte.
d) Hinsichtlich der Vorwürfe, die Gegenstand der Beschwerde vom 25.11.2002 (Anlage
13 des Anlagenkonvoluts) waren, reagierte die Klägerin mit handschriftlichem
Schreiben, das am 17.12.2002 bei der Beklagten einging und in dem sie zu den
Vorwürfen im Einzelnen nicht Stellung nahm sondern zusicherte, sie werde zukünftig
ihre Vorgesetzten schriftlich informieren, falls die von ihr zu bearbeitenden Fallzahlen
unverhältnismäßig hoch seien und eine notwendige zeitnahe Bearbeitung und damit
einhergehend eine gute Patientenversorgung deswegen nicht möglich sein sollte.
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Auch diesbezüglich werden damit die Vorwürfe in der Sache nicht in Frage gestellt.
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e) Unstreitig sind ferner die Vorgänge, die zur vierten Abmahnung führten und die
Gegenstand des Beschwerdeschreibens vom 05.06.2003 (Anlage 17 des
Anlagenkonvoluts) waren. Hier ging es insbesondere um den Fall von Frau R..
Diesbezüglich hatte Frau Dr. C die Klägerin mehrfach an die Dringlichkeit einer
Rehaeinleitung erinnert. Bis zum Beginn des Urlaus der Klägerin am 30.05.2003 hatte
diese weder eine Anmeldung noch einen Kostenübernahmeantrag an einen
Kostenträger abgegeben. Ferner waren Patienten (Frau W und Herr T) bereits nach
Hause entlassen worden, obwohl sie einen Anspruch auf Rehabilitation hatten. Zudem
wurden im verschlossenen Teil des Aktenschrankes der Klägerin eine Reihe von
Originalanträgen von Patienten vorgefunden. In ihrer Stellungnahme vom 23.06.2002
bestätigte die Klägerin, dass es zu Rückständen bei der Urlaubsvertretung leider
wirklich gekommen sei und dass drei Fälle unbearbeitet geblieben seien. Zudem habe
sie es versäumt, ihren Vertreter durch eine Notiz darüber zu informieren, dass sich noch
Fälle in einer Mappe beim ZDL zur Bearbeitung befanden.
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f) Hinsichtlich der vier Fälle, die schließlich zur Kündigung führten, sind zwei Fälle
unstreitig. Hinsichtlich des krebskranken Patienten V. war die Klägerin von Frau R am
31.03.2004 darauf hingewiesen worden, dass eine Nachbehandlung des krebskranken
Patienten dringend organisiert werden müsse. Die Klägerin unternahm in dieser
Angelegenheit nichts. Die Arzthelferin Frau K fand die Akte am 21.05.2004 auf ihrem
Schreibtisch vor und übergab sie Frau R . Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass der
Patient wütend und verzweifelt über das Verhalten der Klägerin war. Durch die
Verzögerung war die Frist von vier Wochen zur Anschlussheilbehandlung bei einer
Strahlentherapie verstrichen. Dies hatte zur Folge, dass der Patient weitere
Zuzahlungen zu seiner Rehamaßnahme selbst zahlen musste. Unstreitig sind ferner die
Pflichtverletzungen in Bezug auf die Patientin U. H. Die krebskranke Patientin war seit
Januar 2004 in ärztlicher Behandlung bei dem beklagten Klinikum. Die Patientin
meldete sich am 28.05.2004 bei der Klägerin, da zu diesem Zeitpunkt die ärztliche
Behandlung abgeschlossen war. Sie beauftragte die Klägerin damit, ihr eine
Rehamaßnahme bzw. Anschlussheilbehandlung in St. Peter-Ording zu organisieren.
Die Klägerin sagte zu, den Kostenübernahmeantrag zu stellen. Dies geschah jedoch bis
zum 18.06.2004 nicht. Erst am 18.06.2004 übersandte die Klägerin per Fax einen
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Kostenübernahmeantrag, allerdings an die falsche Faxnummer. Da eine kostenneutrale
Anschlussbehandlung nur binnen 14 Tagen durchgeführt werden konnte, musste die
Patientin eine zuzahlungspflichtige stationäre Nachbehandlung in Anspruch nehmen.
3. Bereits die unstreitigen Vorwürfe sind an sich geeignet, eine außerordentliche
Kündigung zu begründen, weil sie es der Beklagten unzumutbar gemacht habe, die
Klägerin auch nur noch bis zum Ablauf einer fiktiven Kündigungsfrist, die im
vorliegenden Fall gemäß § 53 Abs. 2 BAT sechs Monate zum Schluss eines
Kalendervierteljahres betragen hätte, weiter zu beschäftigen.
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Dabei ist eine Unzumutbarkeit bereits dann gegeben, wenn es dem Arbeitgeber zwar
zumutbar wäre, den Arbeitnehmer für einen begrenzten, kurzen Zeitraum weiter zu
beschäftigen, eine Beschäftigung für die gesamte Kündigungsfrist aber unzumutbar ist ,
56
siehe BAG, Urteil vom 13.04.2000 – 2 AZR 259/99, AP Nr. 162 zu § 626 BGB.
57
Eine solche Unzumutbarkeit liegt hier vor.
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Die Klägerin ist in einer Vielzahl von Fällen ihrer Arbeitspflicht gar nicht oder grob
nachlässig nachgekommen. So sind Rehamaßnahmen nicht oder nicht fristgerecht
beantragt und dadurch Beschwerden von Patienten und von Mitarbeitern der Beklagten
verursacht. Dabei handelt es sich nicht nur um den Fall einer Schlechtleistung der
Arbeit, der im Regelfall nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigt, weil der Arbeitgeber
für die von ihm gezahlte Vergütung keine adäquate Gegenleistung erhält.
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Vielmehr ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Klägerin nicht nur keine
adäquate Leistung für die von ihre bezogene Vergütung erbracht hat, sondern dass sie
durch ihr Verhalten, dass durch eine nicht nachvollziehbare Gleichgültigkeit gegenüber
den Interessen und Bedürfnissen der Patienten gekennzeichnet ist, der Beklagten einen
erheblichen Ansehensschaden zugefügt hat. Denn die Patienten in den genannten
Fällen waren mit der Behandlung ihrer Angelegenheiten durch die Klägerin sehr
unzufrieden und hatten auch allen Grund dazu.
60
Damit hat die Klägerin Kundenunzufriedenheit und Kundenfrustration durch ihr
Verhalten herbeigeführt, das dem Ansehen der Beklagten in erheblichem Umfang
schadete.
61
Erschwerend kommt hinzu, dass die Klägerin ihre unzureichenden Leistungen durch
falsche Zusagen und Auskünfte gegenüber Patienten und Mitarbeitern der Beklagten zu
verbergen versuchte. Damit ist nicht nur der Leistungs- sondern auch der
Vertrauensbereich betroffen.
62
Dies ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin in ihrer handschriftlichen
Stellungnahme, die am 17.12.2002 bei der Beklagten einging, ausdrücklich zugesichert
hatte, zukünftig die Vorgesetzten schriftlich zu informieren, falls im Einzelfall eine
notwendige zeitnahe Bearbeitung und damit einhergehend eine gute
Patientenversorgung nicht möglich sein sollte. Tatsächlich hielt die Klägerin diese von
ihr selbst gemachte Zusage im Folgenden nicht ein, so dass die Beklagte in die
Zusagen der Klägerin kein Vertrauen mehr haben konnte.
63
Zu berücksichtigen ist ferner, dass erhebliche gesundheitliche Interessen der Patienten
64
der Beklagten auf dem Spiel standen.
Die Gefährdung von Gesundheitsinteressen und der Verstoss gegen diesbezügliche
ärztliche Anweisungen sind den Kündigungsgrund verstärkende Umstände,
65
siehe BAG Urteil vom 15.11.2001 – 2 AZR 380/00, NZA 2002, 970.
66
Die Gesundheitsinteressen bestanden darin, dass der Erfolg von
Behandlungsmaßnahmen davon abhing, dass die Nachsorge- und
Rehabilitationsmaßnahmen unmittelbar an die medizinischen Eingriffe angeschlossen
wurden.
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Erst recht gilt dies, soweit die Klägerin darauf hingewiesen worden war, für bestimmte
Patienten Rehabilitationsmaßnahmen unmittelbar zu beantragen.
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Es leuchtet unmittelbar ein, dass die Beklagte, wie auch die Patienten selbst Wert
darauf legten, dass Rehabilitationsbehandlungen und Nachsorgebehandlungen
unmittelbar und zeitnah erfolgten und nicht durch nachlässiges Verhalten der Klägerin
verzögert wurden.
69
Tatsächlich ist dies geschehen und hat, wie die Beklagte unstreitig dargelegt hat, in
einzelnen Fällen dazu geführt, dass die Patienten Zuzahlungen leisten mussten, die bei
regulärer und fristgerechter Erledigung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin nicht
angefallen wären.
70
Insgesamt ist festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis in den letzten drei Jahren seines
Bestandes grundlegend gestört war und es in diesen letzten drei Jahren permanent zu
vertragswidrigem Arbeitsverhalten der Klägerin gekommen ist, so dass kein längerer
störungsfreier Zeitraum zu verzeichnen ist.
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Dies ist auch der Grund, weshalb der Beklagten eine Beschäftigung während des Laufs
einer fiktiven Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war. Denn da in den letzten drei
Jahren des Arbeitsverhältnisses kein mehrmonatiger störungsfreier Verlauf des
Arbeitsverhältnisses stattfand, musste die Beklagte für den Fall, dass sie die Klägerin
über den 12.07.2004 hinaus weiter beschäftigt hätte, jederzeit mit weiteren Störungen
rechnen, die zu Schäden bei Patienten und einer Ansehensschädigung der Beklagten
geführt hätten.
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4. Die vorgebrachten Einwände der Klägerin greifen nicht durch.
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a) Soweit die Klägerin auf eine von ihr empfundene Überlastung hinweist, muss darauf
hingewiesen werden, dass die Klägerin selbst schriftlich zugesichert hatte, dass sie für
den Fall der Überlastung sofort ihre Vorgesetzten schriftlich informieren würde, damit es
zu einer zeitnahen Patientenbetreuung kommen werde.
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Tatsächlich ist genau dies, obwohl die Klägerin im Dezember 2002 eine entsprechende
schriftliche Zusicherung machte, in der Folgezeit nicht geschehen.
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Eine Erkrankung, ein Burn-out-Syndrom oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um
30 % hätten an dieser Verpflichtung, jeweils eine konkrete Überlastungsmitteilung unter
Angabe der dringlich zu bearbeitenden Fälle zu machen, nichts geändert. An solchen
76
Überlastungsmitteilungen musste die Beklagte auch ein überragendes Interesse haben,
weil es ihr nur dadurch möglich gewesen wäre, anderweitig für eine fristgerechte
Patientenbetreuung zu sorgen.
b) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, durch einen ständigen Wechsel
des Aufgabengebietes habe sie ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erledigen können.
Tatsächlich ist festzustellen, dass Patienten aus allen Fachbereichen nicht
ordnungsgemäß betreut worden sind. So lagen der zweiten Abmahnung Fälle aus der
Psychiatrie und Psychotherapie zugrunde, der dritten Abmahnung lagen Fälle aus der
Orthopädie, aus der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung und aus der Krebsbehandlung
zugrunde und bezüglich der vierten Abmahnung ging es um Fälle aus der Neurologie
sowie zwei Fälle aus der Orthopädie, während es sich bei den letztlich zur Kündigung
führenden Fällen um solche aus der Krebsbehandlung handelte.
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Gerade weil bei den beanstandeten Fällen auch Fälle aus der Orthopädie waren,
konnte der Beklagten nicht zugemutet werden, die Klägerin nunmehr nur noch oder
vorzugsweise im Bereich der Orthopädie einzusetzen.
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c) Entgegen der Annahme der Klägerin ist sie in ausreichender Weise abgemahnt
worden. Bereits nach der ersten und der zweiten Abmahnung, die beide ebenfalls den
Vertrauensbereich betrafen, und den weiteren Verstößen wäre eine Kündigung in
Betracht gekommen.
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Dabei ist darauf hinzuweisen, dass schon die erste Abmahnung mit den weiteren Fällen
in Zusammenhang stand. Denn die unterlassene Einbuchung betraf den
Vertrauensbereich und führte dazu, dass nicht nachgeprüft werden konnte, ob die
Klägerin ihre Arbeitszeit eingehalten hatte. Nichteinhaltung der Arbeitszeit und fehlende
Arbeitsleistung weisen einen engen Zusammenhang auf.
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Einschlägig ist weiterhin die zweite Abmahnung, die ausgesprochen wurde, weil die
Klägerin die Verlegung des Patienten E. in die Reha - Klinik mangelhaft vorbereitet
hatte und durch falsche Zusicherungen der Klägerin der Krankentransport organisiert
wurde und wenige Minuten vor Abfahrt abgesagt werden musste. Die Abmahnung
betrifft, wie die Vorwürfe, die den beiden weiteren Abmahnungen und der Kündigung
zugrunde lagen, die grob nachlässige und nicht fristgerechte Erledigung der Leistungen
für die Patienten der Beklagten.
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Es kann dahinstehen, ob es überhaupt noch einer dritten und einer vierten Abmahnung
bedurfte. Jedenfalls die Summe der Pflichtverletzungen, die nach der zweiten
Abmahnung vom 09.04.2002 aufgetreten sind, rechtfertigt die außerordentliche
Kündigung, zumal die beiden unstreitigen Vorfälle, die letztlich zur Kündigung führten
(Patient V. und Patientin U.H.), das Maß voll machten.
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Dabei kann der Klägerseite nicht gefolgt werden, wenn sie davon ausgeht, dass die
weiteren Abmahnungen verwirkt bzw. leere Drohungen gewesen seien.
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Denn die Beklagte hatte jedenfalls hinreichend deutlich gemacht, dass sie weitere
Pflichtverletzungen nicht sanktionslos hinnehmen würde, wie sich insbesondere auch
darin zeigt, dass die Beklagte bereits in ihrem Anhörungsschreiben vom 12.06.2003
eine ordentliche Kündigung in Betracht gezogen hatte. Eine Verwirkung folgt
hinsichtlich der vierten Abmahnung nicht daraus, dass diese letztlich erst nach mehr als
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sechs Monaten erteilt wurde, denn dies beruhte darauf, dass der Klägerin in ihrem
eigenen Interesse zweimal Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.
5. Ein milderes Mittel stand der Beklagten angesichts des Fehlverhaltens der Klägerin
nicht mehr zur Verfügung.
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Insbesondere konnte die Beklagte nicht darauf verwiesen werden, eine weitere
Abmahnung zu erteilen. Denn die Klägerin hatte durch ihr Verhalten und insbesondere
auch durch ihren Vortrag im Prozess, die Abmahnungen seien entwertet und als leere
Drohung zu betrachten, in unübersehbarer Weise deutlich gemacht, dass sie weitere
Abmahnungen nicht ernst nehmen würde. Die Beklagte musste daher davon ausgehen,
dass die Klägerin eine weitere Abmahnung ignorieren und ihre Fehlverhalten fortsetzen
würde. Die Prognose war daher in jeder Hinsicht negativ.
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6. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung fällt nicht zugunsten der
Klägerin aus.
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Zwar ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie langjährig beschäftigt ist.
Zu berücksichtigen ist ferner das Alter der Klägerin und ihre Schwierigkeit auf dem
Arbeitsmarkt einen anderweitigen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden sowie ihre
krankheitsbedingten Beeinträchtigungen.
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Auf der anderen Seite fällt ins Gewicht, dass das Arbeitsverhältnis bereits drei Jahre
lang tiefgreifend gestört war und der Beklagten nicht zugemutet werden konnte, das
Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf einer fiktiven Kündigungsfrist fortzusetzen.
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Besonders fällt ins Gewicht, dass die Beklagtenseite der Klägerin zweimal zusätzliche
Bewährungschancen eingeräumt, die die Klägerin nicht genutzt hat.
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So wurde als Ergebnis des Gesprächs vom 22.8.2002 auf die eigentlich mögliche
Abmahnung verzichtet und der Klägerin eine sechsmonatige Bewährungszeit
eingeräumt. In dieser Zeit traten jedoch weitere Beanstandungen auf.
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Im Juni 2003, als bereits aufgrund der bis daher aufgetretenen Fälle eine ordentliche
Kündigung berechtigterweise hätte ausgesprochen werden können, die wegen der
damals noch nicht bestehenden ordentlichen Unkündbarkeit möglich war, verzichtete
die Beklagte hierauf und gab der Klägerin nochmals eine weitere Chance, zu einer
ordnungsgemäßen Arbeitsleistung zurückzufinden.
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Beide Chancen hat die Klägerin nicht ansatzweise genutzt.
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Zudem hatte die Beklagte der Klägerin durch die Freistellung zur Seminarteilnahme
eine entsprechende Hilfestellung ermöglicht. Auch dies hatte sich letztlich als nicht
erfolgreich erwiesen, sodass der Beklagtenseite weitere Maßnahmen nicht mehr
zumutbar waren.
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Aus allem folgt das ein ausreichender Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1
BGB vorlag.
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7. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die
Frist beginnt mit der Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den
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Kündigungsgründen,
siehe Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, 6. Aufl., 2006, § 626 BGB, Rzf. 258.
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Die Personalabteilung der Beklagten als Kündigungsberechtigte Stelle hat unstreitig
von den Vorwürfen erst durch den Zugang des Beschwerdeschreibens am 29.06.2004
Kenntnis erhalten. Eine Verzögerung der Kenntniserlangung durch schuldhaft
fehlerhafte Organisation auf Arbeitgeberseite liegt nicht vor. Die Beklagte muss sich
auch nicht das Wissen von Frau Schell-Dürscheidt zurechnen lassen, denn diese war
unstreitig nicht kündigungsberechtigt. Zu beanstandende Verzögerungen bei der
Informationsweitergabe an die kündigungsberechtigte Stelle sind nicht gegeben.
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8. Die Kündigung scheitert schließlich nicht an einer unzureichenden Anhörung des
Personalrats. Die Klägerseite hat diesbezüglich gerügt, dem Personalrat seien nicht in
ausreichender Weise entlastende Umstände mitgeteilt worden. Angesichts der
ausführlichen schriftlichen Anhörungsunterlagen ist diese Wertung nicht zutreffend.
Zudem ist unstreitig, dass dem Personalrat die Abmahnungen und in diesem
Zusammenhang auch die jeweiligen Stellungnahmen der Klägerin zugänglich gemacht
worden sind. All dies wird ferner daran deutlich, dass der Personalrat sich in seiner
Stellungnahme auf die von der Klägerin vorgebrachten Entlastungsargumente bezogen
hat.
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III. Nach allem hatte die Kündigungsschutzklage der Klägerin keinen Erfolg und musste
abgewiesen werden.
100
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich des in erster Instanz
anerkannten Teils aus § 93 ZPO, da die Beklagtenseite den diesbezüglichen Anspruch
sofort anerkannt hat.
101
Die Revision konnte nicht zugelassen werden, insbesondere hatte die Sache keine
rechtsgrundsätzliche Bedeutung sondern beruhte auf der Anwendung höchstrichterlich
geklärter Rechtsgrundsätze.
102
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
103
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Hinsichtlich der Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG Bezug genommen.
104
(Dr. Griese) (Zensen) (Franke)
105