Urteil des LAG Köln vom 10.07.2003

LArbG Köln: auflösende bedingung, arbeitsbedingungen, urkunde, einverständnis, arbeitsgericht, befristung, datum, substitut, versetzung, zeichnung

Landesarbeitsgericht Köln, 5 Sa 392/03
Datum:
10.07.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Sa 392/03
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 3 Ca 3155/02
Schlagworte:
Änderungskündigung, auflösende Bedingung, Vertragsbedingung
Normen:
§ 2 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für einzelne
Vertragsbedingun-gen bedarf, wenn der Inhalt dem Änderungsschutz
nach § 2 KSchG unterliegt, einer sachlichen Begründung, andernfalls ist
sie unwirksam.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Bonn vom 30.01.2003 - 3 Ca 3155/02 -
teilweise zu Ziffer 1) geändert:
Die Beklagte wird - unter Abweisung der Klage im übrigen -
verurteilt dem Kläger eine Tätigkeit als Marktleiter zuzuwei-
sen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 4/5,
der Kläger zu 1/5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung der Beklagten ist in
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gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist somit zulässig. Sie
hat jedoch in der Sache zum überwiegenden Teil keinen Erfolg. In Übereinstimmung mit
der angefochtenen Entscheidung ist auch das Berufungsgericht der Auffassung, dass
der Änderungsvertrag vom 07.01.2002, durch den das Arbeitsverhältnis des Klägers mit
Wirkung zum 01.01.2002 als Makler hätte fortgesetzt werden sollen, weiterhin besteht;
dem Kläger steht allerdings kein Beschäftigungsanspruch als Makler in der Filiale Bonn-
Beul zu, so dass auf die Berufung der Beklagten hin der Kläger mit seinem Hauptantrag
abzuweisen ist.
1. Der "Änderungsvertrag" der Parteien vom 07.01.2002 ist entgegen der Auffassung
der Beklagten nicht aufgrund der unter dem gleichen Datum abgeschlossenen
"Zielvereinbarung" beendet oder geändert worden. In der Zielvereinbarung hatten
die Parteien vereinbart, dass der Mitarbeiter sich verpflichtet, bei der
Inventurdifferenz im Bereich K einen Wert von weniger als minus 1,5 % und im
Bereich Service von weniger als 0,0 % - jeweils zum Stichtag 30.06.2002
komolativ - zu erreichen. Unter Ziffer 3 der Zielvereinbarung heißt es weiter, dass -
sofern der Mitarbeiter die Vorgaben nicht erreicht - "Einigkeit darüber besteht, dass
der Mitarbeiter ab dem 01.07.2002 als Substitut weiterbeschäftigt und
dementsprechend auch eingruppiert wird". Rechtlich handelt es sich bei dieser
Vereinbarung nicht - wie das Arbeitsgericht angenommen hat - um einen
auflösungsbedingten Aufhebungsvertrag, sondern um eine Vereinbarung, durch
die bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses insgesamt das Fortbestehen
einzelner Vertragsbedingungen - nämlich die Beschäftigung des Klägers als
Makler mit entsprechender Eingruppierung - durch das Nichterreichen der objektiv
vorgegebenen zu erreichenden Ziele in die Inventurdifferenz in den zwei
Bereichen - bedingt sein soll. Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgericht zwar auch die Vereinbarung auflösender Bedingungen für
einzelne Arbeitsbedingungen ebenso wie befristet Vereinbarungen von
Arbeitsbedingungen zulässig soweit ihr Inhalt - wie im vorliegenden Fall - dem
kündigungsschutzrechtlichen Änderungsschutz unterliegt, § 2 KSchG, bedarf die
Vereinbarung einer auflösenden Bedingung wie die einer Befristung der
sachlichen Rechtfertigung. Denn auch bei der Befristung - erst recht bei der
auflösenden Bedingung - einzelner Vertragsbedingungen kann der gesetzliche
Schutz gegen Änderungskündigungen umgangen werden (vgl. Dörner ArbR BGB,
2. Aufl., § 620 Rn. 45 f; Backhaus in APS § 620 BGB, Rdnr. 193 ff; BAG vom
17.04.2002 - 4 AZR 174/01 - AP Nr. 23 zu § 24 BAT). Vorliegend ist die
Vereinbarung der Bedingung bestimmter Inventurdifferenzen als auflösendes
Ereignis für die Änderung der Vertragsbedingungen hinreichend objektiv
bestimmt, weil der Bedingungseintritt für beide Parteien objektiv und ohne
langwierige Ermittlungen bestimmbar ist (Backhaus a.a.O., Rn. 189). Es ist auch
davon auszugehen, dass durch die Vereinbarung in den Kernbereich des
Arbeitsverhältnisses eingegriffen wird und dadurch der Kündigungsschutz des
Klägers nach § 2 KSchG tangiert wird. Denn der Kernbereich im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG vom 12.12.1984, AP
KSchG 1969 § 2 Nr. 6) umfasst jedenfalls die Vergütung und den Inhalt der
Tätigkeit, so dass die Herabstufung einer Tätigkeit als Makler mit einem
Tarifentgelt von zuletzt 3.550,00 Euro zu einer Tätigkeit als Substitut mit einem
Entgelt von 2.570,00 Euro, also eine um ca. 1.000 Euro hinsichtlich des
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Grundgehalts geminderten Entgelt, in jedem Fall eine wesentliche Änderung der
Arbeitsbedingungen beinhaltet und damit den Kernbereich des Arbeitsvertrages
umfasst. Die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung ist in diesem Fall nicht
durch sachliche Gründe gerechtfertigt, denn die Anknüpfung an objektive Zahlen
wie in der Inventurdifferenz lässt völlig unberücksichtigt, inwieweit der
Arbeitnehmer aufgrund seiner persönlichen und beruflichen Umstände und
speziellen Verhältnisse in der betreffenden Filiale Einfluss auf die
Inventurergebnisse nehmen konnte. Aus dem Nichterreichen derartiger Zahlen
kann in keinem Fall ohne weitere Kenntnis der näheren Umstände auf das
Vorliegen eines von personen- oder verhaltensbedingten Gründen, die allenfalls
für eine Änderungsvereinbarung maßgeblich sein könnten, geschlossen werden.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch durch die
Personalveränderungsanzeige vom 31.07.2002 keine Änderung des
Arbeitsvertrages der Parteien eingetreten. Zwar hat der Kläger unstreitig diese
"Personalveränderungsanzeige" auf der Rückseite unter der Rubrik "gesehen:"
unterzeichnet. In dieser Unterschrift ist jedoch, wie das Arbeitsgericht zu Recht
erkannt hat, keine Zustimmung zu einer Änderungsvereinbarung der Parteien zu
sehen. Der objektive Erklärungswert des Teils der Urkunde, der von der
Unterschrift des Klägers abgedeckt wird, ist unter Berücksichtigung des im
Formular vorgesehenen Vermerks "gesehen" lediglich die Anerkenntnisnahme der
Gehaltsänderung infolge Abstufung zum Substituten "nach Zielvereinbarung vom
07.01.2002", wie es in der mit "Änderung" überschriebenen entsprechenden Teil
der Urkunde heißt. Dass die Beklagte unabhängig von der Zielvereinbarung, die
sie selbst für wirksam erachtet, und die nach ihrer Auffassung bereits automatisch
zu einer Veränderung der Arbeitsbedingung geführt hat, darüber hinaus und
vorsorglich auch noch eine Vereinbarung mit dem Kläger über eine
einvernehmliche Änderung der Arbeitsbedingungen entsprechend dem Inhalt der
Zielvereinbarung vornehmen wollte, kann aus der Urkunde selbst nicht
entnommen werden.
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Aber auch aus dem entsprechenden Vorbringen der Beklagten in der
Berufungsbegründung folgt insoweit nichts anderes. Die Beklagte hat hierzu in der
Berufungsbegründung - unter Beweisantritt - vorgetragen, der Kläger sei bereits mit
Schreiben vom 16.05.2002 auf die arbeitsvertraglichen Konsequenzen hingewiesen
worden, die sich aus der Zielvereinbarung vom 07.01.2002 ergeben hätten. Die von den
Parteien festgelegten Voraussetzungen für eine Änderung der
Arbeitsvertragsbedingungen seien erfüllt gewesen, dem Kläger sei in dem Gespräch am
31.07.2002 ausführlich erläutert worden, dass er die Zielvorgaben nicht erreicht hatte.
Dem Kläger sei sodann angeboten worden, dass die Änderungen erst zum 01.10.2002
wirksam werden sollten, die Personalveränderungsanzeige habe die veränderten
Arbeitsvertragsbedingungen wiedergegeben, der Kläger habe nach Wahrnehmung
einer von ihm erbetenen Bedenkzeit diese Änderungsvereinbarung unterschrieben.
Soweit nach diesem Vorbringen der Beklagten in der Unterschrift des Klägers über den
reinen Vertragstext, wonach der Kläger von den Änderungen lediglich Kenntnis nimmt,
eine konstitutive Vereinbarung von geänderten Arbeitsvertragsbedingungen liegen
könnte, bezieht sie sich allenfalls auf die zeitliche Verschiebung des Wirksamwerdens
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der Herabstufung zum Substituten, und nicht das Einverständnis mit dieser
Herabstufung durch eine eigenständige Vereinbarung, unabhängig von der bereits
vorliegenden Zielvereinbarung. Ein derartiges Einverständnis würde voraussetzen, dass
den Partei en überhaupt die Möglichkeit bewusst gewesen ist, dass die
Zielvereinbarung rechtlich unwirksam seien könnte, so dass es einer entsprechenden
ausdrücklichen Vertragsänderung bedurfte. Davon ist jedenfalls nach dem Vorbringen
der Beklagten, die bereits erstinstanzlich vorgetragen hatte, dass an der
Rechtswirksamkeit der Zielvereinbarung "keine ernsthaften Zweifel" bestehen dürften,
nicht auszugehen.
Abgesehen davon, erscheint es auch fraglich, ob der Erklärungswert der Unterschrift
des Klägers über das bloße Kenntnisnehmen von der Änderung hinaus tatsächlich als
schriftliches Einverständnis mit einem von der Beklagten abgegebenen Angebot
gewertet werden kann. Dagegen spricht insbesondere, dass die
Personalveränderungsanzeige auf ihrer Vorderseite zumindest an einer Stelle eine
ausdrücklich Einverständniserklärung mit einer Versetzung enthält und ferner in der
letzten Zeile eine weitere Möglichkeit der Unterschriftsleistung vorsieht. Auf der anderen
Seite ist die Unterschrift des Klägers neben weiteren drei Unterschriften seitens der
Beklagten eher untypisch für eine vertragliche Vereinbarung, weil in aller Regel
vertragliche Abmachungen der Parteien - so auch der Änderungsvertrag und die
Zielvereinbarung vom 07.01.2002 - aufseiten der Beklagten lediglich von zwei Personen
gezeichnet worden sind, die Zeichnung durch eine größere Zahl von Personen dagegen
eher für den Erklärungswert der Unterschrift als "Kenntnisnahme" sprechen dürfte.
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1. Die Berufung hatte Erfolg, soweit dem Kläger erstinstanzlich eine Tätigkeit als
Marktleiter der Filiale in B zugewiesen worden ist. Wie der Kläger in der
Berufungsverhandlung erklärt hat, war der Kläger seit dem 2001 in der Filiale B als
Marktleiter eingesetzt mit anschließender Beschäftigung als Marktmanager, erneut
als Marktleiter seit Anfang 2002. Infolge dieser kurzzeitigen Beschäftigung als
Filialleiter ist danach nicht davon auszugehen, dass eine Konkretisierung der
Tätigkeit des Klägers auf die Position des Marktleiters in einem bestimmten Markt -
in B - infolge längeren Zeitablaufs und weiter für das Vertrauen des Klägers auf
Beibehaltung dieser Position maßgeblicher Umstände, für die der Kläger aber im
Übrigen nichts vorgetragen hat, gekommen wäre. Auch ein arbeitsvertraglicher
Anspruch des Klägers auf Einsatz eines Marktleiters in einem bestimmten Bereich
besteht, wie er in der Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärt hat, nach den
vorliegen Arbeitsverträgen nicht. Die Klage hat insoweit daher lediglich mit dem
Hilfsantrag, durch den der Kläger begehrt, ihm eine Tätigkeit als Marktleiter
zuzuweisen, Erfolg. Dieser Antrag ist - entgegen der Auffassung der Beklagten -
nichts als unzulässig zurückzuweisen, weil für einen entsprechenden Antrag des
Klägers durchaus ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wobei dahingestellt bleiben
kann, ob der Urteilstenor nach § 894 ZPO zu vollstrecken ist oder nach den §§
883, 888 ZPO.
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Die Berufung musste daher zum überwiegenden Teil zurückgewiesen werden. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
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R e c h t m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die
Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsbehelf, § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
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(Rietschel) (Breuer) (Grübnau)
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