Urteil des LAG Köln vom 08.05.2006

LArbG Köln: ausbildungskosten, arbeitsgericht, rückzahlung, verjährungsfrist, transparenz, dienstverhältnis, reduktion, form, bindungswirkung, krankenschwester

Landesarbeitsgericht Köln, 14 (4) Sa 48/06
Datum:
08.05.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 (4) Sa 48/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 6 Ca 382/05
Schlagworte:
Rückzahlung von Ausbildungskosten
Normen:
§ 3 a AVR
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Aus § 3 a der Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) für das Diakonische
Werk der Evangelischen Kirchen folgt kein originärer
Rückzahlungsanspruch auf Ausbildungskosten; dazu bedarf es
zusätzlich einer bezogen auf die konkrete Ausbildungsmaßnahme
abgeschlossenen schriftlichen Individualvereinbarung.
2. Da seit der Schuldrechtsmodernisierung § 310 Abs. 4 BGB nur
Tarifverträge, nicht aber tarifvertragsähnliche Vorschriften wie die AVR
von der Inhaltskontrolle ausnimmt, müssen sich die AVR an den §§ 305
– 310 BGB messen lassen.
Tenor:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 06.12.2005
– Az.: 6 Ca 382/05 – wird abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger fordert von der Beklagten die Rückzahlung von Ausbildungskosten.
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Die Beklagte war für den Kläger als Krankenschwester ab dem 15.10.1997 aufgrund
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schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09.09.1997 tätig. Der Arbeitsvertrag sah in § 2 (Bl. 14
d. A.) vor, dass für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragrichtlinien des D W der e K in
D (AVR) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. § 3 a der AVR (Stand:
01.10.2004) lautet:
§ 3a Fort- und Weiterbildung
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(1) Wird eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter auf Veranlassung und im
Rahmen der Qualitätssicherung oder des Personalbedarfs der Dienstgeberin
bzw. des Dienstgebers fort- oder weitergebildet werden, sofern keine Ansprüche
gegen andere Kostenträgerinnen bzw. Kostenträger bestehen, von der
Dienstgeberin bzw. vom Dienstgeber
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a. der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter, sofern sie bzw. er freigestellt werden muss,
für die notwendige Fort- und Weiterbildung die bisherige Vergütung (§ 14 Abs. 1)
und die allgemeine Zulage gemäß Anlage 7 fortgezahlt und
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b. die Kosten der Fort- oder Weiterbildung getragen.
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2. Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter ist verpflichtet, der Dienstgeberin bzw. dem
Dienstgeb3er die Aufwendungen für eine Fort- oder Weiterbildung im Sinne des
Abs. 1 nach Maßgabe des Unterabs. 2 zu ersetzen, wenn das Dienstverhältnis auf
Wunsch der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters oder aus einem von ihr bzw. ihm
zu vertretenden Grunde endet. Satz 1 gilt nicht, wenn die Mitarbeiterin wegen
Schwangerschaft oder wegen Niederkunft in den letzten drei Monaten gekündigt
oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.
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Zurückzuzahlen sind, wenn das Dienstverhältnis endet
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a. im ersten Jahr nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung, die vollen
Aufwendungen,
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b. im zweiten Jahr nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung, zwei Drittel der
Aufwendungen,
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c. im dritten Jahr nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung, ein Drittel der
Aufwendungen.
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In der Zeit vom 15.11.1999 bis zum 12.03.2001 nahm die Beklagte an einem
Weiterbildungslehrgang "Leitung einer Station bzw. Wohn- und Pflegegruppe" sowie
einer zusätzlichen Kurswoche "Pflegedienstleitung" teil. Grundlage hierfür sollte die
schriftliche Vereinbarung vom 20.09.1999 sein (Bl. 15 d. A.), die jedoch von der
Beklagten nicht unterschrieben ist. Eine Ergänzung dieser beabsichtigten Vereinbarung
vom 16.06.2000, die die Weiterbildung zur Pflegedienstleitung zum Gegenstand hat, ist
von der Beklagten, aber nicht vom Kläger unterschrieben.
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Mit Schreiben vom 16.03.2001 (Bl. 22 d. A.) bat die Beklagte um Auflösung ihres
Arbeitsvertrages zum 31.03.2001 (Bl. 22 d. A.) aus gesundheitlichen Gründen.
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Daraufhin übersandte der Kläger der Beklagten einen Auflösungsvertrag mit Schreiben
vom 23.03.2001 (Bl. 23 d. A.) und wies darauf hin, dass die Beklagte die
Ausbildungskosten zurückzuzahlen habe.
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Mit Schreiben vom 26.04.2004 forderte der Kläger die Beklagte zur Erstattung der
Weiterbildungskosten auf.
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Die Beklagte ließ dieses Begehren mit Anwaltsschreiben vom 12.07.2001 (Bl. 39 f d. A.)
zurückweisen, in dem im Einzelnen begründet wurde, warum ein Anspruch nach § 3 a
Abs. 2 der AVR nicht gegeben sei.
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Darauf antwortete die Klägerseite mit Schreiben vom 07.08.2001 (Bl. 43 d. A.), indem
sie den Eingang des Schreibens der Beklagtenseite bestätigte und weiter ausführte:
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"Nach eingehender Prüfung des von Ihnen geschilderten Sachverhaltes werden
wir sie umgehend kontaktieren."
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Tatsächlich meldete sich die Klägerseite bei der Beklagten mehr als 3 Jahre lang in
dieser Angelegenheit nicht.
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Mit Mahnbescheid vom 30.12.2004 verlangte der Kläger von der Beklagten dann
Ausbildungskosten abzüglich eines Restanspruchs auf Überstundenvergütung und
Urlaubsabgeltung in Höhe von 10.015,73 € zuzüglich 8 % Zinsen seit dem 26.05.2001.
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Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe durch den
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Abschluss der Weiterbildung keinen Anspruch auf Einsatz in der Pflegedienstleitung
erworben. Es wäre lediglich der Einsatz als Stations-/Wohnbereichsleitung vorgesehen,
da ursprünglich nur diese Qualifikation der Beklagten durch die Weiterbildung erreicht
werden sollte.
Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.009,73 € zuzüglich 8 % Zinsen ab
dem 26.05.2001 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie habe die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses nicht zu vertreten gehabt. Sie habe unter der Voraussetzung an der
Weiterbildung teilgenommen, einem der Weiterbildung entsprechenden Arbeitsplatz
nach Abschluss des Lehrgangs zu erhalten. Zudem seien die Ansprüche des Klägers
verwirkt. Derzeit sei sie als Krankenschwester in der Altenpflege tätig.
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Durch Urteil vom 06.12.2005 hat das Arbeitsgericht Bonn der Klage stattgegeben (Bl. 73
ff. d. A.). In der Begründung hat das Arbeitsgericht Bonn insbesondere darauf abgestellt,
dass die Voraussetzungen der Rückzahlung gemäß § 3 a Absatz 2 AVR gegeben
seien. Zwar sei fraglich, ob § 3 a AVR dem Bestimmtheitsgebot genüge, jedoch könne
im Wege der geltungserhaltenden Reduktion eine einschränkende Bindungswirkung
herbeigeführt werden. Der Anspruch sei zudem nicht verwirkt.
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Gegen dieses der Beklagtenseite am 02.01.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am
12.01.2006 Berufung eingelegt und diese am 20.02.2006 begründet.
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Die Beklagte hält den Rückzahlungsanspruch schon deshalb für nicht begründet, da
eine schriftliche Rückzahlungsvereinbarung fehle. Darüber hinaus seien die
Rückzahlungsansprüche verwirkt. Die Klägerseite habe über 3 Jahre lang nach dem
Schreiben der Beklagtenseite vom 07.08.2001 keinerlei Reaktion gezeigt. Die Beklagte
habe sich, nachdem die Klägerseite entgegen ihrer Ankündigung, umgehend Stellung
zu nehmen, den Vorgang auf sich beruhen lassen habe, darauf eingerichtet, dass
keinerlei Forderungen von der früheren Arbeitgeberseite mehr geltend gemacht würden.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 06.12.2005 - 6 Ca 382/05 –
abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerseite beantragt,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Die Klägerseite hält die Voraussetzungen des § 3 a Absatz 2 AVR für gegeben. Die
konkrete Rückzahlungsvereinbarung, die mit der Beklagten habe geschlossen werden
sollen, sei lediglich deklaratorischer Natur, so dass es unschädlich sei, dass die Form
nicht eingehalten worden sei. Zudem wäre es treuwidrig, wenn die Beklagte sich in
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Kenntnis der Vereinbarung an dem Lehrgang auf Kosten der Klägerseite beteiligt hätte,
sich aber dann auf eine unwirksame Rückzahlungsverpflichtung wegen Fehlens der
Unterschrift berufen wolle.
Der Anspruch sei auch nicht verwirkt. Der Kläger habe die Verjährungsfrist voll
ausschöpfen können.
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Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Köln am
08.05.2006 hat der Kläger in einem weiteren Schriftsatz vom 19.05.2006 weitere
Ausführungen dazu gemacht, dass die Beklagte im Rahmen des Personalbedarfs des
Klägers weitergebildet worden sei und durch diese Weiterbildung auch die Möglichkeit
finanzieller Vorteile zumindest vorübergehend erlangt habe. Die
Rückzahlungsverpflichtung scheitere nicht daran, dass die Beklagte aufgrund
mangelnder Belastbarkeit keine dauerhafte Anstellung als Pflegedienstleitung habe
finden können.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung hatte in der Sache Erfolg.
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I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden.
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II. In der Sache hatte die Berufung Erfolg, weil dem Kläger kein Rückzahlungsanspruch
zusteht.
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1. Aus § 3 a Absatz 2 AVR allein kann kein Rückzahlungsanspruch hergeleitet werden.
Mit Recht hat bereits das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass Bedenken bestehen,
ob § 3 a AVR dem Bestimmtheitsgebot genügt, da diese Bestimmung die Rückzahlung
unabhängig von der Qualität und Dauer der Weiterbildung bestimmt und somit im
Einzelfall eine unverhältnismäßige Bindungswirkung und Rückzahlungsverpflichtung
des Arbeitnehmers auslösen könnte. Selbst innerbetriebliche Ausbildungen, die allein
im Arbeitgeberinteresse liegen, könnten auf diese Art und Weise einer
Rückzahlungsverpflichtung unterfallen. Für den Arbeitnehmer wäre angesichts der
allgemeinen Formulierungen in § 3 a AVR im Einzelnen nicht vorhersehbar, welche
Kosten für die jeweilige Weiterbildung anfielen und mit welchen
Rückzahlungsansprüchen er im Einzelfall zu rechnen hätte. Damit läge ein Verstoß
gegen die Bestimmbarkeit und die Transparenz entsprechender Vereinbarungen vor
(siehe BAG Urteil vom 21.11.2002 – 6 AZR 77/01 -, EzA § 611 BGB 2002
Ausbildungsbeihilfe Nummer 2).
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Selbst wenn man berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung tarifliche
Rückzahlungsklauseln im Gegensatz zu rein arbeitsvertraglichen
Rückzahlungsklauseln einem eingeschränkten Prüfungsmaßstab unterliegen (siehe
BAG Urteil vom 06.11.1996 – 5 AZR 498/95 -, NZA 1997, Seite 663 f.) ist fraglich, ob
diese Rechtsprechung auf die AVR noch angewandt werden kann. Die AVR sind kein
Tarifvertrag.
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Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit allerdings die eingeschränkte
Inhaltskontrolle von Tarifverträgen auch auf die AVR angewandt, weil insoweit eine
Ähnlichkeit zu Tarifverträgen gegeben sei (siehe BAG Urteil vom 06.11.1996 – 5 AZR
334/95, NZA 1997, Seite 778).
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Die Inhaltskontrolle richtet sich seit der Schuldrechtsmodernisierung allerdings nach
den §§ 305 bis 310 BGB. Hiervon ausgenommen sind gemäß § 310 Absatz 4 BGB nur
Tarifverträge, nicht aber tarifvertragsähnliche Vorschriften wie die AVR, so dass eine
Herausnahme der AVR aus der gesetzlichen Inhaltskontrolle der §§ 305 – 310 BGB
nicht mehr begründbar sein dürfte,
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siehe Ingrid Schmidt, NZA 2004, 1002 ff, 1008.
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Geht man gleichwohl von einer nur eingeschränkten Inhaltskontrolle der AVR aus,
lassen sich die Bedenken hinsichtlich Bestimmtheit und Transparenz jedenfalls nicht mit
dem Instrument der geltungserhaltenden Reduktion überwinden, denn im Bereich von
Rückzahlungsklauseln ist die geltungserhaltende Reduktion nach der aktuellen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht möglich (siehe BAG Urteil vom
11.04.2006 – 9 AZR 610/05 -).
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Die Bestimmtheit und die Transparenz lassen sich nur dadurch herstellen, dass
aufbauend auf der Rahmenvorschrift des § 3 a AVR für jede einzelne
Ausbildungsmaßnahme eine ausfüllende Individualvereinbarung zwischen den
Arbeitsvertragsparteien geschlossen wird.
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Es bedarf also einer konkreten arbeitsvertraglichen Vereinbarung, die die Ausbildung
und die Ausbildungskosten im Einzelnen festlegt. Daraus folgt zugleich, dass eine
solche ausfüllende Vereinbarung nicht nur deklaratorischer Art ist, sondern konkret den
Gegenstand der jeweiligen Ausbildung, die Höhe der jeweiligen Kosten festlegen und
damit das Kosten- und Rückzahlungsrisiko für den Arbeitnehmer bezifferbar machen
muss.
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Dementsprechend hatte der Kläger der Beklagten eine entsprechende Vereinbarung
vom 20.09.1999 vorgelegt, in der diese Einzelheiten festgelegt waren.
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2. Eine solche notwendige ausfüllende Rückzahlungsvereinbarung ist nicht
rechtswirksam zustande gekommen.
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a) Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob die Voraussetzung in § 3 a AVR, wonach die
Fort- und Weiterbildung im Rahmen der Qualitätssicherung oder des Personalbedarfs
des Arbeitgebers liegen muss, überhaupt vorliegt. Der Kläger hat hierzu erstmals nach
Ablauf der Berufungserwiderungsfrist und nach Schluss der mündlichen Verhandlung
Einzelheiten vorgetragen. Abgesehen von der mangelnden Berücksichtigungsfähigkeit
dieses Vortrages wegen Verspätung (§ 67 Absatz 3 ArbGG) kommt es hierauf schon
deshalb nicht an, weil eine formwirksame ausfüllende Rückzahlungsvereinbarung
zwischen den Parteien nicht getroffen worden ist.
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b) Die Parteien hatten in § 4 des geschlossenen Arbeitsvertrages (Bl. 14 d. A.)
festgelegt, dass Vertragsänderungen und Ergänzungen in jedem Falle der Schriftform
bedürfen und mündliche Absprachen keine Gültigkeit haben. Diese Schriftformklausel
führt dazu, dass zur Anwendung der Rahmenvorschrift des § 3 a AVR auf die
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vorliegende Weiterbildungsmaßnahme ein schriftlicher Vertrag hätte geschlossen
werden müssen. Dies war der Klägerseite auch bewusst, denn aus diesem Grund hat
sie der Beklagten einen entsprechenden schriftlichen Vertragsentwurf übersandt.
Diesen Vertragsentwurf hat die Beklagte jedoch nicht unterschrieben. Auch die
Ergänzungsabrede ist nicht von beiden Parteien unterschrieben.
Für die Schriftform ist jedoch gemäß § 126 Absatz 2 BGB erforderlich, dass die Parteien
zumindest auf gleichlautenden Urkunden jeweils die für die andere Partei bestimmte
Urkunde unterzeichnet haben. Folglich ist die erforderliche Schriftform nicht eingehalten.
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Es ist auch nicht treuwidrig, dass sich die Beklagte auf die fehlende Schriftform beruft.
Denn die Schriftformabrede selbst stammte von dem Kläger, der diese in seine
Formulararbeitsverträge aufgenommen und damit gegenüber den Arbeitnehmern
durchgesetzt hatte. Zudem bestand für den Kläger ohne weiteres die Möglichkeit, die
Teilnahme der Beklagten an einer Weiterbildungsmaßnahme solange zurückzustellen,
bis diese die entsprechende schriftliche Vereinbarung unterzeichnet hatte.
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Eine wirksame Rückzahlungsvereinbarung liegt folglich nicht vor.
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3. Unabhängig hiervon ist der Anspruch des Klägers auch verwirkt. Zwar ist die
Verwirkung vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist die Ausnahme, die nur bei
Vorliegen besonderer Umstände in Betracht kommt (siehe Erfurter Kommentar – Preis,
6. Auflage 2006, § 611 BGB Randziffer 593).
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Ein solcher Ausnahmefall ist hier angesichts der besonderen Umstände jedoch
gegeben. Zeit- und Umstandsmoment resultieren hier daraus, dass der Kläger als
Antwort auf das anwaltliche Schreiben der Beklagtenseite der Beklagten am 07.08.2001
schrieb, dass man nach eingehender Prüfung der Beklagtenseite geschilderten
Sachverhalts die Beklagtenseite umgehend kontaktieren werde. Dies war die Reaktion
auf das anwaltliche Schreiben der Beklagtenseite, mit der diese im Einzelnen begründet
hatte, warum aus ihrer Sicht ein Rückzahlungsanspruch nicht bestehe.
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Mit diesem Antwortschreiben hatte der Kläger die Erwartung und das Vertrauen
geweckt, dass er sich mit den Argumenten der Beklagtenseite im Einzelnen
auseinandersetzen werde ("nach eingehender Prüfung") und dass man dies auch
schnell tun werde ("umgehend kontaktieren"). Damit konnte die Beklagte davon
ausgehen, dass der Kläger sich in relativ kurzer Zeit mit den von der Beklagtenseite
vorgetragenen Argumenten im Einzelnen beschäftigen würde und dass die Reaktion der
Klägerseite nicht lange auf sich warten lassen würde.
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Zudem konnte die Beklagte aus der Formulierung "eingehende Prüfung" schließen,
dass der Kläger sich mit den von der Beklagtenseite vorgebrachten Argumenten im
einzelnen auseinandersetzen und damit seinen Standpunkt überprüfen wollte.
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Tatsächlich hat die Klägerseite entgegen der von ihr begründeten Erwartungshaltung
über drei Jahre überhaupt nicht reagiert und weder die Argumente der Beklagtenseite
geprüft noch Kontakt mit der Beklagten aufgenommen. Bis zum Ablauf der
Verjährungsfrist hat die Klägerseite gegenüber der Beklagtenseite keine Prüfung der
von ihr vorgebrachten Argumente vorgenommen, sondern stattdessen nur am letzten
Tag der Verjährungsfrist einen Mahnbescheid erwirkt und eine Begründung und
Auseinandersetzung mit den Argumenten der Beklagten erst im Gerichtsverfahren
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vorgebracht.
Angesichts der von der Klägerseite im Schreiben vom 07.08.2001 gemachten Zusage,
die Beklagtenseite umgehend zu kontaktieren, konnte die Beklagte aus der Tatsache,
dass sich die Klägerseite jahrelang nicht meldete, schließen, dass die Klägerseite ihren
Anspruch nicht mehr geltend machen würde. Der Kläger hat diesen
Vertrauenstatbestand durch sein Schreiben vom 07.08.2001 selbst begründet und durch
sein grob zusagewidriges langjähriges Verhalten aufrechterhalten, so dass er sich
hieran festhalten lassen muss.
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Der Anspruch ist folglich aufgrund über dreijährigen Nichtstuns trotz entgegenstehender
Zusage verwirkt.
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Insgesamt hatte die Berufung Erfolg. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits waren dem
Kläger als unterlegene Partei gemäß § 91 Absatz 1 ZPO aufzuerlegen.
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Die Revision war nicht gemäß § 72 ArbGG zuzulassen, da die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hatte, sondern eine Anwendung höchstrichterlich geklärter
Aspekte auf den Einzelfall beinhaltete.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
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Gegen dieses Urteil ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Hinsichtlich der Möglichkeit
der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.
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(Dr. Griese) (Alsbach) (Krings)
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