Urteil des LAG Köln vom 04.06.2007

LArbG Köln: betriebsübergang, vergütung, treu und glauben, arbeitsgericht, unterrichtung, liquidität, ordentliche kündigung, klageerweiterung, betriebsrat, spesen

Landesarbeitsgericht Köln, 14 Sa 1225/06
Datum:
04.06.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 Sa 1225/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 1 Ca 476/06
Schlagworte:
Widerspruch gegen Betriebsübergang
Normen:
§ 613 a Abs. 5 u. 6 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Die Widerspruchsfrist gegen einen Betriebsübergang gemäß § 613 a
Abs. 6 BGB beginnt erst mit vollständiger, fehlerfreier Unterrichtung des
Arbeitnehmers (im Anschluss an BAG, Urteil vom 13.07.2006 - 8 AZR
305/05 - NZA 2006, 1268 ff.).
2. Eine Unterrichtung ist auch dann fehlerhaft, wenn die wirtschaftliche
Lage des Betriebsübernehmers wesentlich besser dargestellt wird, als
sie tatsächlich ist, denn eine wahrheitsgemäße Information bildet eine
wesentliche Entscheidungsgrundlage für den Arbeitnehmer bei der
möglichen Ausübung des Widerspruchsrechts.
3. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts kommt zumindest solange
nicht in Betracht, solange die Falschangaben nicht korrigiert worden
sind.
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten zu 2)
gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.08.2006 – 1 Ca
476/06 – werden zurückgewiesen.
2. Die Klageerweiterung der Berufungsinstanz wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte zu 2)
zu je 50 %.
4. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten darum, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nach
Betriebsübergang von der Beklagten zu 2) bei der Betriebserwerberin und damit bei
dem Beklagten zu 1) verblieben ist oder ob der Kläger dem Betriebsübergang rechtzeitig
widersprochen hat, sowie über die Rechtswirksamkeit von Kündigungen, die die
Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 1) ausgesprochen haben sowie um Vergütungs- und
Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2).
2
Der Kläger war bei der Beklagten zu 2) bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem
01.04.1986 in der Fotosparte zuletzt im Bereich Consumer Imagine im Vertrieb zu einem
monatlichen Bruttogehalt von 4.325,46 € tätig.
3
Arbeitgeberseitig war geplant, einen Betriebsübergang von der Beklagten zu 2) auf die
A , die Betriebsübernehmerin zu realisieren. Der Beklagte zu 1) ist der
Insolvenzverwalter der Betriebsübernehmerin.
4
Die Muttergesellschaft der Beklagten zu 2) gliederte den Bereich Consumer Imagine
zum 01.11.2004 aus. Die Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse ging aufgrund des
Teilbetriebsübergangs auf die A über. Die dem Vertrieb zuzuordnenden
Arbeitsverhältnisse – hierunter das des Klägers – gingen aufgrund des
Teilbetriebsübergangs auf die A , die Betriebsübernehmerin, über. Die
Betriebsübernehmerin sollte als Vertriebsgesellschaft für die Produkte der A fungieren.
5
Über die Betriebsübergangsplanungen wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am
19.08.2004 und am 21.09.2004 auf Informationsveranstaltungen informiert. Mittels einer
Power-Point–Präsentation wurden am 21.09.2004 verschiedene Charts präsentiert. Zur
Liquidität wurde folgender Chart präsentiert:
6
"A startet mit ausreichender Liquidität
7
Bereits am ersten Tag stehen dem Unternehmen Barmittel von mehr als € 70 Mio.
für das Geschäft zur Verfügung
8
Des Weiteren besteht eine Kreditlinie von zunächst € 50 Mio., die bei Bedarf
deutlich erhöht werden kann
9
Verbindlichkeiten gegenüber A - und Banken von insgesamt ca. € 160 Mio. können
ausschließlich durch übernommene Forderungen aus Leasing (ca. € 185 Mio.)
getilgt werden
10
Ein Geschäftsausbau kann aus "Bordmitteln" finanziert werden."
11
Zur Bilanz wurde unter der Überschrift "A startet mit einer sehr soliden Bilanz" folgender
Chart präsentiert:
12
"A startet mit einer sehr soliden Bilanz
13
Erwartete Eckpunkte zum 01.11.2004 (Mio €):
14
Hohes Umlaufvermögen
15
Vorräte: 187
16
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen: 208
17
Forderungen aus Leasing: 185
18
Barmittel: 72
19
Überschaubare Verbindlichkeiten, im wesentlichen
20
Pensionen: 99
21
A und Banken: 160
22
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen: 35
23
Eigenkapital von mehr als 300"
24
Zu den Namensrechten stand in einem weiteren Chart zu lesen:
25
"Namensrechte und Zugriff auf wichtige Technologien sind gesichert
26
Namensrechte sind kostenfrei dauerhaft bei A
27
A als Firmenname
28
A Markenzeichen inklusive Rhombus für Film Produkte
29
A – XXXX als Bezeichnung für Tochtergesellschaften oder Produktgruppen
(derzeitige und neue Produkte, auch bestimmte Handelsprodukte)
30
Alles registrierten Warenzeichen von C"
31
Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde der Kläger wie alle anderen Mitarbeiter auch über
den geplanten Betriebsübergang zum 01.11.2004 unterrichtet. In dem
Unterrichtungsschreiben hieß es u. a. :
32
"Die A mit Sitz in L umfasst das gesamte bisherige C -Geschäft der A , also die
Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. Die A übernimmt das Vermögen
von C . Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente
und technologisches Know-How, Vorräte und Forderungen."
33
Zur finanziellen Situation wurde in dem Unterrichtungsschreiben u. a. ausgeführt:
34
"Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über
hohe Liquidität, um unerwartete auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte
investieren und Marktchancen besser nutzen zu können."
35
Im Mai 2005 stellte die A Insolvenzantrag. In dem daraufhin erstellten Gutachten des
Fachanwalts für Insolvenzrecht Dr. R wurde zur Liquiditätsplanung u. a. folgendes
aufgeführt:
36
Die ursprüngliche Planung der Liquidität ersten Grades (Kassenbestand,
Bankguthaben, nicht ausgeschöpfte Kreditlinie) bestand bei Abschluss des
Kaufvertrages im August 2004 aus drei Säulen:
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der Bereitstellung von Darlehen durch die Gesellschafter der A in Höhe von 20,0
Mio
38
dem Verkauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen weltweit an einen
Factor
39
der Einräumung einer freien Kreditlinie bei der D im Umfang von € 50,0 Mio
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Die bereits von A mit der D vorverhandelte und von der Bank auch in Aussicht
gestellte Kreditlinie von € 50,0 Mio ist zum Closing nicht in Anspruch genommen
worden. Der Hintergrund für diese Vorgehensweise lag nach den Angaben der A
und deren Gesellschafter darin, dass die A zu diesem Zeitpunkt keine weitere
Belastung eingehen wollte. Die Schuldnerin hat dem angabegemäß schließlich
zugestimmt, weil die überarbeiteten Planungen des Mittelzuflusses zeigten, dass die
verbleibende Liquiditätsausstattung ausreichend schien. Die A hingegen behauptet,
die Aufgabe der Kreditlinie bei der D sei von der A entschieden und gegen den
ausdrücklichen Ratschlag der A umgesetzt worden. Einzelheiten werde ich erst
nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufklären können. Schließlich erwies
sich die zweite Säule der Liquiditätsplanung als nicht so "stabil" wie angenommen:
Ursprünglich sollte – so die Schilderung von Herrn Dr. E – die Firma F als Factor
fungieren. Sie hatte die Möglichkeit, aufgrund weltweit vorhandener Standorte
sämtliche Forderungen der Schuldnerin anzukaufen. Kurz vor Vertragsabschluss ist
die Firma F durch die K ausgetauscht worden. Diese bot zwar bessere Konditionen
an und hatte wegen Vorerfahrungen auch bessere technische Möglichkeiten, sie
soll im Gegensatz zur Firma F aber nur einen Teil der Kundenforderungen
aufgekauft haben können. Dadurch ist für die Schuldnerin ein erheblicher Teil der
Vorfinanzierungsmöglichkeit weggefallen. Tatsächlich hat (gruppenweit betrachtet)
im Mai 2005 eine Veräußerungsmöglichkeit für Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen an die K lediglich in einer Größenordnung von rd. € 20,0 Mio bestanden,
während die Liquiditätsplanung der Schuldnerin für diesen Zeitpunkt bereits eine
Vorfinanzierungsmöglichkeit von € 43,3 Mio vorgesehen hatte. Daraus ergab sich
eine Deckungslücke, die zu schließen der Schuldnerin nicht gelungen ist."
41
Zu den die Insolvenz auslösenden Umständen hieß es, dass die A seinerzeit nicht in
der Lage gewesen sei, auf dem allgemeinen Kreditmarkt ihre Liquiditätslücke zu
decken. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit dafür hieß es in dem Gutachten von Dr. R :
42
"Dafür ist verantwortlich, dass weder zum damaligen Zeitpunkt noch zum Zeitpunkt
der Abfassung dieses Gutachtens eine "Eröffnungsbilanz" per Ausgliederung am
01.11.2004 noch ein Jahresabschluss zum 31.12.2004 vorlag bzw. vorliegt. Zwar
verfügt die A über durchaus beachtliche Vermögenswerte, die eine Kreditaufnahme
in der erforderlichen Höhe erlaubt hätten, doch war die Geschäftsleitung der
Meinung, ein Kredit sei wegen des nicht vorhandenen Rechnungswesens auf dem
Markt nicht zu erlangen."
43
In den von Herrn J gezeichneten Bericht zur Gläubigerversammlung am 11.10.2005
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wurde zur Vorgeschichte u. a. folgendes ausgeführt:
"A prüfte bereits 2003 Möglichkeiten, sich von der inzwischen im freien Fall
befindlichen, defizitären Photosparte zu trennen. Das Ergebnis interner
Untersuchungen war, dass selbst nach Restrukturierungsmaßnahmen keine
Aussicht mehr bestand, künftige Schließungskosten für die Photosparte aus deren
Erträgen bezahlen zu können. Zentrale Größe waren hierbei die Kosten des
Personalabbaus. Eine nachfolgende Vorstandsvorlage ermittelte für die Photosparte
Schließungskosten von 480 MEUR, Pensionsverpflichtungen noch nicht
eingerechnet.
45
Vor diesem Hintergrund schien es vorzugswürdig, die Photosparte zu veräußern.
Nach einem Bieterprozess erhielt die Finanzinvestorin N den Zuschlag, die das
"Höchstgebot" von 2 MEUR abgegeben hatte. Strategische Investoren, die einen
offen negativen Kaufpreis, also eine Zuzahlung von A für die Durchführung
unabdingbarer Sanierungsmaßnahmen, forderten, kamen nicht zum Zuge. Dabei
liegt es auf der Hand, dass ein strategischer Investor, der Synergie-Effekte nutzen
kann, eher in der Lage war, die Photosparte wieder in die Gewinnzone zu bringen,
als ein reiner Finanzinvestor mit im Verhältnis zu der gestellten Aufgabe
bescheidener finanzieller Ausstattung."
46
Im Oktober 2005 wurde auch für die A Insolvenzantrag gestellt; der Beklagte zu 1) wurde
alsdann zum Insolvenzverwalter der A berufen und das Insolvenzverfahren am
22.12.2005 eröffnet.
47
Zuvor hatte der Kläger mit Schreiben vom 10.11.2005 gerügt, dass die Lage des
Unternehmens offensichtlich sehr viel schlechter sei, als dies in den Informationen zum
Betriebsübergang angegeben worden sei. Der Kläger wies in jenem Schreiben darauf
hin, dass nach seiner Auffassung die Unterrichtung anlässlich des Betriebsübergangs
nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe, verlangte weitere
Informationen und teilte mit, er werde eine Entscheidung darüber, ob er dem
Betriebsübergang widersprechen werde, nach Eingang der weiteren von ihm
geforderten Informationen treffen.
48
Der Beklagte zu 1) kündigte mit Schreiben vom 28.12.2005 zum 31.03.2006. Hiergegen
richtete sich die Kündigungsschutzklage des Klägers, die am 18.01.2006 bei Gericht
einging.
49
Mit Schreiben vom 16.01.2006 widersprach der Kläger dem Betriebsübergang.
50
Nach Anhörung des Betriebsrats der A am 16.02.2006 kündigte die Beklagte zu 2) das
Arbeitsverhältnis mit dem Kläger vorsorglich durch Schreiben vom 25.02.2006 zum
30.09.2006.
51
Hiergegen richtete sich die Klageerweiterung des Klägers, die bei Gericht am
01.03.2006 einging.
52
Mit der Klage verlangte der Kläger von der Beklagten zu 2) weiter die Zahlung von
Spesen für September 2005, die Erstattung von Beiträgen zu einer privaten Kranken-
und Pflegeversicherung für den September 2005 und die Vergütung für den Zeitraum
von Dezember 2005 bis Juli 2006. Dabei ließ sich der Kläger anrechnen, dass er ab
53
Juni 2006 eine deutlich schlechter bezahlte anderweitige Beschäftigung gefunden hatte.
Der Kläger hat beantragt,
54
1. festzustellen, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis
besteht, welches auch durch die Kündigung der Beklagten zu 2) vom 25.02.2006
nicht endet, sondern über den 31.09.2006 hinaus ungekündigt fortbesteht;
55
56
2. h i l f s w e i s e
57
58
festzustellen, dass das zwischen ihm und dem Beklagten zu 1) bestehende
Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 28.12.2005
nicht endet, sondern über den 31.05.2006 hinaus ungekündigt fortbesteht;
59
3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn EUR 194,89 Ersatz für von ihm im
September 2005 verauslagte Spesen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2006 zu zahlen;
60
61
4. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn EUR 549,90 zuzüglich Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2006 zu zahlen;
62
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5. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Dezember
2005 EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit
übergegangenes Insolvenzgeld in Höhe von EUR 2.951,47 abzüglich auf die
Bundesagentur für Arbeit übergegangenes Arbeitslosengeld in Höhe von EUR
192,36 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 01.01.2006 zu zahlen;
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6. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Januar 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 1.923,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2006 zu zahlen;
66
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7. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Februar 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 1.923,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2006 zu zahlen;
68
69
8. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat März 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 1.923,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2006 zu zahlen;
70
71
9. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat April 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 1.923,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2006 zu zahlen;
72
73
10. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Mai 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von 1.923,60 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2006 zu zahlen;
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11. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Juni 2006
EUR 1.424,16 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
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Basiszinssatz seit dem 01.07.2006 zu zahlen;
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12. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Juli 2006
EUR 623,86 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 zu zahlen;
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79
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 24.08.2006 festgestellt, dass zwischen dem
Kläger und der Beklagten zu 2) bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ein Arbeitsverhältnis
bestanden hat. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu 2) verurteilt, die geltend gemachte
Vergütung für die zweite Monatshälfte Januar sowie die Monate Februar, März, April,
Mai, Juni und Juli 2006 nebst Zinsen an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen hat das
Arbeitsgericht die Klage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat das
Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger habe rechtzeitig dem Betriebsübergang
widersprochen. Die von der Beklagten zu 2) vorgenommene Information sei nicht
ordnungsgemäß gewesen, sodass die 6 – monatige Widerspruchsfrist nicht zu laufen
begonnen habe. Das Widerspruchsrecht sei auch nicht verwirkt. Das Arbeitsverhältnis
zu der Beklagten zu 2) sei erst durch die vorsorgliche Kündigung zum 30.09.2006
beendet worden. Hingegen sei die von dem Beklagten zu 1) erklärte Kündigung ins
Leere gegangen, weil der Beklagte zu 1) wegen des Widerspruchs des Klägers gegen
den Betriebsübergang nicht Arbeitgeber gewesen sei. Unbegründet sei die
Zahlungsklage des Klägers, soweit er von der Beklagten zu 2) Zahlungen verlange, die
aus der Zeit vor Ausübung seines Widerspruchsrechts resultierten. Hingegen habe der
Kläger ab Ausübung seines Widerspruchsrechts, also ab Mitte Januar 2006 bis zum
Ende des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf die vertragsgemäße Vergütung.
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Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte zu 2) Berufung
eingelegt.
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Der Kläger erstrebt mit seiner Berufung die Erweiterung des arbeitsgerichtlichen Urteils
dahingehend, dass der uneingeschränkte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu der
Beklagten zu 2) festgestellt wird. Er verfolgt ferner mit der Berufung die
Zahlungsansprüche weiter, die durch das Urteil des Arbeitsgerichts abgewiesen worden
sind und hat klageerweiternd in der Berufungsinstanz auch die Vergütung für die
Monate Oktober, November 2006, Dezember 2006 und Januar 2007 geltend gemacht.
82
Die Beklagte zu 2) erstrebt mit ihrer Berufung die vollständige Abweisung der Klage.
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Der Kläger trägt vor, die Beklagte zu 2) habe ihre Informationspflichten gemäß § 613 a
BGB nicht ordnungsgemäß erfüllt. Der Kläger verweist insoweit auf die diesbezüglichen
Ausführungen des Arbeitsgerichts. Er macht darüber hinaus geltend, dass die Beklagte
zu 2) insbesondere über die finanzielle Situation der Betriebsübernehmerin unzutreffend
informiert haben. Da die Beklagte zu 2) ihre Informationspflichten nicht ordnungsgemäß
erfüllt habe, habe die Widerspruchsfrist für den Kläger nicht zu laufen begonnen mit der
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Konsequenz, dass der Widerspruch des Klägers gegen den Betriebsübergang
rechtzeitig gewesen sei. Der Widerspruch verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben
und sei nicht verwirkt.
Die Kündigung der Beklagten zu 2) vom 25.02.2006 hält der Kläger für
rechtsunwirksam, da die Beklagte zu 2) gegen § 102 BetrVG verstoßen habe. Die
Beklagte zu 2) schulde zudem die geltend gemachten Vergütungsansprüche aus
Annahmeverzug. Insoweit sei zu beachten, dass der Widerspruch des Arbeitnehmers
zurückwirke. Zudem würden die Ansprüche auch als Schadensersatz nach § 280 Abs. 1
BGB geschuldet. Ein Widerspruch wäre für den Kläger auch günstiger gewesen, weil er
dadurch einen Abfindungsanspruch von etwa 60.000,00 € aufgrund des für die Beklagte
zu 2) geltenden Rahmensozialplans habe erhalten können.
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Vorsorglich macht der Kläger geltend, dass auch die Kündigung des Beklagten zu 1)
vom 28.12.2005 rechtsunwirksam sei. Der Kläger bezweifelt zudem, dass der Betrieb
der Insolvenzschuldnerin tatsächlich stillgelegt worden sei.
86
Der Kläger beantragt, unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu 2) und unter
teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 24.08.2006 – 1 Ca
476/06 –
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1. festzustellen, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis
besteht, welches auch durch die Kündigung der Beklagten zu 2) vom 25.02.2006
nicht endet, sondern über den 31.09.2006 hinaus ungekündigt fortbesteht;
88
89
2. h i l f s w e i s e
3. festzustellen, dass das zwischen ihm und dem Beklagten zu 1) bestehende
Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 28.12.2005 nicht
endet, sondern über den 31.05.2006 hinaus ungekündigt fortbesteht;
90
91
1. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn EUR 194,89 Ersatz für von ihm im
September 2005 verauslagte Spesen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2006 zu zahlen;
92
93
2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn EUR 549,90 zuzüglich Zinsen in Höhe
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von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2006 zu zahlen;
95
3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Dezember
2005 EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit
übergegangenes Insolvenzgeld in Höhe von EUR 2.951,47 abzüglich auf die
Bundesagentur für Arbeit übergegangenes Arbeitslosengeld in Höhe von EUR
192,36 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 01.01.2006 zu zahlen;
96
97
4. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Januar 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 1.923,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2006 zu zahlen;
98
99
5. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Februar 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 1.923,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2006 zu zahlen;
100
101
6. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat März 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 1.923,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2006 zu zahlen;
102
103
7. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat April 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 1.923,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2006 zu zahlen;
104
105
8. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Mai 2006
EUR 4.325,46 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenes
Arbeitslosengeld in Höhe von 1.923,60 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2006 zu zahlen;
106
107
9. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Juni 2006
EUR 1.424,16 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01.07.2006 zu zahlen;
108
109
10. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn als Vergütung für den Monat Juli 2006
EUR 623,86 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 zu zahlen;
110
111
Im Wege der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz beantragt der Kläger ferner
112
13. Die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an den Kläger als Vergütung für den
Monat Oktober 2006 € 1.831,95 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2006 zu zahlen
113
14. Die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an den Kläger als Vergütung für den Monat
November 2006 € 1.796,48 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen.
114
115
15. Die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an den Kläger als Vergütung für den Monat
Dezember 2006 € 1.570,96 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2007 zu zahlen.
116
117
16. Die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an den Kläger als Vergütung für den Monat
Januar 2007 € 1.755,33 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2007 zu zahlen.
118
119
Der Beklagte zu 1) beantragt,
120
die Berufung des Klägers, soweit sie sich auf den Hilfsantrag bezieht,
kostenpflichtig zurückzuweisen.
121
Die Beklagte zu 2) beantragt,
122
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 24.08.2006 – 1 Ca
476/06 – die Klage insgesamt auch hinsichtlich der in der Berufungsinstanz
gestellten Klageerweiterungsanträge abzuweisen.
123
Der Beklagte zu 1) trägt vor, für eine Klage gegen den Beklagten zu 1) bestehe kein
Rechtsschutzbedürfnis. Der Betrieb der Insolvenzschuldnerin sei zudem stillgelegt,
sämtliche Arbeitsverhältnisse seien gekündigt. Es bestehe Masseunzulänglichkeit.
Bereits im Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters sei darauf hingewiesen
worden, dass eine Fortführung nicht in Betracht gekommen sei. Die
Insolvenzschuldnerin sei auch nie Inhaber von Markenrechten gewesen.
124
Die Beklagte zu 2) trägt vor, dass Informationsschreiben der Beklagten zu 2) vom
22.10.2004 sei ausreichend, weil es die Mindestanforderungen erfülle. Daher sei die
Widerspruchsfrist in Gang gesetzt worden und abgelaufen.
125
Abgesehen hiervon habe der Kläger sein Widerrufsrecht auch verwirkt. Eine Pflicht zur
Information über Details der finanziellen Ausstattung des Betriebserwerbers habe nicht
bestanden. Die Angaben seien richtig und vollständig gewesen. Deshalb sei der
Widerspruch des Klägers verspätet.
126
Selbst wenn man die Informationen der Beklagten zu 2) als nicht ausreichend ansehe,
sei es nicht angemessen, daraus ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht abzuleiten.
Ein zeitlich unbegrenztes Widerspruchsrecht widerspräche Treu und Glauben und den
Anforderungen der Rechtssicherheit. Zumindest müsse eine Höchstfrist von 6 Monaten
in Anlehnung an § 5 Abs. 3 KSchG gelten. Im vorliegenden Fall habe der Kläger das
Widerspruchsrecht zudem verwirkt. Als Umstandsmoment sei die Abkehr vom
bisherigen Arbeitgeber anzusehen. Die vom Kläger geltend gemachten
Zahlungsansprüche seien unbegründet. Es habe keine Leistungsbereitschaft
bestanden. Der Kläger könne auch nicht geltend machen, dass bei Ausübung des
Widerspruchs ein Abfindungsanspruch bestanden habe. Denn die Betriebspartner
hätten einen solchen für den vorliegenden Fall gerade ausgeschlossen.
127
Wegen weiterer Einzelheiten des umfangreichen Parteivorbringens wird auf die
128
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
129
Das Urteil des Arbeitsgerichts hat Bestand. Die Berufung der Beklagten zu 2) ist
unbegründet. Auch die Berufung des Klägers unbegründet. Schließlich hat der Kläger
keinen Erfolg mit der in der Berufungsinstanz eingereichten Klageerweiterung.
130
I. Sowohl die Berufung der Beklagten zu 2) als auch die Berufung des Klägers sind
zulässig. Der Kläger hat gegen das ihm am 27.10.2006 zugestellte Urteil am 10.11.2006
Berufung eingelegt und diese am 19.12.2006 begründen lassen, sodass die Frist für die
Einlegung der Berufung und die Frist für die Begründung der Berufung gewahrt sind.
Gleiches gilt für die Berufung der Beklagten zu 2), die gegen das ihr am 26.10.2006
zugestellte Urteil am 02.11.2006 Berufung eingelegt hat und diese nach Verlängerung
der Berufungsbegründungsfrist auf den 27.01.2007 am 23.01.2007 begründet hat.
131
II. In der Sache hatte die Berufung der Beklagten zu 2) keinen Erfolg. Auch die Berufung
des Klägers war nicht erfolgreich.
132
1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass aufgrund des Widerspruchs des
Klägers gegen den Betriebsübergang das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der
Beklagten zu 2) bis in das Jahr 2006 fortbestanden hat und erst durch die ordentliche
Kündigung der Beklagten zu 2) vom 25.02.2006 beendet werden konnte.
133
a) Der vom Kläger mit Schreiben vom 16.01.2006 erklärte Widerspruch gegen den
Betriebsübergang ist rechtswirksam und nicht verfristet. Auf die Monatsfrist des § 613 a
Abs. 6 S. 1 BGB kann sich die Beklagte zu 2) unter Hinweis auf das
Informationsschreiben vom 22.10.2004 nicht berufen. Denn nach zutreffender
höchstrichterlicher Rechtsprechung beginnt die einmonatige Widerspruchsfrist nur zu
laufen, wenn der Arbeitgeber eine vollständige Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5
BGB vorgenommen hat.
134
Durch eine unterbliebene oder nicht ordnungsgemäße Unterrichtung wird die
Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 nicht ausgelöst (siehe BAG, Urteil vom 13.07.2006
– 8 AZR 305/05 – NZA 2006, Seite 1268; BAG, Urteil vom 13.07.2006 – 8 AZR 303/05 –
NJW 2007, Seite 244).
135
Entscheidend dafür ist der Zweck des gesetzlichen Informationsanspruchs in § 613 a
Abs. 5 BGB. Die erteilten Informationen sollen den Arbeitnehmer in die Lage versetzen,
ausreichende Entscheidungsgrundlagen dafür zu haben, ob das Widerspruchsrecht
ausgeübt wird oder nicht. Deshalb ist es folgerichtig, den Beginn des Laufs der
Widerspruchsfrist daran zu knüpfen, dass eine ordnungsgemäße Unterrichtung erfolgt
ist. Sowohl dann, wenn überhaupt keine Unterrichtung erfolgt ist als auch dann, wenn
sie nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, fehlt es dem Arbeitnehmer an den notwendigen
Entscheidungsgrundlagen für seine Entscheidung, ob er von seinem Widerspruchsrecht
Gebrauch macht oder nicht. Nur eine ordnungsgemäße und vollständige Erfüllung der
Unterrichtungspflichten des § 613 a Abs. 5 BGB führt daher zum Beginn des Laufs der
Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB.
136
b) Zu Recht hat das Arbeitsgericht im vorliegend Fall festgestellt, dass die Beklagte zu
2) die ihr diesbezüglich obliegenden Unterrichtungspflichten nicht ordnungsgemäß
137
erfüllt hat, sodass die Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB nicht zu laufen
beginnen konnte. Die dem Kläger erteilte Information vom 22.10.2004 ist bereits deshalb
fehlerhaft, weil die Beklagte zu 2) über die Haftungsfragen nicht entsprechend dem
Gesetzeswortlaut des § 613 a Abs. 2 BGB informiert hat. Zutreffend hat das
Arbeitsgericht diesen Unwirksamkeitsgrund herausgearbeitet. Auf die diesbezüglichen
Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil wird daher in vollem
Umfang Bezug genommen. Der Unwirksamkeitsgrund wird bestätigt durch das Urteil
des BAG vom 14.12.2006 (Az. 8 AZR 763/05, DB 2007, 976), in dem das
Bundesarbeitsgericht bekräftigt hat, dass eine fehlerhafte Unterrichtung über die
Haftungsverteilung gegen § 613 a Absatz 5 BGB verstößt und die Widerspruchsfrist
nicht auslöst.
Auch aus weiteren Gründen ist die dem Kläger erteilte Information nicht
ordnungsgemäß, sondern unzutreffend.
138
Die Beklagte zu 2) hat in dem Informationsschreiben vom 22.10.2004 den Eindruck
erweckt, als finde ein Betriebsübergang auf ein solventes und für die Zukunft gut
gerüstetes, mit mehr als ausreichendem Eigenkapital ausgestattetes Unternehmen statt.
139
Zwar wird in der Literatur mit unterschiedlicher Akzentsetzung darüber debattiert, ob zur
Pflicht zur Unterrichtung über die wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs auch
gehört, über die Solvenz des Betriebserwerbers etwas zu sagen (siehe
Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, Kommentar 2. Auflage, § 613 a Rz. 333 ff. ; ErfK
zum Arbeitsrecht, 7. Auflage, § 613 a Rz. 84 ff. ; Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht
2. Auflage § 613 a BGB Rz. 213 ff.).
140
Es besteht aber weitgehend Einigkeit, dass über ein laufendes oder unmittelbar
bevorstehendes Insolvenzverfahren beim Betriebserwerber zu unterrichten ist, weil sich
der Umfang der Unterrichtung am Zweck der Unterrichtung, nämlich der Schaffung einer
Entscheidungsgrundlage für die sachgerechte Ausübung des Widerspruchsrechts
orientieren muss.
141
Unabhängig vom Umfang der Unterrichtungsverpflichtung ist aber festzuhalten, dass
jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber sich entschließt, Informationen zur
wirtschaftlichen Lage des Erwerbers zu geben, diese in tatsächlicher Hinsicht zutreffend
sein müssen. Dabei richtet sich der Inhalt der Unterrichtung nach dem Kenntnisstand
des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung (Urteil vom
13.07.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, Seite 1268 ff., 1270).
142
Hier ist festzustellen, dass die dem Kläger am 22.10.2004 zur wirtschaftlichen Lage der
Betriebserwerberin erteilten Informationen im klaren Widerspruch zu den zu diesem
Zeitpunkt bestehenden objektiven Fakten standen.
143
In dem Unterrichtungsschreiben vom 22.10.2004 heißt es, dass die A das Vermögen
des abgebenden Unternehmens übernommen habe. Hierzu gehörten insbesondere
Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte
und Forderungen. Zur wirtschaftlichen Lage hieß es zusammenfassend, dass die
Betriebserwerberin mit einem guten Eigenkapital ausgestattet sei und über hohe
Liquidität verfüge, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen zu können, in neue
Geschäfte investieren und Markchancen besser nutzen zu können.
144
Bei diesen Aussagen handelt es sich nicht, wie die Beklagte zu 2) geltend machen will,
um unverbindliche Wertungen. Denn diese Aussagen sind vor dem Hintergrund des
Empfängerhorizontes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszulegen, den die
Beklagte zu 2) durch ihre vorherigen Aussagen zu diesem Thema, insbesondere auf
den Mitarbeiterversammlungen am 19.08. und am 21.09.2004 geprägt hatte.
145
In den bei diesen Veranstaltungen vorgelegten Charts hatte die Beklagte zu 2)
ausgeführt, dass der Betriebserwerberin bereits am ersten Tag Barmittel von mehr als
70 Millionen Euro zur Verfügung stehen würde, des weiteren eine Kreditlinie von
zunächst 50 Millionen Euro die bei Bedarf deutlich erhöht werden könne.
Verbindlichkeiten könnten ausschließlich durch übernommene Forderungen aus
Leasing getilgt werden. Zudem seien als Vermögensbestandteile die Namensrechte
und die Markenzeichen sowie alle registrierten Warenzeichen dauerhaft bei der
Betriebserwerberin. Die Aussage in dem Unterrichtungsschreiben vom 22.10.2004
mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten zu 2) daher als
zusammenfassende Unterstreichung und Bekräftigung dieser zuvor gemachten
Angaben verstehen. Danach hätte die Summe aus Barmitteln und Kreditlinie als
verfügbare Liquidität bei mehr als 120 Millionen Euro gelegen.
146
Demgegenüber wären die Verbindlichkeiten durch übernommenen Forderungen aus
Leasing getilgt gewesen. Die Betriebserwerberin hätte zudem über vermögenswerte
Namens- und Markenrechte verfügt.
147
Tatsächlich war all dies zum Zeitpunkt der Unterrichtung am 22.10.2004 nicht mehr
zutreffend.
148
Nach dem Gutachten im Insolvenzverfahren der A bestand schon die ursprüngliche
Planung der Liquidität bei Abschluss des Kaufvertrages im August 2004 aus drei
Säulen, nämlich der Bereitstellung von Darlehen durch die Gesellschafter der A in Höhe
von 20 Millionen Euro, dem Verkauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
weltweit an eine Factor und aus der Einräumung einer freien Kreditlinie bei der D im
Umfang von 50 Millionen. Aus der Liquiditätsplanung bezüglich des Verkaufs von
Forderungen aus Lieferung und Leistungen war eine Vorfinanzierungsmöglichkeit in
Höhe von 43,3 Millionen Euro vorgesehen.
149
Bereits diese in der ursprünglichen Liquiditätsplanung enthaltenen Zahlen lassen sich
nicht mit den den Beschäftigten genannten Zahlen in Übereinstimmung bringen. Denn
aus Gesellschafterdarlehen und Darlehen bei der Dresdner Bank resultierte nur ein
Liquiditätsvolumen von insgesamt 70 Millionen Euro (20 Millionen Euro + 50 Millionen
Euro). An Barmitteln standen nicht 72 Millionen zur Verfügung, wie es in einem Chart
hieß, sondern wenn man das Gesellschafterdarlehen zugrunde legt, lediglich 20
Millionen Euro. Die Liquidität bestand also insgesamt aus maximal 70 Millionen Euro.
150
Dass tatsächlich nur maximal 70 Millionen Euro als Liquidität verfügbar war, hat die
Beklagte zu 2) im übrigen durch ihre Aufstellung im Schriftsatz vom 1.6.2006 bestätigt.
151
Demgegenüber hatte die Beklagte zu 2) in den den Beschäftigten vorgelegten Charts
angegeben, dass die Betriebserwerberin 70 Millionen Barmittel und zusätzlich eine
Kreditlinie von 50 Millionen Euro habe, die bei Bedarf noch deutlich erhöht werden
könne, also mehr als 120 Millionen Euro.
152
In Wahrheit war also nur etwas mehr als die Hälfte des Betrages an Liquidität verfügbar,
der den Beschäftigten vermittelt worden war und an den sie aufgrund der Bekräftigung
der guten Liquiditätslage in dem Unterrichtungsschreiben vom 22.10.2004 glauben
konnten.
153
Aus dem Verkauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen folgte nach dem
Insolvenzgutachten nur eine Vorfinanzierungsmöglichkeit in Höhe von 43,3 Millionen
Euro. Millionen. Die übernommenen und realisierbaren Forderungen waren hingegen in
den Charts mit 185 Millionen Euro angegeben. Es kommt hinzu, dass kurz vor
Vertragsabschluss nach dem Insolvenzgutachten die Firma Fortis als Factor durch die
KBC-Bank ersetzt wurde, wodurch sich die Vorfinanzierungsmöglichkeiten von 43,3
Millionen Euro auf 20 Millionen Euro drastisch reduzierten.
154
Es kommt ferner hinzu, was auch der Beklagte zu 1) unterstrichen hat, dass weder die
Betriebserwerberin noch die A jemals Inhaberin der vermögensrelevanten Namens- und
Markenrechte war; insoweit bestanden lediglich Nutzungsrechte, nicht aber, was für die
Liquidität und auch die Eigenkapitalausstattung viel bedeutsamer gewesen wäre,
Eigentums- und Verwertungsrechte.
155
Während also in dem Unterrichtungsschreiben vom 22.10.2004 der Eindruck erweckt
wurde, die Betriebserwerberin verfüge über eine solch gute Liquidität, dass sie auch
gegen unvorhergesehene Verschlechterungen bestens gewappnet sei und über
glänzende Zukunftsaussichten verfüge, war die reale Lage deutlich schlechter.
156
Die erteilten Informationen stimmten damit mit der Wirklichkeit nicht überein. In diesem
Zusammenhang ist der Vortrag der Beklagten zu 2) unerheblich, die Informationen seien
im Zusammenwirken mit Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat erstellt worden.
Unzutreffende Angaben können nicht dadurch richtig werden oder geheilt werden, dass
Dritte daran mitgewirkt hätten.
157
Die Bedeutsamkeit der den Arbeitnehmern in wirtschaftlicher Hinsicht erteilten
Informationen folgt auch daraus, dass ausweislich des Berichts zur
Gläubigerversammlung am 11.10.2005 A bereits seit 2003 Möglichkeiten geprüft hatte,
sich – wie es wörtlich heißt - von der "im freien Fall befindlichen defizitären Fotosparte"
zu trennen.
158
In dem Bericht heißt es , dass das Ergebnis interner Untersuchungen gewesen sei, das
selbst nach Restrukturierungsmaßnahmen keine Aussicht mehr bestehe, künftige
Schließungskosten für die Fotosparte aus deren Erträgen bezahlen zu können. Die
zentrale Größe sei hierbei der Kostenumfang des Personalabbaus gewesen. Eine
nachfolgende Vorstandsvorlage habe für die Fotosparte Schließungskosten von 480
Millionen Euro errechnet, Pensionsverpflichtungen noch nicht eingerechnet.
159
Diese berechneten Schließungskosten resultierten insbesondere aus den
Abfindungszahlungen aus dem Rahmensozialplan, die sich bei unmittelbarer
Schließung der Photosparte ergeben hätten. Vor diesem Hintergrund ist es erklärlich,
dass ein Betriebsübergang gegenüber einer Betriebsschließung aus Arbeitgebersicht
vorzuziehen war. Es musste daher das Interesse der Beklagten zu 2) sein, die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Photosparte von der Ausübung ihres
Widerspruchsrechts bei Betriebsübergang abzuhalten. Dabei kann dahingestellt
bleiben, worauf sich die Beklagte zu 2) beruft, ob die von der Beklagten zu 2) mit dem
160
Betriebsrat geschlossene Überleitungsvereinbarung, die Sozialplanansprüche
ausschließt, einer rechtlichen Überprüfung standhält. Der Betriebsübergang hätte
jedenfalls tatsächlich nicht realisiert werden können, wenn eine Vielzahl von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dem Betriebsübergang bereits im Jahre 2004
widersprochen hätten. Dann wäre nicht auszuschließen gewesen, dass aufgrund einer
Vielzahl von Widersprüchen die Beklagte zu 2) eine Vielzahl von betriebsbedingten
Kündigungen hätte aussprechen müssen, die ihrerseits eine Sozialplanpflicht ausgelöst
hätten.
Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass die dem Kläger anlässlich des
Betriebsübergangs am 22.10.2004 erteilten Informationen aus mehreren Gründen
unvollständig und unzutreffend waren.
161
c) Der Widerspruch des Klägers ist nicht deshalb verspätet, weil er innerhalb von 6
Monaten in analoger Anwendung des § 5 Abs. 3 KSchG hätte erhoben werden müssen.
Eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 3 KSchG kommt bereits angesichts der
Geschichte des Gesetzgebungsverfahrens nicht in Betracht.
162
Der Gesetzgeber hat die Aufnahme einer festen Frist im Gesetzgebungsverfahren
abgelehnt, indem ein entsprechender im Gesetzgebungsverfahren gestellter
Änderungsantrag mit Mehrheit zurückgewiesen worden ist. Angesichts dieser klaren
gesetzgeberischen Entscheidung kann nicht durch Auslegung das Gegenteil des
gesetzgeberischen Willens hergestellt werden.
163
Dabei ist erheblich, aus welchen Gründen dies geschehen ist und in welcher
Detailschärfe der Änderungsvorschlag beraten worden ist. Es fehlt jedenfalls, wie
bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, an einer planwidrigen
Regelungslücke, da der Gesetzgeber bewusst die Entscheidung getroffen hat, von einer
zeitlichen Höchstgrenze abzusehen. Dem steht auch der Aspekt der Rechtssicherheit
nicht entgegen. Wer die Früchte der kurzen Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 Satz 1
BGB in Anspruch nehmen will, muss nach der gesetzgeberischen Entscheidung
seinerseits seine Unterrichtungspflichten ausreichend vollständig und wahrheitsgemäß
erfüllen.
164
Wer dies nicht tut, oder wer durch unzureichende oder falsche oder unterlassene
Information die gesetzliche Unterrichtungspflicht nicht einhält, kann nicht damit rechnen,
nach einer etwas längeren Frist doch die Vorteile des Verfalls des Widerspruchsrechts
in Anspruch nehmen zu können.
165
Dies ist auch angesichts des Schutzzwecks des § 613 a BGB gerechtfertigt. Denn durch
den Betriebsübergang zwingt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einen neuen
Vertragspartner auf, von dem der Arbeitnehmer nicht wissen kann, ob er solvent und
zukunftsfähig ist.
166
Vor diesem Hintergrund hat eine wahrheitsgemäße und umfassende Unterrichtung des
Arbeitnehmers entscheidende Bedeutung für die sachgerechte Entscheidung über die
Ausübung des Widerspruchsrechts.
167
d) Der Kläger hat das Recht, dem Betriebsübergang zu widersprechen, nicht verwirkt.
Weder das Zeitmoment noch das Umstandsmoment sind erfüllt.
168
Angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalls fehlt es bereits an einem
ausreichenden Zeitmoment. Angesichts der unzutreffenden Informationen, die die
Beklagte zu 2) in ihrem Informationsschreiben vom 22.10.2004 erteilt hatte, liegt ein
ausreichendes Zeitmoment nicht vor, zumal die Beklagte zu 2) auch nach dem
Schreiben vom 22.10.2004 keinerlei Anstrengungen unternommen hat, die
Unterrichtungsdefizite zu korrigieren. Auch die regelmäßige Verjährungsfrist, die eine
Anhalt für das Zeitmoment zu geben vermag, ist bei weitem noch nicht erreicht.
169
Es fehlt darüber hinaus an einem für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment.
Allein die Weiterarbeit beim Betriebserwerber vermag ein solches Umstandsmoment
nicht zu begründen.
170
Aus der Weiterarbeit bei einem Betriebserwerber allein kann das Umstandsmoment
nicht abgeleitet werden. Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig
geblieben sein, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht nicht mehr geltend
machen wolle. Erst nach einer solchen längeren Untätigkeit kann Verwirkung in
Betracht kommen. Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht auch keine Verwirkung
angenommen, wenn der Widerspruch fast ein Jahr nach Betriebsübergang erklärt wird,
(vgl. BAG Urteil vom 13.07.2006 – 8 AZR 382/05, NZA 2006, Seite 1406 ff.).
171
Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass die Beklagte zu 2) ihre unzutreffenden
Angaben weder im Jahre 2004 noch im Jahre 2005 korrigiert hat. Auf der anderen Seite
hat der Kläger etwa ein Jahr nach Betriebsübergang mit Schreiben vom 10.11.2005 auf
die Widersprüche zwischen erteilter Information und realer Lage hingewiesen und sich
die Entscheidung über den Widerspruch gegen den Betriebsübergang vorbehalten.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt lag keine Untätigkeit des Klägers mehr vor und die
Beklagte zu 2) konnte nicht darauf vertrauen, dass der Kläger von seinem
Widerspruchsrecht keinen Gebrauch mehr machen würde. Die Beklagte zu 2) kann
auch keinen Vorteil daraus ziehen, dass sie auf dieses Schreiben des Klägers nicht
reagiert hat. Da die Beklagte zu 2) dieses Schreiben des Klägers nicht zum Anlass
genommen hat, in rechtskonformer Weise die Unterrichtungspflicht jedenfalls
nachträglich vollständig zu erfüllen, konnte sie kein schutzwürdiges Vertrauen
dahingehend gewinnen, der Kläger werde von seinem Widerspruchsrecht keinen
Gebrauch mehr machen.
172
Darin liegt auch ein relevanter Unterschied zu dem vom LAG München (Urteil vom
12.10.2006 – 2 Sa 990/05 – BB 2007, Seite 502) entschiedenen Fall, in dem sich der
dortige Arbeitnehmer zunächst auch gerichtlich darauf berufen hatte, er habe nur ein
Arbeitsverhältnis zum Betriebserwerber.
173
Ein Umstandsmoment kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Kläger nicht
die Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bezüglich der A und bezüglich der
Betriebserwerberin bzw. die entsprechenden gerichtlichen
Insolvenzeröffnungsbeschlüsse noch nicht für einen Widerspruch gegen den
Betriebsübergang genutzt hat. Aus der Untätigkeit nach Stellung des Insolvenzantrages
für die A , die Produktionsgesellschaft, im Mai 2005 kann ein entsprechendes
Umstandsmoment nicht abgeleitet werden, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt die
Hoffnung noch nicht aufgeben musste, dass eine Sanierung der Produktionsgesellschaft
gelingen könnte und jedenfalls die Einstellung der Produktion nicht unmittelbar
bevorstand.
174
Darin konnte sich der Kläger bestärkt fühlen durch die Tatsache, dass die
Vertriebsgesellschaft, bei der er arbeitete, zunächst nach wie vor solvent war, weiterhin
arbeitete und die Vertriebsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin bis in den
Dezember 2005 hinein beschäftigte und bezahlte. Dies galt selbst nach dem Zeitpunkt,
in dem die Betriebsübernehmerin im Oktober 2005 Insolvenzantrag stellte. Zudem hat
der Kläger jedenfalls wenige Wochen nach dem sein damaliger Arbeitgeber,
Insolvenzantrag im Oktober 2005 stellte, mit Schreiben vom 10.11.2005 weitere
Informationen verlangt und sich dem Widerspruch gegen den Betriebsübergang
vorbehalten.
175
Damit ist das Umstandsmoment nicht erfüllt.
176
Der Widerspruch gegen den Betriebsübergang ist daher nicht verwirkt.
177
Folglich bestand im Jahre 2006 ein Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten zu 2) und
dem Kläger.
178
e) Dieses Arbeitsverhältnis ist erst durch die Kündigung der Beklagten vom 25.02.2006
aufgelöst worden.
179
Die Kündigung ist nicht aufgrund des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam.
Dem Einwand des Klägers, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß darüber informiert
worden, dass der Kläger mit anderen Arbeitnehmern, die in anderen Geschäftszweigen
der Beklagten arbeiteten vergleichbar sei, vermag die Kammer nicht zu folgen.
180
Die Beklagte zu 2) hatte den Betriebsrat im Einzelnen in der Betriebsratsanhörung vom
16.02.2006 darüber unterrichtet, dass und warum ein geeigneter Arbeitsplatz für den
Kläger nicht vorhanden sei. Insbesondere war im Einzelnen dargelegt und begründet
worden, warum die Tätigkeit des Klägers nicht mit Tätigkeiten in anderen
Geschäftsbereichen der Beklagten zu 2), insbesondere im Bereich Healthcare und
graphische Systeme, vergleichbar sei.
181
Diesbezüglich mag der Kläger anderer Auffassung sein. Im Rahmen der
Informationspflicht an den Betriebsrat ist es jedoch ausreichend, wenn der Arbeitgeber
seine fachliche Einschätzung der Vergleichbarkeit im Einzelnen darlegt. Auch insoweit
erweist sich das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Auf die diesbezüglichen
Ausführungen wird verwiesen.
182
Ein ausreichender betriebsbedingter Kündigungsgrund liegt vor, weil die Beklagte zu 2)
über keine Arbeitsplätze mehr verfügt, die der Kläger ausfüllen könnte.
183
Das Arbeitsverhältnis endete daher zum Ablauf der Kündigungsfrist.
184
2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den hilfsweise gestellten Antrag des Klägers
bezüglich der von dem Beklagten zu 1) ausgesprochenen Kündigung, soweit er
überhaupt zur Entscheidung angefallen ist, abgewiesen. Denn zum Zeitpunkt des
Ausspruchs der Kündigung war der Beklagte zu 1) in Folge der Ausübung des
Widerspruchsrechts gegen den Betriebsübergang nicht Arbeitgeber. Auf die
diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug
genommen.
185
3: Zu Recht hat das Arbeitsgericht ferner die vom Kläger geltend gemachten
Zahlungsansprüche bestehend aus rückständigen Spesenansprüchen, Erstattung von
Versicherungsbeiträgen sowie dem restlichen Gehalt für Dezember 2005 und für Januar
2006 bis zum 16.01.2006 abgewiesen. Hinsichtlich der geltend gemachten Spesen ist
festzustellen, dass es sich hierbei um Ersatz für Aufwendungen handelt, die der Kläger
für die Insolvenzschuldnerin erbracht hat. Ein solcher Anspruch folgt ohnehin nicht aus §
615 BGB sondern aus § 662 BGB. Dieser Aufwendungsersatzanspruch richtet sich
gegen denjenigen, dem die Aufwendungen zu Gute gekommen sind, also die
Insolvenzschuldnerin. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Anspruchsgrundlage
dieser gegen den Beklagten zu 1) zu richtende Anspruch sich nunmehr gegen die
Beklagte zu 2) richten sollte. Der Anspruch kann auch nicht aus § 280 BGB abgeleitet
werden. Zutreffend weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass hier nicht davon
ausgegangen werden kann, dass der Kläger bei von Anfang an ordnungsgemäßer
Information auf jeden Fall sofort von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht
hätte. Gegen eine solche Annahme spricht indiziell auch, dass der Kläger, als die ersten
Anzeichen einer finanziellen Schieflage der Produktionsgesellschaft deutlich wurden,
insbesondere ab Insolvenzantragstellung für die Produktionsgesellschaft im Mai 2005,
der Kläger dem Betriebsübergang noch nicht widersprochen hat sondern – offenbar auf
eine Sanierung hoffend – von einem Widerspruch noch abgesehen hat.
186
Aus diesen Gründen kann auch kein Anspruch auf Erstattung von
Versicherungsbeiträgen bestehen.
187
Auch Gehaltsansprüche bezüglich der restlichen Dezembervergütung sowie hinsichtlich
der Vergütung bis zum Widerspruch gegen den Betriebsübergang am 16.01.2006
bestehe nicht. Zwar ist die nach § 615 BGB erforderliche Voraussetzung, dass zwischen
den Parteien in dem fraglichen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestand, erfüllt, da der
Widerspruch auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurückwirkt (vgl. BAG Urteil vom
13.07.2006 – 8 AZR 382/05 -, NZA 2006, Seite 1406 ff.).
188
Es fehlt aber am nach § 297 BGB erforderlichen Leistungsvermögen. Denn der Kläger
hat bis zu seiner Freistellung, die erst durch das Kündigungsschreiben des Beklagten
zu 1) am 28.12.2005 erfolgte, in Vollzeit Arbeitsleistungen für den Beklagten zu 1) bzw.
die Insolvenzschuldnerin erbracht. Es war ihm daher nicht möglich, gleichzeitig ein
weiteres Arbeitsverhältnis in Vollzeit bei der Beklagten zu 2) auszuüben. In
Annahmeverzug konnte die Beklagte zu 2) erst geraten, nach dem der Kläger ihr den
Wegfall dieser subjektiven Unmöglichkeit, die Arbeitsleistung zu erbringen, mitgeteilt
hatte. Dies geschah durch den Widerspruch gegen den Betriebsübergang vom
16.01.2006. Bis einschließlich 16.01.2006 bestand daher kein Anspruch des Klägers
gegen die Beklagten zu 2), auch nicht aus § 280 BGB aus dem bereits genannten
Grund, weil selbst bei vollständiger Information nicht von einem sofortigen Widerspruch
des Klägers auszugehen wäre.
189
Daher kann der Kläger weder rückständige Spesen oder Erstattung von
Versicherungsbeiträgen verlangen noch die restliche Vergütung für Dezember 2005 und
auch nicht die Vergütung für die Zeit bis einschließlich 16.01.2006.
190
4. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Kläger hingegen die Vergütungsansprüche für
die geltend gemachte Zeit ab 17.01.2006 bis zum 31.07.2006 zugesprochen. Der
Anspruch folgt aus § 615 BGB. Über die Ausübung des Widerspruchs rechts hinaus
bedurfte es diesbezüglich, wie das Arbeitsgericht mit Recht hervorgehoben hat, keines
191
weiteren wörtlichen oder tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung. Die Beklagte hatte
dem Kläger durch ihr Verhalten schon vor Ausübung des Widerspruchsrechts,
insbesondere durch die Nichtreaktion auf das Schreiben vom 10.11.2005 zu erkennen
gegeben, dass sie nicht bereit sein würde, den Kläger weiter zu beschäftigen. Im
Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch in der bereits am 18.01.2006 bei Gericht
eingegangenen und gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage durch das Begehren,
festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis
bestand, ein Arbeitsangebot enthalten war. Die Situation ist insoweit vergleichbar der
Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
Zutreffend hat daher das Arbeitsgericht dem Kläger die Vergütungsansprüche ab dem
17.01.2006 zugesprochen. Dabei irrt die Beklagte zu 2), wenn sie in diesem
Zusammenhang meint, dass Arbeitsgericht habe als Vergütungsbeginn frühestens den
17.01.2006 zugrunde legen müssen, tatsächlich aber den 16.01.2006 zugrunde gelegt.
Bis einschließlich 16.01.2006 lagen im Kalendermonat Januar 2006 11 Arbeitstage. 11
weitere Arbeitstage lagen in der Zeit vom 17.01. bis zum 31.01.2006. Angesichts dessen
ist es nicht zu beanstanden, wenn das Arbeitsgericht als Vergütungsanspruch für den
Monat Januar 2006 ab dem 17.01.2006 genau die Hälfte der monatlichen Vergütung
zugrunde gelegt hat.
192
Auf eine tarifvertragliche Verfallfrist vermag sich die Beklagte zu 2) nicht berufen.
Abgesehen davon, dass trotz des diesbezüglichen Bestreitens des Klägers hierzu im
Detail nichts vorgetragen ist, muss darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der von
der Beklagten zu 2) geltend gemachten Verfallfrist um eine sogenannte einstufige
Verfallfrist handelt, die lediglich die schriftliche Geltendmachung verlangt.
Diesbezüglich ist aber anerkannt, dass bei einstufigen Verfallfristen die
Bestandsschutzklage zugleich die Geltendmachung der davon abhängigen
Vergütungsansprüche umfasst (siehe BAG, Urteil vom 07.11.1991 – 2 AZR 34/91 – NZA
92, 521).
193
Die Vergütungsansprüche für die Zeit vom 17.01. bis zum 31.07.2006 stehen dem
Kläger daher zu.
194
Substantiierte Einwendungen hiergegen der Höhe nach hat die Beklagte zu 2) nicht
erhoben. Die Beklagte zu 2) kann insoweit insbesondere nicht mit dem Vortrag gehört
werden, sie könne die Angaben des Klägers zur Vergütungshöhe nur pauschal
bestreiten, weil sie nicht mehr in Besitz der Personalunterlagen sei. Es ist der Beklagten
zu 2) ohne Weiteres zumutbar, sich diese Unterlagen bei dem Beklagten zu 1) zu
verschaffen bzw. dort Einsicht zu nehmen. Der Umstand, dass damit Aufwand
verbunden ist, rechtfertigt es nicht, die Substantiierungsanforderungen herabzusetzen.
Zutreffend hat sich der Kläger zudem das erhaltene Arbeitslosengeld sowie den
erhaltenen Zwischenverdienst anrechnen lassen.
195
5. Keinen Anspruch hatte der Kläger hingegen auf die Ansprüche die mit der
Klageerweiterung in der Berufungsinstanz geltend gemacht wurden, und die die
Vergütung für die Monate Oktober, November und Dezember 2006 und Januar 2007
betraf.
196
In der Sache mussten diese mit der Klageerweiterung verfolgten Ansprüche
zurückgewiesen werden. Denn das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der
ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung vom 25.02.2006 am 30.09.2006.
197
Infolgedessen konnte kein Anspruch des Klägers auf die Vergütung für die Monate
Oktober, November und Dezember 2006 und Januar 2007 bestehen.
III. Insgesamt hatte die Berufung der Beklagten zu 2) keinen Erfolg. Auch die
Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
IV. Daher war auch an der erstinstanzlichen Kostenverteilung gemäß § 92 Abs. 1
ZPO festzuhalten.
198
199
Die Kammer hat die Revision zugelassen, da der Rechtsstreit wegen der Mehrzahl
gleich oder ähnlich gelagerter Fälle grundsätzliche Bedeutung hat.
200
RECHTSMITTELBELEHRUNG
201
Gegen dieses Urteil kann von der klägerischen Partei sowie von der Beklagten zu 2)
202
R E V I S I O N
203
eingelegt werden.
204
Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
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schriftlich beim
207
Bundesarbeitsgericht
208
Hugo-Preuß-Platz 1
209
99084 Erfurt
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Fax: (0361) 2636 - 2000
211
eingelegt werden.
212
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
213
Die Revisionsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
214
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
215
(Dr. Griese) (Moritz) (Ramscheid)
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