Urteil des LAG Köln vom 30.07.2007
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Landesarbeitsgericht Köln, 2 Sa 357/07
Datum:
30.07.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Sa 357/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 3457/06
Schlagworte:
Gemeinsamer Betrieb; Konzernzusammenarbeit
Normen:
§§ 23, 1 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Werden in einem Konzern Personalverwaltung und Lohnbuchhaltung
zentral von der Muttergesellschaft erledigt, so gehören die hiermit
beschäftigten Mitarbeiter ohne weitere Darlegungen nicht zum weit
entfernten, ausschließlich mit Brandschutz für einen Dritten
beschäftigten Betrieb eines Tochterunternehmens.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 25.01.2007 – Az.: 8 Ca 3457/06 – wird auf dessen Kosten
zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Hinsichtlich der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß
§ 69 Abs. 2 ArbGG auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
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Der mit seiner Kündigungsschutzklage unterlegene Kläger trägt mit der Berufung erneut
vor, dass bei der Beklagten mindestens 14 Personen beschäftigt würden. Es sei
offensichtlich, dass es sich um einen Gemeinschaftsbetrieb handele. Der Kern der
Arbeitgeberfunktion werde im sozialen und personalen Bereich von derselben Leitung
ausgeübt. Die Firma K sei auch deshalb nicht der einzige Auftraggeber der Beklagten,
weil der Kläger seine Dienstkleidung in B bei L abgeben sollte und bis zur Beendigung
des Arbeitsverhältnisses dort seine Arbeit verrichten sollte.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 25.01.2007 –
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Az.: 8 Ca 3457/06 – festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.04.2006, zugegangen
am 13.04.2006, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verweist erneut darauf, dass im Betrieb im O ausschließlich 8 Arbeitnehmer
beschäftigt wurden. Es gebe weder weitere Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag mit
der Beklagten abgeschlossen hätten noch Arbeitnehmer, die zwar einen Arbeitsvertrag
mit einem anderen Konzernunternehmen abgeschlossen hätten, aber im Betrieb in O
eingesetzt würden. Personalverwaltung und Lohnbuchhaltung würden im Wege der
Dienstleistungsvergabe durch die Muttergesellschaft der Beklagten, der Firma V V S G
durchgeführt. Dies erfolge im Betrieb der Muttergesellschaft in K .
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Im Übrigen verweist die Beklagte darauf, dass der Kläger durch das verbotene
Internetsurfen seine Einsetzbarkeit im Betrieb in O verloren habe, da die Firma K es
abgelehnt habe, den Kläger weiterhin als Feuerwehrmann für ihren Betrieb einzusetzen.
Einen auf die Kündigungsfrist beschränkten Einsatz in L habe der Kläger abgelehnt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313
ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dabei wird
zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Berufungsbegründung gerade noch die
Anforderungen einer ausreichenden Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen
Urteil erfüllt. Zumindest kann angenommen werden, der Kläger wolle behaupten, 6 in K
beschäftige Arbeitnehmer der Muttergesellschaft seien im Sinne des § 23 KSchG dem
Betrieb in O zuzurechnen, da es sich hierbei um einen Gemeinschaftsbetrieb handele.
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Die Darlegungen des Klägers erfüllen nicht die Voraussetzungen, die nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an die Darlegungen zum gemeinsamen
Betrieb zu stellen sind. Das Gericht legt dabei die Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.2006 – 2 AZR 434/05 – (NZA 2007, Seite 552 ff.)
zugrunde. Danach ist von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen dann
auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und
immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck
zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der
menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird.
Dazu müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer
gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Diese einheitliche Leitung muss
sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen
Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt
nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und
personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell einheitlich
für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Im Rahmen dieser vom
Bundesarbeitsgericht aufgestellten Definition ist zu berücksichtigen, dass Unternehmer
jeweils die Rechtspersönlichkeit und damit der unterschiedliche Arbeitsvertragspartner
eines Arbeitsnehmers ist und ein gemeinsamer Betrieb dann gegeben ist, wenn in
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einem Betrieb im Sinne des Betriebsbegriffes Arbeitnehmer beschäftigt werden, die
verschiedene Unternehmer als Vertragspartner haben.
Maßgeblich im vorliegenden Fall ist deshalb, ob die 8 Arbeitnehmer, die einen
Arbeitsvertrag mit der Beklagten geschlossen haben und in O mit dem Betriebszweck
"Brandschutz bei der Firma K eingesetzt werden, einen in sich abgegrenzten Betrieb
bilden oder ob Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft oder
gar mit weiteren Tochtergesellschaften der Beklagten abgeschlossen haben zusammen
mit diesen in einem Betrieb tätig sind, der den Betriebszweck "Brandschutz- und
Sicherheitsdienstleistungen in ganz D " umfasst. Konstituierend ist dabei die
gemeinsame, auf die Erreichung der arbeitstechnischen Zwecke gerichtete
Betriebsorganisation. Nicht genügend ist eine konzerneinheitlich Leitung oder eine rein
unternehmerische Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Rechtsträgern (vgl.
Kraft in Fabritius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker, BetrVG, Gemeinschaftskommentar Band 1,
6. Auflage, § 4 Rdnr. 23).
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Vorliegend kann festgestellt werden, dass an einer einheitlichen Betriebsstätte in O ein
von der zentralen Verwaltung in K und dem Betriebszweck der Muttergesellschaft
getrennter Betriebszweck nämlich die Brandschutzaufgaben bei der Firma K unter der
einheitlichen Leitung von 3 Geschäftsführern organisatorisch und rechtlich selbständig
erbracht werden, wobei nichts dafür dargestellt ist, dass die von der Muttergesellschaft
erbrachten Dienstleistungen im Personal-, Verwaltungs- und Finanzbereich über eine
unternehmerische Zusammenarbeit hinausgehen und auch nur der Betriebszweck des
K Betriebes über Unterstützungsdienstleistungen hinausginge.
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Ein Arbeitgeber kann je nach seiner Organisationsentscheidung Produktion und
Vertrieb einer Ware auf zwei Betriebe aufteilen aber auch in einem einheitlichen Betrieb
durchführen. Ebenso kann Produktion und kaufmännische Verwaltung in getrennten
Betrieben oder auch in einem Betrieb umgesetzt werden. Auch die Tatsache, dass im
Wesentlichen, wenn auch nicht vollständig die Geschäftsführer der Beklagten
personenidentisch sind mit den Geschäftsführern der Muttergesellschaft V V S G führt
nicht dazu, dass die konzernmäßige unternehmerische Zusammenarbeit zwingend auch
eine einheitliche betriebsorganisatorische Leitung bedingen würde. Insbesondere kann
im Hinblick auf betriebsverfassungsrechtliche Arbeitgeberfunktionen nicht festgestellt
werden, dass zwischen der Betriebsstätte in K und derjenigen in O die gemeinsame
Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitgeberfunktionen Grundlage der
Zusammenarbeit der beteiligten Rechtsträger wäre. Die räumlich weit entfernte und
organisatorisch getrennte Betriebsstätte in K ist damit weder als Ganzes noch in Teilen
ihrer Arbeitnehmer Teil eines gemeinsamen Betriebs in O .
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Nach alledem bleibt es dabei, dass Arbeitnehmer, die in K beschäftigt sind, nicht als
Betriebsmitglieder der Beklagten im Sinne des § 23 KSchG mitzuzählen wären, da ihre
Tätigkeiten nicht über die Erbringung von Dienstleistungen für verschiedene
Konzernunternehmen im Rahmen einer unternehmerischen Zusammenarbeit
hinausgehen.
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Selbst wenn man einmal allerdings die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
unterstellen würde, so wäre die Kündigung im Sinne des § 1 KSchG sozial
gerechtfertigt. Es liegen Gründe in der Person des Klägers vor, die es der Beklagten
unmöglich machen, ihn weiter zu beschäftigen. Nach seinem Arbeitsvertrag war der
Kläger ausschließlich ohne Vorbehalt einer Versetzungsmöglichkeit für die
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Betriebsstätte in O und mit dem Arbeitsinhalt eines Feuerwehrmanns bei der Firma K
einsetzbar. Aufgrund des unerlaubten Surfens im Internet hat der Auftraggeber der
Beklagten es abgelehnt, den Kläger weiterhin auf seinem Betriebsgelände als
Feuerwehrmann einsetzen zu lassen und diesem Hausverbot erteilt. Dem Kläger fehlt
damit eine persönliche Eigenschaft, die zur Erfüllung seines Arbeitsvertrages
Voraussetzung ist.
Da der Kläger auch nicht in andere Betriebsstätten versetzbar ist und sich die Beklagte
insbesondere kein derartiges Direktionsrecht vorbehalten hat, sondern die Tätigkeit des
Klägers nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag ausschließlich auf einen Einsatz in O bei
der Firma K beschränkt ist, ist der Kläger auch mit keinem anderen Arbeitnehmer, selbst
bei Annahme eines deutschlandweiten gemeinsamen Betriebes vergleichbar. Eine
Sozialauswahl war nicht durchzuführen.
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Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass bei der Beklagten oder innerhalb des
seiner Ansicht nach deutschlandweit zu definierenden gemeinsamen Betriebes ein für
die Zeit nach Ablauf seiner Kündigungsfrist freier und zur Besetzung anstehender
Arbeitsplatz gegeben war. Die substantiierte Darlegung einer solchen
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit obliegt dem Kläger. Eben sowenig hat der Kläger
dargestellt, dass sein Vertragsarbeitgeber, die Beklagte, rechtlich in der Lage gewesen
wäre, einen anderen Unternehmer, d. h. eine andere Tochtergesellschaft dazu zu
veranlassen, einen neuen Arbeitsvertrag unter Wahrung des bisherigen sozialen
Besitzstandes mit dem Kläger abzuschließen. Das Bundesarbeitsgericht hat, von dieser
Ausnahme abgesehen, einen Konzernkündigungsschutz abgelehnt. Unabhängig davon
hat der Kläger aber auch zu keinem Zeitpunkt für sich in Anspruch genommen zu einem
Arbeitgeberwechsel und zu einem Wechsel des Einsatzortes auf Dauer bereit gewesen
zu sein.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht
zugelassen.
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(Olesch) (Kirchgässler) (Bürvenich)
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