Urteil des LAG Köln vom 21.08.2001

LArbG Köln (Notlage, Konzern, Widerruf, Insolvenz, Unternehmen, Abschlag, Verzicht, Aufhebungsvertrag, Markt, Sanierungsplan)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 13 (10) Sa 1222/00
21.08.2001
Landesarbeitsgericht Köln
13. Kammer
Urteil
13 (10) Sa 1222/00
Arbeitsgericht Köln, 12 Ca 9871/98
Betriebsrente, Widerruf der Versorgungszusage, Wegfall der
Geschäftsgrundlage, wirt-schaftliche Notlage, Tochterunternehmen,
Konzern
Arbeitsrecht
1. Wenn die wirtschaftliche Lage für den Bestand und Entwicklung eines
betrieblichen Versorgungsanspruchs von Bedeutung ist, kommt es
grundsätzlich auf die Situati-on beim Versorgungsschuldner an, auch
wenn dieser Konzern gebunden ist. 2. Eine wirtschaftliche Notlage des
Mutterunternehmens kann dann zu einer wirt-schaftlichen Notlage der
Tochter führen, wenn die Versorgungsschuldnerin auf Grund einer durch
Arbeitsteilung begründeten Abhängigkeit vom Mutterunterneh-men bei
dessen Konkurs oder Liquidation nicht mehr lebensfähig wäre. 3. Eine
wirtschaftliche Notlage des Tochterunternehmens kann auf Grund der
wirt-schaftlichen Situation des Mutterunternehmens auch bei
anderweitiger sehr enger wirtschaftlicher der beiden Unternehmen
entstehen (vgl. dazu BAG 25.01.2000 - 3 AZR 851/98 -).
1. Auf die Berufung des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Köln vom 26.10.1999 - 12 Ca 9871/98 - abgeändert und
wie folgt gefasst: 1. Die Beklagte wird verurteilt, für den Zeitraum
01.11.1996 bis 30.06.1999 einen Betrag in Höhe von 14.346,00 DM
nebst 4 % Zinsen aus monatlich 398,50 DM zu zahlen. 2. Die Beklagte
wird verurteilt, ab Juli 1999 monatlich eine Betriebs-rente in Höhe von
1.429,40 DM nebst 4 % Zinsen aus monatlich 398,99 DM am ersten des
jeweiligen Monats, beginnend mit dem 01.07.1999 zu zahlen. 3. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Von den Kosten des Rechtsstreits
trägt der Kläger 1/3 und die Beklag-te 2/3. 3. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe des Ruhegeldanspruchs des Klägers.
Der am 13.10.1936 geborene Kläger war vom 01.09.1961 bis zum 30.09.1992 im Konzern
der Beklagten, zuletzt bei D S I GmbH (D GmbH) tätig.
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Mit Wirkung vom 24.05.1971 war dem Kläger eine Versorgungszusage erteilt worden, für
die seit November 1977 die Leistungsordnung des E Verbandes mit ihrer jeweils gültigen
Fassung maßgebend ist.
Am 12.12.1991 schloss der Kläger mit der D GmbH einen Aufhebungsvertrag zur
Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.1992. Mit Schreiben vom 27.06.1996, das
dem Kläger am 01.07.1996 zugegangen ist, erklärte die D GmbH den Widerruf von Teilen
der betrieblichen Altersversorgung. Zum Zeitpunkt des Widerrufs war der K Konzern
überschuldet. Die frühere Arbeitgeberin des Klägers, die D GmbH konnte demgegenüber in
den Jahren 1995 und 1996 Gewinne in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang
ausweisen. Der Teilwiderruf der Versorgungszusage ist Bestandteil eines von der
Konzernleitung im Juni 1996 erstellten Sanierungskonzeptes.
Seit dem 01.11.1996 bezieht der Kläger nach Vollendung des 60. Lebensjahres Leistungen
aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.476,50 DM sowie von der
Beklagten eine Betriebsrente in Höhe von 1.030,40 DM. Der E Verband legte bei der
Berechnung dieses Rentenbetrages dem beim Ausscheiden des Klägers am 31.12.1994
geltenden Gruppenbetrag der Gruppe "H" von 3.350,00 DM sowie eine
Sozialversicherungsrente von 1.476,50 DM zu Grunde. Zum Stichtag 30.06.1996 ermittelte
er einen Unverfallbarkeitsfaktor von 418 zu 482 Monaten (= 86,7 %). Dem sich ergebenden
Betrag von 1873,50 DM kürzte er wegen der um 60 Monate vorgezogenen
Inanspruchnahme der Betriebsrente um einen versicherungsmathematischen Abschlag von
30 %.
Der Kläger hat die von der Beklagten vorgenommene Betriebsrentenberechnung aus
mehreren Gründen für unrichtig gehalten: Die Aufhebungsvereinbarung sei so auszulegen,
dass dem Kläger dynamisierte Leistungen zugesagt worden seien. Der von der Beklagten
erklärte Widerruf sei unwirksam. Der frühere Arbeitgeber des Klägers, die D GmbH, habe
1995 und 1996 Gewinne in Höhe von 160 und 180 Mio. DM erzielt. Auf die negative
Situation der Muttergesellschaft oder des Konzerns, komme es nicht an.
Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, es müsse von einem Gruppenbetrag von zur
Zeit 3.550,00 DM ausgegangen werden, von dem nach Abzug der Hälfte seiner
Sozialversicherungsrente lediglich noch ein versicherungsmathematischer Abschlag von
12 % vorzunehmen sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum 01.11.1996 bis
einschließlich Juni 1997 einen Betrag in Höhe von 5.005,60 DM nebst 4 % Zinsen aus
monatlich 625,70 DM am 01. des jeweiligen Monats, beginnend mit dem 01.11.1996 bis
einschließlich Juni 1997 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum Juli 1997 bis Juni 1998 einen
Betrag in Höhe von 7.707,12 DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils monatlich 642,26 DM am
01. eines jeweiligen Monats, beginnend mit dem 01.07.1997 bis einschließlich Juni 1998
zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum Juli 1998 bis Juni 1999 einen
Betrag in Höhe von 7.907,88 DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils monatlich 658,99 DM,
beginnend mit dem 01.07.1998 bis einschließlich Juni 1999 zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab Juli 1999 eine monatliche Betriebsrente in
Höhe von 1.689,89 DM nebst 4 % Zinsen aus 658,99 DM am 01. des jeweiligen Monats,
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beginnend mit dem 01.07.1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Leistungsanspruch des Klägers nehme entsprechend
dem Teil II der Leistungsordnung an der Dynamik der Gruppenbeträge seit seinem
Ausscheiden nicht mehr teil. Steigerungen der Gruppenbeträge habe sie jedenfalls ab dem
01.01.1995 entsprechend der Beschlusslage des Vorstandes des E Verbandes nicht mehr
weitergeben müssen, weil bereits zu diesem Zeitpunkt eine schwierige wirtschaftliche Lage
vorgelegen habe. Jedenfalls scheide auf Grund des erklärten Widerrufs eine weitere
Steigerung der Gruppenbeträge aus. Die Gewinne der D GmbH hätten lediglich 42,5 bzw. 4
Mio. DM betragen. Mit dem Widerruf habe die D GmbH alle unverfallbaren Teile der
Versorgungszusage widerrufen. Dies seien die laufenden Steigerungen der
Gruppenbeträge, der Verzicht auf ratierliche Kürzung und der Verzicht auf einen größeren
versicherungsmathematischen Abschlag als 12 %.
Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 26.10.1999 der Klage nur teilweise stattgegeben
und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass eine wirtschaftliche Notlage der DSI
GmbH nicht vorgelegen habe, jedoch eine ratierliche Kürzung wegen vorzeitiger
Inanspruchnahme in Höhe von 30 % gerechtfertigt sei.
Der Kläger hat gegen das ihm am 01.09.2000 zugestellte Urteil am 25.09.2000 Berufung
eingelegt und diese am 23.10.2000 begründet.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 30.08.2000 zugestellte Urteil am 28.09.2000 Berufung
eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am
23.11.2000 begründet.
Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, dass die D GmbH im Falle des Konkurses der
Beklagten und der Tochtergesellschaften überlebensfähig gewesen wäre. Sie sei
organisatorisch selbstständig gewesen und hätte auch im Falle der Einstellung der
Motorenproduktion das Servicegeschäft gegenüber einem eigenen Kundenstamm zur
Wartung und Reparatur eingebauter D -Motoren gehabt. Die Ersatzteile habe die D GmbH
zu über 80 % bei Fremdfirmen und nur zu 20 % im Konzern eingekauft. Die
konzernbezogenen Ersatzteile hätten problemlos und ebenso günstig auch bei anderen
Unternehmen am Markt eingekauft werden können.
Die D GmbH wäre auch finanziell überlebensfähig gewesen. Eine Finanzierung der
gegenüber der Muttergesellschaft bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 275 Mio. DM
wäre durch eine Kreditaufnahme bei der D B oder einer anderen Bank möglich gewesen.
Es sei nicht zwingend, dass die Forderungen der D GmbH gegenüber dem Konzern
uneinbringlich gewesen wären. Der Gewinn der D GmbH habe 1995 148,5 Mio. DM und
1996 180 Mio. DM betragen.
Im übrigen ist der Kläger der Ansicht, eine 30% ige Kürzung sei nicht gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 26.10.1999 - 12 Ca 9.871/98 -
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
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1. für den Zeitraum 01.11.1996 bis einschließlich Juli 1997 5.005,60 DM nebst 4 %
Zinsen aus monatlich 625,70 DM, beginnend mit dem 01.11.1996 bis einschließlich Juni
197 zu zahlen;
2. für den Zeitraum von Juli 1997 bis Juni 1998 einen Betrag in Höhe von 7.707,12 DM nebst
4 % Zinsen aus monatlich 642,26 DM, beginnend mit dem 01.07.1997 bis einschließlich
Juni 1998 zu zahlen;
3. für den Zeitraum von Juli 1998 bis einschließlich Juni 1999 einen Betrag in Höhe von
7.907,88 DM nebst 4 % Zinsen aus monatlich 658,99 DM, beginnend mit dem 01.07.1998
bis einschließlich Juni 1999 zu zahlen;
4. ab Juli 1999 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 1.689,89 DM abzüglich freiwillig
gezahlter 1.030,90 DM nebst 4 % Zinsen aus monatlich 658,99 DM ab dem 01.07.1999 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 26.10.1999 - 12 Ca 9.871/98 -
wird die Klage insgesamt kostenpflichtig abgewiesen.
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, dass die D GmbH im Falle der Insolvenz des
Mutterunternehmens und derer übrigen Tochtergesellschaften nicht überlebensfähig
gewesen wäre. Die D GmbH sei als reine Vertriebsgesellschaft für den Konzern tätig
gewesen und habe die Ersatzteile auch von den Konzerngesellschaften bezogen, diese
könnten nicht von anderen Unternehmen auf dem Markt eingekauft werden. Die D GmbH
sei darüber hinaus auf Grund ihrer finanziellen Verflechtung mit der Beklagten sowie dem
D -Konzern im Falle deren Konkurses nicht überlebensfähig gewesen. Der
Konkursverwalter hätte die im Jahr 1996 bestehenden Verbindlichkeiten der D GmbH in
Höhe von 275 Mio. gegenüber der Konzernmutter sowie der Tochtergesellschaft M AG
sofort fällig gestellt. Die Forderungen der D GmbH gegenüber den Gesellschaften des D -
Konzerns wären uneinbringlich gewesen. Die Finanzierung der D GmbH hätte nicht auf
Grund einer Kreditaufnahme gesichert werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgetragenen
Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat auf Grund des Beweisbeschlusses vom 21.08.2001 die Zeugen B , P und
Dr. W vernommen. Wegen des Beweisbeschlusses und des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind zulässig, weil sie statthaft (§ 64
Abs. 1, Abs. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§
66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).
1. Die Rechtsmittel haben in der Sache nur teilweise Erfolg. Der Teilwiderruf der DSI
GmbH ist zum 01.07.1996 wirksam geworden. Die Beklagte hat jedoch bei der Berechnung
der Betriebsrente von den dynamisierten Gruppenbeträgen des E Verbandes auszugehen
und ist auch gehindert, einen höheren versicherungsmathematischen Abschlag als 12 %
vorzunehmen.
1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass nach den Bestimmungen der
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Leistungsordnung des E Verbandes und nach dem Aufhebungsvertrag der Parteien für die
Berechnung des betrieblichen Versorgungsanspruchs des Klägers der jeweils geltende
Gruppenbetrag der Gruppe "H" der Leistungsordnung des E Verbandes zu Grunde zu
legen ist. Dem Kläger war insoweit eine Versorgung nach Maßgabe des Teils I der
Leistungsordnung "A" des E Verbandes zugesagt. Hinsichtlich der Begründung wird für die
Auslegung der Leistungsordnung und des bezüglich der Betriebsrentenregelung
gleichlautenden Aufhebungsvertrages sowie des Beschlusses des Vorstands des E
Verbandes vom 16.01.1995 auf die Entscheidungsgründe des den Parteien bekannten
Urteils des Bundesarbeitsgerichts in der Parallelsache Clausen ./. D AG - 3 AZR 851/98 -
vom 25.01.2000 unter I. 1. bis 3. der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
1. Der Teilwiderruf der D GmbH hat in keinem Fall etwas an dem Verzicht der Beklagten
auf einen höheren versicherungsmathematischen Abschlag als 12 % geändert. Die
Beklagte kann deshalb den Betriebsrentenanspruch des Klägers wegen dessen vorzeitiger
Inanspruchnahme bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres nicht um 30 %, sondern nur
um 12 % kürzen. Auch insoweit wird hinsichtlich der Begründung auf das Urteil des
Bundesarbeitsgericht vom 25.01.2000 unter II. 1 bis 2. der Entscheidungsgründe Bezug
genommen.
.
1. Der Teilwiderruf der D GmbH ist im unter 1. und 2. beschriebenen Umfang zum
01.07.1996 wirksam geworden.
1. Der Widerruf konnte frühestens zum 01.07.1996, dem festgestellten Zeitpunkt des
Zugangs wirken.
1. Der Wirksamkeit des Teilwiderrufs vom 27.06.1996 steht nicht entgegen, dass die
Verbesserungen der Versorgungszusage in einem Aufhebungsvertrag vereinbart worden
sind. Denn die dem Kläger dort zugesagten und durch das Schreiben vom 27.06.1996
teilweise widerrufenen verfallbaren Bestandteile der Versorgungszusage stehen nicht in
dem Sinne im Synallagma des Aufhebungsvertrages, dass hierdurch ein auf diesen Teil
des Aufhebungsvertrages beschränkter Teilwiderruf ausgeschlossen wäre. Wegen der
weiteren Begründung wird auf die genannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
(Entscheidungsgründe III. 2.) verwiesen.
1. Der Teilwiderruf der Versorgungszusage ist materiell wirksam, da sich die D GmbH am
27.06.1996 in einer wirtschaftlichen Notlage befunden hat.
1. Dabei geht das Gericht von den höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen aus,
wonach bei einzelvertraglichen Versorgungszusagen ohne allgemeine Widerruf- oder
Abänderungsvorbehalte wegen der im Betriebsrentenrecht bestehenden Besonderheit
entgegen der Grundwertung des § 279 BGB unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage ein Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage grundsätzlich rechtlich
möglich ist. Ein Widerruf kommt nur dann in Betracht, wenn der Bestand des Unternehmens
infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten ernsthaft gefährdet ist und wenn der Widerruf sich
in ein umfassendes Sanierungskonzept einpasst (BAG 05.05.1955, BAGE 2,18;
05.11.1965, BAGE 17,331; 10.12.1971, BAGE 24, 63; 25.01.2000 unter III. 3. a) der
Entscheidungsgründe).
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt die
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Anerkennung einer wirtschaftlichen Notlage, die den Widerruf einer Versorgungszusage
wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage rechtfertigt, voraus, dass der Bestand des
Unternehmens wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ernsthaft und nachhaltig gefährdet
und die Einstellung oder Kürzung der Versorgungsleistungen ein geeignetes Mittel ist, zur
Sanierung beizutragen. Im Regelfall ist die wirtschaftliche Notlage durch die
Betriebsanalyse eines Sachverständigen unter Darstellung ihrer Ursachen zu belegen.
Weiter muss ein Sanierungsplan erstellt werden, der eine gerechte Lastenverteilung unter
Heranziehung sämtlicher Beteiligter vorsieht (BAG 25.01.2000 aaO.3. b); 16.03.1993
BAGE 72, 329, 336; Blomeyer/Otto BetrAVG, 2. Auflage, Vorb. § 7 Rn. 82 ff. mwN.).
1. Der Wirksamkeit des Teilwiderrufs steht nicht entgegen, dass vor dem Widerruf kein
umfangreiches unabhängiges Sachverständigengutachten über die wirtschaftliche Lage im
Unternehmen und Konzern erstellt worden ist. Angesichts der krisenhaften Situation, in
welcher die Hauptursache des Verlustes, die Bilanzmanipulationen bei einem anderen
Tochterunternehmen, bereits bekannt war, genügten die kurzfristig erstellten
Stellungnahmen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Lage des Konzerns den
Anforderungen der Rechtsprechung. Denn zum einen ergeben sich die für die
wirtschaftliche Notlage maßgeblichen Umstände aus dem testierten Jahresabschluss und
Geschäftsbericht und zum anderen hat der PSV einem auf diesen Feststellungen
aufbauenden Sanierungsplan zugestimmt und sich mit dem erheblichen Aufwand von rund
200 Mio. DM an der Sanierung beteiligt (so auch BAG 25.01.2000 aaO. III. 1.).
Die Wirtschaftsprüfer haben das erstellte Sanierungskonzept, in dessen Vollzug der
Widerruf gegenüber dem Kläger erklärt worden ist, auch für tragfähig erklärt (vgl. dazu BAG
aaO. 2.).
Der für den K -Konzern ausgearbeitete Sanierungsplan sieht schließlich eine
angemessene und gerechte Lastenverteilung unter Heranziehung sämtlicher Beteiligter
vor, so dass auch diese Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf wegen
wirtschaftlicher Notlage erfüllt ist (so auch BAG aaO. 3.).
1. Für die Wirksamkeit des Widerrufs kommt es nicht darauf an, ob der PSV vor
Ausspruch zugestimmt hat. Einer vorherigen Einschaltung des PSV vor Ausspruch eines
Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage bedarf es aber dann nicht, wenn mit dem Widerruf
nur in Besitzstände eingegriffen werden soll, die nicht insolvenzgeschützt (BAG 25.01.2000
aaO. III. 3. b) aa) mwN.). Hiernach war eine Zustimmung des PSV vor dem Widerruf nicht
erforderlich, da dieser lediglich die nicht insolvenzgeschützte Bestandteile des
Versorgungsanspruchs des Klägers betraf.
1. Es kommt dann, wenn die wirtschaftliche Lage für Bestand und Entwicklung eines
betrieblichen Versorgungsanspruchs von Bedeutung ist, grundsätzlich auf die Situation
beim Versorgungsschuldner an, regelmäßig also beim früheren Arbeitgeber. Im Rahmen
der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG ist daher in aller Regel die Leistungsfähigkeit
des Versorgungsschuldners maßgebend, auch wenn dieser Konzern gebunden ist (BAG
04.10.1994 BAGE 78, 87, 100 f.; 25.01.2000 aaO. 3.b) aa)). Entsprechend ist auch bei
einem Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage durch ein Tochterunternehmen dessen
wirtschaftlicher Lage maßgeblich. Jedoch kann eine wirtschaftliche Notlage des
Mutterunternehmens auf Grund von Rechtspflichten oder tatsächlichen Abhängigkeiten des
Tochterunternehmens auf dieses "durchschlagen". Sie kann so zu einer wirtschaftlichen
Notlage und zur Widerrufsberechtigung des Tochterunternehmens führen (BAG 25.01.2000
aaO.).
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Eine wirtschaftliche Notlage des Mutterunternehmens kann dann zu einer wirtschaftlichen
Notlage der Tochter führen, wenn die Versorgungsschuldnerin auf Grund einer durch
Arbeitsteilung begründeten Abhängigkeit vom Mutterunternehmen bei dessen Konkurs
oder Liquidation nicht mehr lebensfähig wäre. Dies würde etwa für Serviceunternehmen
gelten, die bestimmte Dienstleistungen im Wesentlichen nur für den Konzern verrichten.
Eine wirtschaftliche Notlage des Tochterunternehmens kann auf Grund der wirtschaftlichen
Situation des Mutterunternehmens aber auch bei anderweitiger sehr enger wirtschaftlicher
Verflechtung der beiden Unternehmen entstehen. Wird das Tochterunternehmen im
Wesentlichen durch das Mutterunternehmen finanziert, würde bei Wegfall dieser
Finanzierungsmöglichkeit ggf. verbunden mit der Pflicht zur Rückführung erhaltener
Darlehen an das Mutterunternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit Insolvenz auch beim
Tochterunternehmen eintreten. In beiden Fällen kann das Tochterunternehmen seine
Ertragssituation und damit seine Möglichkeit, Gewinne an das notleidende
Mutterunternehmen abzuführen, verbessern, indem es Versorgungsanwartschaften
widerruft, die hierfür gebildeten Rückstellungen auflöst und durch Abführung an das
Mutterunternehmen zu dessen Sanierung und seiner eigenen Überlebensfähigkeit beiträgt
(BAG 25.01.2000 aaO.).
1. Nach der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des vorgetragenen unstreitigen
Sachverhalts steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die D GmbH im Sommer 1996
bei einer Insolvenz der Beklagten nicht überlebensfähig gewesen wäre. Sie befand sich
daher ebenso wie das Mutterunternehmen und die übrigen Konzerntöchter in einer
wirtschaftlichen Notlage. Der Teilwiderruf der D GmbH ist somit indem vom
Bundesarbeitsgericht beschriebenen Umfang zum 01. Juli 1996 wirksam geworden.
aaa) Zwar wäre die D GmbH im Sommer 1996 bei einer Insolvenz der Beklagten aus
organisatorischen Gründen noch überlebensfähig gewesen. Die Zeugen B und Dr. W
haben insoweit den Klägervortrag bestätigt: Die D GmbH war eine selbstständige
Vertriebsgesellschaft mit eigenem Reparaturbereich und einem weltweiten Service-
Stützpunktsystem. Sie hatte einen eigenen, von den anderen Konzerngesellschaften
unterschiedlichen Kundenkreis, nämlich die Betreiber und Nutzer von Maschinen und
Anlagen, in denen D -Motoren liefen. Diese Kunden hätte sie im Falle einer Insolvenz der
übrigen Konzerngesellschaften noch über einen langen Zeitraum entsprechend der
Lebensdauer der Motoren von teilweise über 30 Jahren betreuen können. Sie hätte sich
dazu auch die erforderlichen Ersatzteile, auch die bisher vom Konzern bezogenen
Ersatzteile im Umfang von ca. 20 % bei anderen Zulieferern auf dem Markt besorgen
können. Denn sie verfügt über sämtliche Zeichnungen der zeichnungsgebundenen
Ersatzteile und hätte diese auch selbst herstellen oder bei Nachahmern oder
Lizenznehmern einkaufen können. Ob sie dies rechtlich auch gedurft hätte, d. h. die
Beklagte der D GmbH im Falle ihrer Insolvenz die Rechte an den zeichnungsgebundenen
Teilen übertragen hätte, konnten die vom Kläger benannten Zeugen nicht eindeutig
beantworten.
1. Die D GmbH wäre jedoch im Sommer 1996 bei einer Insolvenz der Beklagten aus
wirtschaftlichen Gründen nicht überlebensfähig gewesen. Das Gericht folgt insoweit der
Aussage des Zeugen P , der den Beklagtenvortrag überzeugend bestätigt hat. Die
Konzernmutter war im Mai 1996 überschuldet. Innerhalb von 14 Tagen wurde zur
Abwendung des Konkurses ein Sanierungskonzept für den gesamten Konzern entwickelt.
Eine Schwierigkeit dabei war vor allem, mit den 35 kreditgebenden Banken über das
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Volumen von 1 Mrd. DM ein Stillhalteabkommen zu erreichen. Dies gelang, neben
Beiträgen des PSV und der Mitarbeiter, vor allem durch einen Kredit der Deutschen Bank in
Höhe von 550 Mio. DM und den Verzicht der anderen Banken auf Zinsen. Dieses
Sanierungskonzept konnte nur für den Gesamtkonzern gelingen, eine isolierte Lösung für
einzelne Unternehmen auch die D hätte es nicht gegeben. Die Banken hätten den
Konzerngesellschaften über die geleisteten Beträge hinaus keine Mark Kredit mehr
gegeben. Die D GmbH hätte in dieser Situation keine Kredite von Banken oder anderen
Unternehmen erhalten und wäre daher im Falle der Insolvenz des Mutterunternehmens in
ihrer Existenz selbst unmittelbar gefährdet gewesen.
Zwar handelte es sich bei der D GmbH, was sämtliche Zeugen übereinstimmend
aussagen, um ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen. Der Zeuge P spricht von einer
Ertragsstärke von 130 bis 140 Mio. vor Provisionszahlung. Diese Ertragslage minderte sich
jedoch durch die Provisionszahlungsverpflichtungen gegenüber dem Konzern. Die D
GmbH war gegenüber der Konzerntochter M als Ausgleich dafür, dass ihr bei der
Verselbstständigung das Ersatzteilgeschäft zu Null übertragen worden ist, verpflichtet,
jährlich einen Fixbetrag in Höhe von 71,1 Mio. DM zu zahlen. Dieser Vertrag war erst 1996
kündbar. Gegenüber der Konzerntochter D M musste die D GmbH einen variablen Betrag,
abhängig von dem Geschäftsergebnis zahlen. Auf Grund dieser im Zeitpunkt der
drohenden Insolvenz bestehenden Provisionsverpflichtungen wäre eine kreditgebende
Bank nicht von dem Betriebsergebnis von 130/140 Mio. DM, sondern lediglich von einer
Ertragsstärke von 10 Mio. DM ausgegangen. Der Kreditbedarf der D GmbH im Sommer
1996 ergibt sich daraus, dass diese unstreitig gegenüber der K -Gruppe Verbindlichkeiten
in Höhe von 275 Mio. DM hatte. Bei einer Saldierung dieser Verbindlichkeiten mit den
unstreitig seitens der D GmbH gegenüber dem Konzern bestehenden Forderungen in Höhe
von 111 Mio. DM, verbleibt es bei einer Verbindlichkeit von 165 Mio. DM. Das Eigenkapital
betrug nach der Aussage des Zeugen P mit Stand 31.12.1995 und nach Verminderung um
die Forderungen der D GmbH gegenüber dem Konzern 19 Mio. DM. Im Falle eines
Konkurses der Beklagten hätte die DSI GmbH sich die Verbindlichkeit in Höhe von 165
Mio. DM kreditieren müssen. Im Hinblick auf ihr Eigenkapital von 19 Mio. DM und die
Ertragsstärke von geschätzt 10 Mio. DM hätte es nach Aussage des Zeugen P keine Bank
gegeben, die der D GmbH einen Kredit gegeben hätte. Dafür spricht weiter, dass dieser
Kredit an den Konkursverwalter der K AG oder der Tochtergesellschaften weitergeleitet
worden wäre, dieses Geld dann an die Gläubiger nach einer bestimmten Quote hätte
verteilt werden müssen und der Kreditgeber sein Geld nicht mehr zurückbekommen hätte.
Es kommt hinzu, dass sich die D GmbH den Kredit unter dem Zeitdruck von 14 Tagen hätte
besorgen müssen. Unter diesem Zeitdruck wäre es nach Aussage des Zeugen P auch
nicht gelungen, einen anderen Kreditgeber als eine Bank, etwa ein Unternehmen, das auf
demselben Gebiet tätig ist, zu finden.
Das Gericht folgt dieser Einschätzung des Zeugen P . Er war Bereichsleiter des gesamten
Rechnungswesens im Konzern und unterstand unmittelbar dem Finanzvorstand. Auf Grund
dieser Stellung war er bestens vertraut mit der wirtschaftlichen Situation im Gesamtkonzern.
Seine besondere Sachkompetenz zur Beantwortung der Beweisfrage ergibt sich zudem
daraus, dass er im Mai 1996 neben dem Vorstandsvorsitzenden, dem Finanzvorstand, dem
Finanzchef und dem Chefsyndikus zu der Verhandlungsgruppe, die in Zusammenarbeit mit
der D B das Sanierungskonzept entwickelt hat, gehörte. Auf Grund dieses "Insiderwissens"
hat der Zeuge die wirtschaftliche Situation des Konzerns und der D GmbH im Einzelnen
überzeugend geschildert. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Zeuge P bei
seiner Aussage nicht von seiner Sachkompetenz und dem Bemühen um eine objektive
Einschätzung hat leiten lassen. Er hat selbst keinerlei eigene Interessen am Ausgang des
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Rechtsstreits. Bei der Beklagten ist er ausgeschieden. Er erhält wie die Kläger eine
Betriebsrente, die auf Grund des Teilwiderrufs gekürzt worden ist. Die Glaubhaftigkeit der
Aussage des Zeugen P wird auch nicht durch die Aussage des Zeugen Dr. W erschüttert.
Zwar hat der Zeuge Dr. W ausgesagt, er gehe davon aus, dass die D GmbH im Falle der
Insolvenz der Beklagten wegen ihrer Ertragskraft einen Kredit, entweder von Banken oder
jedenfalls von Firmen, wie zum Beispiel den Zulieferanten erhalten hätte. Der Zeuge Dr. W
verfügt als ehemaliger Geschäftsführer der D GmbH insoweit jedoch nicht über die
Sachkompetenz des Zeugen Peucker. Insbesondere gehörte es nicht zu seinen Aufgaben,
über Kredite in dieser Größenordnung zu verhandeln. Er selbst hat dazu ausgesagt, dass
dies Konzernsache gewesen sei. Im Unterschied zu dem Zeugen P war er an der
Verhandlung zum Sanierungskonzept nicht beteiligt gewesen. So konnte er auch nichts
dazu sagen, ob es nach seiner Meinung möglich gewesen wäre, innerhalb des damaligen
Zeitdrucks von 14 Tagen einen Kredit von einer Bank oder einem Unternehmen zu
bekommen.
Nach alledem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die D GmbH im Sommer 1996
bei einer Insolvenz der Beklagten aus wirtschaftlichen Gründen nicht überlebensfähig
gewesen wäre.
Der Teilwiderruf der Beklagten ist somit zum Zeitpunkt des Zugangs am 1.7.1996 wirksam
geworden.
1. Die Betriebsrente berechnet sich nach den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten
Grundsätzen wie folgt:
Ausgangspunkt ist der Gruppenendbetrag des E Verbandes vom 01.07.1996 in Höhe von
3.350,00 DM. Davon ist die Sozialversicherungsrente des Klägers in Höhe von 1476,50
DM in Abzug zu bringen, so dass sich ein Rentenbetrag von 1873,50 DM ergibt. Hiervon ist
die zwölfprozentige Kürzung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme in Höhe von 224,82 DM
abzuziehen. Von dem verbleibenden Betrag von 1648,68 DM ist die ratierliche Kürzung mit
dem Faktor 86,7 %in Höhe von 219,27 DM in Abzug zu bringen. Es verbleibt demnach eine
monatlich zu zahlende Betriebsrente in Höhe von 1429,40 DM. Der Differenzbetrag bemisst
sich unter Berücksichtigung des freiwillig gezahlten Betrages in Höhe von 1030,90 DM
Brutto auf 398,50 DM. Der Kläger hat somit einen monatlichen Betriebsrentenanspruch von
1429,40 DM. Ihm steht weiter für den geltend gemachten Zeitraum (1.11.1996 bis
30.6.1999) von 36 Monaten ein Zahlungsanspruch von insgesamt 14.346,00 DM zu.
1. Der Zinsanspruch folgt aus § 284 in Verbindung mit §§ 288, 291 BGB.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und entspricht dem Verhältnis
des Obsiegens und Unterliegens der Parteien.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen, da das
Bundesarbeitsgericht über die grundsätzlichen Fragen bereits entschieden hat, nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
(Dr. von Ascheraden) (Barth) (Brinkmann)