Urteil des LAG Köln vom 04.09.2003
LArbG Köln: wissenschaft und forschung, gleichbehandlung, lehrer, vergütung, realschule, arbeitsgericht, versetzung, erlass, besoldung, beförderung
Landesarbeitsgericht Köln, 6 Sa 312/03
Datum:
04.09.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Sa 312/03
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 20 Ca 3125/02
Schlagworte:
Eingruppierung, Höhergruppierung, Erfüllererlass, Gleichbehandlung
Normen:
§§ 22, 23 BAT
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Eine sofortige Höhergruppierung mit Übernahme der höherbewerteten
Funktion widerspricht dem Prinzip der Gleichbehandlung der
angestellten und beamte-ten Lehrkräfte, das dem sog. Erfüllererlass
zugrunde liegt (hier: zeitversetzte Höhergruppierung einer
Realschulkonrektorin entsprechend beamtenrechtli-chen Grundsätzen).
Tenor:
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am
13.11.2002 - 20 Ca 3125/02 - verkündete Urteil des
Arbeitsgerichts Köln abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Streitwert beträgt 7.560,-- EUR.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über eine Höhergruppierung der Klägerin von Vergütungsgruppe III
nach Vergütungsgruppe I b BAT aus Anlass der Übertragung einer höherwertigen
Tätigkeit.
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Die 46 Jahre alte Klägerin, die über die Befähigung für das Lehramt der Sekundarstufe I
verfügt, ist seit dem 23.08.1993 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis bei dem
beklagten Land tätig. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 11.08./23.08.1993 (Kopie Blatt
5 f. d. A.) richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesangestelltentarifvertrag
(BAT) vom 23.02.1961 sowie den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden
Tarifverträgen, insbesondere den Sonderregelungen für Lehrer als Lehrkräfte (SR 2 L I
BAT) bzw. für Zeitangestellte, Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer und für
Aushilfsangestellte (SR 2 y BAT). § 4 bestimmt unter der Überschrift "Vergütung"
Folgendes:
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"Die Angestellte wird nach Ziffer 6.2 in Verbindung mit Ziffer 2.2 des Runderlasses
des Kultusministeriums NW vom 16.11.1981 (BASS 21-21 Nr. 52) in der jeweils
geltenden Fassung in die Vergütungsgruppe III BAT eingruppiert."
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Das beklagte Land versetzte die Klägerin mit Wirkung ab dem 01.08.1997 an die A -S -
Realschule in S , wobei auf Wunsch der Klägerin durch eine Arbeitszeitverkürzung eine
Vertragsänderung notwendig wurde. In dem Änderungsvertrag (Kopie Blatt 131 d. A.)
heißt es unter § 1 zur Vergütung:
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"Infolge der Versetzung an die o. g. Realschule wird Frau L mit Wirkung vom
01.08.1997 gemäß Ziffer 3.2 des Runderlasses des Kultusministeriums NW vom
16.11.1981 (BASS 21-21 Nr. 52) in der jeweils geltenden Fassung in die
Vergütungsgruppe III BAT eingruppiert."
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Unter dem 12.01.1998 beantragte die Klägerin erneut ihre Versetzung von der A -S -
Realschule in S an eine wohnortnähere Schule. Sodann beantragte sie mit Schreiben
vom 06.03.1998 die Erhöhung der vertraglichen Stundenzahl zum 01.08.1998 von 15
auf 20 Wochenstunden. Mit Wirkung vom 01.08.1998 wurde die Klägerin dann an die
Realschule A versetzt; das beklagte Land gab dem Erhöhungsantrag durch Verfügung
vom 28.07.1998 für die Dauer eines Schuljahres statt.
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Mit Schreiben vom 24.09.2001 bewarb sich die Klägerin um die Stelle als
Realschulkonrektorin an der Realschule R . Daraufhin teilte das beklagte Land mit
Schreiben vom 23.01.2002 mit, dass beabsichtigt sei, die benannte Stelle mit der
Klägerin zu besetzen. Das beklagte Land beauftragte daraufhin die Klägerin zunächst
kommissarisch, mit Wirkung ab dem 01.02.2002 die Aufgaben einer
Realschulkonrektorin wahrzunehmen, wies sie jedoch gleichzeitig darauf hin, dass eine
Beförderung aus laufbahn- und haushaltrechtlichen Gründen mit dieser Versetzung
nicht einhergehen könne.
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Am 26.03.2002 hat die Klägerin daraufhin die vorliegende Höhergruppierungsklage
erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr stehe die Vergütung nach I b BAT zu, weil
diese Vergütungsgruppe der Besoldungsgruppe A 14 Bundesbesoldungsordnung
entspreche, der die mit ihr besetzte Stelle zugeordnet sei.
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Die Klägerin hat beantragt,
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festzustellen, dass sie seit dem 01.02.2002 aus Vergütungsgruppe I b BAT
zu vergüten ist.
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Das beklagte Land hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es hat vorgetragen, dass die Klägerin die begehrte Vergütung zum jetzigen Zeitpunkt
nicht beanspruchen könne, sondern eine Höhergruppierung unter Beachtung von
laufbahn- und haushaltsrechtlichen Maßgaben frühestens ab dem 01.08.2002 in
Vergütungsgruppe II a BAT und ab dem 01.08.2003 in Vergütungsgruppe I b BAT
möglich sei.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.11.2002 stattgegeben und zur
Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf die Höhergruppierung
ergebe sich aus dem sog. Erfüllererlass, der u. a. die besoldungsmäßige Gleichstellung
der Angestellten und der beamteten Lehrer regele, damit für die gleiche Tätigkeit nicht
unterschiedliche Vergütungen gezahlt würden. Weder in diesem Erlass noch in der
Vorbemerkung Nr. 6 zu allen Vergütungsgruppen sei aber vorgesehen, dass eine
Höhergruppierung nur erfolgen könne, wenn die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen
eingehalten würden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Blatt 83
f. d. A. verwiesen.
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Gegen das ihm am 14.02.2003 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat das beklagte
Land am 14.03.2003 Berufung eingelegt, die nach entsprechender Verlängerung der
Begründungsfrist am 14.05.2003 begründet worden ist. Es trägt vor, für den
Höhergruppierungsanspruch gebe es weder eine arbeitsvertragliche noch eine
tarifrechtliche Grundlage, weil der § 22 BAT gemäß Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen
Vergütungsgruppen keine Anwendung finde. Auch die Regelung in Ziffer 10 des sog.
Erfüllererlasses vermöge den Klageanspruch wegen der fehlenden laufbahn- und
haushaltsrechtlichen Voraussetzungen nicht zu begründen. Die Gleichbehandlung von
angestellten und beamteten Lehrern müsse sich auch auf den Vergütungsanspruch der
angestellten Lehrkräfte auswirken, um eine ungerechtfertigte Besserstellung zu
vermeiden.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom
13.11.2002 - 20 Ca 3125/02 - abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil aus Rechtsgründen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf
die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Klägerin ist zwischenzeitlich ab dem 01.08.2002 in Vergütungsgruppe II a BAT
höhergruppiert worden.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24
I.
ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist.
25
II.
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Die zulässige Eingruppierungsfeststellungsklage ist unbegründet. Die Klägerin kann
eine Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe I b BAT derzeit nicht beanspruchen.
Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus Nr. 10 des sog. Erfüllererlasses
vom 16.11.1981, wie das Arbeitsgericht angenommen hat. Im Einzelnen gilt folgendes:
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1. Ein Höhergruppierungsanspruch folgt zunächst nicht unmittelbar aus dem BAT in
Verbindung mit der Vergütungsordnung. Zwar sind der BAT und die diesen
ergänzenden oder ändernden Tarifverträge auf Grund der arbeitsvertraglichen
Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar (§ 2 des
Arbeitsvertrages vom 11.08./23.08.1993). Die Klägerin ist jedoch als Lehrkraft im
Sinne der Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen anzusehen und
somit aus der Vergütungsordnung zum BAT ausgenommen. Auf das
Eingruppierungsbegehren der Klägerin ist daher § 22 BAT nicht anwendbar.
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1. Ein Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe I b BAT ergibt sich auch
nicht aus dem Arbeitsvertrag, weil dieser auch in der Fassung des
Änderungsvertrages vom 13.06.1997 ausdrücklich die Eingruppierung in
Vergütungsgruppe III BAT vorsieht. Allerdings steht die Aufnahme dieser
Vergütungsgruppe in den Arbeitsvertrag einem Höhergruppierungsbegehren nach
Maßgabe des oder der einschlägigen Runderlasse nicht entgegen.
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1. Ein Höhergruppierungsanspruch lässt sich schließlich aber auch nicht aus dem
Runderlass des Kultusministerium des beklagten Landes vom 16.11.1981
(Erfüllererlass) ableiten, der kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung hinsichtlich der
Eingruppierung "in der jeweils geltenden Fassung" Anwendung findet.
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Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin, die wegen ihres Lebensalters bei der
Einstellung an sich "Nichterfüllerin" ist, den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen
Erfüllererlass zu Grunde legt, so folgt aus der Regelung in Nr. 10.2 kein Anspruch auf
Höhergruppierung bereits unmittelbar mit der Übernahme der höherbewerteten
Funktion. Die Regelung hat folgenden Wortlaut:
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"Sollen Lehrkräfte in Funktionen verwendet werden, für die in den Fallgruppen 1 - 8
kein Eingruppierungsmerkmal vorgesehen ist, erfolgt die Eingruppierung in die
Vergütungsgruppe, die nach Nr. 6 der Vorbemerkung zu allen Vergütungsgruppen
(Anlage 1 a zum BAT) der Besoldungsgruppe vergleichbarer
Funktionsstelleninhaberinnen, Funktionsstelleninhaber entspricht. Ist das
vergleichbare besoldungsrechtlich bewertete Amt mit einer Amtszulage versehen,
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wird diese Zulage den Angestellten ebenfalls gewährt. Sie gilt dann als Bestandteil
der Vergütung im Sinne des § 26 Abs. 1 BAT."
Damit wird zwar der Grundsatz aufgestellt, dass sich die Eingruppierung in diesen
Sonderfällen nach der Besoldungsgruppe vergleichbarer Funktionsstelleninhaberinnen
bzw. -inhaber richtet. Die Frage des Zeitpunkts der Höhergruppierung ist aber nicht
geregelt worden und lässt sich mangels Anwendbarkeit der §§ 22, 23 BAT auch nicht
dem Tarifrecht entnehmen. Eine sofortige Höhergruppierung mit Übernahme der
höherbewerteten Funktion widerspricht dem Prinzip der Gleichbehandlung der
angestellten und beamteten Lehrkräfte, das dem Erfüllererlass zu Grunde liegt. Das hat
auch das Arbeitsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt.
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Der Erlass nimmt einleitend selbst Bezug auf die Lehrer-Richtlinien der
Tarifgemeinschaft deutscher Länder, wonach Lehrkräfte, die über die fachlichen und
pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis verfügen,
den beamteten Lehrkräften gleichgestellt werden, was u. a. eine Anlehnung an das
Laufbahnrecht erfordert. Daher ist - wie mit dem Runderlass des Ministeriums für Schule
und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des beklagten Landes vom 25.11.1999
(ABl. NRW.1/2000 S. 11) klargestellt worden ist - für eine entsprechende
Höhergruppierung in vergleichbare Beförderungsämter das fiktive Nachzeichnen einer
laufbahnrechtlichen Dienstzeit notwendig. Darüber hinaus müssen auch weitergehende
beamtenrechtliche bzw. laufbahnrechtliche Bestimmungen sowie haushaltsrechtliche
Bestimmungen wie bei beamteten Lehrkräften Anwendung finden. Nur auf diese Weise
lässt sich die angestrebte Gleichbehandlung im Vergütungsbereich erreichen.
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Die Rechtslage entspricht im Ergebnis der tariflichen Regelung in § 2 Nr. 3 des
Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O, die ebenfalls der vergütungsrechtlichen
Gleichbehandlung von angestellten und beamteten Lehrkräften dient. Die
Eingruppierung in eine höhere Vergütungsgruppe kommt danach für angestellte
Lehrkräfte nur dann in Betracht, wenn hierfür alle erforderlichen beamtenrechtlichen
Voraussetzungen vorliegen. Das ist vom Bundesarbeitsgericht mehrfach entschieden
und ausdrücklich auch für die Höhergruppierung eines angestellten Lehrers in einer
höherbewerteten Funktionsstelle bestätigt worden (BAG vom 12.08.1998 - 10 AZR
329/97 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 73 - ferner BAG vom 17.05.2001 - 8 AZR 692/00 -
AP Nr. 85 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer m. w. N.).
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In der letztgenannten Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht näher ausgeführt,
dass die Wahrnehmung der Funktion allein nicht besoldungsrechtlich ausreicht. Aus der
Wahrnehmung der Obliegenheiten eines höherwertigen Dienstpostens folgt in der
Regel kein Anspruch des Beamten auf Verleihung eines entsprechenden Status.
Vielmehr kann der Dienstherr einen Beamten für gewisse, auch längere Zeit in einer
höherbewerteten Funktion beschäftigen, ohne dass sich für ihn daraus eine
Verpflichtung zur Beförderung des Beamten ergibt. Damit wird die Konzeption der
amtsbezogenen Besoldung nach § 18 Satz 1 BBesG verdeutlicht und gegen eine
Besoldung nach Funktionsmerkmalen abgegrenzt. Durch § 19 Abs. 1 Satz 1 BBesG
wird zugleich die haushaltsrechtliche Bindung an die Planstelleneinweisung
verdeutlicht. Würde für Angestellte etwas anderes gelten, so könnte die
vergütungsrechtliche Gleichbehandlung zwischen angestellten Lehrkräften und Beamte
nicht gewahrt werden. Während allein aufgrund der Wahrnehmung der Aufgaben eines
höherwertigen Dienstpostens ein besoldungsrechtlicher Anspruch des beamteten
Lehrers nicht besteht, müsste der Angestellte entsprechend höhergruppiert werden und
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würde daher gegenüber der beamteten Lehrkraft bessergestellt (BAG vom 17.05.2001 -
8 AZR 692/00 - AP Nr. 85 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer m. w. N.). Entscheidend ist nach
alledem, ob nach den beamtenrechtlichen Vorschriften eine Einstufung in die
betreffende Besoldungsgruppe vorgenommen worden wäre.
Das ist hier nicht der Fall: Wie das beklagte Land insoweit unwidersprochen dargelegt
hat, darf aufgrund der Neuregelung des § 25 Abs. 3 LBG in Verbindung mit § 10 Abs. 4
der Laufbahnverordnung eine Höhergruppierung aufgrund der Wahrnehmung eines
Funktionsamtes des gehobenen Dienstes erst nach erfolgreichem Ablauf einer
Erprobungszeit von mindestens sechs Monaten erfolgen. Eine weitere
Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe I b BAT kommt analog § 10 Abs. 2 LVO
frühestens ein Jahr nach der Einweisung in eine Planstelle der Vergütungsgruppe II a
BAT, die inzwischen erfolgt ist, in Betracht.
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III.
Anwendung des § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG. Bei der Berechnung des Streitwerts hat das
Berufungsgericht die inzwischen erfolgte Höhergruppierung nach Vergütungsgruppe II a
BAT berücksichtigt und für 30 Monate nur noch eine Vergütungsdifferenz von 225,00
Euro zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich ein Gesamtbetrag von 9.450,00 Euro, so dass
nach einem Abzug von 20 % wegen des Feststellungsbegehrens noch ein Betrag von
7.560,00 Euro verbleibt.
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IV.
Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
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