Urteil des LAG Köln vom 10.12.2008

LArbG Köln: kündigung, arbeitsgericht, zusammenlegung, zusammenarbeit, prozess, leiter, daten, auflösung, abhängigkeit, abfindung

Landesarbeitsgericht Köln, 3 Sa 781/08
Datum:
10.12.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Sa 781/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 7353/07
Schlagworte:
betriebsbedingte Kündigung, Wegfall des Beschäftigungsbedarfs,
Auflösungsantrag, Beleidigung
Normen:
§§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1) Die Zusammenführung von zwei bisher voll ausgelasteten
Arbeitsplätzen zu einem verbleibenden Arbeitsplatz bedarf einer
besonderen substantiierten Begründung, die den 50 %-igen Wegfall des
bisherigen Arbeitsbedarfs nachvollziehbar erläutert.
2) Der Grund für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses
nach § 9 KSchG kann sich aus dem Verhalten eines
Prozessbevollmächtigen im gerichtlichen Verfahren ergeben, das sich
die Partei zurechnen lassen muss. Ein untauglicher, weil ohne
entsprechenden Titel vorgenommener Zwangsvollstreckungsversuch
reicht hierfür in aller Regel noch nicht aus. Demgegenüber kann die
anwaltliche Unterstellung gegenüber einem Vorgesetzten des
klagenden Arbeitnehmers, er werde aufgrund seiner persönlichen
Abhängigkeit von der Beklagten im Prozess als Zeuge die Unwahrheit
sagen, einen Auflösungsgrund darstellen.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 03.06.2008 – 8 Ca 7353/07 – wird zurückgewiesen.
2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer
betriebsbedingten Kündigung sowie über einen hilfsweise arbeitgeberseitig gestellten
Auflösungsantrag.
2
Der am 14.10.1958 geborene, ledige Kläger ist seit dem 03.12.1997 bei der Beklagten
mit einer durchschnittlichen Monatsvergütung von zuletzt 4.800,00 € brutto beschäftigt.
Nach mehreren Änderungen der vertraglichen Aufgabenstellung ist der Kläger zuletzt
als "Leiter internes Help Desk" tätig.
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Mit Schreiben vom 22.08.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers
unter Bezugnahme auf betriebsbedingte Gründe ordentlich zum 31.12.2007 und stellte
den Kläger zeitgleich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei. Mit der am
03.09.2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Kündigungsschutzklage wendet
sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung.
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Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der
erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil vom 03.06.2008 hat das
Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die
schriftliche Kündigung der Beklagten vom 22.08.2007, zugegangen am selben Tag, zum
31.12.2007 aufgelöst worden ist und hat die weitergehende Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht
vorgetragen, welche Arbeitsmenge bei den bisherigen zwei Help Desk Leiterstellen
insgesamt angesiedelt gewesen sei und auf welche Weise sich die entsprechende
Arbeitsmenge durch die Zusammenlegung der beiden Bereiche "internes Help Desk"
und "externes Help Desk" derart verringert habe, dass sie künftig nur noch dem
vertraglichen Arbeitsleistungsvolumen einer Vollzeitstelle entsprochen habe. Es fehlten
die erforderlichen tatsächlichen Beschreibungen zu den betrieblichen Abläufen und die
hierdurch gebundenen Arbeitsleistungskapazitäten sowie eine auf die
Leitungspositionen bezogene Gegenüberstellung der früheren Situation zu derjenigen
nach Umsetzung der Unternehmerentscheidung zur Zusammenlegung. Von daher seien
keine dringenden betrieblichen Gründe erkennbar, die die betriebsbedingte Kündigung
des Klägers als ultima ratio bedingen können. Wegen der Begründung im Übrigen wird
auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 131 – 141 d. A.) Bezug genommen.
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Gegen dieses ihr am 16.06.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.06.2008
Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist am 18.09.2008 begründet.
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Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer gesteigerten
Darlegungs- und Beweislast der Beklagten ausgegangen. Eine solche werde vom
Bundesarbeitsgericht nur für den Fall anerkannt, dass die unternehmerische
Entscheidung "nur" im Abbau einer Hierarchieebene bestehe. Dies sei vorliegend
jedoch nicht der Fall. Von daher gelte auch hier die Vermutungswirkung der
Sachlichkeit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung, so dass es dem Kläger
obliege, den Nachweis des Rechtsmissbrauchs oder der Willkür zu führen. Dies sei
nicht geschehen. Außerdem könne vom Arbeitgeber eine konkrete Darlegung der
Arbeitsmengen und ihrer Verteilung vor und nach der Unternehmerentscheidung
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allenfalls dann gefordert werden, wenn die von ihm hier zu vorgetragenen Grundsätze
vom Kläger substantiiert und prozessual erheblich bestritten würden. Auch hieran fehle
es.
Unabhängig von diesen Grundsätzen legt die Beklagte zweitinstanzlich eine
Tätigkeitsbeschreibung der früheren Leiter der beiden Help Desks sowie des
verbliebenden Leiters des späteren einzigen Service Desks vor. Auf die
Tätigkeitsbeschreibung Blatt 192 d. A. wird insoweit Bezug genommen. Die Beklagte
führt im Einzelnen aus, dass aufgrund der mit der neuen Struktur verbundenen
Synergieeffekte nunmehr teilweise Aufgaben von den unterstellen Mitarbeitern
ausgeführt werden könnten. Neben derartigen Synergien sorge insbesondere auch die
stetig steigende Professionalisierung der Mitarbeiter des Service Desks für eine
deutliche Reduzierung des Arbeitsvolumens. Schließlich werde durch standardisierte
Vorgehensweisen bei Einsatzplanungen und der Aufbereitung von statistischen Daten
Arbeitszeit eingespart. Dies habe insgesamt dazu geführt, dass das bisherige
Arbeitsvolumen um die Hälfte reduziert worden sei.
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Den mit Schriftsatz vom 09.12.2008 angekündigten und den in der
Berufungsverhandlung erstmals gestellten hilfsweisen Auflösungsantrag begründet die
Beklagte mit den schriftsätzlichen Ausführungen des klägerischen
Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren. Der Kläger versuche fortwährend
die Beklagte in ein schlechtes Licht zu rücken und sie herabzuwürdigen. Er unterstelle
ihr unwahren Sachvortrag und werfe ihr damit letztlich nichts anderes als einen
(versuchten) Prozessbetrug vor. Der Kläger würdige seine Vorgesetzten und Kollegen
herab und scheue nicht einmal davor zurück, Vollstreckungsmaßnahmen in die Wege
zu leiten, obgleich ein entsprechender Vollstreckungstitel gar nicht vorliege. Dies und
die ständigen Unterstellungen des Klägers, die Beklagte verhalte sich rechts- und
gesetzeswidrig mache eine weitere, den Betriebszwecken dienlich Zusammenarbeit
unmöglich. Das Arbeitsverhältnis müsse daher gerichtlich aufgelöst werden.
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Die Beklagte beantragt,
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1. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.06.2008 – 8 Ca 7353/07 – abzuändern
und die Klage insgesamt abzuweisen;
2. hilfsweise, das Arbeitsverhältnis durch Urteil des Gerichts gegen Zahlung einer
Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung sowie den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten
zurückzuweisen.
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Der Kläger tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei und führt aus, er habe
substantiiert vorgetragen, dass dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung
nicht gegeben seien. Die Beklagte habe insbesondere nicht dargelegt, welche
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Verringerung der Arbeitsmenge stattgefunden habe und wie sich diese auf das
Arbeitsverhältnis des Klägers ausgewirkt habe. Insbesondere rügt er die
Unvollständigkeit von der Beklagten zweitinstanzlich vorgelegten
Tätigkeitsbeschreibung. Er wendet darüber hinaus ein, die Aufstellung der Beklagten
enthalte eine unzutreffende prozentuale Gewichtung der Tätigkeiten und sei im Übrigen
ungenau und unverständlich. Er rügt weiterhin die fehlerhafte Sozialauswahl und
erstmalig auch die nicht ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats.
Gründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sieht der Kläger nicht
und meint insbesondere, sein prozessualer Vortrag sei aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden. Einzelne, von der Beklagten gerügten Formulierungen seien der
besonderen Emotionalität geschuldet, mit der der Kläger diesen Rechtsstreit führe und
müssten daher auch unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die
Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2
ArbGG) sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66
Abs. 1, 64 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Dies gilt auch für den erstmalig
zweitinstanzlich hilfsweise gestellten Auflösungsantrag, da ein solcher gemäß § 9
Abs. 1 S. 3 KSchG bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der
Berufungsinstanz gestellt werden kann.
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II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der
Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Auch der damit angefallene
hilfsweise Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet. Gründe, die eine den
Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht erwarten
lassen, sind nach Auffassung der Kammer nicht gegeben. Im Einzelnen gilt
Folgendes:
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1. Die Kündigung vom 22.08.2007 ist rechtsunwirksam, weil sie nicht durch
dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers
entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).
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a. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich
betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG aus
innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B.
Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einstellung der Produktion) oder
durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang)
ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine
Kündigung im Interesse des Betriebs notwendig machen. Die Kündigung muss
wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein (vgl. BAG, Urteil vom 24.04.1979
– 2 AZR 940/77 – BAGE 32, 150; BAG, Urteil vom 29.03.1990 – 2 AZR 369/89 –
BAGE 65, 61; BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 141/99 – BAGE 92, 71; zuletzt
BAG, Urteil vom 08.11.2007 – 2 AZR 418/06 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 157). Bei Kündigungen, die auf innerbetriebliche Gründe gestützt
werden, muss der Arbeitgeber daher im Einzelnen darlegen, welche
organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich
die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die
Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken (BAG,
Urteil vom 24.10.1979 – 2 AZR 940/77 – AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969
Betriebsbedingte Kündigung, BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 456/98 – NZA
1999, 1157, 1160; BAG, Urteil vom 01.02.2007 – 2 AZR 710/05 – EzA § 1 KSchG
Betriebsbedingte Kündigung Nr. 153).
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b. Legt man diesen Maßstab an die von der Beklagten vorgetragene
Kündigungsbegründung an, so vermag den Anforderungen auch der
zweitinstanzliche Sachvortrag der Beklagten nicht zu genügen.
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Dahin gestellt bleiben können zunächst die Ausführungen der Beklagten zur
Vermutungswirkung der Sachlichkeit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung.
Die Kammer geht – wie letztlich im Ergebnis auch das Arbeitsgericht – von einer weder
rechtsmissbräuchlichen noch willkürlichen unternehmerischen Entscheidung aus, sieht
aber die nach der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zu fordernden Voraussetzungen für die Darlegung des
dringenden betrieblichen Erfordernisses i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht als erfüllt an.
Insoweit ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch unerheblich, ob der
Kläger die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten substantiiert bestritten hat -
was im Übrigen nach Auffassung der Kammer der Fall ist -, denn es ist zunächst
Aufgabe der Beklagten ihrerseits substantiiert die für das Vorliegen des
betriebsbedingten Kündigungsgrundes erforderlichen Voraussetzungen im Einzelnen
darzulegen. Fehlt es – wie im vorliegenden Fall – bereits hieran, kommt es auf die
weitere Einlassung des Klägers nicht mehr an.
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Die Beklagte hat einen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für den Kläger auch
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zweitinstanzlich nicht darzulegen vermocht. Sie begründet die streitgegenständliche
Kündigung damit, dass durch die Zusammenlegung von internem und externem Help
Desk zu einem sogenannten Service Desk kein hinreichender Beschäftigungsbedarf für
den Kläger mehr bestehe. Vielmehr sei nur noch ein Arbeitsvolumen für einen
Mitarbeiter vorhanden, das nach der Kündigung des Klägers vom bisherigen Leiter des
externen Help Desks, Herrn W , ausgeübt worden sei. Überdies sei auch das
Arbeitsverhältnis mit Herrn W zum 31.12.2007 beendet und die Tätigkeiten zum
01.01.2008 fremdvergeben worden. Diese unternehmerische Maßnahme ist unstreitig
Gegenstand einer weiteren Folgekündigung der Beklagten, wegen der ein weiteres
Kündigungsschutzverfahren erstinstanzlich beim Arbeitsgericht Köln anhängig ist.
Zur Begründung des von ihr behaupteten Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs für den
Kläger stellt die Beklagte zweitinstanzlich erstmalig die Tätigkeiten des Klägers und des
weiteren Mitarbeiters W als jeweilige Leiter der beiden Help Desks dar und vergleicht
diese mit der nach Zusammenführung der beiden Help Desks verbliebenen Tätigkeit.
Danach verbleibt nach der Zusammenführung der beiden Vollzeitstellen, in denen die
Mitarbeiter jeweils zu 100 % ausgelastet waren, lediglich eine Vollzeitstelle mit einer
ebenfalls 100prozentigen Tätigkeitsauslastung. Die Aufstellung enthält dabei im Bereich
des externen Help Desks acht und im Bereich des internen Help Desks sechs jeweils
prozentual unterschiedlich gewichtete Einzeltätigkeiten. Letzteres wird vom Kläger u. a.
mit der Begründung bestritten, dass es sich hierbei um eine unvollständige Aufzählung
seiner Tätigkeiten handele. Dieses Bestreiten kann letztlich dahingestellt bleiben, da
selbst unter Zugrundelegen der beklagtenseitigen Sachverhaltsdarstellung der
vollständige Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für den Kläger nach Auffassung der
Kammer nicht nachvollziehbar dargelegt ist.
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Die Beklagte stützt die von ihr behauptete Halbierung des Beschäftigungsbedarfs im
Wesentlichen auf drei Gründe. Zum einen führt sie an, durch die neue, schlankere
Struktur ergäben sich deutliche Synergieeffekte im Bereich des First-Level-Supports für
die zu betreuenden Händler sowie des First- und Second-Level-Help Desks für die
internen Anwender, so dass operative Arbeiten nunmehr von den unterstellten
Mitarbeitern ausgeführt werden könnten. Dies führe zu einer Reduzierung des
Beschäftigungsvolumens im Leitungsbereich um 35 %. Weiter führt die Beklagte an,
dass standardisierte Vorgehensweisen sowohl bei der Einsatzplanung als auch bei der
Aufbereitung der statistischen Daten des Reportings und beim Abstimmen von Daten
eine weitere 20prozentige Reduzierung des Arbeitsvolumens bewirke. Schließlich weist
die Beklagte auf weitere Synergieeffekte aufgrund einer stetig steigenden
Professionalisierung der Mitarbeiter des Service Desks hin, sodass in mehreren
Arbeitsbereichen eine weitere Reduzierung des Arbeitsvolumens um zusätzliche 35 %
eingetreten sei. Nach allem sei damit Arbeit nur noch für einen Mitarbeiter vorhanden.
Dies werde letztlich dadurch bestätigt, dass Herr W keine zusätzliche Mehrarbeit leiste,
sondern im Gegenteil sein vorhandenes Überstundenkonto sogar noch leicht reduziert
habe.
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Diese Ausführungen der Beklagten vermögen die erkennende Kammer nicht zu
überzeugen. Der von der Beklagten behauptete, vollständige Wegfall des bisherigen
Arbeitsvolumens einer Vollzeitstelle ist nicht hinreichend konkret dargetan.
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Dies gilt zunächst für die von der Beklagten angeführten Synergieeffekte aufgrund einer
"stetig steigenden Professionalisierung der Mitarbeiter des Service Desks". Die
Mitarbeiter arbeiten bereits seit mehreren Jahren im Help Desk Bereich. Unstreitig
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existierte bis Anfang 2005 lediglich ein Help Desk. Warum aufgrund der nunmehr im
August 2007 durchgeführten erneuten Zusammenlegung der beiden Help Desks eine
steigende Professionalisierung der Mitarbeiter eintreten soll, ist von der Beklagten
weder näher erläutert, noch ansonsten ersichtlich. Vielmehr handelt es sich hierbei
lediglich um einen schlagwortartigen Begründungsversuch, der jedoch jeglicher
näheren Erläuterung entbehrt.
Das gleiche gilt für die von der Beklagten angeführten, nunmehr erfolgenden
standardisierten Vorgehensweisen. Auch insoweit ist die behauptete Zeitersparnis nicht
unmittelbar nachvollziehbar. Die Beklagte führt an, dass Einsatzplanungen für
Mitarbeiter nun lediglich einmal durchgeführt werden müssten, wohingegen dies vorher
doppelt der Fall gewesen sei. Dabei lässt die Beklagte unberücksichtigt, dass die
Einsatzplanung im nunmehr verbliebenen alleinigen Service Desk für eine größere
Anzahl von Mitarbeitern durchgeführt werden muss und der Einspareffekt damit minimal
sein dürfte. Ebenso verhält es sich mit der von der Beklagten angeführten Halbierung
der Arbeitsmenge im Bereich des Reportings und der Statistik. Auch insoweit ist nicht
ersichtlich, warum allein die organisatorische Zusammenlegung der beiden Help Desks
eine derart deutliche Reduzierung des Beschäftigungsvolumens bewirken soll, da die
einzelnen Tätigkeiten als solche von der Organisationsänderung unberührt bleiben. Im
Ergebnis fallen dieselben Tätigkeiten auch weiterhin an, sollen jedoch lediglich von
einer anstatt bisher von zwei Personen erledigt werden.
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Schließlich hat die Beklagte auch den von ihr angeführten Beschäftigungswegfall in der
Leitungsposition im Bereich des First- und Second-Level-Supports nicht hinreichend
dargelegt. Die Beklagte führt hierzu lediglich aus, dass wegen der Zusammenführung
der beiden Help Desks nunmehr diese Arbeiten komplett von den unterstellten
Mitarbeitern ausgeführt werden könnten. Auch insoweit ist nicht nachvollziehbar, warum
allein aufgrund einer Zusammenlegung von Organisationseinheiten Tätigkeiten, die
bislang in der Leitungsebene ausgeübt wurden nunmehr auf die nachgeordnete Ebene
verlagert werden können. Darüber hinaus fehlt jeglicher konkreter Sachvortrag dazu,
wie, in welchem Umfang, welcher nachgeordnete Mitarbeiter nunmehr welche
Tätigkeiten auszuführen hat.
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Wie oben im Einzelnen dargestellt worden ist, muss die gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4
KSchG für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweispflichtige Beklagte im
Einzelnen darlegen und im Bestreitensfall nachweisen, wie das bisher vom Kläger
ausgeführte Tätigkeitsvolumen auf andere Mitarbeiter verteilt worden ist. Diesen
Anforderungen ist sie – wie oben im Einzelnen ausgeführt – nicht hinreichend
nachgekommen. Die streitgegenständliche Kündigung ist damit gemäß § 1 Abs. 2
KSchG sozial ungerechtfertigt und somit nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam.
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2. Auch der von der Beklagten hilfsweise gestellte Auflösungsantrag ist unbegründet.
Nach Auffassung der erkennenden Kammer liegen keine Gründe vor, die eine den
Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht
erwarten lassen.
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Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers nach
vorheriger Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst
worden ist, das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer
angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den
Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitsgeber und
Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Erforderlich ist also ein Verhalten des
Arbeitnehmers, das beim Arbeitgeber mit Recht die Besorgnis aufkommen lassen kann,
die weitere Zusammenarbeit sei ernsthaft gefährdet. Dabei kann sich ein solcher
Auflösungsgrund auch aus dem Verhalten des Prozessbevollmächtigten ergeben, das
sich der Arbeitnehmer zurechnen lassen muss (BAG, Urteil vom 23.06.2005 – 2 AZR
256/04 – AP Nr. 52 zu § 9 KSchG 1969; BAG, Urteil vom 07.03.2002 – 2 AZR 158/01 –
AP Nr. 42 zu § 9 KSchG 1969; von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl., § 9 Rz
73; Fiebig/Gallner/Nägele, KSchG, 3. Aufl., § 9 Rz 68). Als Auflösungsgründe kommen
danach regelmäßig Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Behauptungen oder
persönliche Angriffe gegenüber dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten in Betracht (für alle
APS/Biebl, 3. Aufl., § 9 KSchG Rz 63 ff. m.w.Nachw.).
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Vorliegend stützt die Beklagte ihren Auflösungsantrag auf das Verhalten des
klägerischen Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Rechtsstreit. Dieser habe der
Beklagten fortwährend zu Unrecht rechtswidriges und gesetzeswidriges Verhalten
unterstellt. Er habe behauptet, die Beklagte begehe absichtlich Gesetzesverstöße, um
die nur angeblich betriebsbedingte Kündigung des Klägers zu rechtfertigen. Dem
früheren Vorgesetzten des Klägers habe er unterstellt, er werde im Prozess die
Unwahrheit sagen, nur um die Kündigung des Klägers zu erreichen. Er habe unter
anderem behauptet, die Beklagte habe die "Degradierung" des Klägers betrieben, ihn in
ein "Sterbezimmer" versetzt, versucht ihn mit "Kettenversetzungen" "mürbe zu machen"
und insgesamt ein typisches Muster des "Weichkochens" mit ihm betrieben. Alles
gipfele in der rhetorischen Frage, "ob überhaupt irgend ein Vortrag der Beklagten der
Wahrheit entspreche". Schließlich habe der Kläger durch seinen
Prozessbevollmächtigen aus dem erstinstanzlichen Urteil eine Zwangsvollstreckung
wegen der nicht erfolgten Weiterbeschäftigung des Klägers betrieben, ohne dass ein
derartiger Anspruch überhaupt tituliert worden sei.
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Diese von der Beklagten angeführten Gründe reichen nach Auffassung der Kammer
(noch) nicht aus, um eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen
zu lassen. Dabei geht die Kammer mit der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes von
grundsätzlich strengen Anforderungen aus, die an einen berechtigten Auflösungsgrund
zu stellen sind (vgl BAG, Urteil vom 02.06.2005 – 2 AZR 234/04 – AP Nr. 51 zu § 9
KSchG 1969; BAG, Urteil vom 23.06.2005 – 2 AZR 256/04 – AP Nr. 52 zu § 9 KSchG
1969; Thüsing/Laux/Lembke/Arnold, KSchG, § 9 Rz 49).
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Unbeachtlich ist insoweit zunächst der untaugliche Zwangsvollstreckungsversuch des
klägerischen Prozessbevollmächtigten. Diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme beruht
entweder auf der rechtlichen Unkenntnis des klägerischen Prozessbevollmächtigten
oder darauf, dass dieser bewusst ohne Vorliegen eines Titels versucht, auf diese
ungeeignete Weise prozessualen Druck auf die Beklagte auszuüben. In beiden Fällen
handelt es sich um ein rein prozessuales Verhalten seines Prozessbevollmächtigten,
dessen Rechtsunwirksamkeit der Kläger nicht ohne weiteres erkennen konnte.
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Anders ist dies jedenfalls im Grundsatz hinsichtlich der weiteren schriftsätzlichen
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Einlassungen des klägerischen Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Rechtsstreit.
Insbesondere in der Unterstellung gegenüber einem Vorgesetzten des Klägers, er
werde aufgrund seiner persönlichen Abhängigkeit von der Beklagten im Prozess als
Zeuge die Unwahrheit sagen, sieht die erkennende Kammer einen durchaus
gewichtigen Auflösungsgrund. Andererseits ist im Rahmen der zu treffenden
Gesamtabwägung zu Gunsten des Klägers seine langjährige Betriebszugehörigkeit zu
berücksichtigen. Ferner sind die besonderen Umstände des laufenden
Kündigungsschutzverfahrens zu beachten. Der Kläger befindet sich insoweit in einer
außergewöhnlichen Stresssituation, die zu emotionalen Überreaktionen führen kann.
Diese emotionale Einbindung sollte zwar normalerweise den klägerischen
Prozessbevollmächtigten nicht erfassen. Geschieht dies – wie offensichtlich im
vorliegenden Fall geschehen – dennoch, so kann dieses Fehlverhalten dem Kläger
nicht ohne weiteres in vollem Umfang zugerechnet werden. Gerade aufgrund der
besonderen Situationsbedingtheit der im Prozess gefallenen Äußerungen des
klägerischen Prozessbevollmächtigten geht die Kammer davon aus, dass nach
Abschluss des Rechtsstreits weiterhin eine weitestgehend unbelastete Zusammenarbeit
der Parteien im Rahmen des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses möglich ist. Für eine
gerichtliche Auflösung besteht daher keine Veranlassung.
III. Da die Beklagte nach alledem das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss
sie nach §§ 64 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des
Berufungsverfahrens tragen.
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Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere ging es
nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
48
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
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Dr. Kreitner Bechtold Groeneveld
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