Urteil des LAG Köln vom 16.03.2009

LArbG Köln: kündigung, physiotherapie, krankengymnastik, pauschal, datum, verkündung, arbeitsgericht, anhörung, kirche, sanierung

Landesarbeitsgericht Köln, 5 Sa 1226/08
Datum:
16.03.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Sa 1226/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 16 Ca 44/08
Schlagworte:
Betriebsbedingte Kündigung
Normen:
§ 1 Abs. 2 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Beschließt ein Krankenhaus, seinen Bäderbereich zu schließen,
rechtfertigt dies keine Kündigungen in dem in derselben Abteilung
befindlichen krankengymnastischen Bereich, in dem anders geartete
und tariflich höherwertige Tätigkeiten erbracht werden.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 06.05.2008 – 16 Ca 44/08 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien um die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
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Die Klägerin ist seit dem 01.09.2001 als Physiotherapeutin bei der Beklagten im
Umfang einer halben Stelle teilzeitbeschäftigt zu einem Monatsgehalt von zuletzt ca.
1.500,00 € brutto in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus tätig. Sie ist in
Vergütungsgruppe 5 b eingruppiert.
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Die Klägerin arbeitete in der physiotherapeutischen Abteilung. Diese ist untergliedert in
den physikalischen Bereich, der im Untergeschoss des Krankenhauses betrieben wird,
und in den krankengymnastischen Bereich. Hinsichtlich des physikalischen Bereichs
bot die Beklagte laut Internetauftritt (Bl. 41 d. A.) als Leistungen Elektrotherapie,
klassische Massage, Lymphdrainage, Bewegungsbad, auch für ambulante
Patientengruppen, erweiterte ambulante Physiotherapie und Kälte-/Wärme-Therapie an.
Im krankengymnastischen Bereich bot die Beklagte laut Internetauftritt (Bl. 42 d. A.)
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Krankengymnastik, PNF (Propriorezeptive Neuromuskuläre Fazilitation), Cyriax, FBL
(Funktionelle Bewegungslehre), Rückenschule, Kälte-/Wärmetherapie und
Venengymnastik (stationär) an.
Die Klägerin arbeitete ausschließlich im krankengymnastischen Bereich der
physiotherapeutischen Abteilung. Insgesamt beschäftigte die Beklagte in dem
physikalischen Bereich und in dem krankengymnastischen Bereich 17 Arbeitnehmer.
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Zur Rechtfertigung ihrer Kündigung hat sich die Beklagte darauf berufen, dass sie in der
physikalischen Abteilung folgende Leistungen nicht mehr anbieten werde ab dem
01.04.2008: Galvanisches Stangerbad, Bewegungsbad und erweiterte ambulante
Physiotherapie (EAP).
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Anhand einer Mitarbeiterliste, auf der alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der
physiotherapeutischen Abteilung aufgeführt waren (Bl. 69 d. A.) wählt die Beklagte die
nach ihrem Dafürhalten am wenigsten schutzwürdigen 4 Arbeitnehmerinnen aus, die
gekündigt werden sollten.
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Zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin hörte die Beklagte mit Schreiben vom
13.12.2007 (Bl. 25 f. d. A.) die bei ihr bestehende Mitarbeitervertretung an. Nachdem die
Mitarbeitervertretung mitgeteilt hatte, keine Möglichkeit des Widerspruchs zu sehen (Bl.
27 d. A.) sprach die Beklagte mit Kündigungsschreiben vom 20.12.2007 die
betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zum 31.03.2008 aus.
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Hiergegen wandte sich die Klägerin mit am 03.01.2008 bei Gericht eingegangener
Kündigungsschutzklage.
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Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, die möglichen Veränderungen im Bäderbereich
wirkten sich nicht auf ihren Arbeitsplatz aus. Wenn überhaupt seien lediglich die 4
Masseure im Bäderbereich betroffen. Zudem sei die Sozialauswahl falsch, schon
deshalb, weil Masseure und Physiotherapeuten in die Auswahl einbezogen worden
seien, obwohl die tarifliche Vergütungsgruppe für Masseure deutlich niedriger liege als
diejenige für Physiotherapeuten. Außerdem sei die Mitarbeitervertretung nicht
ordnungsgemäß angehört worden. Schließlich habe man der Klägerin vorrangig vor
einer Kündigung die Tätigkeit als einer der im Krankenhaus beschäftigten Hostessen
anbieten müssen; diese Positionen seien bisher mit Leiharbeitnehmerinnen besetzt.
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Die Beklagte hat vorgetragen, aufgrund der von ihr seit dem 01.04.2008 nicht mehr
angebotenen Leistungen seien 3,25 Vollzeitstellen entfallen, so dass insgesamt 4
Mitarbeiterinnen zu kündigen gewesen seien. Dabei sei auch das defizitäre Ergebnis
maßgebend.
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Durch am 06.05.2008 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben
und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom
20.12.2007 nicht aufgelöst worden ist.
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Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 07.10.2008 Berufung einlegen und diese am
04.12.2008 begründen lassen.
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Die Beklagte bringt in der Begründung ihrer Berufung vor, die Kündigung der Klägerin
sei aus Sicht der Beklagten zwingend notwendig gewesen, weil die Beklagte ihren
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Leistungsumfang in der Abteilung Physiotherapie erheblich eingeschränkt habe. Die
Einschränkungen hätten sich aus den Notwendigkeiten der Entgeltregelungen für
Leistungen in Krankenhäusern ergeben. Die Klägerin könne nicht damit durchdringen,
die Krankengymnastikabteilung, die Teil der Abteilung für Physiotherapie gewesen sei,
als eigenständige Abteilung und als selbstständige Einheit darzustellen. Unter
Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags verweist die Beklagte darauf, dass im
physikalischen Bereich die Leistungen "Galvanisches Stangerbad, Bewegungsbad und
erweiterte ambulante Physiotherapie (EAP)" nicht mehr angeboten würden. Der
gesamte Bereich der Physiotherapie im Hause der Beklagten habe einen elementaren
Rückgang der Leistungen hinnehmen müssen. Es sei ein Rückgang mehr als 40 % zu
verzeichnen, wobei die Beklagte auf ihre Aufstellung im Schriftsatz vom 04.12.2008,
Seite 4 (Bl. 153 d. A.) Bezug nimmt.
Zum 31.03.2008 sei die Bäderabteilung deshalb geschlossen worden. Weitere
Schließungen würden überlegt. Es sei deshalb unausweichlich geworden, sich von
insgesamt 4 Mitarbeitern zu trennen. Dabei seien, abgesehen von der Schreibkraft, alle
16 in der Abteilung Physiotherapie beschäftigten Mitarbeiter miteinander vergleichbar,
so dass unter ihnen die Auswahlentscheidung zu treffen gewesen sei. Alle dort
beschäftigten Krankengymnasten, Masseure, Physiotherapeuten und Gymnastiklehrer
seien miteinander vergleichbar, unabhängig davon, dass der eine oder die andere
Mitarbeiterin in dieser Abteilung über breitere oder engere Qualifikationen verfüge. Die
Beklagte habe dafür Sorge zu tragen gehabt, dass das gesamte verbleibende
Leistungsspektrum durch die Mitarbeiter, die letztlich verbleiben würden, abgedeckt
werden könne. Die Klägerin sei mit jedem einzelnen anderen Mitarbeiter vergleichbar,
wenngleich nicht über das Gesamtspektrum ihrer ausbildungsbezogenen Kenntnisse
und Fähigkeiten, sondern bei einzelnen Mitarbeitern nur in einigen Punkten. Dennoch
sei die Beklagte mit den verbleibenden Mitarbeitern ohne Weiteres in der Lage, alle
Leistungen in ausreichender Menge anzubieten und zu erbringen. Die Klägerin selbst
habe schriftsätzlich darauf hingewiesen, dass Krankengymnastinnen und
Physiotherapeuten in einer höheren Entgeltgruppe eingestuft, also teurer seien als etwa
Masseure, Diplom-Sportlehrer oder Gymnastiklehrer. Auch wenn die Klägerin für sich in
Anspruch nähme, alle Leistungsinhalte der Gesamtabteilung Physiotherapeuten
abdecken zu können, habe die Beklagte doch im Sinne betrieblicher Erfordernisse bei
der Sozialauswahl so verfahren können, dass sie als vergleichbare Mitarbeiter auch
solche einbezogen haben, die nur in Teilbereichen einsetzbar seien, so dass aber über
das Ganze gesehen alle Leistungen weiterhin angeboten werden könnten. Anhand der
Liste (Bl. 69 d. A.) sei daher die soziale Auswahl vorgenommen worden, diese sei zuvor
auch mit der Mitarbeitervertretung besprochen worden.
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Hinsichtlich der unternehmerischen Entscheidung nimmt die Beklagte Bezug auf den
Aktenvermerk vom 08.12.2007 (Bl. 212 d. A.).
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 06.05.2008 – 16 Ca
44/08 – die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin bestreitet die von der
Beklagtenseite vorgetragenen Zahlen hinsichtlich des Rückgangs der Leistungen. Der
Arbeitsbereich der Klägerin sei davon ohnehin nicht betroffen gewesen. Fehlerhaft sei
darüber hinaus die Durchführung der sozialen Auswahl, schon wegen der
unterschiedlichen Tätigkeiten und Vergütungsgruppen. Die Mitarbeitervertretung sei
nicht ausreichend gehört worden.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der fristgerecht erhobenen
Kündigungsschutzklage war stattzugeben, so dass die Berufung der Beklagten keinen
Erfolg haben konnte.
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I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet
worden. Die Verkündung des Urteils erfolgte am 06.05.2008. Gemäß § 66 Abs. 1 S. 2
ArbGG begann die Berufungsfrist spätestens mit Ablauf von 5 Monaten nach
Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung. Innerhalb der sich daran
anschließenden 1-monatigen Berufungseinlegungsfrist ist die Berufung eingelegt
worden. Auch die Begründung erfolgte fristgerecht innerhalb von 2 Monaten nach
Beginn der Berufungsbegründungsfrist durch den am 04.12.2008 bei Gericht
eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz. Die Berufungsbegründungsfrist ist
daher auch im Hinblick auf die am 28.11.2008 erfolgte Zustellung des erstinstanzlichen
Urteils gewahrt.
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II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die fristgerecht erhobene
Kündigungsschutzklage der Klägerin musste Erfolg haben. Die von der Beklagten
ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung ist aus mehreren unabhängig
voneinander bestehenden Gründen rechtsunwirksam.
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1. Ein ausreichender betriebsbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2
KSchG liegt nicht vor. Voraussetzung dafür wäre nach § 1 Abs. 2 KSchG, dass
dringende betriebliche Gründe einer Weiterbeschäftigung im Betrieb
Innerbetriebliche Umstände begründen ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine
Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die
Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Regelmäßig entsteht ein
betriebliches Erfordernis nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche
Entwicklungen (Rückgang von Produktion oder Dienstleistung), sondern aufgrund einer
durch wirtschaftliche Entwicklungen veranlassten Organisationsentscheidung des
Arbeitgebers. Eine solche unternehmerische Organisationsentscheidung rechtfertigt
eine Kündigung nur dann, wenn durch sie der Beschäftigungsbedarf für den
gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Die betrieblich umgesetzte unternehmerische
Organisationsentscheidung muss sich auf die konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten
des gekündigten Arbeitnehmers auswirken (siehe BAG, Urteil vom 16.12.2004 – 2 AZR
66/04 – NZA 2005, S. 761; BAG, Urteil vom 25.03.2004 – 2 AZR 295/03 -, NJOZ 2004,
S. 3024).
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Gemessen an diesen Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt im
vorliegenden Fall keine unternehmerische Entscheidung vor, die das
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Beschäftigungsbedürfnis für den von der Klägerin ausgefüllten Arbeitsplatz entfallen
lassen könnte. Nach dem Vortrag der Beklagten hat sie die unternehmerische
Entscheidung getroffen, die Bäderabteilung in ihrem Krankenhaus zu schließen bzw.
dort bestimmte Leistungen entfallen zu lassen. Dies wird auch anhand des von der
Beklagtenseite überreichten Aktenvermerks vom 08.12.2007 (Bl. 212 d. A.) deutlich, in
dem es heißt, dass wegen des Rückgangs der Leistungsmenge aber auch wegen der
baurechtlichen Rügen der Stadt K und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit einer
grundlegenden Sanierung sowie wegen der erheblich rückläufigen Inanspruchnahme
der Bäderabteilung eine Schließung der Bäderabteilung erfolgen müsse.
Dem entspricht es ferner, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag Leistungen, die
zuvor in der Bäderabteilung angeboten worden sind, ab dem 31.03.2008 nicht mehr
anbietet, nämlich Galvanische Stangerbad, Bewegungsbad und erweiterte ambulante
Physiotherapie (EAP).
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Entscheidend ist, dass die Klägerin in dem Bereich, der von der unternehmerischen
Entscheidung betroffen ist, und in dem die zukünftig nicht mehr angebotenen Leistungen
erbracht wurden, nicht beschäftigt war, sondern im Bereich der Krankengymnastik tätig
war. Damit steht fest, dass ein konkreter Arbeitsplatzbezug der unternehmerischen
Entscheidung bezogen auf den Arbeitsplatz der Klägerin nicht vorlag. Dieser lässt sich
entgegen der Auffassung der Beklagte auch nicht daraus ableiten, dass sowohl die
Bäderabteilung als auch die krankengymnastische Abteilung jeweils zu der
physiotherapeutischen Abteilung gehörten. Denn für die Arbeitsplatzbezogenheit kommt
es nicht darauf an, ob Arbeitsplätze in einer gemeinsamen Abteilung geführt werden,
sondern allein darauf, ob der konkrete Tätigkeitsbereich identisch ist. Dies ist nicht der
Fall.
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Unstreitig ist nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem
Landesarbeitsgericht am 16.03.2009 dabei auch, dass in der Vergangenheit kein
Wechsel dahingehend stattgefunden hätte, dass beispielsweise die Klägerin zeitweise
auch im Bäderbereich gearbeitet hätte oder eine ständige Tätigkeit aller Mitarbeiter der
Abteilung in beiden Bereichen und einen ständigen Austausch gegeben hätte.
Unstreitig ist ferner, dass die Klägerin keine der Leistungen erbracht hat, deren Wegfall
die Beklagte beschlossen hat, sondern allein mit krankengymnastischen Aufgaben
betraut war.
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Dass im Bereich der Krankengymnastik ein Rückgang der erbrachten Leistungen zu
verzeichnen gewesen wäre, hat die Beklagte nicht vorgetragen und auch keinerlei
Unterlagen – trotz entsprechender gerichtlicher Nachfrage in der mündlichen
Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16.03.2009 – vorgelegt. Der von der
Beklagtenseite im Schriftsatz vom 04.12.2008 vorgetragene Rückgang der Leistungen
von mehr als 40 % lässt keinerlei Schlussfolgerung darauf zu, ob von dem behaupteten
Rückgang der krankengymnastische Bereich überhaupt betroffen war. In dem
Aktenvermerk vom 08.12.2007 (Bl. 212 d. A.), der die Unternehmerentscheidung
dokumentieren soll, ist lediglich von einer erheblich rückläufigen Inanspruchnahme der
Bäderabteilung die Rede. Aus diesem Vermerk ist darüber hinaus ersichtlich, dass über
den Bäderbereich hinaus keine weitere unternehmerische Entscheidung getroffen
worden ist.
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Nach allem mangelt es daher schon an einem ausreichenden betriebsbedingten
Kündigungsgrund.
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2. Die Kündigung ist zudem deshalb rechtswidrig, weil die von der Beklagten
vorgenommenen Sozialauswahl bereits im Ansatz gegen § 1 Abs. 3 KSchG verstößt.
Die Sozialauswahl kann sich nur auf vergleichbare Arbeitnehmer beziehen.
Voraussetzung ist die Austauschbarkeit im Hinblick auf die Gleichwertigwertigkeit der
Arbeitsplätze (siehe BAG, Urteil vom 18.10.2006 – 2 AZR 676/05 – NZA 2007, S. 798).
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Wer als sozial schutzwürdigerer Arbeitnehmer im Betrieb verbleibt, muss die Tätigkeit
desjenigen ausüben können, der den Betrieb verlassen muss. Die Gleichwertigkeit
richtet sich nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen. Vom Grundsatz sind nur
Arbeitnehmer vergleichbar, die sich in derselben Vergütungsgruppe befinden (siehe
BAG, Urteil vom 23.11.2004 – 2 AZR 38/04 – NZA 2005, S. 986).
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Die von der Beklagtenseite vorgenommene Sozialauswahl ist daher schon im Ansatz
fehlerhaft, weil sie in die Vergleichsbetrachtung Mitarbeiter ganz unterschiedlicher
Vergütungsgruppen einbezogen hat, wie aus der Aufstellung der Beklagten (Bl. 69 d. A.)
ersichtlich wird. Die Beklagte hat insoweit die höherwertige Tätigkeit der Klägerin als
Krankengymnastin mit Vergütungsgruppe 5 b mit Arbeitsplätzen, die lediglich die
Vergütungsgruppe 6 b haben, verglichen.
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3. Schließlich scheitert die Wirksamkeit der Kündigung auch daran, dass eine
ordnungsgemäße Anhörung der Mitarbeitervertretung nicht dargelegt ist, so dass die
Kündigung gemäß § 30 Abs. 5 MAVO rechtsunwirksam ist. Nach § 30 Abs. 1 S. 2 MAVO
müssen die Gründe für eine beabsichtigte Kündigung im Einzelnen dargelegt werden.
Dabei gelten dieselben Maßstäbe, die auch bei § 102 Abs. 1 BetrVG zur Anwendung
kommen (siehe Linck in Perscheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Auflage "Kirche",
Rz. 31, S. 1668). In der schriftlichen Anhörung der Mitarbeitervertretung (Bl. 25 f. d. A.)
heißt es lediglich pauschal, es fielen durch die Schließung der physikalischen Therapie
Arbeitsplätze in der Abteilung Physiotherapie weg. Weder wird im Einzelnen ausgeführt,
aufgrund welcher Umstände die Schließung des Bereichs physikalischen Therapie zu
einem Wegfall von Arbeitsplätzen in der Abteilung Physiotherapie führt, noch, inwieweit
durch diese Schließung der Arbeitsbereich der Klägerin überhaupt betroffen sein kann.
Keine Einzelheiten werden auch zur Sozialauswahl mitgeteilt. Dass im
Berufungsrechtsstreit vorgebrachte Vorbringen, der Mitarbeitervertretung sei die
Auswahlliste und die soziale Auswahl erörtert und besprochen worden, ist pauschal
geblieben und nicht mit konkreten Daten über Teilnehmer, Datum und Inhalt
entsprechender Erörterungen substantiiert worden. Eine vollständige, den
Anforderungen des § 30 Abs. 1 S. 2 MAVO entsprechende Information an die
Mitarbeitervertretung kann daher nicht angenommen werden.
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III. Insgesamt war die Kündigung aus mehreren unabhängig voneinander bestehenden
Gründen rechtsunwirksam.
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Die Berufung musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.
Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da kein Fall von rechtsgrundsätzlicher
Bedeutung und auch kein Fall von Divergenz vorlag.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegen. Hinsichtlich einer
Nichtzulassungsbeschwerde wird auf die Voraussetzungen in § 72 a ArbGG
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hingewiesen.
Dr. Griese Jung Keupgen
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