Urteil des LAG Köln vom 22.12.2004
LArbG Köln: vergleich, dienstfahrzeug, vollkaskoversicherung, geldwerter vorteil, verkehrsunfall, haftungsbeschränkung, arbeitsgericht, zerstörung, verkehrsverhältnisse, akte
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 7 Sa 859/04
22.12.2004
Landesarbeitsgericht Köln
7. Kammer
Urteil
7 Sa 859/04
Arbeitsgericht Köln, 1 Ca 9695/03
Vergleich, Ausgleichsklausel, Dienstfahrzeug, Privatnutzung,
Arbeitnehmerhaftung, Vollkaskoversicherung, Haftungsbeschränkung,
Familienangehöriger
§§ 611, 619 a, 779, 823 BGB
Arbeitsrecht
1. Sind an einem Rechtsstreit auf beiden Seiten mehrere Parteien
beteiligt und schließen die Parteien zur Beilegung des Rechtsstreits
einen Vergleich mit Ausgleichsklausel, so betrifft die Ausgleichsklausel
im Zweifel nur das Verhältnis der Kläger einerseits zu den Beklagten
andererseits, nicht aber auch das Verhältnis der mehreren Kläger
zueinander.
2. Darf der Arbeitnehmer das Dienstfahrzeug auch privat nutzen und „von
Familienangehörigen benutzen lassen,“ so gehört zu solchen
„Familienangehörigen“ auch die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft
lebende Lebensgefährtin.
3. Unterlässt der Arbeitgeber für ein seinem Arbeitnehmer überlassenes
Dienstfahrzeug den Abschluss einer nicht mit unzumutbaren Kosten
verbundenen, üblichen Vollkaskoversicherung, beschränkt sich die
Haftung des Arbeitnehmers im Schadensfall auf die Höhe derjenigen
Kosten, die auch durch eine solche Vollkaskoversicherung nicht
abgedeckt wären (insbesondere übliche Selbstbeteiligung).
4. Bei der Anwendung dieses Grundsatzes verbietet es sich danach zu
unterscheiden, ob der vom Arbeitnehmer verursachte Unfall im Rahmen
einer Dienstfahrt oder im Rahmen einer genehmigten Privatfahrt
geschehen ist.
5. In den Schutzbereich dieser Haftungsbeschränkung fällt auch der
Familienangehörige, dem der Arbeitnehmer das Dienstfahrzeug befugter
Weise zur Nutzung überlassen hat.
Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 13. Mai 2004 in Sachen 1 Ca 9695/03 teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 500,00 € nebst Zinsen in
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Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
06.01.2003 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 90 %, die Beklagte
10 %.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten um einen von der Klägerin geltend gemachten
Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall mit einem Dienstfahrzeug.
Der erstinstanzlich als Beklagter zu 1 mitverklagte A H aus R war Arbeitnehmer der
Klägerin. Die Klägerin hatte dem A H zu dienstlichen Zwecken ein ihr gehörendes
Firmenfahrzeug überlassen, das der Arbeitnehmer auch zu privaten Zwecken nutzen durfte.
Die Möglichkeit der Privatnutzung wurde auch als geldwerter Vorteil versteuert. Am
03.07.1995 hatten die Klägerin und ihr Arbeitnehmer einen Fahrzeugüberlassungsvertrag
geschlossen (Bl. 27 d. A.). Darin heißt es u. a.: "Ich verpflichte mich, das Fahrzeug nicht
durch betriebsfremde Personen außer von Familienangehörigen benutzen zu lassen."
Der Arbeitnehmer H erhielt später ein anderes Dienstfahrzeug als in dem
Fahrzeugüberlassungsvertrag vom 03.07.1995 erwähnt, nämlich ein solches vom Typ VW
Golf Variant CL TDI. Ein erneuter Fahrzeugüberlassungsvertrag wurde bei Überlassung
des Nachfolgefahrzeuges nicht geschlossen.
Das dem Arbeitnehmer H überlassene Dienstfahrzeug wurde von der Klägerin – ohne dass
der Arbeitnehmer Hahn dies wußte -
nicht
Am 06.05.2000 nutzte die erstinstanzliche Beklagte zu 2 und jetzige alleinige
Berufungsbeklagte das dem Arbeitnehmer H überlassene Firmenfahrzeug VW Golf Variant
in Absprache mit diesem zu einer privaten Besorgungsfahrt. Bei der Berufungsbeklagten
handelte es sich zum damaligen Zeitpunkt um die Lebensgefährtin des Arbeitnehmers H ,
die mit diesem in häuslicher Gemeinschaft lebte. Als die Berufungsbeklagte bei der
fraglichen Fahrt morgens gegen 08:45 Uhr in R aus der Straße "A " nach rechts in die B
Straße abbog oder unmittelbar nachdem dies geschehen war, kam es auf der B Straße zu
einer Kollision mit einem entgegenkommenden Müllfahrzeug. Der polizeilichen
Unfallskizze zufolge ist die B Straße an der Unfallstelle nur 5,30 m breit. Die beiden rechten
Reifen des Müllfahrzeuges verursachten eine Bremsspur, die an ihrem Beginn 1,40 m vom
rechten Fahrbahnrand entfernt war. Beide Fahrzeuge wurden im Frontbereich beschädigt.
Das Firmenfahrzeug der Klägerin erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden. Wegen der Art
der Schäden wird auf das Gutachten der DEKRA vom 15.05.2000 Bezug genommen.
Die Klägerin verklagte in dem Verfahren 18 O 464/01 vor dem Landgericht Köln zunächst
den Fahrer des Müllfahrzeugs sowie die hinter ihm stehende Versicherung auf
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Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres Fahrzeugs, wobei sie den Schaden,
bestehend aus Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert, Kosten eines
Sachverständigengutachtens, Abschleppkosten und Auslagenpauschale auf 13.756,40 DM
bezifferte und hiervon 75 %, also 10.317,30 DM geltend machte. Die Beklagten des
Landgerichtsprozesses erhoben gegen die Klägerin, aber auch gegen deren
Haftpflichtversicherung und gegen die hiesige Berufungsbeklagte Widerklage bzw.
Drittwiderklage. Zur Abwehr der Drittwiderklage ließ sich die hiesige Berufungsbeklagte
dabei von demselben Rechtsanwalt vertreten, der auch die Klägerin im
Landgerichtsprozess vertrat. Nach erfolgter Beweisaufnahme schlug die Kammer des
Landgerichts den dortigen Parteien den Abschluss eines Vergleiches unter
Zugrundelegung einer Haftungsquote von 2/3 zu Lasten der Klägerin und 1/3 zu Lasten der
Beklagtenseite vor. Die Parteien des Landgerichtsprozesses schlossen daraufhin
folgenden Vergleich:
"1. Zum Ausgleich sämtlicher Ansprüche aus dem streitgegenständlichen
Verkehrsunfall zahlen die Beklagten an die Klägerin einen Betrag von 2.321,00 €. Die
Widerbeklagten zahlen an den Widerkläger einen Betrag von 1.061,00 €.
2. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander
aufgehoben.
3. Beiden Parteien bleibt vorbehalten, von diesem Vergleich durch Einreichen eines
Schriftsatzes beim Landgericht Köln bis zum 10.11.2002 zurückzutreten."
Der vorgenannte Vergleich vom 26.11.2002 wurde rechtskräftig.
Im vorliegenden Verfahren nahm die Klägerin zunächst ihren Arbeitnehmer H und die
Berufungsbeklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Dabei bezifferte sie ihren Schaden
nunmehr unter Abzug der ihr aus dem Vergleich vor dem Landgericht vom 26.11.2002
zustehenden 2.321,00 € auf 4.712,54 € (vgl. die Berechnung auf S. 6 d. Klageschrift v.
05.05.2003).
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, ihr Arbeitnehmer hafte schon
deshalb für den aus der Zerstörung des Dienstfahrzeugs resultierenden Schaden, weil er
nicht befugt gewesen sei, das Dienstfahrzeug an seine Freundin weiterzugeben. Später hat
die Klägerin zugestanden, dass die Haftung des Arbeitnehmers nach den Grundsätzen
über den innerbetrieblichen Schadensausgleich auf den Betrag beschränkt sei, der bei
Abschluss einer Vollkaskoversicherung als übliche Selbstbeteiligung anzusetzen sei.
Diesen Betrag hat die Klägerin mit 500,00 € beziffert.
Die Haftung der Beklagten zu 2 und jetzigen Berufungsbeklagten hat die Klägerin damit
begründet, dass diese den Verkehrsunfall schuldhaft (mit-) verursacht habe, da sie beim
Abbiegen auf die B Straße die Vorfahrt des Müllfahrzeugs missachtet habe.
Die Klägerin und Berufungsklägerin hat erstinstanzlich beantragt,
den Arbeitnehmer H und die jetzige Berufungsbeklagte gesamtschuldnerisch zu
verurteilen, an sie 4.712.54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 06.01.2003 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Arbeitnehmer H als erstinstanzlicher Beklagter zu 1 hat geltend gemacht, dass er sehr
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wohl berechtigt gewesen sei, seiner Lebensgefährtin das Fahrzeug zu überlassen; denn
diese gehöre zum Kreis der "Familienangehörigen", die das Fahrzeug, wie auch im
Fahrzeugüberlassungsvertrag vom 03.07.1995 festgehalten, mitbenutzen durften. Die
Berufungsbeklagte hat sich erstinstanzlich darauf berufen, dass ihr Unfallgegner Schuld an
dem Verkehrsunfall trage. Insbesondere habe das Müllfahrzeug das Rechtsfahrgebot
verletzt. Außerdem hat die Berufungsbeklagte erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
dass eine Schadensersatzforderung der Klägerin durch den landgerichtlichen Vergleich
vom 26.11.2002 ausgeschlossen sei. Mit dem Vergleich habe ein Schlussstrich unter
sämtliche aus dem Verkehrsunfall resultierende Ansprüche gezogen werden sollen.
Dementsprechend heißt es in dem Vergleich, dass die dort aufgeführten Zahlungen "zum
Ausgleich sämtlicher Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall" erfolgen
sollten. Damit seien aber auch Ansprüche der ebenfalls an dem landgerichtlichen
Vergleich beteiligten Klägerin ihr, der Berufungsbeklagten gegenüber ausgeschlossen.
Mit Urteil vom 13.04.2004 hat das Arbeitsgericht Köln die Klage abgewiesen. Auf die
Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen.
Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Klägerin am 22.06.2004 zugestellt. Sie hat
hiergegen am 21.07.2004 Berufung einlegen und diese am 06.08.2004 begründen lassen.
Die Berufung richtet sich nur gegen die erstinstanzliche Beklagte zu 2.
Die Klägerin macht geltend, dass die Beklagte aufgrund der schuldhaften
Unfallverursachung gem. § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig sei. Auf den
landgerichtlichen Vergleich könne sich die Berufungsbeklagte nicht berufen. Der Vergleich
sei nur zwischen der Klägerin und den Beklagten einerseits, dem Widerkläger und den
Widerbeklagten andererseits abgeschlossen worden, betreffe aber nicht auch das
Verhältnis zwischen den Widerbeklagten untereinander. Im Übrigen sei der Vergleich
unwirksam, wenn man ihn auch auf das Verhältnis der Berufungsbeklagten zu ihr, der
Klägerin beziehen wolle; denn bei Abschluss des damaligen Vergleiches seien die beiden
Parteien des hiesigen Rechtsstreits durch den gleichen Rechtsanwalt vertreten gewesen.
In einem Prozess könne niemand auf beiden Seiten Parteivertreter sein.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
die Zweitbeklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom
13.05.2004, AZ 1 Ca 9695/03, zu verurteilen, an die Klägerin 4.712,54 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.01.2003 zu
zahlen.
Die Beklagte zu 2 und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufungsbeklagte wiederholt ihre Auffassung, dass durch den landgerichtlichen
Vergleich auch sämtliche Ansprüche zwischen den hiesigen Prozessparteien
ausgeglichen und erledigt worden seien.
Das Berufungsgericht hat die Akte des Vorprozesses Landgericht Köln 18 O 464/01
beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Auf den dortigen
Akteninhalt wird Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gem. § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und
wurde gem. § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.
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II. Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Berufungsbeklagte schuldet der
Klägerin als Schadensersatz aus dem Unfallereignis vom 06.05.2000 einen Betrag in Höhe
von 500,00 € nebst eingeklagten Zinsen. Die weitergehende Berufung konnte keinen Erfolg
haben.
1. Das Berufungsgericht vermag sich der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht
anzuschließen, dass jedweder Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der
Berufungsbeklagten aus dem Unfallereignis vom 06.05.2000 von vornherein durch die in
Ziff. 1 des landgerichtlichen Vergleichs vom 26.11.2002 enthaltene Ausgleichsklausel
ausgeschlossen sei.
a. Die Auslegung des Vergleichstextes ergibt vom objektiven Empfängerhorizont her, dass
nur solche Ansprüche durch die Ausgleichsklausel erfasst werden sollten, die im Verhältnis
der Streitparteien des landgerichtlichen Verfahrens gegeneinander in Frage kommen
konnten. Wie die Klägerin zutreffend ausführt, erfasst die Ausgleichsklausel des
landgerichtlichen Vergleichs demnach nur Forderungen, die zwischen der Klägerin und
den Beklagten des landgerichtlichen Verfahrens einerseits, dem dortigen Widerkläger und
den dortigen Widerbeklagten andererseits bestehen konnten. Die hiesige
Berufungsklägerin und die hiesige Berufungsbeklagte haben in dem landgerichtlichen
Prozess jedoch gar nicht
gegen
Abwehr der Widerklage der dortigen Beklagten.
b. Nach der Legaldefinition in § 779 Abs. 1 BGB handelt es sich bei einem Vergleich um
einen Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein
Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Streitgegenstand des
landgerichtlichen Verfahrens waren jedoch nur Ansprüche der Klägerin gegen die dortigen
Beklagten und Ansprüche der dortigen Beklagten als Widerkläger gegen beide Parteien
des vorliegenden Verfahrens als Widerbeklagte. Ein Streit zwischen den Parteien des
hiesigen Verfahrens oder eine Ungewissheit über ein sie beide untereinander betreffendes
Rechtsverhältnis war dagegen gerade nicht Gegenstand des landgerichtlichen Prozesses.
Die hiesige Berufungsbeklagte hat dem landgerichtlichen Vergleich in ihrer Eigenschaft als
dortige Drittwiderbeklagte zugestimmt. Sie hat dadurch erreicht, dass ihre damaligen
Unfallgegner bzw. deren Versicherung endgültig keine weitergehenden Ansprüche mehr
aus dem Unfall vom 06.05.2000 gegen sie geltend machen können.
c. Hätte die Ausgleichsklausel des Vergleichs dagegen auch Ansprüche außerhalb der
Streitkonstellationen des Landgerichtsprozesses erfassen sollen, so hätte dies
unmissverständlich klargestellt werden müssen. Es hätte klargestellt werden müssen, dass
der Vergleichsvertrag nicht nur zwischen Klägerin und Beklagten einerseits, Widerklägern
und Widerbeklagten andererseits zustande kommen sollte, sondern noch in einem
weiteren, darüber hinausgehenden Rechtsverhältnis, nämlich demjenigen der
Widerbeklagten untereinander.
2. Die Klägerin hat gegen die Berufungsbeklagte dem Grunde nach einen
Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB.
a. Die Berufungsbeklagte hat den Verkehrsunfall vom 06.05.2000 und damit auch die
Zerstörung des der Klägerin gehörenden Dienstfahrzeugs (mit-) verursacht.
b. Die Berufungsbeklagte handelte dabei auch schuldhaft. Ihr ist zur Überzeugung des
Berufungsgerichts (mittlere) Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Dies ergibt sich zum einen aus
dem Inbegriff der vom Berufungsgericht beigezogenen landgerichtlichen Akte,
insbesondere aus den dort enthaltenen Feststellungen der Polizei bei der Unfallaufnahme,
bei verständiger Würdigung aber auch bereits aus dem Sachvortrag der Parteien selbst.
Der Unfall ereignete sich, wenn nicht unmittelbar während des Abbiegevorgangs der
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Klägerin von der Straße "A " in die B Straße, so doch zumindest unmittelbar danach. Beim
Einbiegen in eine andere Straße hatte die Klägerin besondere Vorsicht walten zu lassen,
da die Notwendigkeit besteht, sich zunächst einen Überblick über die Verkehrsverhältnisse
zu verschaffen, die in der Straße herrschen, in die abgebogen werden soll. Dies gilt auch
dann, wenn die Klägerin beabsichtigte, nach rechts abzubiegen und somit gegenüber von
links kommenden Fahrzeugen vorfahrtsberechtigt war. Bis die Klägerin in der Lage war, die
in der B Straße herrschenden Verkehrsverhältnisse zu übersehen, hatte sie ihre
Geschwindigkeit soweit herabzusetzen, dass sie jederzeit hätte anhalten können. Hätte
sich die Berufungsbeklagte an diese allgemeinen Vorsichtsregeln gehalten, wäre es zu
dem fraglichen Unfall nicht gekommen; denn die Klägerin hätte das von rechts
herannahende Müllfahrzeug bei ordnungsgemäßem Verhalten nicht übersehen können.
Auch wenn man zugunsten der Berufungsbeklagten unterstellt, dass das Müllfahrzeug
seinerseits das Rechtsfahrgebot verletzte, so hätte die Klägerin bei gehöriger
Aufmerksamkeit den Unfall ohne weiteres vermeiden können. Auch die vom Landgericht
durchgeführte Zeugenbeweisaufnahme spricht dafür, dass die Klägerin ihr Fahrverhalten
nicht der bei einem Abbiegevorgang zu beachtenden erhöhten Wachsamkeit angepasst
hatte.
3. Der Höhe nach ist der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der
Berufungsbeklagten nach Überzeugung des Berufungsgerichts jedoch auf denjenigen
Betrag begrenzt, der der Höhe einer üblichen Selbstbeteiligung beim Abschluss einer
Vollkaskoversicherung entsprochen hätte. Die Klägerin selbst hat hierbei erstinstanzlich
einen Betrag in Höhe von 500,00 € genannt.
a. Die Berufungsbeklagte war zwar nicht selbst Arbeitnehmerin. Als berechtigte Lenkerin
eines ihrem Lebensgefährten vornehmlich zur dienstlichen Nutzung überlassenen
Fahrzeugs fällt die Berufungsbeklagte jedoch mit in den Schutzbereich der
arbeitgeberseitigen Fürsorgepflichten, die die Klägerin als Eigentümerin des
Dienstfahrzeuges gegenüber dem Lebensgefährten der Berufungsbeklagten zu erfüllen
hatte.
b. Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach der
Lebensgefährte der Berufungsbeklagten nach den zwischen ihm und der Klägerin
getroffenen Vereinbarungen befugt war, das Auto der Berufungsbeklagten zu überlassen.
Die Klägerin selbst hat den Fahrzeugüberlassungsvertrag vom 03.07.1995 in das
vorliegende Verfahren eingeführt. Nach dieser Vereinbarung war jedoch der
Lebensgefährte der Berufungsbeklagten unstreitig nicht nur befugt, das Fahrzeug selbst
auch privat zu nutzen, sondern er durfte es auch "von Familienangehörigen benutzen
lassen". Keine der Parteien hat vorgetragen, dass sich insoweit etwas ändern sollte, als die
Klägerin dem Beklagten später ein anderes Fahrzeug als das im Vertrag vom 03.07.1995
erwähnte übergab. Mit dem Arbeitsgericht ist das Berufungsgericht der Auffassung, dass
unter den Begriff des "Familienangehörigen" nach seinem Sinn und Zweck auch die in
häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitnehmer lebende Lebensgefährtin zu subsumieren
ist.
c. Nach den Grundsätzen über den innerbetrieblichen Schadensausgleich gehört es zu den
Obliegenheiten des Arbeitgebers, der seinem Arbeitnehmer ein Dienstfahrzeug überlässt,
für dieses Fahrzeug auch eine Vollkaskoversicherung abzuschließen, soweit dies nicht mit
unzumutbaren Kosten verbunden ist (Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers,
3.Aufl., Rz.239; HWK/Krause, § 619 a BGB Rz.40). Unterlässt der Arbeitgeber den
Abschluss einer ansonsten als üblich zu bezeichnenden Vollkaskoversicherung, so
beschränkt sich die Haftung des Arbeitnehmers im Schadensfall auf die Höhe der
verkehrsüblichen Selbstbeteiligung (vgl. BAG AP Nr.92 und Nr.93 zu § 611 BGB Haftung
des Arbeitnehmers). Einer vertiefenden Begründung dieser Grundsätze bedarf es nicht, da
die Klägerin erstinstanzlich selbst eingeräumt hat, dass der erstinstanzliche Beklagte zu 1
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vor dem Hintergrund dieser Überlegungen nur bis zur Höhe von 500,00 € hätte haften
können.
d. Bei der Anwendung dieser Grundsätze verbietet es sich danach zu unterscheiden, ob
der vom Arbeitnehmer verursachte Unfall im Rahmen einer Dienstfahrt oder im Rahmen
einer genehmigten Privatfahrt erfolgt ist. Dies hat, bezogen auf den erstinstanzlichen
Beklagten zu 1, die Klägerin auch selbst so gesehen.
aa. Das Dienstfahrzeug wird dem Arbeitnehmer auch dann, wenn die private Nutzung
erlaubt ist, gleichwohl in erster Linie zu dienstlichen Zwecken überlassen. Schon deshalb
darf der Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass die Arbeitgeberin im Rahmen der üblichen
Schadensvorsorge das Fahrzeug mit einer Vollkaskoversicherung ausstattet. Kann der
Arbeitnehmer aber generell darauf vertrauen, dass das Fahrzeug in der üblichen Weise
vollkaskoversichert ist, so ist dieses Vertrauen auch dann geschützt, wenn der
Arbeitnehmer mit dem Dienstfahrzeug eine berechtigte Privatfahrt unternimmt.
bb. Dafür spricht auch ein weiterer Gesichtspunkt: Räumt der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer die Privatnutzung eines Dienstfahrzeuges ein, handelt es sich dabei um
einen zusätzlichen Vergütungsbestandteil in Form der Zuwendung eines Sachwertes (BAG
NZA 2004, 649 ff; BAG AP Nr.4 zu § 611 BGB Sachbezüge). Folgerichtig muss der
Arbeitnehmer diese Sachwertzuwendung auch als geldwerten Vorteil versteuern. Auch die
Privatnutzung des Dienstfahrzeugs hat somit einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem
Arbeitsvertrag der Parteien. Daraus resultiert die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht, die in
der Überlassung eines Dienstfahrzeugs zur Privatnutzung bestehende zusätzliche
Vergütungszuwendung in einer Weise zu erbringen, die den Arbeitnehmer vor daraus
resultierenden möglichen Nachteilen schützt.
cc. Eine andere, hier nicht zu entscheidende Frage ist, ob dann, wenn dem Arbeitnehmer
das Recht eingeräumt wird, einen Dienstwagen auch privat zu nutzen, eine Vereinbarung
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulässig wäre, wonach sich der Arbeitnehmer an
den laufenden Kosten einer Vollkaskoversicherung zu beteiligen hätte.
e. Ist der Arbeitnehmer nun berechtigt, das Dienstfahrzeug auch Familienangehörigen zur
Privatnutzung zu überlassen, so hat der Arbeitnehmer ein berechtigtes und für den
Arbeitgeber auch ohne weiteres erkennbares Interesse daran, dass auch dieser
Personenkreis in den Schutzbereich der mit der Überlassung des Dienstfahrzeugs
verbundenen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers einbezogen wird. Für den Arbeitgeber ist
ohne weiteres erkennbar, dass den Arbeitnehmer gegenüber dem ihm verbundenen
Personenkreis der Familienangehörigen seinerseits eine eigene Schutzverpflichtung trifft.
Insbesondere kann es in diesem Zusammenhang für die Entscheidung des Arbeitnehmers,
ob er von seinem Recht, das Dienstfahrzeug auch durch die Familienangehörigen
benutzen zu lassen, überhaupt Gebrauch macht, von ausschlaggebender Bedeutung sein,
ob das Fahrzeug vollkaskoversichert ist oder nicht.
f. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass sich auch die Berufungsbeklagte aus
abgeleitetem Recht auf die Haftungsbeschränkung des erstinstanzlichen Beklagten zu 1
als Arbeitnehmer der Klägerin berufen kann, die darin besteht, dass die Haftung der Höhe
nach auf den Umfang der üblichen Selbstbeteiligung einer Vollkaskoversicherung
beschränkt ist.
4. Die von der Berufungsbeklagten erstinstanzlich vorgebrachten Einwände zur genauen
Schadenshöhe, die die Berufungsbeklagte in der Berufungsinstanz ohnehin nicht
wiederholt hat, bedürfen keiner näheren Erörterung; denn auch nach den erstinstanzlichen
Einwendungen der Berufungsbeklagten übersteigt der der Klägerin nach Abzug der ihr im
Vergleich vom 26.11.2002 durch den Unfallgegner zugesagten Teilleistungen verbleibende
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Restschaden den vom Berufungsgericht ausgeurteilten Betrag von 500,00 € bei weitem. Da
es die Klägerin jedoch unter Verletzung ihrer Obliegenheiten sich selbst gegenüber
unterlassen hat, für ihr Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abzuschließen, ist sie daran
gehindert, den über 500,00 € hinausgehenden Schaden gegenüber der
Berufungsbeklagten geltend zu machen.
III. Die Kostenentscheidung folgt dem Verhältnis des beiderseitigen Obsiegens und
Unterliegens.
Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war die Revision zuzulassen.
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