Urteil des LAG Köln vom 09.12.2010

LArbG Köln (zpo, höhe, kläger, beschwerde, einkommen, treuhänder, beschwerdeinstanz, ratenzahlung, bewilligung, unterlagen)

Landesarbeitsgericht Köln, 1 Ta 341/10
Datum:
09.12.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
1.Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 Ta 341/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 11891/09
Schlagworte:
Abgetretene Bezüge; Restschuldbefreiung; krankheitsbedingte
Aufwendungen
Normen:
§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO; § 287 Abs. 2 Satz 2 InsO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1) An einen Treuhänder zum Zwecke der Restschuldbefreiung gemäß §
287 Abs. 2 Satz 1 InsO abgetretene Bezüge mindern die finanzielle
Leistungsfähigkeit, so dass die abgeführten Beträge i. S. v. § 115 Abs. 1
Satz 3 Nr. 4 ZPO vom Einkommen abziehbar sind, sofern nicht
besondere Umstände entgegenstehen.
2) Notwendige und angemessene krankheitsbedingte Aufwendungen,
die nicht von der Krankenkasse getragen werden, stellen i. d. R. eine
besondere Belastung dar, die i. S. v. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr.: 4 ZPO zu
einer Abzugsfähigkeit führt.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird
der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeits-
gerichts Köln vom 13.08.2010 abgeändert:
Dem Kläger wird für das Verfahren erster Instanz ab
dem 21.09.2010 Prozesskostenhilfe bewilligt
und Rechtsanwältin S-P aus F
zu den Bedingungen eines ortsansässigen An-
walts als Prozessbevollmächtigte beigeordnet.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit
der Maßgabe, dass der Kläger bei einem
einzusetzenden Einkommen in Höhe von 365,60 €
eine monatliche Rate in Höhe von 135,00 € ab dem
21.09.2010 zu zahlen hat.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Kläger ist bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt und bezieht ein
durchschnittliches Nettomonatsentgelt in Höhe von 1. 737,84 €, das 13-mal gezahlt wird.
Er begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seiner
Rechtsanwältin für eine Klage, mit der er die Entfernung einer Abmahnung aus seiner
Personalakte erstrebt.
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Mit Beschluss vom 13.08.2010 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe gemäß § 115 Abs. 4 ZPO mit der Begründung abgewiesen, bei
einem einzusetzenden Einkommen in Höhe von 726,00 € und einem Streitwert von
2.400,00 € überstiegen die Prozesskosten nicht die bewilligungsrelevante Grenze von
vier Monatsraten.
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Gegen den am 20.08.2010 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 20.09.2010
sofortige Beschwerde erhoben, mit der er geltend macht, bei der Berechnung seien als
zusätzliche Belastungen monatliche Zahlungen aufgrund einer Privatinsolvenz an den
Insolvenztreuhänder und monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 600,00 € für ein
Darlehn zur Begleichung einer Zahnarztrechnung zu berücksichtigen.
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Das Arbeitsgericht Köln hat mit Beschluss vom 30.09.2010 der sofortigen Beschwerde
nicht abgeholfen.
6
II.
7
Die sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts
Köln vom 13.08.2010 ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO i. V. m. §§ 11 a Abs. 3
ArbGG, 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 569 ZPO zulässig. In der Sache hat sie teilweise
Erfolg.
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1. Die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß §
114 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG liegen vor. Die Klage bietet hinreichende
Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch auf Entfernung der
Abmahnung aus der Personalakte nämlich schlüssig dargelegt und Beweis für seine
Behauptungen angetreten.
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2. Nach den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen, teilweise abzugsfähigen weiteren
Belastungen ist von einem einzusetzenden Einkommen des Klägers in Höhe von nur
365,60 € auszugehen. Dies führt gemäß § 115 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG
zu einer monatlichen Ratenzahlung in Höhe von 135,00 €, deren Vierfaches die Kosten
der Prozessführung nicht übersteigt (vgl. § 115 Abs. 4 ZPO).
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Das maßgebende einzusetzende Einkommen berechnet sich dabei wie folgt:
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a) Von dem monatlichen Nettoverdienst des Klägers in Höhe von 1.882,66 € (1.737,84 x
13 : 12) sind gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b ZPO der Erwerbstätigkeitsfreibetrag in
Höhe von 180,00 € sowie gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a ZPO der Unterhaltsfreibetrag
in Höhe von 395,00 € abzuziehen.
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b) Darüber hinaus sind an Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3
ZPO) insgesamt 369,66 € zu berücksichtigen. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen
schuldet der Kläger monatlich eine Nettomiete von 334,46 € sowie für Heizung 35,20 €.
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Weitergehende Nebenkosten für Strom und Wasser sind nicht abzugsfähig, denn sie
gehören zur allgemeinen Lebenshaltung und sind bereits in den Freibeträgen für das
Existenzminimum enthalten (BGH v. 08.01.2008 – VIII ZB 18/06 – NJW-RR 2008, 595;
LAG Köln v. 13.07.2010 – 1 Ta 130/10 – m. w. N.; Musielak-Fischer, ZPO, 7. Aufl. 2009,
§ 115 Rn. 22).
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c) Darüber hinaus sind die an den Treuhänder abgeführten Beträge in Höhe von
durchschnittlich 572,40 € pro Monat abzuziehen.
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aa) Dem steht in prozessualer Hinsicht nicht entgegen, dass der Kläger diesen
Sachvortrag erst in der Beschwerdeinstanz vorgebracht und entsprechende Belege
vorgelegt hat. Gemäß § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG ist neuer
Sachvortrag in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich zulässig. Etwas anderes gilt nur
dann, wenn erstinstanzlich eine Ausschlussfrist gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gesetzt
worden ist, was vorliegend indes nicht der Fall war. Allerdings bedeutet die
Berücksichtigung neuer Tatsachen in der Beschwerdeinstanz nicht, dass
Prozesskostenhilfe rückwirkend zu bewilligen wäre. Da die für die PKH-Bewilligung
erforderlichen Unterlagen erst mit der Beschwerdeschrift vorgelegen haben, die am
21.09.2010 bei Gericht eingegangen ist, konnte erst auf diesen Zeitpunkt bezogen
Prozesskostenhilfe gewährt werden.
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bb) Mit den vorgelegten Belegen hat der Kläger glaubhaft gemacht, dass er in der Zeit
vom 28.5. 2009 bis zum 30.8.2010 insgesamt 9.158,40 € und damit im Durchschnitt
572,40 € monatlich an den Treuhänder abgeführt hat. Mit Rücksicht darauf, dass im
Rahmen einer Restschuldbefreiung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO eine gesetzliche
Abtretungsverpflichtung des Schuldners an den Treuhänder hinsichtlich der pfändbaren
Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis besteht, ist die finanzielle
Leistungsfähigkeit des Insolvenzschuldners gemindert, mit der Folge, dass derartige
Zahlungsverpflichtungen gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO grundsätzlich vom
Einkommen abziehbar sind (ebenso LAG Schleswig-Holstein v. 05.01.2007 – 2 Ta
294/06 – NZA-RR 2007, 265). Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung
erfordern würden, sind nicht ersichtlich.
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d) Die geltend gemachte monatliche Ratenzahlung in Höhe von 600,- € für ein Darlehn
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zur Begleichung einer Zahnarztrechnung ist demgegenüber nicht gem. § 115 Abs. 1
Satz 3 Nr. 4 ZPO abzugsfähig.
Es ist zwar anerkannt, dass auch notwendige krankheitsbedingte Aufwendungen eine
besondere Belastung i. S. v. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO darstellen können (VGH
München v. 16.07.2010 – 16 b DS 10.1120 – bei juris; OLG Saarbrücken v. 21.03.2005
– 8 W 70/05 – OLGR Saarbrücken 2005, 505 f; Schwab/Weth-Vollstädt, ArbGG, 2. Aufl.
§ 11 a Rn. 62; Musielak-Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 115 Rn. 30; Kalthoener/Büttner/Wrobel-
Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 5. Aufl. Rn. 289). Vorliegend scheitert die
Abzugsfähigkeit indes schon daran, dass die Angemessenheit der Aufwendungen, die
gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit ist, nicht
hinreichend dargetan ist.
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aa) Ausweislich der vorgelegten Abrechnung der gesetzlichen Krankenversicherung
des Klägers hat diese auf die Rechnung des Zahnarztes in Höhe von 6.273,71 €
insgesamt 3.286,40 € erstattet. Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, aus
welchem Grund der Kläger eine Behandlung gewählt hat, die annähernd doppelt so
teuer ist wie die von der gesetzlichen Krankenkasse übernommene
Behandlungsleistung. Das vorgelegte Schreiben des Zahnarztes enthält lediglich die
pauschale Feststellung, es seien alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Kosten so
gering wie möglich zu halten. Damit genügt der Kläger den Anforderungen an eine
hinreichende Darlegung und Glaubhaftmachung nicht. Die gesetzliche
Angemessenheitsprüfung kann auf dieser Basis nicht vorgenommen werden.
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bb) Außerdem ist der mit der Fa. B geschlossene Darlehensvertrag in Höhe von
6.273,61 € nicht nachvollziehbar. Auf die Rechnung des Zahnarztes vom 15.06.2010 hat
die gesetzliche Krankenversicherung bereits durch Abrechnungsschreiben vom
28.06.2010 einen Teilbetrag in Höhe von 3.286,40 € erstattet. Es verblieb für den Kläger
somit lediglich eine Restforderung in Höhe von 2.987,21 €. Aus welchem Grund er
gleichwohl mehr als einen Monat später am 07.08.2010 einen Darlehnsvertrag über den
gesamten Rechnungsbetrag in Höhe von 6.273,61 € abgeschlossen hat, erschließt sich
aus seinem Vortrag nicht.
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cc) Schließlich hat der Kläger auch nicht glaubhaft gemacht, dass die vereinbarte
Ratenzahlung tatsächlich aufgenommen worden ist und kontinuierlich bedient wird.
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3. Dem Kläger ist seine Prozessbevollmächtigte gemäß § 121 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 11 a
Abs. 3 ArbGG beizuordnen, denn die Beiordnung ist aufgrund des ersichtlich streitigen
Sachverhalts zur Wahrung der Interessen des Klägers erforderlich.
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III.
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Im Hinblick darauf, dass der Teilerfolg der sofortigen Beschwerde auf der Vorlage von
Unterlagen beruht, die der Kläger bereits in der ersten Instanz hätte einreichen müssen,
scheidet eine Ermäßigung der Beschwerdegebühr gemäß GKG-KV Nr. 8614 aus (arg.
aus § 97 Abs. 2 ZPO)
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IV
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Gegen diesen Beschluss ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein
Anlass besteht, ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Satz 2 ArbGG i. V. m. §§
27
72 Abs. 2 ArbGG, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Dr. vom Stein
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