Urteil des LAG Köln vom 25.08.2005

LArbG Köln: vergütung, verfügung, rechtshängigkeit, anpassung, arbeitsgericht, verrechnung, mindestdauer, rückforderung, zukunft, abmahnung

Landesarbeitsgericht Köln, 10 Sa 797/04
Datum:
25.08.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 Sa 797/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Aachen, 4 Ca 4632/02
Schlagworte:
Abrufarbeit
Normen:
§ 12 I TzBfG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Kein Lohnrückzahlungsanspruch des Arbeitgebers, wenn er das für den
Bezugszeitraum vereinbarte Zeitdeputat nicht in vollem Umfang abruft.
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.05.2004 verkündete
Urteil des Arbeitsgerichts Aachen
– 4 Ca 4632/02 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin begehrt Rückzahlung von Lohn.
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Der Beklagte war bei der Klägerin auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom
30.07.2001 bis Ende Mai 2002 als studentische Hilfskraft beschäftigt. In den §§ 4 und 5
des Arbeitsvertrages haben die Parteien folgendes vereinbart:
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"§ 4 Arbeitszeit
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1. Der Mitarbeiter verpflichtet sich – in Abstimmung mit dem Arbeitgeber – für jeweils
3 Monate im Voraus für eine mindestens pro Woche zu leistende Stundenzahl und
mindestens einen festen wöchentlichen Anwesenheitstermin sowie die im Mittel
abzuleistende Stundenzahl.
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2. Für den ersten Zeitraum vom 01.08.2001 bis zum 31.012.2001 wird eine
Stundenzahl von 15 Stunden pro Woche im Mittel festgelegt.
3. Der Arbeitgeber kann nach betrieblichen Erfordernissen Mehrarbeit, Nachtarbeit,
Sonn- und Feiertagsarbeit im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen anordnen.
4. Der Mitarbeiter führt ein Arbeitszeitkonto, das die Tage der geleisteten Arbeit, die
Stundenzahl, den betreuenden Vorgesetzten und die Tätigkeit beinhaltet und lässt
es am Ende eines jeden Monats durch die Vorgesetzten abzeichnen.
§ 5 Vergütung
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1. Der Mitarbeiter erhält eine Vergütung für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden
in Höhe von 18,50 DM.
2. Der Mitarbeiter erhält für eine Vertragsdauer von jeweils 3 Monaten eine feste
monatliche Zahlung auf der Basis der festgelegten mittleren Stundenzahl.
3. Jeweils nach Abschluss einer dreimonatigen Vertragsphase wird die vergütete
Stundenzahl gegen die Stundenzahl gemäß Arbeitszeitkonto abgeglichen und
eine neue mittlere Stundenzahl festgelegt.
4. Die Vergütung wird am 15. Tag des aktuellen Monats fällig und wird auf das Konto
des Mitarbeiters überwiesen, das der Mitarbeiter dem Arbeitgeber mitgeteilt hat.
5. Eine leistungsorientierte Anpassung der Vergütung wird jeweils zu Beginn eines
neuen Semesters geprüft."
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Die Klägerin zahlte an den Beklagten monatlich eine Vergütung auf der Basis einer
durchschnittlichen Monatsarbeitszeit von 64,5 Stunden. Ausweislich des vorgelegten
Arbeitszeitkontos vergütete sie für die Zeit der Beschäftigung insgesamt 655,5 Stunden.
Die Klägerin rief die Arbeit beim Beklagten nicht in diesem Umfang ab und macht
geltend, dieser habe in der Beschäftigungszeit nur 252 Stunden abgeleistet. Daraus
ergebe sich eine Überzahlung von 3.817,11 €.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.817,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat behauptet, er habe mehr Arbeitsstunden abgeleistet als die Klägerin angebe. Die
Stunden seien nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden, weil ihm keine
entsprechenden Formulare zur Verfügung gestellt worden seien. Er habe die an ihn
herangetragenen Aufgaben erledigt und sich im übrigen in Arbeitsbereitschaft gehalten.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der
Klägerin. Sie behauptet, der Beklagte habe das Arbeitszeitkonto nicht vertragsgemäß
geführt. In der Zeit vom 16.07. bis 31.12.2001 liege eine Überzahlung von 2.946,45 €
und für die Zeit vom 01.01.2002 bis 31.05.2002 eine Überzahlung von 870,22 €,
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insgesamt also in Höhe von 3.816,67 € vor.
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die
Klägerin 3.816,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er macht geltend, es sei eine aufgabenorientierte Bezahlung vereinbart worden. Die
zugeteilten Aufgaben habe er – unstreitig – erledigt. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Vorbringens der Parteien wird auf die in beiden Instanzen gewechselten
Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückgewähr gezahlten Lohns. Ihre Klage ist
unbegründet.
22
Die Parteien haben ein Arbeitsverhältnis über Abrufarbeit mit einer Abrede über einen
vorbestimmten Arbeitsumfang für einen bestimmten Bezugszeitraum vereinbart. Diese
Form der Abrufarbeit wird gelegentlich als kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit
(KAPOVAZ) oder als bedarfsabhängige variable Arbeitszeit (BAVAZ) bezeichnet. Bei
einem solchen Arbeitsverhältnis haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein bestimmtes
Zeitdeputat für die Woche, den Monat oder das Jahr im voraus zu vereinbaren. Im
Rahmen des vereinbarten Zeitdeputats ist der Arbeitgeber berechtigt, die Arbeitsleistung
des Arbeitnehmers abzurufen. Es besteht Vertragsfreiheit, welches Zeitdeputat die
Vertragsparteien vereinbaren. Es kann also kleiner oder größer als die 10–
Wochenstunden sein, die gelten, wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht
festgelegt ist (§ 12 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz [früher § 4 Abs. 1
Beschäftigungsförderungsgesetz]).
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Vorliegend haben die Parteien gemäß § 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages für den Zeitraum
vom 01.08.2001 bis zum 31.12.2001 eine Stundenzahl von 15 Stunden pro Woche im
Mittel festgelegt. Hierbei handelt es sich um das vereinbarte Zeitdeputat, das die
Klägerin als Arbeitgeberin abrufen konnte und für das der Beklagte als Arbeitnehmer
gemäß § 4 Nr. 1 des Arbeitsvertrages zur Verfügung stehen musste.
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Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers richtet sich grundsätzlich nach dem
vereinbarten Arbeitszeitdeputat. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine
Arbeitsvergütung, die prinzipiell kontinuierlich und unabhängig vom Arbeitsanfall und
der Übertragung von Arbeitszeitguthaben oder – defiziten auf spätere Bezugszeiträume
monatlich zu zahlen ist (Annuß/Thüsing, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Kommentar,
2002, § 12 Rn. 32). Unterschreitet der Arbeitgeber die vertraglich vereinbarte
Mindestabrufdauer der Arbeitszeit, hat der Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch für
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eine der Mindestdauer entsprechende Tätigkeit unter dem rechtlichen Gesichtspunkt
des Annahmeverzugs (Boewer, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Kommentar, 2002, § 12
Rn. 35). Daraus folgt, dass die Klägerin mit ihrer kontinuierlichen Lohnzahlung für den
zunächst bis Ende 2001 vereinbarten Bezugszeitraum mit Rechtsgrund gezahlt hat.
Die Parteien sind frei in der Vereinbarung, nach Ablauf des zunächst vereinbarten
Bezugszeitraums einen neuen Bezugszeitraum mit einer höheren oder niedrigeren
mittleren Arbeitszeit zu vereinbaren. Diese Möglichkeit haben die Parteien in § 5 des
Arbeitsvertrages gesehen, davon aber keinen Gebrauch gemacht. Im übrigen ergibt sich
aus § 5 Nr. 3 des Arbeitsvertrages, dass bei Unterschreitung des Deputats einer
Stundenzahl von 15 pro Woche im Mittel – rechtlich korrekt – keine Verrechnung oder
Rückforderung von Lohn vorgesehen war, sondern lediglich eine Anpassung des
Arbeitsumfangs für die Zukunft. Da dies bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ende Mai 2002 nicht geschehen ist, blieb es einerseits bei der Verpflichtung des
Beklagten, seine Arbeitskraft für eine Stundenzahl von 15 pro Woche im Mittel zur
Verfügung zu stellen und andererseits bei dem Recht der Klägerin, die Arbeit in diesem
Umfang abzurufen. Da der Beklagte die ihm zugeteilten Aufgaben erledigt hat, bleibt
sein Lohnanspruch unberührt. Dies hat zur Konsequenz, dass bei einem Monatsmittel
von 65 Stunden (15 Stunden pro Woche x 13 geteilt durch 3) über 10 Monate (August
2001 bis Mai 2002) 650 Stunden zu vergüten waren. Hinzu kommen die 8 Stunden, die
der Beklagte bereits im Juli 2001 ausweislich des vorgelegten Arbeitszeitkontos für die
Klägerin tätig war. Nach allem war die Vergütung von insgesamt 655,5 Stunden nicht
rechtsgrundlos.
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Soweit die Klägerin dem Beklagten Versäumnisse bei der Führung des
Arbeitszeitkontos vorwirft, lässt sich daraus kein Lohnrückzahlungsanspruch herleiten.
Auf etwaige Vertragsverletzungen kann der Arbeitgeber durch Abmahnung und
Kündigung reagieren. Die Klägerin hätte auch nach Ablauf des Jahres 2001 einen
neuen Bezugszeitraum mit einer geringeren mittleren Stundenzahl festlegen und den
Beklagten von seiner Verpflichtung, für im Mittel 15 Stunden in der Woche zur
Verfügung zu stehen, entsprechend entbinden können. Dies ist nicht erfolgt.
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Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu
tragen.
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Die Revision wurde nicht zugelassen, weil es hierfür am gesetzlichen Grund fehlt. Auf
die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde unter den Voraussetzungen des § 72 a
ArbGG wird verwiesen.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
30
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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(Schroeder) (Tabellion) (Reusch)
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