Urteil des LAG Köln vom 14.05.2003

LArbG Köln: betriebsstätte, interessenabwägung, beendigung, kündigungsfrist, härte, gegenleistung, verfügung, unternehmen, auflage, kündigungsschutz

Landesarbeitsgericht Köln, 7 Sa 1307/02
Datum:
14.05.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Sa 1307/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegburg, 1 Ca 2830/02
Schlagworte:
Erziehungsurlaub; Elternzeit; betriebsbedingte Kündigung;
Interessenabwägung
Normen:
§ 18 Abs. 1 BErzGG; § 1 Abs. 2 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Die Streitfrage, ob bei einer betriebsbedingten Kündigung, bei der
"dringende betriebliche Erfordernisse" i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG zu
bejahen sind und die soziale Auswahl i. S. v. § 1 Abs. 3 KSchG
ebenfalls nicht zu beanstanden ist, noch eine abschließende
Interessenabwägung stattzufinden hat, bleibt offen.
2. Bejaht man die Frage, so kann die Interessenabwägung aber
jedenfalls nur in seltenen Ausnahmefällen außergewöhnlicher sozialer
Härte zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen (insoweit Anschluss an
BAG EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 47 u. Nr. 48).
3. Ein solcher Ausnahmefall wird nicht schon durch die sozialrechtlichen
Nachteile begründet, die entstehen (können), wenn eine - mit
Zustimmung der zuständigen Stelle gem. § 18 Abs. 1 S. 3 BErzGG
ausgesprochene - betriebsbedingte Kündigung wegen
Betriebsstillegung zur vorzeitigen Beendigung des Erziehungsurlaubs
bzw. der Elternzeit führt.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Siegburg vom 24.10.2002 in Sachen 1 Ca 2830/02 wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer mit Zustimmung der zuständigen
Behörde während der Elternzeit der Klägerin ausgesprochenen arbeitgeberseitigen
betriebsbedingten Kündigung.
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Die Beklagte, ein Unternehmen mit Stammsitz in M , unterhielt in S eine Niederlassung,
wo sie sich mit dem HAL-Heißluftverzinnen und dem LSL-Lötstopplackbeschichten von
Leiterplatten befasste. In S beschäftigte die Beklagte 11 Arbeitnehmer/-innen. In einer
weiteren Betriebsstätte in B bei C in Sachsen erbringt die Beklagte mit Hilfe CNC-
gesteuerter Maschine andersartige Dienstleistungen. In M selbst betreibt die Beklagte
keine Produktion.
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Die Klägerin war seit dem 01.04.1992 in der Niederlassung S der Beklagten als
angelernte Arbeiterin beschäftigt. Sie erzielte ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von
3.400,- DM. Nach der Geburt eines Kindes am 13.06.2000 befand sich die Klägerin in
Elternzeit, welche bis zum 13.06.2003 andauern sollte.
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Am 08.11.2001 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten, die
Betriebsstätte S zum 31.12.2001 ersatzlos stillzulegen. Alle in S beschäftigten
Arbeitnehmer/-innen erhielten daraufhin entsprechende betriebsbedingte Kündigungen.
Am 21.12.2001 beantragte die Beklagte bei der Bezirksregierung K die nach § 18 Abs. 1
BErzGG notwendige Zustimmung zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung auch
der Klägerin. Mit Bescheid vom 28.05.2002, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug
genommen wird (Bl. 23 - 28 d. A.), erklärte die Bezirksregierung K die gegenüber der
Klägerin auszusprechende Kündigung "bei tatsächlicher und dauerhafter
Betriebsstillegung und soweit kein Ersatzarbeitsplatz im Unternehmen zur Verfügung
steht", für zulässig. Mit Schreiben vom 10.06.2002 sprach die Beklagte daraufhin
gegenüber der Klägerin die betriebsbedingte Kündigung zum 31.12.2002 aus.
Hiergegen richtet sich die vorliegende, am 02.07.2002 beim Arbeitsgericht Siegburg
eingegangene Kündigungsschutzklage.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich die Rechtswirksamkeit der von der Bezirksregierung
erteilten Zustimmung zur streitigen Kündigung bezweifelt: Nach Auffassung der Klägerin
habe die Bezirksregierung ihre Zustimmung lediglich unter einer Auflage, bzw.
Bedingung erteilt, was nicht zulässig sei, da sie abschließend darüber zu entscheiden
habe, ob ein besonderer Fall im Sinne des § 18 BErzGG vorliege. Außerdem hat die
Klägerin bemängelt, dass ihr für die Zeit nach Ablauf der Elternzeit nicht ein
Alternativarbeitsplatz in der Betriebsstätte B angeboten worden sei. Jedenfalls habe die
Beklagte ihr eine soziale Auslauffrist bis zum Ablauf der Elternzeit am 13.06.2003
gewähren müssen, da die vorzeitige Beendigung der Elternzeit für sie eine unbillige
Härte darstelle.
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Die Klägerin hat beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung
der Beklagten vom 10.06.2002 nicht aufgelöst worden sei.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Betriebsstätte S endgültig und ersatzlos
stillgelegt worden sei. Die dort verrichteten Tätigkeiten würden an keinem anderen
Standort erbracht. In der Betriebsstätte B würden keine Arbeiten verrichtet, die mit
denjenigen in S vergleichbar seien. In B würden den dortigen Anforderungen
entsprechend nur CNC-Techniker eingesetzt. Auch sei zu bezweifeln, dass die Klägerin
für eine einfache Tätigkeit als angelernte Mitarbeiterin mit ihrer Familie nach B in
Sachsen umzuziehen bereit gewesen wäre. Die Kündigung sei von der
Bezirksregierung auch ordnungsgemäß für zulässig erklärt worden. Insbesondere sei
der Bescheid der Bezirksregierung rechtskräftig. Die Klägerin habe etwaige Einwände
gegen die Rechtswirksamkeit des Bescheides der Bezirksregierung vom 28.05.2002 im
Verwaltungsrechtswege geltend machen müssen, was nicht geschehen sei.
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Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Urteil vom 24.10.2002 die Kündigungsschutzklage
abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug
genommen.
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Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Klägerin am 29.11.2002 zugestellt. Sie hat
hiergegen am 20.12.2002 Berufung einlegen und diese am 27.01.2003 begründen
lassen.
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Mit der Berufung wendet sich die Klägerin nur noch dagegen, dass die streitige
Kündigung das Arbeitsverhältnis bereits zum 31.12.2002 aufgelöst habe. Die Klägerin
ist der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, das Ende der
Kündigungsfrist auf das Ende der Elternzeit am 13.06.2003 hinaus zu schieben.
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Die Klägerin bemängelt am arbeitsgerichtlichen Urteil, dass dieses keine
abschließende Interessenabwägung vorgenommen habe. Bei der Interessenabwägung
sei zu berücksichtigen, dass sie, die Klägerin, durch eine Kündigung, die mitten in ihrer
Elternzeit wirksam werden würde, sozialrechtliche Nachteile erlitte. Während ihrer
Elternzeit bliebe sie Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 192
SGB V), wobei die Mitgliedschaft gem. § 224 SGB V beitragsfrei gestellt sei. Aufgrund
der vorzeitigen Kündigung müsse sie sich freiwillig auf eigene Kosten gegen Krankheit
versichern. Sie könne sich nämlich auch nicht arbeitslos melden und auf diese Weise
die Pflichtversicherung über das Arbeitsamt im Sinne des § 5 SGB V in Anspruch
nehmen, da dies voraussetze, dass sie dem Arbeitsmarkt zur Vermittlung zur Verfügung
stehe. Dann könne sie sich aber nicht, wie es der Sinn der Elternzeit gewesen wäre, der
Erziehung ihres Kindes widmen.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg - 1 Ca 2830/02 - abzuändern und
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung
der Beklagten vom 10.06.2002 nicht aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Die Beklagte hält an der streitgegenständlichen Kündigung zum 31.12.2002 fest. Sie
bezweifelt, dass durch den Ausspruch der Kündigung zum 31.12.2002 der Klägerin
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krankenversicherungsrechtliche Nachteile entstünden; denn gem. § 222 Abs. 2 SGB V
bleibe ein Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse nur für die Dauer des Bezugs von
Erziehungsgeld beitragsfrei. Erziehungsgeld werde aber nur für die Dauer von 24
Monaten gezahlt und nicht für die gesamte Elternzeit. Die Dauer von 24 Monaten sei am
31.12.2002 bereits abgelaufen. Auf der anderen Seite würden durch die Elternzeit auch
nur die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert, nicht aber die
Nebenpflichten, so dass ihr, der Beklagten auch deshalb der Zeitpunkt der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses nicht gleichgültig sein könne. Im Übrigen weist die Beklagte
darauf hin, dass im Zusammenhang mit der Stilllegung der Betriebsstätte S mehrere
sich in Elternzeit befindliche Mitarbeiterinnen hätten gekündigt werden müssen. Diese
sollten hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gleichbehandelt
werden.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG ist die von
der Klägerin eingelegte Berufung statthaft. Die Berufung wurde auch gem. § 66
Abs. 1 Satz 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.
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1. Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht Siegburg
hat zutreffend entschieden, dass die streitige Kündigung der Beklagten vom
10.06.2002 das Arbeitsverhältnis der Parteien rechtswirksam zum Ablauf der
Kündigungsfrist am 31.12.2002 aufgelöst hat.
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1. Zunächst hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die für die Kündigung der
Klägerin nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG notwendige Zulässigkeitserklärung in
rechtswirksamer Form vorliegt. Entscheidend hierfür ist in erster Linie, dass der
Bescheid der Bezirksregierung vom 28.05.2002 im Verwaltungsrechtswege
bestandskräftig geworden ist. Zu ergänzen ist jedoch, dass der Bescheid der
Bezirksregierung entgegen der erstinstanzlich von der Klägerin vertretenen
Rechtsauffassung auch nicht unter einer unzulässigen Auflage, bzw. Bedingung
erteilt worden ist. Wie sich vielmehr aus der ausführlichen Begründung des
Bescheides ergibt, wollte die Bezirksregierung mit der Formulierung "bei
tatsächlicher und dauerhafter Betriebsstillegung und soweit kein Ersatzarbeitsplatz
im Unternehmen zur Verfügung steht" lediglich darauf hinweisen, dass zwar sie
als Verwaltungsbehörde keine hinreichenden Zweifel daran habe, dass der
Betrieb der Beklagten, in welchem die Klägerin beschäftigt war, stillgelegt wurde
und der Arbeitsplatz der Klägerin damit ersatzlos und dauerhaft entfallen ist, dass
aber die arbeitsrechtliche Letztbeurteilung dieser Umstände der
Arbeitsgerichtsbarkeit zusteht.
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1. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin auch nicht mehr bestritten, dass die S
Betriebsstätte der Beklagten ersatzlos stillgelegt worden ist. Ebenso wenig hat die
Klägerin in der Berufungsinstanz noch darauf abgestellt, dass ihr als Alternative
zur vorliegend angegriffenen Kündigung für die Zeit nach Ablauf ihrer Elternzeit
ein Arbeitsplatz in der Betriebsstätte B in Sachsen hätte angeboten werden
müssen.
1. Aber auch die jetzt von der Klägerin in den Mittelpunkt gestellte Rüge, dass das
Arbeitsgericht eine abschließende Interessenabwägung unterlassen habe, kann
ihrer Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Eine solche Interessenabwägung hätte
nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis geführt, dass die Beklagte
verpflichtet gewesen wäre, nicht nur die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche
Kündigungsfrist einzuhalten, sondern der Klägerin darüber hinaus eine bis zum
Ende der geplanten Elternzeit am 13.06.2003 andauernde soziale Auslauffrist zu
gewähren.
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1. Das Arbeitsverhältnis ist ein synallagmatisches Vertragsverhältnis, welches auf
den gegenseitigen Austausch von Leistungen gerichtet ist. Der Arbeitnehmer
verpflichtet sich gegenüber dem Arbeitgeber, bestimmte arbeitsvertraglich
definierte Arbeitsleistungen auszuführen, und im Gegenzug verpflichtet sich der
Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistungen ein Entgelt zu zahlen.
Führt eine unternehmerische Entscheidung, die für sich betrachtet weder
willkürlich genannt werden kann noch unter rechtsmissbräuchlichen
Begleitumständen zustande gekommen ist, zu dem Ergebnis, dass jegliches
Interesse der Arbeitsvertragspartei "Arbeitgeber" an der ihr in einem Arbeitsvertrag
zugesagten Gegenleistung "Arbeit" entfallen ist, z. B. weil die Betriebsstätte, in der
und für die die Arbeitsleistung bestimmt war, ersatzlos stillgelegt wurde, so ist die
innere Rechtfertigung dafür, das fragliche Arbeitsvertragsverhältnis als
synallagmatisches Austauschverhältnis aufrecht zu erhalten, nicht mehr gegeben.
Kündigungsschutzrechtlich liegen in einem solchen Fall anerkanntermaßen
"dringende betriebliche Bedürfnisse" im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor,
die den Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Beendigungskündigung nicht mehr
als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen.
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1. Die zusätzliche Problematik einer sozialen Auswahl im Sinne von § 1 Abs. 3
KSchG spielt im vorliegenden Fall unstreitig keine Rolle, weil alle Arbeitnehmer/-
innen der Betriebsstätte S betriebsbedingt gekündigt worden sind.
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1. Ob in solchen Fällen einer betriebsbedingten Kündigung wegen Wegfalls des
Arbeitsplatzes überhaupt noch eine abschließende Interessenabwägung wie bei
einer personen- oder verhaltensbedingten Kündigung stattzufinden hat, ist in
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Rechtsprechung und Literatur umstritten. Während Teile der Rechtsprechung und
ein namhafter Teil der Literatur die Auffassung vertritt, dass bei einer
betriebsbedingten Kündigung, bei der "dringende betriebliche Erfordernisse" im
Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG zu bejahen sind und die soziale Auswahl im Sinne
von § 1 Abs. 3 KSchG ebenfalls nicht zu beanstanden ist, für eine zusätzliche
Interessenabwägung kein Raum mehr bleibt (LAG Bremen vom 09.01.1998, 4 Sa
11/97; KR-Etzel, 6. Aufll., § 1 KSchG Rz. 566; Stahlhacke/Preis/Vossen,
Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Aufl., Rz. 619;
Hueck/von Hoyningen-Huene, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl., § 1 Rz. 137;
Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, 8. Aufl., § 1 Rz. 250; Bitter/Kiel RdA 1994,
346), hält das BAG auch in den Fällen einer betriebsbedingten Kündigung an der
Notwendigkeit einer abschließenden Interessenabwägung fest (BAG EzA § 1
KSchG, Betriebsbedingte Kündigung Nr. 47 und Nr. 48; BAG EzA §1 KSchG,
Soziale Auswahl Nr. 20; BAG RzK I 5 c) Nr. 41).
1. Der Meinungsstreit kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Das
Berufungsgericht neigt zwar der Auffassung des BAG zu, teilt aber zugleich auch
dessen stets wiederholte Einschätzung, dass die auch bei der betriebsbedingten
Kündigung grundsätzlich erforderliche abschließende Interessenabwägung der
Natur der Sache nach nur in seltenen Ausnahmefällen zu Gunsten des
Arbeitnehmers ausfallen kann (BAG a.a.O.; kritisch hierzu KR-Etzel a.a.O.;
Herschel SAE 1979, 144). Fällt das Bedürfnis des Vertragspartners "Arbeitgeber"
an der ihm zugesagten Gegenleistung "Arbeit" ersatzlos weg, ist das vertragliche
Austauschverhältnis so elementar in Frage gestellt, dass allenfalls in Fällen
außergewöhnlicher sozialer Härte für den betroffenen Arbeitnehmer eine
arbeitsrechtliche Korrektur der Kündigungsentscheidung in Betracht kommt.
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1. Dafür, dass die Klägerin im vorliegenden Fall durch die zum 31.12.2002
ausgesprochene Kündigung in sozialer Hinsicht derart außergewöhnlich hart
getroffen wird, ist nichts ersichtlich.
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1. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die vorliegende Kündigung, die die Elternzeit
der Klägerin vorzeitig zum 31.12.2002 beendet, tatsächlich die von ihr
befürchteten sozialrechtlichen Nachteile verursacht oder nicht. Wenn die Klägerin
mit ihrer sozialrechtlichen Beurteilung der Sachlage Recht hat, beruft sie sich
gerade auf einen Umstand, der als Folge einer jedweden vorzeitigen
Beendigungskündigung während der Elternzeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2
BErzGG inne wohnt.
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1. Dagegen fehlt es am Sachvortrag
besonderer
Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit einhergehend auch der Elternzeit
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im Sinne von § 15 BErzGG gerade für die Klägern in außergewöhnlichem Maße
unzumutbar erscheinen lässt.
1. Hätte der Gesetzgeber die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses
während der Elternzeit generell als eine so außergewöhnliche soziale Härte
angesehen, wie sie erforderlich wäre, um im Falle einer betriebsbedingten
Kündigung trotz des Vorliegens dringender betrieblicher Gründe und des
ersatzlosen Wegfalls des Arbeitsplatzes zu einem überwiegenden Interesse des
Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung zu gelangen, so hätte der Gesetzgeber
die Ausnahmemöglichkeit des § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG von vorneherein nicht
für die betriebsbedingte Kündigung zugelassen oder vorgeschrieben, dass hier
nur eine Kündigung zum Ende der Elternzeit möglich ist. Dies ist jedoch gerade
nicht der Fall.
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Im diametralen Gegensatz dazu hat vielmehr der Verordnungsgeber im Sinne des § 18
Abs. 1 Satz 4 BErzGG in § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 der allgemeinen
Verwaltungsvorschriften zum Kündigungsschutz bei Erziehungsurlaub vom 02.01.1986
Fälle des Wegfalls des Arbeitsplatzes aufgrund Betriebsstillegung als Beispiele für
"besondere Fälle" im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG aufgeführt, in denen eine
Kündigung bereits während des Erziehungsurlaubs für zulässig erklärt werden kann.
Zwar stellen die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG
keine rechtsverbindliche Konkretisierung des Merkmals "besonderer Fall" dar (vgl. KR-
Pfeiffer § 18 BErzGG Rz. 34). Gleichwohl bestätigt der zitierte Inhalt der allgemeinen
Verwaltungsvorschriften, dass bei der Intention des Gesetzgebers, die
Ausnahmemöglichkeit des § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG zu schaffen, gerade auch die
Fälle eines während der Elternzeit eintretenden ersatzlosen und endgültigen Wegfalls
des Arbeitsplatzes im Vordergrund standen.
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1. Demgegenüber führte die Annahme der Klägerin, dass in solchen Fällen
dringender betrieblicher Gründe eine Kündigung gleichwohl erst zum Ende der
Elternzeit zulässig sein könne, dazu, dass das Arbeitsvertragsverhältnis seines
Charakters als eines vertraglichen Austauschverhältnisses von Leistung und
Gegenleistung entkleidet und ihm stattdessen ein derzeit systemfremder
Versorgungscharakter im allgemeineren Sinne zugebilligt würde (vgl. BVerwG 54,
276; OVG Münster EzA § 18 BErzGG Nr. 5).
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1. Bei alledem mag die Klägerin auch mitbedenken, dass ihr Arbeitsverhältnis
aufgrund der von der Beklagten zu beachtenden Schutzvorschriften des § 18
BErzGG ohnehin erst ein Jahr nach erfolgter Betriebsstillegung und wesentlich
später geendet hat, als die Arbeitsverhältnisse ihrer nicht in Elternzeit befindlichen
Arbeitskollegen der S Betriebsstätte.
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1. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG war der entsprechenden Anregung der Klägerin zu
folgen und die Revision zuzulassen.
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