Urteil des LAG Köln vom 24.09.2007

LArbG Köln: altersgrenze, insolvenz, rente, anwartschaft, firma, dienstjahr, gbv, arbeitsgericht, dienstzeit, zusage

Landesarbeitsgericht Köln, 2 Sa 761/07
Datum:
24.09.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Sa 761/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 13 Ca 8320/06
Schlagworte:
Rentenanwartschaft in der Insolvenz
Normen:
§§ 7, 2 BetrAVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Anschluss an die Rechtsprechung des BAG: 3 AZR 645/84 und 3 AZR
684/98 (feste Altersgrenze), 3 AZR 205/05 und 3 AZR 458/98 (keine
Bindung des PSV an Besserungszusagen im Hinblick auf die
Anrechnung von Nachdienstzeiten)
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 27.02.2007
– Az.: 13 Ca 8320/06 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
Die Parteien streiten um die richtige Berechnung der für den Kläger aufrecht zu
erhaltenen Anwartschaft auf Betriebsrente nach der Insolvenz seines ehemaligen
Arbeitgebers.
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Der am 21.11.1946 geborene Kläger begann am 15.03.1967 ein Arbeitsverhältnis,
welches von einer Versorgungszusage begleitet war und nach Betriebsübergängen auf
die Firma R übergegangen war. Über das Vermögen dieser Firma wurde am 01.02.2005
die Insolvenz eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger bereits in der
Freistellungsphase eines zwischen seiner Arbeitgeberin und ihm abgeschlossenen
Altersteilzeitvertrages. Dieser sollte zum 30.11.2006 enden.
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Zunächst galt in dem Arbeitsverhältnis eine Versorgungsordnung, welche die
Betriebsrente aufsteigend gestaltete. Danach sollte die monatliche Betriebsrente 1 %
des durchschnittlichen Monatsgehaltes pro Dienstjahr betragen. Die Rente war auf 25 %
für maximal 25 Dienstjahre beschränkt. Durch Gesamtbetriebsvereinbarung vom
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01.02.1982 wurde diese Versorgungszusage dahingehend abgeändert, dass pro
Dienstjahr nur 0,9 % des Monatseinkommens für die Betriebsrente angerechnet wurde,
so dass bei einer maximalen Anrechnungszeit von 25 Jahren eine Begrenzung der
Rente auf 22,5 % eintrat. Die Versorgungsordnung regelte dabei in dem auf den Kläger
anwendbaren Teil ausdrücklich, dass der Steigerungssatz von 0,9 % auch auf die
bereits zurückgelegten Jahre Anwendung fand.
Die Versorgungsordnung sah darüber hinaus eine feste Altersgrenze von 65 Jahren vor
sowie mehrere Möglichkeiten hiervon flexibel nach unten abzuweichen. (§ 6 Abs. 1 und
2 GBV 82).
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Aufgrund der Insolvenz erteilte der Beklagte dem Kläger einen Anwartschaftsausweis.
Er legte dabei den Steigerungsgrad von 0,9 % pro Dienstjahr zugrunde und kürzte die
errechnete Rente nach § 7 in Verbindung mit § 2 BetrVG im Verhältnis der maximalen
Dienstzeit bis zum 65. Lebensjahr (44 Jahre, 8 Monate und 6 Tage) zu der tatsächlichen
Dauer des Dienstverhältnisses bis zum Insolvenzstichtag (37 Jahre, 10 Monate, 17
Tage).
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Mit der Klage wendet sich der Kläger zunächst gegen die zeitanteilige Kürzung. Er ist
der Ansicht, bei einer aufsteigenden Betriebsrentenzusage dürfe § 7 in Verbindung mit §
2 BetrVG nicht angewandt werden. Er habe vielmehr seinen maximalen
Betriebstreuebeitrag bereits lange vor der Insolvenz erbracht und habe seine Rente
ohnehin durch weitere Betriebstreue nicht mehr steigern können. Hieran sei auch der
Beklagte gebunden. Zudem sei ihm mündlich bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages
zugesagt worden, die Arbeitgeberin werde die Betriebsrente aufgrund des vorzeitigen
Ausscheidens nicht kürzen. Auch sehe die Versorgungsordnung vor, dass
Arbeitnehmern, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres und einer
anrechnungsfähigen Dienstzeit von wenigstens 20 Jahren auf Wunsch der Firma oder
im gegenseitigen Einvernehmen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, eine
ungekürzte Anwartschaft aufrecht erhalten wird (§ 6 Abs. 5 GBV 82). Er meint, an diese
Regelung sei der Beklagte ebenfalls gebunden. Weiterhin vertritt er die Ansicht, das
Ausscheiden vor dem 65. Lebensjahr sei als feste Altersgrenze zu behandeln.
Zumindest müsse im konkreten Fall das 60. Lebensjahr als feste Altersgrenze anerkannt
werden wodurch die zeitanteilige Kürzung erheblich geringer ausfalle. In erster Instanz
hat der Kläger sich darüber hinaus auch noch dagegen gewehrt, dass die
Versorgungsordnung aus dem Jahr 1982 die maximale Betriebsrente auf 22,5 %
anstelle bisher 25 % gekürzt hat. Diesen letzten Angriff hat der Kläger nach vollständiger
Abweisung der Klage durch das Arbeitsgericht mit der Berufung nicht mehr aufgegriffen.
7
Mit der Berufung beantragt der Kläger,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.02.2007 AZ– 13 Ca 8320/06 –
abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, beim Eintritt
des Versorgungsfalles des Klägers diesem eine unverfallbare Anwartschaft in
Höhe einer monatlichen Rente von 1.836,00 € anstelle von 1.550,98 € sicher zu
stellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verweist in allen Punkten auf die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts zur
Anwendung des § 7 BetrVG durch ihn. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach-
und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Am
Feststellungsinteresse bestehen keine Zweifel. In der Sache ist die Berufung jedoch
nicht begründet. Der Beklagte hat die aufrecht zu erhaltende Anwartschaft des Klägers
mit 1.550,98 € richtig berechnet. Darüber hinaus gehende Rentenansprüche muss der
Kläger zur Insolvenztabelle anmelden.
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Zunächst hat der Beklagte für die Berechnung der maximalen Betriebsrente zutreffend
einen Steigerungsbetrag von 0,9 % für maximal 25 anrechnungsfähige Dienstjahre
zugrunde gelegt. Die Ablösung der bisherigen Versorgungsordnung entspricht der
Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 11.12.2001 – 3
AZR 128/01 -. Angriffe hiergegen hat der Kläger mit der Berufung nicht mehr
vorgebracht.
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Der Beklagte ist auch verpflichtet (nicht nur berechtigt), die Versorgungszusage des
Klägers zeitratierlich zu kürzen gemäß § 7 BetrVG. Dies beruht darauf, dass der
Beklagte als gemeinnütziger Verein lediglich in einem vom Gesetzgeber festgelegten
beschränkten Umfange verpflichtet ist Versorgungsanwartschaften aufrecht zu erhalten
und Betriebsrenten im Falle der Insolvenz sicherzustellen. Da er sich aus Beiträgen von
anderen, solventen Arbeitgebern, die ebenfalls Versorgungszusagen erteilt haben,
finanziert, hat der Gesetzgeber in § 7 BetrVG besondere Beschränkungen für die
Eintrittspflicht des Beklagten vorgesehen, von denen die Parteien des
Versorgungsversprechens (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) nicht abweichen können.
Anders ausgedrückt: Die Zusage eines Arbeitgebers, bei Ausscheiden eines
Arbeitnehmers von der Kürzungsmöglichkeit nach § 2 BetrVG keinen Gebrauch zu
machen, ist für den Beklagten nicht bindend (vgl. BAG vom 30.05.2006 – 3 AZR 205/05
– und vom 04.04.2000 – 3 AZR 458/98 -). Die vom Kläger zitierte Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 16.12.2003 (3 AZR 39/03) betraf demgegenüber die
Auslegung und Berechnung einer Arbeitgeberzusage, bei der der Insolvenzfall nicht
eingetreten war. Auch im vorliegenden Fall sind eventuelle höhere
Betriebsrentenansprüche des Klägers, die nicht von der Insolvenzsicherung durch den
Beklagten erfasst sind gegenüber dem Arbeitgeber bzw. dem Insolvenzverwalter
geltend zu machen.
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Der Beklagte hat die Höhe der Anwartschaft auch insoweit richtig berechnet, als er die
Betriebszugehörigkeit des Klägers bis zum Insolvenzstichtag ins Verhältnis gesetzt hat,
zu einer Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.
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Die Versorgungsordnung sieht das 65. Lebensjahr als feste Altersgrenze vor. Auch hier
ist die Problematik bereits durch die Rechtssprechung geklärt (vgl. BAG vom 24.06.1986
– 3 AZR 645/84 – und vom 14.12.1999 – 3 AZR 684/98 -). Mit der festen Altersgrenze ist
der Zeitpunkt gemeint, zu dem der Arbeitnehmer spätestmöglich aus dem Berufs- und
Erwerbsleben ausscheiden wird und zudem fest und sicher mit dem Rentenbezug und
damit auch mit der Unterstützungsbedürftigkeit gerechnet wird. Davor liegende
Stichtage, die an weitere Bedingungen wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, vom
persönlichen Willen des Versorgungsberechtigten abhängiger, vorzeitiger Rentenbezug
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oder ähnliches geknüpft sind, stellen damit nicht eine feste Altersgrenze sondern eine
individuelle Altersgrenze dar.
Auch die in der Vorsorgungsordnung vorgesehene aufsteigende Berechnung der
Betriebsrente führt zu keinem anderen Ergebnis. Hätte der Kläger im Zeitpunkt der
Insolvenz noch nicht die 25 Jahre Betriebszugehörigkeit erbracht, die zum Erreichen der
Maximalrente erforderlich sind, so wären bei der zeitratierlichen Kürzung zunächst auch
die noch fehlenden Jahre bis zum Ausscheiden bei Erreichen der festen Altersgrenze
von 65 Jahren angerechnet worden und die im Alter von 65 Jahren erreichbare Rente
nach dem m/n-tel Prinzip (Dreisatz) im Verhältnis zur zurückgelegten
Betriebszugehörigkeit gekürzt worden. Die vom Kläger beklagte Ungerechtigkeit beruht
damit nicht auf der gesetzlich vorgeschriebenen Kürzungsmöglichkeit sondern darauf,
dass er das Arbeitsverhältnis bereits in jungen Jahren begonnen hat und damit zu
einem sehr frühen Alter bereits die maximalen 25 Dienstjahre erbracht hat, während ein
Arbeitnehmer der erst mit 40 Jahren bei der Arbeitgeberin eingetreten ist und bis zum
65. Lebensjahr betriebstreu bleibt, ebenfalls 25 Dienstjahre und damit den gleichen
Rentenfaktor wie der Kläger erzielt, hierfür aber eine viel geringere Betriebstreue
insgesamt erbracht hat. Die vom Kläger monierte Ungerechtigkeit ist damit in der
Versorgungsordnung selbst angelegt. Gleichwohl wirkt sich die längere
Betriebszugehörigkeit mittelbar im Insolvenzfall trotzdem zu Gunsten des Klägers aus.
Vergleicht man in einem Beispielsfall einen Arbeitnehmer, der maximal 45 Dienstjahre
erbracht hätte, aufgrund der Insolvenz aber nur 40 Dienstjahre ableisten kann, so ergibt
sich für diesen eine Kürzung von 1/9. Ein Arbeitnehmer der mit 40 Jahren eingestellt
wird und nach 20 Dienstjahren (ebenfalls mit 60 Jahren) von der Insolvenz des
Arbeitgebers betroffen wird, muss eine Kürzung von 1/5 hinnehmen.
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Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 ZPO.
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Da alle angesprochenen Rechtsfragen bereits in Entscheidungen des BAG behandelt
wurden, wurde die Revision nicht erneut zugelassen.
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(Olesch) (Dr. Weidert) (Baur)
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