Urteil des LAG Köln vom 21.11.2003

LArbG Köln: krankengeld, rente, arbeitsgericht, erwerbsunfähigkeit, begriff, form, obsiegen, versorgung, beschränkung, zuschuss

Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 923/03
Datum:
21.11.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Sa 923/03
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 10 Ca 10405/02
Schlagworte:
Auslegung einer Pensionsordnung
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Der Begriff "Anschlussleistungen," während deren Bezugs nach einer
Pensionsordnung die Rentenzahlungen trotz Eintritts des
Versorgungsfalls (hier: rückwirkende Bewilligung einer
Erwerbsunfähigkeitsrente) nicht erfolgen, umfasst auch Krankengeld und
Arbeitslosengeld.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Köln vom 12.03.2003 - 10 Ca
10405/02 - wird auf Kosten des Klägers zurückge-
wiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten um die Rentenzahlungspflicht des Beklagten als Träger der
gesetzlichen Insolvenzsicherung für den Zeitraum September 1999 bis Juli 2000. Der
Streit geht im Wesentlichen darum, ob die Versorgungsordnung dahingehend
auszulegen ist, dass Rentenzahlungspflichten solange nicht begründet sind, als der
Arbeitnehmer - wie der Kläger - Krankengeld oder Arbeitslosengeld bezieht.
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Der Kläger war Arbeitnehmer der insolventen Firma A GmbH. Die Versorgungszusage
des Klägers richtete sich nach der Pensionsordnung vom 01.01.1990 (Blatt 39 ff. d. A.).
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§ 7 der Pensionsordnung (PO) regelt "Bestimmungen über den Eintritt des
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Versorgungsfalles" und enthält in Nr. 1 folgende Regelung:
"Als Eintritt des Versorgungsfalles gilt das Erreichen der Altersgrenze (=
Inanspruchnahme des Altersruhegeldes aus der gesetzlichen
Rentenversicherung) oder die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand oder
das Ausscheiden des Mitarbeiters wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit
entsprechend den Bestimmungen der Rentenversicherung. Im übrigen
kommen die jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung."
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§ 12 der Pensionsordnung betrifft "Zahlungsweise, Beginn und Ende" und enthält in Nr.
2 folgende Regelung:
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"Als Beginn der Zahlungen wird der letzte des auf den Eintritt des
Versorgungsfalles folgenden Monats festgelegt, soweit kein Lohn oder Gehalt
oder keine Anschlussleistung mehr gezahlt werden".
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Der Kläger erhielt durch Rentenbescheid vom 17.07.2001 rückwirkend ab September
1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Laut Rentenbescheid (Blatt 4 d. A.) wurden
ihm monatlich ab 01.09.2001 2.898,26 DM gezahlt. Für die Zeit vom 01.09.1999 bis zum
31.08.2001 betrug die Nachzahlung 86.190,86 DM. Für die Zeit vom 13.01.1999 bis zum
13.07.2000 hatte der Kläger von der T Krankenkasse Krankengeld bezogen. Vom
14.07.2000 bis zum 31.07.2000 erhielt er Arbeitslosengeld (Leistungsnachweis des
Arbeitsamts F Blatt 94 d. A.).
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Der Beklagte erbringt seit August 2000 Rentenleistung in unstreitiger Höhe von
monatlich 456,03 EUR. Für die Zeit davor verweigert der Beklagte die Zahlung unter
Berufung auf § 12 Nr. 2 PO.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für den Zeit-
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raum 01.09.1999 bis 01.08.2000 eine betriebliche Alters-
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versorgung in Höhe von insgesamt 5.016,33 EUR nebst 5 %
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Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.07.2002 zu
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zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.03.2003 abgewiesen.
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Gegen dieses ihm am 30.07.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.08.2003
Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Er meint, nach dem klaren Wortlaut
von § 7 Nr. 1 der Pensionsordnung sei allein der Zeitpunkt ab Erhalt von Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit als Versorgungsfall maßgeblich. Soweit das Arbeitsgericht dem
Beklagten gefolgt sei und § 12 der Pensionsordnung angewandt habe, sei dieses
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fehlerhaft. Wie sich aus dessen Vorschrift ergebe, seien dort nur die
Zahlungsmodalitäten geregelt. Im Wege der systematischen Auslegung sei diese
Vorschrift zur Bestimmung, ob überhaupt ein Versorgungsfall eintrete, unbeachtlich.
Inwieweit hierdurch Doppelversorgungen zu Stande kämen, die ggf. vermieden werden
sollten, sei unbeachtlich. Ggfls. hätte halt die Versorgungsordnung anders gefasst
werden müssen.
Der Kläger meint, mindestens müsse er mit der Klage teilweise obsiegen, da nur bis
zum 13.07.2000 Krankengeld bezogen worden sei.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.03.2003
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- 10 Ca 10405/02 - abzuändern und den Beklagten zu
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verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum 01.09.1999
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bis 01.08.2000 eine betriebliche Altersversorgung in
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Höhe von insgesamt 5.016,33 EUR nebst 5 % Zinsen
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über dem Basiszinssatz seit dem 17.07.2002 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen seiner Rechtsausführungen wird auf
Blatt 89 - 92 d. A. Bezug genommen.
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Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers
hat in der Sache keinen Erfolg.
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§ 12 Nr. 2 der Pensionsordnung ist so auszulegen, dass die Rentenansprüche auch im
vorliegenden Fall ruhen, solange Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder
Arbeitslosengeld gezahlt werden.
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1. Der Kläger hat zunächst Recht damit, dass in § 12 nicht das "Ob" des
Versorgungsfalles geregelt ist. Der Eintritt des Versorgungsfalles ist offensichtlich
und ausdrücklich in § 7 geregelt. In § 12 ist aber schon nach seiner Überschrift
unter anderem der "Beginn" der Pensionszahlungen geregelt. Solange die
Pensionszahlungen nicht beginnen sollen, ruht der Anspruch (vgl. zu der
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Unterscheidung zwischen Versorgungsfall und Zahlungsbeginn auch BAG
08.06.1999 - 3 AZR 113/98 - n.v. ).
1. Damit kommt es darauf an, was "Anschlussleistungen" im Sinne des § 12 Nr. 2
sind.
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a. Vom Wortlaut her schließen sich Leistungen wie Krankengeld oder
Arbeitslosengeld an Lohnzahlungen an. Der Wortlaut enthält keine Beschränkung
dahin, dass eine "Anschlussleistung" nur eine solche sein solle, die vom
Arbeitgeber gezahlt werde.
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a. Die Entscheidung des BAG vom 26.03.1991 (AP Nr. 29 zu § 1 BetrAVG
Unterstützungskassen), auf die sich der Beklagte beruft, gibt allerdings zur
systematischen Auslegung der vorliegenden Vorschrift nichts her. Dort hat das
Bundesarbeitsgericht nicht das Krankengeld als solches, sondern den Zuschuss
des Arbeitgebers zum Krankengeld unter den Begriff "Arbeitsentgelt" subsumiert.
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Bei einer systematischen Auslegung ist indes zu beachten, dass § 11 der vorliegenden
Pensionsordnung die Pension ausdrücklich als "Gesamtversorgung" vorsieht. § 11
regelt Anrechnungen von "Sozialversicherungsrente oder ähnlichen
Ruhestandsbezügen". Es fehlt indes jegliche Regelung hinsichtlich der Anrechnung von
anderen Sozialleistungen und ähnlichen Lohnersatzleistungen. Diese Lücke wird bei
systematischer Betrachtung wiederum dadurch vermieden, dass der Bezug einer
sonstigen "Anschlussleistung" zum Ruhen der Rente führt.
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a. Klauseln wie die vorliegende sollen nach ihrem Sinn und Zweck vermeiden, dass
Doppelzahlungen erfolgen und ggf. komplizierte Gegenrechnungen und
Anspruchsübergänge in der Folge nach sich ziehen. Es führt auch nicht zu einem
unbilligem Ergebnis, wenn der Bezug typischer Lohnersatzleistungen, die auf
beiderseitigen Versicherungsbeiträgen beruhen, aber typischerweise nur
vorübergehend gezahlt werden, wie Krankengeld und Arbeitslosengeld, zu einem
vorübergehenden Ruhen bzw. einem Aufschub der Rentenzahlungen bei
Erwerbsunfähigkeitsrente führen. Dieses gilt insbesondere vor dem Hintergrund,
dass Erwerbsunfähigkeitsrenten typischerweise rückwirkend bewilligt werden und
der Arbeitnehmer in diesen Fällen ohnehin bereits von den Lohnersatzleistungen
gelebt hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Revision wurde zugelassen, da, soweit ersichtlich, das BAG noch nicht
grundsätzlich zur Auslegung entsprechender Ruhensklausel Stellung genommen hat.
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