Urteil des LAG Köln vom 16.09.1999

LArbG Köln: feiertag, freizeit, arbeitsgericht, vergünstigung, dienstplan, rechtfertigung, vorhersehbarkeit, nacht, sonntag, schichtdienst

Landesarbeitsgericht Köln, 10 Sa 534/99
Datum:
16.09.1999
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 Sa 534/99
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 16 Ca 544/98
Schlagworte:
Freizeitausgleich, Wochenfeiertage, Gleichbehandlung
Normen:
§§ 1, 2 der Anlage 5 AVR
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Zur Frage des Freizeitausgleichs, wenn der dienstplanmäßig freie
Tag auf einen Wochenfeiertag fällt.
2. Gleichbehandlungsgrundsatz innerhalb eines Freischichtsystems,
wenn die in die dienstplanmäßig freie Zeit fallenden Wochenfeiertage
entgegen der Vertrags-/Tariflage als Vergünstigung arbeitszeitmindernd
berücksichtigt werden.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 01.12.1998 verkündete
Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 16 Ca 544/98 - teilweise abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der
Klägerin auch ab Oktober 1997 Freizeitausgleich nicht nur
für dienstplanmäßige Feiertagsarbeit, sondern auch dann
zu gewähren, wenn der dienstplanmäßig freie Tag auf einen
Wochenfeiertag fällt.
2. Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits
auferlegt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
Freizeitausgleich nicht nur für dienstplanmäßige Feiertagsarbeit, sondern auch dann zu
gewähren, wenn der dienstplanmäßig freie Tag auf einen Wochenfeiertag fällt.
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Die Klägerin ist seit dem 01.09.1986 im Pflegedienst der Beklagten beschäftigt. Die
Beklagte betreibt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Sie beschäftigt
ca. 135 Mitarbeiter im Tagdienst und ca. 20 Mitarbeiter im Nachtdienst. Die Klägerin
arbeitet ausschließlich im Nachtdienst. Im Nachtdienst besteht die Regelung, dass die
Mitarbeiter/innen in einer Woche 77 Stunden arbeiten und dafür in der Folgewoche
Freizeit haben. Die im Tagdienst (Früh- und Spätdienst) Beschäftigten arbeiten
dienstplanmäßig nicht nach einem festen Rhythmus. Gelegentlich arbeiten nach den
betrieblichen Notwendigkeiten Mitarbeiter/innen des Nachtdienstes auch im Tagdienst
und umgekehrt. Die Beklagte ist berechtigt, Beschäftigte des Nachtdienstes bis zu 10
Tage im Jahr im Tagdienst einzusetzen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden
aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Richtlinien für Arbeitsverträge in den
Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung. Nach § 1 Abs. 1
der Anlage 5 AVR beträgt die regelmäßige Arbeitszeit der Mitarbeiter durchschnittlich
38,5 Stunden in der Woche. Dabei ist der Berechnung des Durchschnitts der
wöchentlichen Arbeitszeit in der Regel ein Zeitraum von 13 Wochen zugrunde zu legen.
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Bis September 1997 berechnete die Beklagte bei allen ihren Mitarbeitern eine
monatliche Sollarbeitsstundenzahl in der Weise, dass sie alle Arbeitstage im Monat mit
7,7 Stunden multiplizierte, um so auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von
38,5 Stunden zu kommen. Bei der Berechnung der Anzahl der Arbeitstage zog die
Beklagte die Samstage, Sonntage und Wochenfeiertage
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unabhängig davon ab, ob diese in eine Arbeitswoche oder eine Freischichtwoche der
Arbeinehmer fielen. Ab Oktober 1997 änderte die Beklagte diese Berechnung für die im
Nachtdienst tätigen Beschäftigten, in dem sie außer den Samstagen und Sonntagen nur
noch die Wochenfeiertage abzog, die in eine Arbeitswoche der Arbeitnehmer fielen. Die
in den Freizeitblock der Nachtdienstmitarbeiter/innen fallenden Wochenfeiertage
berücksichtigte sie bei der Ermittlung der monatlichen Sollarbeitsstundenzahl nicht mehr
als arbeitszeitmindernd. Für die im Tagdienst beschäftigten Arbeitnehmer blieb es bei
der alten Regelung.
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Da die Beklagte die neue Berechnung für den Nachtdienst zunächst rückwirkend ab
März 1997 eingeführt hatte, hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die
alte Regelung auch nach dem 01.03.1997 beizubehalten. Das Arbeitsgericht hat der
Klage stattgegeben, soweit sie sich gegen die Rückwirkung richtete. Im übrigen hat es
die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr
Klagebegehren weiter. Sie vertritt die Auffassung, nach § 2 Abs. 3 Unterabsatz 2 der
Anlage 5 AVR seien auch die in die Freizeitwoche fallenden Wochenfeiertage
arbeitszeitmindernd zu berücksichtigen. Im übrigen folge ihr Anspruch aus dem
Gleichbehandlungsgrundsatz.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
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auch ab Oktober 1997 Freizeitausgleich nicht nur für dienst-
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planmäßige Feiertagsarbeit, sondern auch dann zu gewäh-
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ren, wenn der dienstplanmäßig freie Tag auf einen Wochen-
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feiertag fällt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie vertritt die Auffassung, ein Anspruch der Klägerin ergebe sich weder aus den AVR
noch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die
Ungleichbehandlung zwischen den in Tagschicht und den in Nachtschicht arbeitenden
Beschäftigten sei deshalb gerechtfertigt, weil die Tagschichtmitarbeiter/innen nicht wie
die in der Nachtschicht in einem festen Rhythmus arbeiteten. Dadurch sei eine höhere
Belastung für die Tagschichtmitarbeiter/innen gegeben, die ihre Bevorzugung
rechtfertige.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der
in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die
Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die nach dem Beschwerdewert statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der
Klägerin hat in der Sache Erfolg.
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Die nach § 256 ZPO zulässige Feststellungsklage ist begründet.
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I. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass auch für sie als
Nachtschichtmitarbeiterin die in eine Freischichtwoche fallenden Wochenfeiertage bei
der Berechnung der Sollarbeitszeit arbeitszeitmindernd berücksichtigt werden.
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1. Dieser Anspruch ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin allerdings nicht aus
den AVR. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin beträgt im Durchschnitt von 13
Wochen 38,5 Stunden wöchentlich (§ 1 Abs. 1 der Anlage 5 AVR). Die Klägerin erbringt
daher die arbeitsvertraglich von ihr geschuldete Leistung, wenn sie nach den für sie
bestehenden Dienstplänen bzw dem festen Rhythmus im Nachtdienst mit einer
Arbeitswoche und einer darauf folgenden Freiwoche durchschnittlich 38,5 Stunden
wöchentlich arbeitet, unabhängig davon, ob ein Wochenfeiertag in diese Woche fällt
oder nicht. § 1 Abs. 8 der Anlage 5 AVR macht deutlich, dass durch einen
Wochenfeiertag keine Verminderung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
eintritt. Denn die wöchentliche Arbeitszeit
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ist nach dieser Bestimmung auf die Tage in der Woche zu verteilen, an denen in der
Einrichtung regelmäßig gearbeitet wird. Eine Woche ist der Zeitraum von Montag 0.00
Uhr bis Sonntag 24.00 Uhr (§ 1 Abs. 8 S. 2 der Anlage 5 AVR). In der Einrichtung der
Beklagten wird rundum in der Woche gearbeitet. § 2 Abs. 1 der Anlage 5 AVR bestimmt,
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dass in Einrichtungen, deren Aufgaben Nacht-, Wechselschicht-, Schicht-, Sonn- oder
Feiertagsarbeit erfordern, dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich gearbeitet werden muss,
wobei dienstplanmäßige Arbeit die Arbeit ist, die innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit
an den nach dem Dienstplan festgelegten Kalendertagen regelmäßig zu leisten ist (§ 1
Abs. 8 S. 3 der Anlage 5 AVR).
Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg auf § 2 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 5 AVR.
Diese Bestimmung regelt die Arbeit an Feiertagen und ordnet an, dass dafür ein
Ersatzruhetag zu gewähren ist, der nicht auf einen anderen gesetzlichen Feiertag fallen
darf. Die Klägerin macht keinen Anspruch auf Ausgleich für an einem Wochenfeiertag
geleistete Arbeit geltend, sondern sie verlangt einen Ausgleich für die dienstplanmäßig
an einem Wochenfeiertag gewährte Freizeit. Fällt nach dem Dienstplan der Feiertag in
die Arbeitswoche, zieht die Beklagte diesen Tag nach wie vor von der Sollarbeitszeit ab,
d.h. sie berücksichtigt ihn als arbeitszeitmindernd. Darum geht es im vorliegenden
Rechtsstreit nicht. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich für Wochenfeiertage, die
dienstplanmäßig in die Freiwoche fallen, ist in § 2 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 5
AVR gerade nicht gewährt worden (vergl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung die
Entscheidung des BAG im Urteil vom 04.08.1988 - 6 AZR 269/86 - nicht veröffentlicht).
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2. Der Anspruch lässt sich auch nicht aus § 2 EFZG herleiten. Der Anspruch auf die
Feiertagsbezahlung erwächst nur dann, wenn allein der Feiertag Ursache des
Arbeitsausfalls ist. Der gesetzliche Anspruch entsteht dagegen nicht, wenn der
Arbeitsausfall auf anderen Gründen beruht, etwa weil der Angestellte an diesem Tag
dienstplanmäßig freigestellt ist (BAG aaO).
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3. Soweit das Arbeitsgericht einen Anspruch aus betrieblicher Übung erwogen und
verneint hat, ist dem zuzustimmen. Das Berufungsgericht nimmt zur Vermeidung von
Wiederholungen insoweit auf die Entscheidungsgründe der Vor-instanz Bezug, denn es
kommt zu übereinstimmenden Feststellungen (§ 543 Abs. 1 ZPO). In der
Berufungsinstanz hat sich die Klägerin mit diesem rechtlichen Gesichtspunkt auch nicht
mehr befasst und das Urteil der Vorinstanz insoweit nicht angegriffen.
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4. Der Anspruch der Klägerin folgt aus dem arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz.
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Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber, einzelne
Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen von einer allgemeinen begünstigenden
Regelung willkürlich, d.h. ohne sachlichen Grund auszuklammern. Dem liegt die
Wertung zugrunde, dass der Arbeitgeber an eine von ihm selbst gesetzte aus seinem
tatsächlichen Verhalten erkennbare Regel in der Weise gebunden ist, dass er nur aus
sachlichen Gründen von ihr abweichen darf. Liegt ein sachlicher Grund nicht vor, kann
der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung
behandelt zu werden.
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So liegt der Fall hier.
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Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, in die dienstplanmäßig
freie Zeit fallende Wochenfeiertage arbeitszeitmindernd zu berücksichtigen. Dies gilt
sowohl für die Beschäftigten im Nachtdienst als auch für die im Tagdienst. Dies sieht die
Beklagte heute nicht anders, selbst wenn der langjährig gewährte Freizeitausgleich an
alle Beschäftigten früher auf einem Irrtum in der Rechtsanwendung beruht haben sollte.
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Die Beklagte hat die bis September 1997 ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen ab
Oktober 1997 nur noch an die im Tagdienst Beschäftigten weiter gewährt, während sie
die Mitarbeiter/innen im Nachtdienst von der Vergünstigung ausgeklammert hat.
Dadurch wird eine Arbeitnehmergruppe, zu der die Klägerin gehört, in vergleichbarer
Lage schlechter gestellt, ohne das es dafür anerkennenswerte sachliche Gründe gibt.
Für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung einer Differenzierung kommt es
darauf an, ob sich nach dem Zweck der Vergünstigung Gründe ergeben, die es unter
Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe
Leistungen vorzuenthalten, die der anderen eingeräumt werden. Eine unterschiedliche
Behandlung von Arbeitnehmern ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz
vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt
ist. Das ist vorliegend nicht der Fall.
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Die Beklagte hat sich ausweislich ihres Schreibens vom 29.08.1997 an die Klägerin
zunächst darauf berufen, dass ihr bei der Überprüfung des Berechnungsmodus für die
Sollstunden aufgefallen sei, dass die bisherige Berechnungsweise fehlerhaft ist. Bei
Mitarbeitern, die in einem festen Rhythmus arbeiteten, dürften nur die Wochenfeiertage
in Abzug gebracht werden, die in der Dienstwoche des Mitarbeiters lägen. Damit läßt
sich die unterschiedliche Behandlung zwischen den Arbeitskräften im Tag- und
Nachtdienst nicht rechtfertigen. Auch die Arbeitnehmer im Tagdienst haben keinen
Anspruch darauf, dass in die dienstplanmäßig freie Zeit fallende Wochenfeiertage
arbeitszeitmindernd berücksichtigt werden, wobei es auf die unterschiedlichen
Freischichtmodelle zwischen Tag- und Nachtschicht nicht ankommt.
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Die Beklagte hat sich weiter als Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen den
beiden Mitarbeitergruppen darauf berufen, dass der feste Rhythmus im Nachtdienst den
dort Beschäftigten eine bessere Vorhersehbarkeit ihres Einsatzes erlaube als den
Mitarbeitern im Tagdienst, die unregelmäßig eingesetzt würden. Soweit die Mitarbeiter
im Tagdienst Früh- und Spätdienst leisten, also im Schichtdienst tätig sind, erhalten sie
für ihre Erschwernisse die vertraglich vorgesehene Schichtzulage. Im übrigen müssen
auch die Mitarbeiter/innen des Nachtdienstes damit rechnen, gelegentlich im Tagdienst
eingesetzt zu werden. Da nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin für
den Tagdienst im Grundsatz Monatsdienstpläne erstellt werden, besteht auch für die
Mitarbeiter/innen des Tagdienstes eine gewisse Vorhersehbarkeit ihres Einsatzes.
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Eine Differenzierung, die an die dienstplanmäßige Freizeit anknüpft und diese
unterschiedlich danach bewertet, ob der Mitarbeiter im Tag- oder Nachtdienst tätig ist, ist
nach Auffassung der Berufungskammer sachlich nicht gerechtfertigt. In beiden Diensten
ist nach der Erörterung in der Berufungsverhandlung die dienstplanmäßige Freistellung
feiertagsunabhängig. Fällt ein Wochenfeiertag in die Freizeit, so soll dies beim
Tagdienst zu einer Arbeitszeitminderung führen, nicht aber beim Nachtdienst. Der
vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von der Differenzierung zwischen
Verwaltungsmitarbeitern in der 5-Tage-Woche auf der einen Seite und Arbeitnehmern in
Freischichtmodellen auf der anderen Seite. Bei Verwaltungsangestellten in der 5-Tage-
Woche ist der Feiertag ohnehin frei, es besteht keine Arbeitspflicht. Diese Gruppe von
Arbeitnehmern ist nicht vergleichbar mit den Arbeitnehmern, die nach einem
Freischichtsystem arbeiten. Im Freischichtsystem ergibt erst der Dienstplan, ob
Feiertage frei sind. Innerhalb eines solchen Systems ist ein Sachgrund für eine
Differenzierung bei der Behandlung von Wochenfeiertagen in der dienstplanmäßigen
Freizeit nicht ersichtlich.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Rechtsmittelbelehrung
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Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlicher Grund.
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Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird
verwiesen.
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(Schroeder) (Hanel) (Brinkmann)
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