Urteil des LAG Köln vom 07.06.2002
LArbG Köln: arbeitsgericht, vergütung, dienstleistung, zustand, lebenserfahrung, vergleich, aufhebungsvertrag, urkunde, form, indizienbeweis
Landesarbeitsgericht Köln, 11 Sa 28/02
Datum:
07.06.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 28/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 1 Ca 97/01
Schlagworte:
Gefälligkeitsdienste; Vergütungserwartung
Normen:
BGB § 612 Abs. 1
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Betreut eine Reitstallbesitzerin über Jahre hinweg die den Betrieb
entgeltlich in An-spruch nehmenden Kinder eines Arztes, mit dem sie
neben einem beruflichen Kontakt auch eine Liebesbeziehung unterhält,
so stellt diese Kinderbetreuungstätigkeit keine Dienstleistung dar, die
i.S.v. § 612 Abs. 1 BGB "den Umständen nach nur gegen eine
Vergütung zu erwarten ist."
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.11.2001 verkündete Urteil
des Arbeitsgerichts Bonn - 1 Ca 97/01 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
TATBESTAND
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(abgekürzt gem. § 69 Abs.2 ArbGG)
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Die Parteien - nämlich die Klägerin, die einen Reitstall betreibt und der beklagte Arzt -
streiten um Vergütungsansprüche für die Zeit von April 1997 bis November 1999 in
Höhe von 156.800,-- DM netto, die die Klägerin zu haben glaubt, weil sie in dieser Zeit
die Kinder des Beklagten betreut habe; hierüber hätten die Parteien einen Arbeitsvertrag
geschlossen. Der Beklagte hat den Abschluß eines Arbeitsvertrages und eine
Betreuungstätigkeit der Klägerin, die über den Rahmen von Gefälligkeit und
Gastfreundschaft hinausgegangen sei, bestritten; zudem hätten die Parteien am 08. 03.
2000 eine Ausgleichsvereinbarung getroffen (Bl. 54). Hilfsweise hat sich der Beklagte
auf Verjährung berufen. Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen
G abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
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Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Zur Begründung verweist das Gericht auf die Gründe des den Parteien
bekannten Beschlusses vom 24. 05. 2002, der den Prozeßkostenhilfeantrag der
Klägerin zur Durchführung der Berufung mangels hinreichender Erfolgsaussichten
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zurückgewiesen hat. Die Gegenvorstellung der Klägerin gibt allenfalls noch Anlaß zu
folgenden Ergänzungen:
Nach wie vor ist die Behauptung der Klägerin, ihrer Betreuungstätigkeit von April 1997
bis November 1999 liege der Abschluß eines Arbeitsvertrages zugrunde, ohne jede
Substantiierung, weil verschwiegen wird, wann und wo ein solcher mündlicher Vertrag
geschlossen worden sein soll und welche Erklärungen der Beteiligten im Sinne einer
arbeitsvertraglichen Abmachung ausgelegt werden sollen. Eine solche Substantiierung
ist im vorliegenden Fall unverzichtbar, weil anders als in üblichen faktischen
Arbeitsverhältnissen dem Verhalten der Parteien keine konkludente Erklärung auf
Abschluß eines entgeltlichen Vertrages entnommen werden kann: Bei einer
Kinderbetreuung handelt es sich eben nicht um eine Dienstleistung, die "den
Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist" (§ 612 Abs. 1 BGB). Sie
kommt auch im Rahmen von Nachbarschaftshilfe oder unter guten Bekannten vor. Der
Gedanke an ein Gefälligkeitsverhältnis liegt besonders nahe, nachdem im heutigen
Termin klargestellt worden ist, daß die Parteien einmal eine Liebesbeziehung verband.
In einer solchen Beziehung sind Gefälligkeiten auch umfänglicherer Art gut denkbar -
sei es aufgrund irgendwelcher Zukunftserwartungen oder ohne jede Erwartung; das gilt
umso mehr, wenn die Beziehung auch berufliche Kontakte einschließt, die sich von den
Dienstleistungen der fraglichen Art nicht klar abgrenzen lassen -so wie hier die Erteilung
von Reitunterricht Zusammenhangstätigkeiten nahe legt.
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Weitestgehende Substantiierung der behaupteten, zum Vertragsschluß führenden
Erklärungen war auch deshalb erforderlich, weil starke Indizien gegen einen
Vertragswillen beider Parteien sprechen. So kommt es im Arbeitsleben praktisch nicht
vor, daß ein Arbeitnehmer über zweieinhalb Jahre seine Tätigkeit fortsetzt, ohne je
einen Pfennig an Vergütung gesehen zu haben. Weitere Indizien gegen einen
Vertragswillen liegen in der formellen Handhabung der Beziehung: So hat es unstreitig
keine Anmeldung der Klägerin bei einem Sozialversicherer gegeben, keine
Arbeitspapiere, keine Abführung öffentlicher Abgaben; arbeitsrechtliche
Sozialleistungen wie Urlaub und ähnliches sind nie gewährt worden. Vor diesem
Hintergrund ist die bloße Behauptung, die Parteien hätten irgendwann und irgendwo mit
Erklärungen unbekannten Wortlauts einen Arbeitsvertrag verabredet, unzureichend.
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Zum Verjährungseinwand ist die Klägerin eine schlüssige Stellungnahme schuldig
geblieben. Ihre Behauptung, die Parteien hätten seit 1999 in ständigen Verhandlungen
gestanden, steht dem Verjährungseinwand nicht entgegen. Denn die Tatsache, daß der
Gläubiger mit dem Schuldner verhandelt, genügt für sich genommen nicht, um eine
Verjährungshemmung i.S.v. § 202 BGB herbeizuführen (Palandt/Heinrichs, BGB, 6l.
Aufl., § 202 Rn. 8); eine Unterbrechung nach § 208 BGB kommt hierdurch nur zustande,
wenn das Verhalten des Schuldners das Bewußtsein vom Bestehen der Schuld
unzweideutig zum Ausdruck bringt (Palandt/Heinrichs a.a.O., § 208 Rn. 3). Eine
substantiierte Schilderung solchen Verhaltens ist nicht vorhanden.
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Nach wie vor ist ein substantiierter Vortrag zur vertraglichen Aufhebung der
Vereinbarung vom 08. 03. 2000, der auch beweisbar wäre, nicht vorhanden. Zwar mag
die Substantiierung in der Gegenvorstellung der Klägerin verbessert worden sein. Aber
abgesehen davon, daß dieser Vortrag als Teil der Berufungsbegründung verspätet ist,
weil er das Gericht nur drei Tage vor dem Berufungstermin erreicht hat, erfolgt er mit
dem Eingeständnis, daß er nicht beweisbar ist. Die Klägerin versucht zwar einen
Indizienbeweis zu führen; sie übersieht dabei aber, daß dieser - selbst wenn er gelänge
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- keinesfalls den Wortlaut der Erklärung beweisen kann, den der Beklagte nach
nunmehriger Behauptung der Klägerin abgegeben haben soll. Das aber ist
unverzichtbar. Denn auch gegen diesen Aufhebungsvertrag sprechen starke Indizien:
So spricht die Lebenserfahrung dafür, daß Parteien, die derart zerstritten sind, daß sie
ihren "Friedensschluß" förmlich und unter Hinzuziehung eines juristischen Vermittlers
beurkunden, den mühsam erreichten Zustand nicht durch bloße mündliche Äußerungen
tilgen wollen, ohne den Wunsch zu haben, die neuerliche Vereinbarung ebenfalls zu
beurkunden - was einem Vertragsschluß nach § 154 Abs.2 BGB zumindest
vermutungsweise entgegenstünde: Wer dem anderen so mißtraut, daß er einen
Vergleich schriftlich haben will, mißtraut ihm auch so, daß er der Urkunde eine zweite
entgegenhalten will, mit der die Aufhebung der beurkundeten Vereinbarung bewiesen
werden kann. Schon nach allgemeiner Regel bedarf der "actus contrarius" im Zweifel
der gleichen Form wie die Ausgangshandlung. Der Zeuge G kann zum Wortlaut der
angeblichen Aufhebungsvereinbarung nichts aus eigener Wahrnehmung bekunden.
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Der Arbeitsvertrag vom 15. 02. 2000, auf den sich die Klägerin bezieht, kann eine
Indizwirkung zugunsten einer einvernehmlichen Beseitigung der Ausgleichsklausel vom
08. 03. 2000 allenfalls dann entfalten, wenn die bestrittene Behauptung der Klägerin
zuträfe, er sei zurückdatiert. Diese wenig wahrscheinliche, durch kein Motiv begründete
Rückdatierung kann die Klägerin nicht
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