Urteil des LAG Köln vom 14.08.2006
LArbG Köln: beleihung, geschäftsführer, rückführung, lebensversicherung, insolvenz, darlehen, firma, verkehrsunfall, arbeitsgericht, ausnahme
Landesarbeitsgericht Köln, 2 Sa 171/06
Datum:
14.08.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Sa 171/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 17 Ca 7509/04
Schlagworte:
Insolvenzschutz beliehener Lebensversicherungen
Normen:
§ 7 Abs. 5 S. 1, 2, 3 BetrAVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Anschluss an BAG, Urteil vom 17.10.1995 - 3 AZR 420/94 –
Die Kenntnis von der Existenz des PSV und der gesetzlich geregelten
Insolvenzsicherung reicht nicht, um einen Missbrauchstatbestand
anzunehmen, wenn eine Sanierung des Arbeitgebers angestrebt war.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 22.11.2005 – 17 Ca 7509/04 – wird in dem Umfang, in die Klage
aufrechterhalten wurde, auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien streiten um die Einstandspflicht des Beklagten, der der Träger der
Insolvenzausfallsicherung für betriebliche Altersversorgung ist.
2
Die Kläger sind sämtlich Inhaber einer unverfallbaren Anwartschaft auf eine betriebliche
Altersversorgung aus ihrem Arbeitsverhältnis zu der insolvent gewordenen Firma S F R
GmbH in W . Für sie bestand bei der Si I Versicherung AG ein Gruppenversicherungs-
vertrag. Die zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisse begannen teilweise bereits im
Jahre 1984. Im Jahr 2002 geriet die Arbeitgeberin in wirtschaftliche Schwierigkeiten und
erwirtschaftete einen Verlust von 1.260.000,00 €. Bereits im Herbst des Jahres 2002
hatte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin einen Teil der Arbeitnehmerschaft dazu
bewegen können, zur Sanierung des Unternehmens Darlehen an die Firma zu
gewähren. Am 15.10.2002 erlitt der Geschäftsführer der Arbeitgeberin einen
Schlaganfall.
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Zwischen Weihnachten und Silvester 2002 suchte der Geschäftsführer die Kläger des
vorliegenden Verfahrens zu Haus auf und ließ sich von ihnen die Zustimmung zur
Beleihung der betrieblichen Altersversorgung erteilen. In diesem Zusammenhang soll
auch von der Insolvenzsicherung durch den Beklagten die Rede gewesen sein. Die
Darlehensgewährung erfolgte zum Zwecke der Sanierung der Arbeitgeberin und zur
Verbesserung von deren Liquidität. Die Zahlungen sollten durch die Versicherung auf
ein Treuhandkonto geleistet werden.
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Am 06.01.2003 wurde ein Sanierungsgutachten erstellt, welches grundsätzlich zu einem
positiven Ergebnis gelangte. Als Ursache der wirtschaftlichen Schieflage wurde nicht
die allgemein schlechte Lage in der Baukonjunktur, sondern mangelndes Controlling,
erhöhte Kosten durch übermäßige Reklamationen und die Person des Betriebsleiters
bezeichnet.
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Am 14.01.2003 erlitt der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin einen
schweren Verkehrsunfall mit lebensgefährlichen Verletzungen. Daraufhin beantragte am
15.01.2003 die Hauptgläubigerbank die Insolvenzeröffnung. Das Verfahren wurde am
01.03.2003 eröffnet. Sämtliche Arbeitnehmer wurden zum 30.06.2003 gekündigt.
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Der Beklagte lehnt die Insolvenzsicherung für den durch die Beleihung entstandenen
bzw. zukünftig noch entstehenden Schaden hinsichtlich der betrieblichen
Altersversorgung der Kläger ab. Er ist der Ansicht, dass es für die Darlegung
missbräuchlichen Zusammenwirkens nach § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ausreiche, dass
der Arbeitgebergeschäftsführer im Zusammenhang mit der Beleihung auf die
Insolvenzsicherung hingewiesen habe. Zudem müsste auch § 7 Abs. 5 Satz 2 und 3
BetrAVG Anwendung finden. Die Arbeitnehmer hätten angesichts der Tatsache, dass
das zunächst gegebene private Darlehen nicht zur Sanierung ausgereicht habe, davon
ausgehen müssen, dass eine Sanierung nicht erfolgreich sein werde. Das Arbeitsgericht
hat die Klage der (verbliebenen) 14 Kläger auf Feststellung, dass der Beklagte ihnen
Versicherungsschutz für die aufgrund der Beleihung eingetretene Unterdeckung der
Lebensversicherung leisten müsse, zugesprochen. Hiergegen wendet sich der Beklagte
mit der Berufung und beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.11.2005 – 17 Ca 7509/04 –
abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückweisen.
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Sie vertreten die Ansicht, die Eintrittspflicht des Beklagten sei deshalb gegeben, weil die
durch die Beleihung freigewordenen Gelder zur Sanierung der Arbeitgeberin eingesetzt
werden sollten. Es hätten auch berechtigte Erwartungen bestanden, dass eine solche
Sanierung erfolgreich sein könne. Letztlich habe der schwere Verkehrsunfall dazu
geführt, dass der kreditgebenden Bank der persönliche Ansprechpartner gefehlt habe.
Das Sanierungskonzept sei an die Person des Geschäftsführers gebunden gewesen.
Dessen Unfall habe unerwartet das Scheitern der Sanierungsbemühungen ausgelöst.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313
ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige und fristgerechte Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
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Der Feststellungsantrag der Kläger ist zulässig. Er ist dahingehend zu verstehen, dass
die Eintrittspflicht des Beklagten für diejenigen Fehlbeträge hinsichtlich der
betrieblichen Altersversorgung der Kläger geklärt werden soll, die dadurch entstehen,
dass die Beleihung der Lebensversicherungssumme durch die insolvent gewordene
Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang
und nicht rechtzeitig ausgeglichen werden kann.
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Der Beklagte haftet den Klägern nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 anstelle der Arbeitgeberin
für deren Verpflichtung aus § 1 b Abs. 2 Satz 3 BetrAVG. Aufgrund der Insolvenz wird,
soweit sich nicht aus dem Treuhandverhältnis noch Ansprüche auf Rückführung der
Darlehen ergeben, die insolvente Arbeitgeberin zumindest teilweise, nicht mehr in der
Lage sei, die beliehenen Summen der Versicherung wieder zuzuführen. Da für die
verbliebenen Kläger des Verfahrens die Versorgungsanwartschaft unverfallbar war,
liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BetrAVG vor. Auf diese Feststellung
erstreckt sich das Feststellungsinteresse der Kläger.
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Der Beklagte ist nicht aufgrund § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG von seiner Leistungspflicht
befreit. Bereits dem Wortlaut nach erstreckt sich dieser Haftungsbefreiungstatbestand
nur auf Zusagen und Verbesserungen von Zusagen der Altersversorgung. Durch die
Beleihung der Lebensversicherung wurde aber weder die Altersversorgungszusage
verändert noch verbessert. Allenfalls wurde das Haftungskapital, welches der Erfüllung
der Zusage dienen soll, geschmälert.
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Auch § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG führt nicht dazu, dass der Beklagte von seiner Haftung
befreit ist. Zunächst ist dabei die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
17.10.1995 – 3 AZR 420/94 – zu berücksichtigen. Danach ist die
Missbrauchsvermutung des § 7 Abs. 5 Satz 2 und 3 auf die Beleihung von Ansprüchen
aus Direktversicherungen überhaupt nicht anwendbar. Auch im Hinblick auf § 7 Abs. 5
Satz 2 BetrAVG argumentiert das Bundesarbeitsgericht dabei mit dem Wortlaut des
Gesetzes. Selbst wenn bei Erteilung der Genehmigung zur Beleihung der
Lebensversicherung damit zu rechnen gewesen wäre, dass die Rückführung der
Beleihung nicht mehr möglich sein würde bevor der Versorgungszeitpunkt erreicht wird,
also das Renteneintrittsalter erreicht ist, so handelt es sich bei der Beleihung nicht um
die Erteilung oder Verbesserung einer Versorgungszusage. Eine über diesen Wortlaut
hinausgehende Ausdehnung des Tatbestandes kommt insbesondere deshalb nicht in
Betracht, weil zwischen der Entscheidung aus dem Jahre 1995 und der jetzigen
Entscheidung eine Änderung des § 7 Abs. 5 BetrAVG zugunsten des Beklagen insoweit
durchgeführt wurde, dass der Zeitraum des Absatzes 5 Satz 3 von einem Jahr auf zwei
Jahre vor Eintritt des Sicherungsfalls ausgedehnt wurde. Es hätte nahegelegen, die
Beleihung von Lebensversicherungen, die erstmals innerhalb dieses Zeitraums vor der
Insolvenz erfolgt, ebenfalls in diesen absoluten Vermutungstatbestand für einen
Missbrauchsfall mit aufzunehmen. Insbesondere angesichts der fehlenden gesetzlichen
Regelung ist eine Auslegung entgegen dem Wortlaut nicht möglich.
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Die Kammer sieht aber auch dann, wenn man § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG anders lesen
würde, die Eintrittspflicht des Beklagten als gegeben an. Selbst wenn man es
ausreichen lassen würde, dass bei Erteilung der Zustimmung zur Beleihung der
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Versicherung wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, dass
die Rückführung des Darlehens bis zum Rentenfall nicht möglich sein würde, so hat der
Beklagte nicht hinreichend dafür vorgetragen, dass die Arbeitnehmer bei Erteilung ihrer
Zustimmung zur Beleihung eine solche wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers kannten
und gleichwohl die Zustimmung erteilt haben. Denn für die Rückführung der Beleihung
war mit Ausnahme des Klägers zu 13 (H W ) aufgrund des Alters der Mitarbeiter noch
ein Zeitraum von mindestens 11 Jahren gegeben. Beim Mitarbeiter H W lagen immerhin
noch 1 ½ Jahre zwischen der Zustimmung zur Beleihung und dem Regeleintrittsalter in
die Rente. Ob und wie weit die Mitarbeiter überhaupt einen genauen Einblick in die
wirtschaftliche Lage hatten und ob sie zu Recht davon ausgehen konnten, dass ihr
Beitrag zu einer erfolgreichen Sanierung des Unternehmens führen würde, kann aus
heutiger Sicht nicht mehr festgestellt werden. Denn es ist nicht auszuschließen, dass
der Insolvenzantrag letztendlich ausschließlich darauf beruht, dass der Geschäftsführer
aufgrund seines schweren Unfalls für die kreditgebende Bank nicht mehr als
Ansprechpartner unmittelbar zur Verfügung stand.
Während im Normalfall einer Insolvenz nach Beleihung die Tatsache der
Insolvenzeröffnung kurz nach durchgeführter Beleihung dafür spricht, dass bereits im
Beleihungszeitpunkt eine Sanierung gar nicht mehr erfolgreich sein konnte, so erscheint
es im vorliegenden Fall jedenfalls aufgrund des grundsätzlich positiven Gutachtens vom
06.01.2003, den Unfall einmal hinweggedacht, möglich, dass die Sanierung erfolgreich
verlaufen wäre. Es kann deshalb nicht einmal festgestellt werden, ob die Beleihung
objektiv eine missbräuchliche Maßnahme im Sinne des § 7 Abs. 5 BetrAVG darstellt.
Zudem ist nach der auch mit der Entscheidung vom 19.02.2002 (Az.: 3 AZR 137/01)
bestätigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlich, dass die
Arbeitnehmer an der missbräuchlichen Maßnahme des Arbeitgebers beteiligt sind und
den missbilligten Zweck der Maßnahme erkennen können mussten. In welchem Maße
den einzelnen Klägern jeweils konkret die wirtschaftliche Schieflage überhaupt bekannt
war und ob objektiv eine Sanierung unmöglich war und subjektiv dieses ebenfalls von
den Klägern erkannt worden ist, gehört selbst bei einer Anwendbarkeit des § 7 Abs. 5
Satz 2 BetrAVG auf Beleihungen jedenfalls zur Darlegungslast des Beklagten.
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Indizien, die den überzeugenden Rückschluss auf die subjektive Beteilung an einem
beabsichtigten Versicherungsmissbrauch der Arbeitgeberin zulassen,sind ebenso
wenig dargelegt, wie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG.
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Gerade der Umstand, dass die Arbeitnehmer sogar bereit waren, privates Vermögen zur
Sanierung der Arbeitgeberin einzusetzen, spricht dafür, dass sie an eine
Sanierungsmöglichkeit geglaubt haben. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass nach
dem vorgelegten Sanierungsgutachten nicht eine mangelnde Auftragslage, sondern
übermäßig hohe Reklamationen und eine insoweit mangelhafte betriebliche
Vermeidungsstrategie Ursache für die wirtschaftliche Schieflage waren. Dass die
Arbeitnehmer dieses erkannt und richtig analysiert hätten und darüber hinaus hätten
erkennen müssen, dass gleichwohl eine Sanierungsmöglichkeit nicht gegeben ist, hat
der Beklagte nicht substantiiert dargestellt. Es kann auch unterstellt werden, dass der
Geschäftsführer der Arbeitgeberin die Zustimmung der Kläger zur Beleihung deshalb
erleichtert erreicht hat, weil er auf die gesetzliche Insolvenzsicherung hingewiesen hat.
Richtig ist, dass die Insolvenzsicherung dazu führt, dass die Zustimmung zur Beleihung
für die begünstigten Arbeitnehmer letztlich risikolos ist. Dies allerdings ist nicht Folge
der Erklärung des Geschäftsführers, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.
Würde man auf die Kausalität der Erklärung des Geschäftsführer abstellen, wären
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diejenigen Arbeitnehmer schlechter zu stellen, die sich der Geltung des Gesetzes
bewusst sind. Bei Arbeitnehmern, die uninformiert sind und nicht die gesetzliche Lage
kennen, würden die Unkenntnis zur Vermutung führen, dass sie stärker an eine
Rückzahlung der Beleihung durch den Arbeitgeber geglaubt haben und als letztes Mittel
zur Erhaltung ihres Arbeitsplatzes auch ihre betriebliche Altersversorgung einsetzen
wollten. Überspitzt hätte dies zur Folge, dass derjenige, der die Insolvenzsicherung
kennt, gerade nicht durch sie geschützt wird.
Damit ergibt sich nach der derzeitigen Gesetzeslage, dass von einem
Missbrauchstatbestand allenfalls dann auszugehen ist, wenn die Arbeitnehmer die
Zustimmung zur Beleihung nicht im Hinblick auf einen allgemeinen Sanierungsplan des
Arbeitgebers erteilen, sondern um im Zusammenwirken mit diesem nicht mehr gedeckte
eigene Forderungen gegen den Arbeitgeber vorweg zu befriedigen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Revision wurde nicht zugelassen, da
sich seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.10.1995 (3 AZR 420/94)
keine Änderungen des Gesetzes ergeben haben, die eine erneute Klärung des selben
Sachverhalts erforderlich machen.
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(Olesch) (von Taboritzki) (Paffrath)
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