Urteil des LAG Köln vom 25.09.2008

LArbG Köln: arbeitsgericht, kündigung, täuschung, anfechtung, geschäftsführer, gespräch, unterzeichnung, firma, beweisergebnis, wahrscheinlichkeit

Landesarbeitsgericht Köln, 13 Sa 523/08
Datum:
25.09.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 Sa 523/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 17 Ca 8675/07
Schlagworte:
Anfechtung Eigenkündigung Arbeitnehmer, Parteivernehmung
Normen:
§§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB, 447, 448 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Zu den Voraussetzungen einer Parteivernehmung von Amts wegen
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 07.02.2008 – 17 Ca 8675/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, insbesondere die
Wirksamkeit einer Kündigung des Klägers.
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Der am 14.05.1949 geborene Kläger war seit dem 16.06.1999 bei der Beklagten, die
eine Spedition betreibt und ausschließlich Transportarbeiten für die Firma R..... ausführt,
als Fahrer beschäftigt. Im Zusammenhang mit einer Auslieferungsfahrt vom 28.09.2007
beschwerte sich eine Mitarbeiterin des R..... Marktes in Düsseldorf über den Kläger
wegen sexueller Belästigung. Die Beklagte erfuhr davon am 02.10.2007. Danach fand
zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten in Anwesenheit von
dessen Ehefrau, der Zeugin U....., ein Gespräch statt. Dabei unterzeichnete der Kläger
ein von der Beklagten vorgefertigtes auf den 28.09.2007 rückdatiertes Schreiben,
wonach der Kläger sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten "fristgerecht zum
13.10.2007" kündigt. Mit Schreiben vom 12.10.2007 erklärte der Prozessbevollmächtigte
des Klägers gegenüber der Beklagten die Anfechtung der Eigenkündigung wegen
arglistiger Täuschung und Irrtums. Mangels Sprachkenntnisse habe er das Schreiben
nicht lesen können, ihm sei mitgeteilt worden, dass die Unterzeichnung für eine
innerbetriebliche Umorganisation notwendig sei, er habe nicht gewusst, dass es sich um
eine Kündigungserklärung gehandelt habe. Mit Schreiben vom 16.10. kündigte die
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Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.11.2007. Das
Arbeitsgericht hat die auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und Weiterbeschäftigung
gerichtete Klage des Klägers abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 59 – 66 d. A.) wird
verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, der weiter
der Auffassung ist, die Eigenkündigung vom 28.09. sei wegen arglistiger Täuschung der
Beklagten wirksam angefochten. Er behauptet weiter, das Personalgespräch habe am
11.10. stattgefunden, von der Beschwerde einer R.....-Mitarbeiterin sei keine Rede
gewesen, die Beschwerde treffe auch nicht zu. Die Beklagte habe sich auf diese Weise
von ihm als teuersten und ältesten Mitarbeiter entledigen wollen. Das Arbeitsgericht
hätte die von beiden Parteien angebotenen Beweise erheben müssen. In diesem
Zusammenhang sei von erheblicher Bedeutung, welchen Wahrheitsgehalt das
Schreiben der R.....-Mitarbeiterin gehabt habe. Auch der Kläger sei in der ersten Instanz
als Zeuge in eigener Sache nicht gehört worden.
Der Kläger beantragt,
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das Urteil abzuändern und nach seinen erstinstanzlichen Schlussanträgen zu
erkennen.
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Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Befragen des Gerichts erklärt, er biete
Beweis für seinen Sachvortrag bezüglich des Gesprächs, das zur Unterzeichnung der
Eigenkündigung vom 28.09.2007 geführt habe, durch Vernehmung von ihm selbst als
Partei an. Die Beklagte hat der Parteivernehmung des Klägers widersprochen. Das
Berufungsgericht hat den Parteien nach Beratung mitgeteilt, dass eine
Parteivernehmung des Klägers von Amts wegen nicht in Betracht kommt. Der persönlich
geladene Kläger erschien erst nach Terminsende der mündlichen Verhandlung.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die
eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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I. Die Berufung ist zulässig, in der Sache hat sie keinen Erfolg.
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1. Das Arbeitsgericht hat die als Feststellungsklage auf Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses, insbesondere der Nichtbeendigung durch die
Kündigungserklärung des Klägers vom 28.09.2007 und Weiterbeschäftigung gerichtete
Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der
Parteien hat aufgrund der Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 28.09.2007 zum
13.10.2007 geendet.
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2. Der Kläger hat mit dem von ihm unterzeichneten Schreiben, datiert auf den
28.09.2007, unzweifelhaft sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten gekündigt ("betrifft:
Kündigung des Arbeitsverhältnisses"; "Hiermit kündige ich das Arbeitsverhältnis bei der
Firma U..... fristgerecht zum 13.10.2007"). Die Kündigungserklärung ist als einseitig
empfangsbedürftige Willenserklärung mit Zugang an den Erklärungsempfänger (§ 130
Abs. 1 Satz 1 BGB), also mit Übergabe des Kündigungsschreibens an die Beklagte
bzw. deren Geschäftsführer wirksam geworden.
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3. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Kündigungserklärung des
Klägers nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig ist.
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a. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, er habe einen Anfechtungsgrund
wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB oder Irrtums nach § 119 Abs. 1
BGB schlüssig vorgetragen, kann seine Klage keinen Erfolg haben. Denn der für den
Anfechtungsgrund beweispflichtige Kläger ist beweisfällig geblieben. Das Arbeitsgericht
hat den Kläger bereits in den Urteilsgründen ausdrücklich darauf hingewiesen, er habe
den der Anfechtung zugrunde liegenden Sachvortrag, den die Beklagte im Einzelnen
bestritten hat, nicht ordnungsgemäß unter Beweis gestellt. Der Kläger hat auch im
Berufungsverfahren keinen ordnungsgemäßen Beweis angetreten..
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b. Maßgeblicher Sachverhalt für beide Anfechtungsgründe ist allein der Inhalt des
Personalgesprächs zwischen dem Kläger, dem Geschäftsführer der Beklagten und
dessen Ehefrau. Eine Vernehmung der R.....-Mitarbeiterin, die die Beschwerde vom
28.09.2007 verfasst hat, bei dem Gespräch jedoch nicht zugegen war, scheidet deshalb
aus.
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c. Der Kläger hat für seinen streitigen Vortrag bezüglich des Personalgesprächs - vom
Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nochmals dazu befragt -
lediglich Beweis durch Parteivernehmung seiner selbst angeboten.
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aa. Nach § 447 ZPO kann das Gericht bei einer streitigen Tatsache auch die
beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit
einverstanden ist. Die Beklagte war hier jedoch nicht einverstanden mit der
Parteivernehmung des Klägers, denn sie hat dem in der mündlichen
Berufungsverhandlung ausdrücklich widersprochen.
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bb. Nach § 448 ZPO kann das Gericht auch ohne Antrag einer Partei und ohne
Rücksicht auf die Beweislast, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer
etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit
oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer
Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen. Diese Voraussetzungen einer
Vernehmung von Amts wegen liegen im Streitfall jedoch nicht vor. Das dafür geforderte
nicht ausreichende Beweisergebnis besagt einerseits, dass die Würdigung des
Verhandlungsergebnisses noch keine Überzeugung des Gerichts begründet haben darf,
andererseits muss aber die richterliche Gesamtwürdigung von Verhandlung und
bisheriger Beweisaufnahme eine gewisse, nicht notwendig hohe Wahrscheinlichkeit für
die Richtigkeit der streitigen Behauptung erbracht haben, d. h. es muss mehr für als
gegen sie sprechen, bereits "einiger Beweis" erbracht sein, ein so genannter Anbeweis
(Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 448 Rn. 4 m.w.N.). Der Kläger hat im Streitfall keinen
solchen Anfangs- oder Anbeweis erbracht. Im Gegenteil ist sein Sachvortrag über den
Verlauf des Personalgesprächs unter Berücksichtigung gesamten Sach- und
Streitstandes wenig wahrscheinlich. Dies betrifft vor allem seinen Vortrag, dass
Gegenstand des Gesprächs nicht die vorangegangene Beschwerde der R.....-
Mitarbeiterin war und er nicht gewusst haben soll, dass es sich bei dem von ihm
unterzeichneten Schreiben um eine von ihm erklärte Kündigung des
Arbeitsverhältnisses gehandelt habe. Das Berufungsgericht hat daher in Ausübung
seines Ermessens von einer Vernehmung von Amts wegen abgesehen.
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cc. Die Vernehmung von Amts wegen war auch nicht aus dem Gesichtspunkt der
prozessualen Waffengleichheit erforderlich (vgl. dazu Zöller a.a.O. m.w.N.). Denn diese
Grundsätze sind für Fälle der Beweisnot, etwa bei vier-Augen-Gesprächen entwickelt
worden. Um ein solches handelte es sich vorliegend jedoch nicht, da über die Parteien
hinaus die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten anwesend war, die als Zeugin
hätte benannt werden können. Im Übrigen hatte das Berufungsgericht, wie schon das
Arbeitsgericht, den Kläger persönlich geladen mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass
gegebenenfalls eine Parteivernehmung durchgeführt wird. Der Kläger ist jedoch nicht,
jedenfalls nicht rechtzeitig vor Schluss der mündlichen Verhandlung erschienen. Seine
mehr als halbstündige Verspätung war auch nicht ausreichend entschuldigt.
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II. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
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III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere hat die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den
besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
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Dr. von Ascheraden Ueberholz Otten
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