Urteil des LAG Köln vom 10.12.2009

LArbG Köln (kündigung, fristlose kündigung, geschäftsführer, überwiegende wahrscheinlichkeit, abfindung, höhe, arbeitsverhältnis, zahlung, rechtliches gehör, forderung)

Landesarbeitsgericht Köln, 7 SaGa 14/09
Datum:
10.12.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
7.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 SaGa 14/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 6 Ga 104/09
Schlagworte:
Arrestanspruch; Arrestgrund
Normen:
§§ 916, 917 ZPO; 35 GmbH-G; 812, 823 BGB; 266, 27 StGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Zu den Voraussetzungen eines Arrestanspruchs und Arrestgrundes,
wenn die Arrestklägerin die Rückzahlung einer Abfindung aus einem
Abwicklungsvertrag begehrt mit der Behauptung, der
Abwicklungsvertrag sei in kollusivem Zusammenwirken mit ihrem
früheren Geschäftsführer rechtswidrig zustande gekommen.
Tenor:
Die Berufung der Arrestklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Köln vom 23.07.2009 in Sachen 6 Ga 104/09 wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten um einen Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrestes wegen einer
vermeintlichen Forderung der Arrestklägerin gegen den Arrestbeklagten in Höhe von
290.000,00 € zzgl. Zinsen.
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In dem Verfahren umgekehrten Rubrums – 7 SaGa 24/09 – begehrt der hiesige
Arrestbeklagte seinerseits gegen die hiesige Arrestklägerin den Erlass eines dinglichen
Arrestes wegen einer vermeintlichen Forderung in Höhe von 450.000,00 € nebst Zinsen.
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Die Arrestklägerin handelt und vertreibt in Deutschland Teppiche. Der Jahresumsatz in
Deutschland lag bei einer Größenordnung von etwa 5 Millionen Euro. Die Arrestklägerin
ist die deutsche Tochtergesellschaft der S H A. S., einer Aktiengesellschaft türkischen
Rechts. Die S H -Gruppe ist international tätig und erwirtschaftet Umsätze von jährlich
etwa 80 Millionen Euro.
4
Der Arrestbeklagte wurde mit Anstellungsvertrag vom 03.08.2004 zum 01.08.2004 bei
der Arrestklägerin als "Vertriebsleiter für Europa" eingestellt. Sein Jahresgehalt betrug
nach Angaben der Arrestklägerin zuletzt 154.324,20 € brutto. Der Arrestbeklagte hatte
einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf einen PKW der gehobenen Mittelklasse, den er
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auch privat nutzen durfte. Gemäß § 8 Satz 2 des Anstellungsvertrages vom 03.08.2004
hatten die Parteien für die Zeit nach Ablauf eines Jahres ab Einstellung eine
beiderseitige Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Ende eines Kalendermonats
vereinbart.
§ 7 c) des Anstellungsvertrages hat folgenden Wortlaut:
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"Herr C erhält für den Fall, dass eine Kündigung des Vertragsverhältnisses
betriebsbedingter Art ausgesprochen wird, von der Arbeitgeberin eine
Abfindung entsprechend den Regeln des Kündigungsschutzgesetzes. Die Höhe
der Abfindung beträgt bezogen auf den Beendigungszeitpunkt des
Arbeitsvertrages 10 % des Bruttoumsatzes der letzten 12 Monate, die das
Unternehmen erzielen konnte. Die Abfindung ist fällig mit dem Zeitpunkt der
Beendigung des Vertragsverhältnisses" (Bl. 46 d. A.).
7
Mit Schreiben vom 25.06.2009 (Bl. 132 f. d. A.) wies die türkische Muttergesellschaft den
damaligen Geschäftsführer der Arrestklägerin, Herrn M B , schriftlich an, das
Arbeitsverhältnis mit dem Arrestbeklagten zu beenden. Darin gab sie dem
Geschäftsführer vor, den Kündigungstext u. a. wie folgt zu gestalten: "Infolge
betrieblicher Gründe kündigen wir das Arbeitsverhältnis mit Ihnen zur gesetzlichen Frist
vom 31.07.2009. … Bitte geben Sie den Firmenwagen mit Papieren und mit Schlüssel
spätestens bis zum 31.07.2009 ab. …".
8
Durch Schreiben des Geschäftsführers B vom 29.06.2009, dem Arrestbeklagten
übergeben am selben Tage, kündigte die Arrestklägerin daraufhin das Arbeitsverhältnis
"aus betriebsbedingten Gründen zum 31.07.2009". Der Arrestbeklagte wurde
aufgefordert, das Firmenfahrzeug spätestens am 31.07.2009 zurückzugeben (Bl. 48 d.
A.).
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Am 08.07.2009 zahlte der Geschäftsführer B namens der Arrestklägerin an den
Arrestbeklagten einen Betrag in Höhe von 290.000,00 €.
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Mit Anwaltsschreiben an den Arrestbeklagten vom 09.07.2009 nimmt die Arrestklägerin
"die Ihnen gegenüber unter dem 29.06.2009 ausgesprochene Kündigung, die
betriebsbedingt erfolgt war, zurück und bietet Ihnen die Fortsetzung des
Anstellungsverhältnisses zu den Bedingungen an, die zwischen unserer Mandantin und
Ihnen am 29.06.2009 bestanden haben." Im selben Schreiben lässt die Arrestklägerin
den Arrestbeklagten auffordern, die erhaltenen 290.000,00 € bis zum 15.07.2009
zurückzuzahlen, da für die Zahlung – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – kein wie auch
immer gearteter Rechtsgrund ersichtlich sei (Bl. 52 f. d. A.).
11
Ebenfalls am 09.07.2009 erhielt der damalige Geschäftsführer B eine fristlose
Kündigung. Er wurde als Geschäftsführer abberufen. Mit Schreiben seiner damaligen
anwaltlichen Bevollmächtigten vom 14.07.2009 (Bl. 55 d. A.) ließ der Arrestbeklagte das
Angebot der Arrestklägerin mit Schreiben vom 09.07.2009 auf Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses ablehnen. Zugleich ließ er darauf hinweisen, dass ihm aufgrund
eines Abwicklungsvertrages vom 06.07.2009 eine Abfindung in einer Gesamthöhe von
740.000,00 € brutto zustehe.
12
Mit Anwaltsschreiben vom 14.07.2009, dem Arrestbeklagten zugegangen am
16.07.2009, kündigte die Arrestklägerin das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos,
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vorsorglich fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Im Rahmen ihres vorliegend streitgegenständlichen, am 17.07.2009 beim Arbeitsgericht
Köln eingegangenen Antrags auf dinglichen Arrest und Arrestpfändung hat sich die
Arrestklägerin eines Anspruchs auf Rückzahlung der dem Arrestbeklagten am
08.07.2009 geleisteten 290.000,00 € berühmt.
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Die Arrestklägerin hat beantragt,
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1) wegen einer Forderung in Höhe von 290.000,00 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2009 gegen
den Verfügungsbeklagten einen dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen
des Verfügungsbeklagten anzuordnen;
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2) die Vollziehung des Arrestes durch Hinterlegung eines Betrages von
290.000,00 € durch den Verfügungsbeklagten gehemmt sein zu lassen;
17
3) in Vollziehung des Arrestes die Forderung des Verfügungsbeklagten
gegen die Sparkasse A auf Auszahlung von Guthaben – insbesondere auf
dem Konto des Verfügungsbeklagten Nr. – bis zum Höchstbetrag von €
290.000,00 zu pfänden und dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, dass er
sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten habe, sowie der
Stadtsparkasse A als Drittschuldnerin aufzugeben, nicht mehr an den
Verfügungsbeklagten zu leisten.
18
Der Arrestbeklagte hat beantragt,
19
die Arrestklage abzuweisen.
20
Mit Urteil vom 23.07.2009 hat das Arbeitsgericht Köln aufgrund der am selben Tage
durchgeführten mündlichen Verhandlung die Arrestanträge der Arrestklägerin
abgewiesen. Auf den vollständigen Inhalt des Urteils vom 23.07.2009 wird Bezug
genommen.
21
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln wurde der Arrestklägerin am 30.07.2009 zugestellt.
Sie hat hiergegen am 03.08.2009 Berufung eingelegt und diese am 29.09.2009
begründen lassen.
22
Die Arrestklägerin und Berufungsklägerin ist der Auffassung, das Arbeitsgericht Köln
habe ihre Anträge zu Unrecht abgewiesen. Arrestanspruch und Arrestgrund seien
gegeben.
23
Die Berufungsklägerin will ihren Arrestanspruch aus §§ 812, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§
266, 27 StGB herleiten. Sie behauptet, ihr ehemaliger Geschäftsführer B habe mit der
Auszahlung des Betrages von 290.000,00 € an den Arrestbeklagten eine Untreue im
strafrechtlichen Sinne begangen. B sei zu einer solchen Zahlung nicht bevollmächtigt
gewesen. Dies habe der Arrestbeklagte auch gewusst bzw. wissen müssen. B und der
Arrestbeklagte hätten kollusiv zusammengewirkt. In einem Gespräch vom 05.09.2009
zwischen diesem, dem späteren Geschäftsführer der Arrestklägerin namens M und
einem um Vermittlung zwischen den Parteien bemühten ehemaligen Geschäftsführer
namens N seien Äußerungen gefallen, aus denen zu schließen gewesen sei, dass B
24
einen Anteil an dem an den Arrestbeklagten gezahlten Betrag habe erhalten sollen, man
sich also quasi "die Beute habe teilen wollen".
Die Berufungsklägerin bestreitet, dass zwischen ihr, vertreten durch den ehemaligen
Geschäftsführer B und dem Arrestbeklagten überhaupt ein Abwicklungsvertrag vom
06.07.2009 zustande gekommen sei. Ein solcher Vertrag sei vom Arrestbeklagten bisher
nur in Kopie vorgelegt worden.
25
Jedenfalls sei der Abwicklungsvertrag vom 06.07.2009 aber nichtig. Der Missbrauch der
Vertretungsmacht könne sich als Sonderfall der Sittenwidrigkeit darstellen. Zum
Abschluss eines solchen Abwicklungsvertrages, der zugunsten des Arrestbeklagten
eine Abfindung von 740.000,00 € brutto vorsehe, habe auch keinerlei inhaltlicher Anlass
bestanden. Selbst wenn man berücksichtige, dass dem Arrestbeklagten bei Ausspruch
einer betriebsbedingten Kündigung die im Anstellungsvertrag vom 03.08.2004
vereinbarte Abfindung zugestanden hätte, sei eine zum 31.07.2009 fällige Abfindung in
Höhe von 740.000,00 € nicht darstellbar. In Anbetracht der vertraglich vereinbarten
Kündigungsfrist von einem Jahr zum Monatsende habe eine Abfindung erst zum
31.07.2010 fällig werden können. Soweit dem Geschäftsführer B eine betriebsbedingte
Kündigung des Arrestbeklagten zum 31.07.2009 vorgegeben worden sei, habe es sich
um einen Schreibfehler gehandelt. Schon gar nicht rechtfertige der Abwicklungsvertrag
eine vorzeitige Zahlung von 290.000,00 € am 08.07.2009. Auch sei der Betrag von
740.000,00 € selbst dann um 74.500,00 € überhöht, wenn man davon ausgehe, dass in
der Abfindung wegen der Abkürzung der Kündigungsfrist zum 31.07.2009 ein
Jahresgehalt zusätzlich zu der umsatzabhängigen Berechnung laut Anstellungsvertrag
enthalten sei (zur Berechnung der Berufungsklägerin vgl. Seite 15-17 der
Berufungsbegründung).
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Schließlich vertritt die Berufungsklägerin die Ansicht, dass ein etwaiger aus dem
Abwicklungsvertrag vom 06.07.2009 resultierender Abfindungsanspruch des
Arrestbeklagten durch die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 14.07.2009
untergegangen sei. Die fristlose Kündigung vom 14.07.2009 sei berechtigt. Sie beruhe
darauf, dass der Arrestbeklagte unter Verwendung der ihm dienstlich überlassenen
Kreditkarte zu Lasten des Geschäftskontos verschiedene Beträge zu privaten Zwecken
eingezogen und Spesenbetrug begangen habe.
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Weiter begründet die Arrestklägerin die fristlose Kündigung damit, dass der
Arrestbeklagte gemeinsam mit Herrn B am 16.07.2009 eine unberechtigte Strafanzeige
gegen die nachfolgenden Geschäftsführer Y und M erstattet habe.
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Schließlich führe auch das kollusive Zusammenwirken des Verfügungsbeklagten mit
dem ehemaligen Geschäftsführer B bei der Auszahlung der 290.000,00 € am
08.07.2009 zur Berechtigung der außerordentlichen Kündigung.
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Auch ein Arrestgrund liegt nach Ansicht der Arrestklägerin und Berufungsklägerin vor.
Dieser begründe sich daraus, dass eine Straftat gegen das Vermögen des Gläubigers
die Annahme rechtfertige, der Schuldner werde seine rechtsfeindliche Verhaltensweise
fortsetzen, um den rechtswidrig erlangten Vermögensvorteil zu behalten und damit eine
Zwangsvollstreckung zu vereiteln. Der vorliegende Sachverhalt dokumentiere die
rechtsfeindliche Verhaltensweise des Arrestbeklagten.
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Die Arrestklägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 23.07.2009 (Az. 6
Ga 104/09) folgenden Arrestbefehl und Arrestpfändungsbeschluss gegen den
Verfügungsbeklagten zu erlassen:
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1) Wegen einer Forderung der Antragstellerin in Höhe von 290.000,00 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 15.07.2009 gegen den Antragsgegner wird der dingliche Arrest in das
gesamte Vermögen des Antragsgegners angeordnet.
33
2) Die Vollziehung des Arrestes wird durch Hinterlegung durch den
Antragsgegner in Höhe von 290.000,00 € gehemmt.
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3) In Vollziehung des Arrestes wird die Forderung des Antragsgegners
gegen die Sparkasse A , auf Auszahlung von Guthaben – insbesondere auf
dem Konto des Antragsgegners Nr. – bis zum Höchstbetrag von 290.000,00
€ gepfändet. Der Antragsgegner hat sich jeder Verfügung über die Forderung
zu enthalten. Die Stadtsparkasse A als Drittschuldnerin darf an den
Antragsgegner nicht mehr leisten.
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Der Arrestbeklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Arrestbeklagte weist die Angriffe der Arrestklägerin gegen das arbeitsgerichtliche
Urteil vom 23.07.2009 zurück. Insbesondere macht er geltend, der Abwicklungsvertrag
vom 06.07.2009 sei ordnungsgemäß zustande gekommen und inhaltlich in keiner
Weise zu beanstanden. Er behauptet, die Zahlung der 290.000,00 € am 08.07.2009
beruhe auf einer mündlichen Vereinbarung mit dem Geschäftsführer B , die unmittelbar
nach Abschluss des schriftlichen Abwicklungsvertrages getroffen worden sei. B habe
darauf hingewiesen, dass er möglicherweise zu dem im Abwicklungsvertrag
vereinbarten Fälligkeitstermin 31.07.2009 noch nicht den gesamten Abfindungsbetrag
von 740.000,00 € werde zahlen können. Man habe sich darauf geeinigt, dass er, der
Arrestbeklagte, den sofort verfügbaren Betrag sogleich erhalte und im Gegenzug dazu
bereit sei, wegen der Zahlung der Restsumme noch eine Zeit lang über den 31.07.2009
hinaus zuzuwarten.
38
Der Arrestbeklagte bestreitet des Weiteren, dass die außerordentliche Kündigung vom
14.07.2009 auf berechtigten Gründen beruhe. Er weist insbesondere den Vorwurf des
Kreditkartenmissbrauchs und Spesenbetruges zurück, behauptet, dass dieser ins Blaue
hinein aufgestellt werde und im Rahmen des Hauptsacheverfahrens in allen
Einzelheiten wiederlegt werden könne.
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Auf die weiteren von den Parteien im Berufungsverfahren vorgetragenen Einzelheiten
einschließlich der von ihnen zur Akte gereichten Anlagen wird Bezug genommen.
Insbesondere wird Bezug genommen, auf die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens
vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen des Arrestbeklagten, des M B , des S N
und des A Me .
40
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
41
I. Die Berufung der Arrestklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom
23.07.2009 ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG
fristgerecht eingelegt und begründet.
42
II. Die Berufung der Arrestklägerin ist jedoch in der Sache unbegründet.
43
Das Berufungsgericht kann nicht mit der für den Erlass eines dinglichen Arrestes
erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Arrestklägerin ein Arrestanspruch
i. S. v. § 916 Abs. 1 ZPO zusteht, also ein Anspruch gegen den Arrestbeklagten auf
Rückzahlung des Betrages von 290.000,00 €, welchen dieser am 08.07.2009 auf
Kosten der Arrestklägerin vereinnahmt hat. Die Arrestklägerin macht geltend, dass der
Arrestbeklagte den Betrag ohne rechtlichen Grund und in deliktischem
Zusammenwirken mit ihrem damaligen Geschäftsführer B erhalten habe. Der
Arrestbeklagte beruft sich demgegenüber darauf, dass es sich bei der Zahlung um eine
Teilerfüllung seines Abfindungsanspruchs aus dem Abwicklungsvertrag vom
06.07.2009 gehandelt habe, welcher keineswegs kollusiv oder sonst deliktisch, sondern
rechtmäßig zustande gekommen sei. Für die Version der Arrestklägerin besteht im
Rahmen der Erkenntnismöglichkeiten eines summarischen Verfahrens des
einstweiligen Rechtsschutzes keine überwiegende Wahrscheinlichkeit.
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1. In erster Linie bestreitet die Arrestklägerin, dass ein Abwicklungsvertrag vom
06.07.2009 überhaupt existiert.
45
An der Existenz des Abwicklungsvertrages vom 06.07.2009 bestehen jedoch für das
Berufungsgericht keine vernünftigen Zweifel. Dass zwischen dem Arrestbeklagten und
der Arrestklägerin, vertreten durch den damaligen Geschäftsführer B , der
Abwicklungsvertrag vom 06.07.2009 geschlossen wurde, ergibt sich nicht nur aus den
eidesstattlichen Versicherungen des Arrestbeklagten und des ehemaligen
Geschäftsführers B . Auch das Anwaltsschreiben der Rechtsanwältin K S von der L
GmbH in K vom 14.07.2009 nimmt inhaltlich detailliert auf den "am 06.07.2009
abgeschlossenen Abwicklungsvertrag" Bezug, wobei der Abwicklungsvertrag nach der
Darstellung des Arrestbeklagten im Beisein der vorgenannten Rechtsanwältin und in
den Räumen der Kanzlei der L GmbH geschlossen wurde. Schließlich hat der
Arrestbeklagte den Abwicklungsvertrag auch in vollständigem Umfang und mit
sichtbaren Unterschriften in Kopie zur Akte gereicht. Das Berufungsgericht erkennt
keinen Anhaltspunkt dafür, der es realistisch erscheinen lässt, dass der Arrestbeklagte
den Text des Abwicklungsvertrages erfunden und die darauf erkennbaren Unterschriften
nachträglich angefertigt bzw. gefälscht haben könnte, um das Ganze dann in Kopie zur
Täuschung des Gerichts und der Arrestklägerin zu den Verfahrensakten reichen zu
können.
46
2. Es ist auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass Tatsachen
vorliegen könnten, aus denen sich die Nichtigkeit des Abwicklungsvertrages vom
06.07.2009 ergäbe.
47
a. Im Außenverhältnis war der damalige Geschäftsführer der Arrestklägerin kraft seiner
Organstellung befugt, einen derartigen Vertrag zu Lasten der Arrestklägerin
abzuschließen, vgl. § 35 Abs.1 S.1 GmbHG.
48
b. Anhaltspunkte dafür, dass der Geschäftsführer B und der Arrestbeklagte bei
Abschluss des Abwicklungsvertrages in kollusivem Zusammenwirken und in
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deliktischer Schädigungsabsicht gehandelt haben könnten, sind ebenfalls nicht
hinreichend ersichtlich.
aa. Solche Anhaltspunkte ergeben sich zum einen nicht aus dem Inhalt des Vertrages.
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(1) Unstreitig war dem Abschluss des Abwicklungsvertrages vom 06.07.2009 der
Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung seitens der Arrestklägerin gegenüber
dem Arrestbeklagten vom 29.06.2009 zum 31.07.2009 vorausgegangen. Unstreitig
haben weder der Geschäftsführer B noch gar der Arrestbeklagte selbst den Ausspruch
einer solchen Kündigung betrieben. Vielmehr wurde der Beschluss hierzu von der
türkischen Muttergesellschaft gefasst, die dem Geschäftsführer B ebenfalls unstreitig -
schriftlich anwies, eine derartige Kündigung auszusprechen.
51
(2) Der türkischen Muttergesellschaft musste in Kenntnis des Anstellungsvertrages des
Arrestbeklagten klar sein, dass mit Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung der
vertragliche Abfindungsanspruch des Arrestbeklagten gemäß § 7 c) des
Arbeitsvertrages vom 03.08.2004 ausgelöst werden würde. Selbst nach der Berechnung
der Arrestklägerin aus der Berufungsbegründungsschrift musste daraus ein Anspruch in
Höhe von mindestens 511.000,00 € resultieren.
52
(3) Hinzu kam aber, dass die Muttergesellschaft den B angewiesen hatte, dem Kläger
eine betriebsbedingte Kündigung
mit der gesetzlichen Kündigungsfrist
auszusprechen, also zum 31.07.2009. Laut § 8 des Anstellungsvertrages vom
03.08.2004 stand dem Arrestbeklagten aber eine vertragliche Kündigungsfrist von 12
Monaten zum Monatsende zu. Einigen sich Arbeitsvertragsparteien nach Ausspruch
einer arbeitgeberseitigen Kündigung in einem Abwicklungsvertrag darauf, dass es bei
einer Abkürzung der eigentlich einzuhaltenden Kündigungsfrist bleiben soll, so ist es im
Rechtsleben eine häufig geübte Praxis, eine vereinbarte Abfindung um den Betrag der
durch Abkürzung der Kündigungsfrist ersparten Bruttogehälter aufzustocken.
53
(4) Dies hält auch die Arrestklägerin in ihrer eigenen Modellrechnung für möglich. Nach
ihrer eigenen Berechnung ergäbe sich bereits ein Abfindungsanspruch in Höhe von
665.500,00 €, der damit nur noch ca. 10 % unter der im Abwicklungsvertrag vom
06.07.2009 tatsächlich vereinbarten Summe läge.
54
(5) Dabei ist aber noch nicht berücksichtigt, dass die Arrestklägerin bei ihrer
Berechnungsmethode von einer höchst angreifbaren Auslegung des Begriffes
"Bruttoumsatz" in § 7 c) des Anstellungsvertrages des Arrestbeklagten ausgeht. Ferner
ist noch nicht berücksichtigt, dass auf das Arbeitsverhältnis des Arrestbeklagten im
Zeitpunkt des Ausspruchs der betriebsbedingten Kündigung die Regeln des
Kündigungsschutzgesetzes Anwendung fanden, so dass üblicherweise bei
Aushandlung einer Abfindung auch das Risiko eines etwaigen
Kündigungsschutzprozesses abfindungserhöhend mitberücksichtigt wird.
55
(6) Bei alledem ist es zur Überzeugung des Berufungsgerichts unglaubhaft, wenn die
Arrestklägerin vorträgt, bei der Vorgabe des Kündigungsenddatums mit dem Termin
"31.07.2009" habe es sich lediglich um einen Schreibfehler in dem
Anweisungsschreiben vom 25.06.2009 gehandelt. Ein bloßer Schreibfehler erscheint
schon deshalb unwahrscheinlich, weil der Fehler sich dann gleich auf die beiden letzten
Ziffern der Jahreszahl (09 statt 10) hätte beziehen müssen und dieser doppelte
Schreibfehler dann auch noch zufällig ein sinnvolles Ganzes, nämlich die Jahreszahl
56
2009, ergeben hätte. Außerdem müsste dieser Schreibfehler gleich zweimal passiert
sein, da das Datum 31.07.2009 im drittletzten Absatz des Schreibens vom 25.06.2009
nochmals auftaucht. Völlig unwahrscheinlich erscheint sodann der Zufall, dass das
irrtümlich durch einen Schreibfehler generierte Datum "31.07.2009" genau zu dem davor
aufgeführten Text "zur gesetzlichen Frist vom" passt; denn die gesetzliche
Kündigungsfrist in dem seit dem 01.08.2004 bestehenden Arbeitsverhältnis des Klägers
von einem Monat zum Monatsende endete vom Zeitpunkt des Ausspruchs der
Kündigung her gesehen exakt zum 31.07.2009. Eine Kündigung zum 31.07.2010 hätte
dagegen gerade nicht der "gesetzlichen Frist" entsprochen, sondern allein der
arbeitsvertraglichen.
bb. Auch aus angeblichen Äußerungen des Arrestbeklagten in dem
Vermittlungsgespräch vom 05.09.2009 lassen sich im gegenwärtigen
Verfahrensstadium keine belastbaren Anhaltspunkte für ein kollusives
Zusammenwirken zwischen dem Arrestbeklagten und dem damaligen Geschäftsführer
B herleiten.
57
(1) Zwar behauptet der spätere Geschäftsführer M in seiner eidesstattlichen
Versicherung, der Arrestbeklagte habe in dem Gespräch auf Befragen eingeräumt, dass
B an den von ihm, dem Arrestbeklagten, vereinnahmten 290.000,00 € finanziell beteiligt
werden sollte.
58
(2) Dem stehen aber nicht nur die eidesstattlichen Versicherungen des Arrestbeklagten
und des B entgegen, sondern insbesondere auch diejenige der damals beteiligten
neutralen und mit beiden Parteien gleichermaßen befreundeten Vermittlungsperson N .
Nalcakan hat nämlich in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 21.10.2009
entschieden verneint, dass in dem Gespräch vom 05.09.2009 eine Äußerung gefallen
sei, die in dem von M behaupteten Sinne hätte verstanden werden können.
59
cc. Hinzu kommt schließlich noch, dass der damalige Geschäftsführer B in seiner
eidesstattlichen Versicherung vom 22.07.2009 detailliert von einem Gespräch berichtet,
an dem am 05.07.2009, also
vor
Herren Y , M , Dr. S und C teilgenommen hätten. In diesem zweieinhalbstündigen
Gespräch seien die an den jetzigen Arrestbeklagten "drohenden Zahlungen" in Höhe
eines Jahresgehaltes, der im Arbeitsvertrag festgelegten Abfindung etc. diskutiert
worden, und zwar mit dem Ergebnis, dass alle Gesprächsbeteiligten am Ende darüber
einig gewesen seien, dass alle diese Ansprüche zum 31.07.2009 auszuzahlen seien,
"um die Sache bis dahin zu beenden". Demgegenüber hat der spätere Geschäftsführer
M in seiner eigenen eidesstattlichen Versicherung ohne Datum lediglich lapidar
bestritten, dass er selbst "an irgendeinem Gespräch – namentlich am 05.07.2009 –"
beteiligt gewesen sei, "in dem der Abfindungsanspruch des Herrn C mit 740.000,00 €
beziffert worden ist". Damit stellt M aber etwas in Abrede, was B überhaupt nicht
behauptet hat; denn aus dessen eidesstattlicher Versicherung geht hervor, dass im
Gespräch die im Abwicklungsvertrag genannte Summe von € 740.000,00 als solche
gerade
nicht
des A M erscheint zum Thema des Gesprächs vom 05.07.2009 somit ausweichend und
nichtssagend, zumal sie sich nur auf die eigene Beteiligung des M an einem solchen
Gespräch bezieht, nicht aber auf die weiteren von B genannten Einzelheiten.
60
dd. Belastbare Anzeichen für eine Nichtigkeit des Abwicklungsvertrages vom
06.07.2009, die zum Wegfall des Rechtsgrundes für die erfolgte Zahlung von
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290.000,00 € an den Arrestbeklagten führen könnten, bestehen schließlich auch nicht in
der angeblich vorfälligen Auszahlung des Betrages von 290.000,00 €.
(1) Bei diesem Betrag handelt es sich um weniger als die Hälfte der im
Abwicklungsvertrag genannten Abfindungssumme.
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(2) Die Erklärung, die der Arrestbeklagte für die Auszahlung des Betrages an dem
gegebenen Zeitpunkt abgegeben hat, wird durch seine eigene und durch die
eidesstattliche Versicherung des B gestützt. Die Darstellung ist inhaltlich
nachvollziehbar. Nach dem Inhalt des Abwicklungsvertrages wäre die Gesamtabfindung
am 31.07.2009 fällig gewesen. B soll dem Arrestbeklagten signalisiert haben, dass er
nicht sicher sei, ob zum Fälligkeitstermin die maßgebliche Gesamtsumme zur
Verfügung stehen würde und dass die Möglichkeit bestünde, dass die Gesamtabfindung
erst mit einer Verzögerung von einigen Wochen ausgezahlt werden könnte. Dass sich
die Parteien eines Abwicklungsvertrages in Anbetracht einer solchen Situation darauf
einigen, dass der für den Schuldner direkt verfügbare Teilbetrag sofort gezahlt wird und
der Gläubiger dafür auf den Restbetrag über den eigentlich vereinbarten
Fälligkeitstermin hinaus eine Weile zuwartet bzw. den Restbetrag für gewisse Zeit
stundet, erscheint ebenfalls als ein alltäglicher geschäftsüblicher Vorgang.
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3. Soweit derzeit in dem summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
erkennbar erscheint es ebenso wenig überwiegend wahrscheinlich, dass der rechtliche
Grund für die Zahlung der streitigen Summe von 290.000,00 € an den Arrestbeklagten
aufgrund der außerordentlichen fristlosen Kündigung der Arrestklägerin gegenüber dem
Arrestbeklagten vom 14.07.2009 in Wegfall geraten ist.
64
a. Zwar spricht in rechtlicher Hinsicht Einiges dafür, dass der aus dem
Abwicklungsvertrag vom 06.07.2009 resultierende Abfindungsanspruch ungeachtet der
in § 3 Ziff. 2, 1. Halbsatz des Abwicklungsvertrages enthaltenen Regelung an die
Bedingung geknüpft ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien tatsächlich aufgrund
einer betriebsbedingten Kündigung sein Ende findet und nicht etwa vorzeitig im Wege
überholender Kausalität aufgrund einer verhaltensbedingten außerordentlichen
Kündigung.
65
b. Für die Rechtsbeständigkeit der außerordentlichen Kündigung eines
Arbeitsverhältnisses ist jedoch derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der die
Kündigung ausgesprochen hat, hier also die Arrestklägerin.
66
c. Ob die außerordentliche Kündigung der Arrestklägerin vom 14.07.2009 das
Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung rechtswirksam aufgelöst hat, wird in
dem entsprechenden Hauptsacheverfahren zu klären sein. Derzeit ist keine
überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür erkennbar, dass sich die außerordentliche
Kündigung als rechtswirksam erweisen wird.
67
aa. Soweit die außerordentliche Kündigung vom 14.07.2009 darauf gestützt wird, dass
der Arrestbeklagte und der frühere Geschäftsführer B bei Abschluss des
Abwicklungsvertrages vom 06.07.2009 zum Schaden der Arrestklägerin kollusiv
zusammengewirkt hätten, ergibt sich diese Prognose bereits aus dem bisher
Ausgeführten.
68
bb. Ergänzend hierzu ist auszuführen, dass die Arrestklägerin dem Arrestbeklagten in
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Kenntnis der Zahlung der 290.000,00 € noch mit Anwaltsschreiben vom 09.07.2009
sogar die Rücknahme der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angeboten hatte. Dies lässt tendenziell darauf
schließen, dass es die Arrestklägerin selbst in Kenntnis des Umstands der Zahlung von
290.000,00 € für zumutbar hielt, das Arbeitsverhältnis mit dem Arrestbeklagten
fortzusetzen.
cc. Auf eine – vermeintlich unberechtigte – Strafanzeige vom 16.07.2009 kann die
außerordentliche Kündigung vom 14.07.2009 augenscheinlich schon deshalb nicht
gestützt werden, weil nicht erkennbar ist dass der Kündigungsgrund auf Tatsachen
beruht, die sich
vor
Kündigung kann aber nicht auf Tatsachen gestützt werden, die erst nach ihrem
Ausspruch eingetreten sind.
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dd. Schließlich ist derzeit auch nicht ersichtlich, ob der Vorwurf der Arrestklägerin, der
Arrestbeklagte habe zu ihren Lasten Spesenbetrug begangen bzw. die ihm zur
Verfügung gestellte dienstliche Kreditkarte rechtswidrig für Privatzwecke benutzt, zur
Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung und damit zur vorzeitigen
Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen wird.
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(1) Als sogenannte Verdachtskündigung wäre die außerordentliche Kündigung vom
14.07.2009 offensichtlich unwirksam; denn die vor Ausspruch einer sogenannten
Verdachtskündigung unabdingbar notwendige Anhörung des zu kündigenden
Arbeitnehmers zu den Verdachtsvorwürfen hat vorliegend unstreitig nicht stattgefunden.
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(2) Ob die außerordentliche Kündigung vom 14.07.2009 mit dem Vorwurf eines
Spesenbetruges bzw. Kreditkartenmissbrauchs als sogenannte Tatkündigung Erfolg
haben kann, hängt von einer Vielzahl von Einzelheiten ab, über deren rechtliche
Stichhaltigkeit derzeit eine Prognose nicht abgegeben werden kann. Aus diesem
Grunde kann vorliegend eine überwiegende Obsiegenswahrscheinlichkeit gerade
derjenigen Partei, die im Hauptsacheverfahren die Darlegungs- und Beweislast trägt,
nicht festgestellt werden.
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(3) Hinzu kommt, dass der von der Arrestklägerin nunmehr erhobene Vorwurf des
Spesenbetrugs bzw. des Kreditkartenmissbrauchs nicht etwa aus dem laufenden
gelebten Arbeitsverhältnis hinaus entstanden ist. Vielmehr geht aus der eidesstattlichen
Versicherung des A M mit aller Deutlichkeit hervor, dass dieser zuerst nach
Möglichkeiten gesucht hat, das Vertragsverhältnis mit dem Arrestbeklagten fristlos zu
kündigen, dann den Hinweis bekommen hat, dass hierfür entsprechende Tatschen
vorliegen müssten wie etwa falsche Spesenabrechnungen, und dass erst daraufhin die
Anweisung gegeben wurde, "das Abrechnungskonto prüfen zu lassen".
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(4) Zwar können je nach den Umständen des Einzelfalls auch "gesuchte"
Kündigungsgründe zur Auflösung eines Arbeitsverhältnisses führen, wenn sie denn
tatsächlich in objektiv belastbarer Form "gefunden" werden.
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(5) Zumal dann, wenn aber ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers eine auf
diverse, längere Zeit zurückliegende Einzelheiten gestützte Kündigung ausgesprochen
wird, gebietet es der Grundsatz des fairen Verfahrens, dem Beschuldigten zunächst im
Rahmen des Hauptsacheverfahrens ein umfassendes rechtliches Gehör einzuräumen.
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(6) Der Arrestbeklagte stellt die Vorwürfe der Arrestklägerin jedenfalls vehement in
Abrede.
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4. Fehlt es somit bereits an einem Arrestanspruch i. S. v. § 916 Abs. 1 ZPO, ist die
Berufung darüber hinaus aber auch wegen eines fehlenden Arrestgrundes i. S. v. § 917
Abs. 1 ZPO unbegründet.
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a. Die Arrestklägerin stützt vorliegend die Annahme eines Arrestgrundes nämlich
gerade auf die Umstände, die ihren vermeintlichen Arrestanspruch begründen sollen.
Ob es der näheren Darlegung eines Arrestgrundes i. S. v.
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§ 917 Abs. 1 ZPO dann nicht mehr bedarf, wenn der Arrestanspruch auf einer
vorsätzlichen deliktischen Handlung oder gar einer Vermögensstraftat des
Arrestbeklagten beruht, ist im Einzelnen streitig (Nachweise z. B. bei Zöller/Vollkommer,
§ 917 Rdnr. 6). Der Streit bedarf vorliegend keiner näheren Erörterung; denn wie bereits
ausführlich begründet, besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme
eines vorsätzlich vertragswidrigen, deliktischen oder gar strafbaren Verhaltens des
Arrestbeklagten zu Lasten der Arrestklägerin.
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b. Sonstige Arrestgründe sind in ausreichender Form weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich. Insbesondere ist der Arrestbeklagte als deutscher Staatsbürger mit festem
Wohnsitz im Inland ansässig, familiär gebunden und in geordneten
Vermögensverhältnissen lebend. Vorkehrungen des Arrestbeklagten, sein Vermögen
beiseite zu schaffen, um der Arrestklägerin eine etwaige Vollstreckungsgrundlage für
den Fall des Prozessgewinns in der Hauptsache zu entziehen, sind auch nicht
ansatzweise ersichtlich. Umgekehrt nimmt der Arrestbeklagte sogar seinerseits aktiv die
hiesigen Gerichte in Anspruch, um etwaige weitere Ansprüche gegen die Arrestklägerin
durchzusetzen.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Ein weiteres Rechtsmittel gegen die vorliegende Entscheidung ist gesetzlich nicht
statthaft.
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Dr. Czinczoll Hahn Pal
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