Urteil des LAG Köln vom 26.10.2009

LArbG Köln (kündigung, wider besseres wissen, vertretung, erkrankung, arbeitnehmer, arbeitsunfähigkeit, arbeitsfähigkeit, kündigungsfrist, universität, durchführung)

Landesarbeitsgericht Köln, 2 Sa 292/09
Datum:
26.10.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Sa 292/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 1 Ca 5175/08
Schlagworte:
Krankheitsbedingte Kündigung; Eingliederungsmanagement,
Vollmachtsurkunde, Personalratsanhörung
Normen:
§ 1 KSchG, § 174 BGB, § 84 Abs. 2 SGB IX
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Das betriebliche Eingliederungsmanagement dient nicht nur dazu,
andere krankheitsgerechte Arbeitsplätze zu finden, auf denen der
Arbeitnehmer eingesetzt werden kann, sondern auch auf dem bisherigen
Arbeitsplatz krankmachende Faktoren auszuschalten.
Ist ein Arbeitnehmer aufgrund einer vorausgegangenen Kündigung
bereits 6 Monate nicht mehr im Betrieb gewesen und liegt eine
Überleitungsanzeige der Bundesanstalt für Arbeit vor, wird die
Personalrats-/Betriebsratsanhörung fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber ins
Blaue hinein ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit behauptet.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 09.01.2009 – 1 Ca 5175/08 – wird auf deren Kosten
zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer krankheitsbedingt am 16.06.2008
ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist zum 31.12.2008.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2
ArbGG auf das stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts Köln verwiesen.
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Mit ihrer Berufung vertritt die Beklagte die Rechtsansicht, dass die Durchführung des
betrieblichen Eingliederungsmanagements zu keinem anderen Ergebnis als der
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Kündigungsentscheidung geführt hätte, da die Erkrankung der Klägerin nicht im
Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehe, sondern auf Ursachen beruhe, die in der
Psyche der Klägerin zu lokalisieren seien. Da der konkrete Arbeitsplatz der Klägerin als
Fotolaborantin der einzige derartige Arbeitsplatz bei der Beklagten sei, stehe ein
anderer Arbeitsplatz mit gleichen Arbeitsinhalten ohnehin nicht zur Verfügung. Die
psychische Erkrankung wirke sich auch auf sämtlichen anderen Arbeitsplätzen aus.
Weiterhin führt die Beklagte aus, dass die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß
erfolgt sei, da diesem der Entwurf des Kündigungsschreibens vorgelegt wurde. Auch sei
die Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB unerheblich, da die Kündigung von
der Vertreterin des gesetzlichen Vertreters, des Kanzlers der Universität unterzeichnet
worden sei.
Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom
09.01.2009 – 1 Ca 5175/08 – die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verweist zunächst darauf, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement auch
dazu diene, krankmachende Faktoren auf dem konkreten Arbeitsplatz als Fotolaborantin
festzustellen und auszuschalten. Bei einer Durchführung des betrieblichen
Eingliederungsmanagements hätte sie Gelegenheit erhalten, diese krankmachenden
Faktoren im Zusammenhang mit den aus ihrer Sicht gegebenen Arbeitsplatzkonflikten
zu benennen. Sie verweist weiter darauf, dass sie im Kündigungszeitpunkt arbeitsfähig
war und nicht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sondern auch darüber hinaus im
Rahmen eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses dauerhaft arbeitsfähig sei. Die
psychiatrische Erkrankung sei soweit ausgeheilt, dass eine Arbeitsunfähigkeit deshalb
jedenfalls nicht bestehe.
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Die Klägerin vertieft ihren Vortrag zur fehlerhaften Personalratsanhörung dahingehend,
dass die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt gewusst habe, dass die Klägerin
arbeitsfähig war, da der Beklagten die Überleitungsanzeige des Arbeitsamtes
zugegangen sei. Bereits hieraus habe die Beklagte ersehen müssen, dass die Klägerin
nicht mehr im Krankengeldbezug und damit entsprechend nicht mehr arbeitsunfähig sei.
Die Aussage im Kündigungsentwurf, der zur Grundlage der Personalratsanhörung
gemacht wurde, sie sei ununterbrochen seit 15 Monaten erkrankt, sei damit vorsätzlich
falsch. Zudem habe die Beklagte den Personalrat darüber im Unklaren gelassen, dass
nach Ablauf der vorhergehenden Kündigungsfrist der Kündigung vom 16.05.2007 am
31.12.2007 für die Klägerin ohnehin keine Arbeitspflicht bestanden habe, weshalb sie
auch die Wiedergenesung nicht habe anzeigen müssen.
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Auch hinsichtlich der Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB vertieft die
Klägerin ihre Rechtsansicht, wonach sich dem Kündigungsschreiben nicht habe
entnehmen lassen, in welcher Funktion der oder die Unterzeichner/in tätig sei und ob
Kündigungsvollmacht bestehe. Denn unstreitig hat weder der organschaftliche Vertreter
der Beklagten noch ein regelmäßig zur Kündigung berechtigter Mitarbeiter der
Personalabteilung der Beklagten unterzeichnet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug
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genommen. Das Schreiben des Klägerprozessbevollmächtigten vom 24.09.2009 blieb
unberücksichtigt, da es für die Entscheidungsbegründung nicht relevant war und der
Beklagten insoweit auch keine Gelegenheit gegeben war, hierauf zu erwidern.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die
erkennende Kammer folgt dabei zunächst der ausführlichen Begründung des
erstinstanzlichen Urteils zur Erforderlichkeit der Durchführung des betrieblichen
Eingliederungsmanagements. Die Beklagte hat die hier streitige Folgekündigung
ausgesprochen, ohne sich über den bei Zugang der Kündigung am 17.06.2008
vorliegenden Gesundheitszustand der Klägerin zu informieren und ohne die Klägerin
dazu befragt zu haben, ob es gegebenenfalls auch Arbeitsbedingungen im
zwischenmenschlichen Miteinander gibt, die zur Stabilisierung des
Gesundheitszustandes der Klägerin beitragen.
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Dabei erscheint es zunächst nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte möglicherweise
von einer krankheitsbedingt begründeten Kündigung ohnehin abgesehen hätte, wenn
sie sich sorgfältig darüber Gedanken gemacht hätte, dass die Klägerin zum Zeitpunkt
der beabsichtigten Kündigung im Juni 2008 arbeitsfähig war. Sie hat damit nicht
berücksichtigt, dass bei der Klägerin seit dem 23.04.2008 ein zumindest bis zum
25.05.2009 andauernder Prozess der psychischen Stabilisierung in Gang gesetzt war,
der eine über ein Jahr ununterbrochen andauernde Arbeitsfähigkeit mit sich brachte.
Offensichtlich ist damit die von der Klägerin während ihrer Erkrankung jedenfalls
subjektiv wahrgenommene Mobbingsituation am Arbeitsplatz zum Zeitpunkt des
Ausspruchs der Kündigung bereits soweit beendet gewesen, dass Arbeitsfähigkeit der
Klägerin gegeben war. Unabhängig davon, ob die erneuten Erkrankungen ab Mai 2009
auf den von der Klägerin nunmehr behaupteten Ursachen oder erneut auf psychischen
Ursachen beruhten, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass ein betriebliches
Eingliederungsmanagement die Beklagte in die Lage versetzt hätte, das Arbeitsumfeld
der Klägerin so zu gestalten, dass der Prozess der Stabilisierung unterstützt worden
wäre und weitere Erkrankungen aus dem psychischen Formenkreis dauerhaft
vermieden worden wären.
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Treffen allerdings die von der Klägerin behaupteten Erkrankungsursachen (Ischiasnerv
eingeklemmt und Handgelenksbruch) zu, so würde die Tatsache, dass seit dem
23.04.2008 die psychiatrischen Krankheitsursachen nicht wieder zur Arbeitsunfähigkeit
geführt haben dafür sprechen, dass die Beklagte schon bei Ausspruch der Kündigung
die weitere Krankheitsentwicklung bei der genesenen Klägerin nicht richtig
prognostiziert hat.
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Die Kündigung ist aber auch zusätzlich wegen fehlerhafter Personalratsanhörung
unwirksam. Wie sich dem Entwurf des Kündigungsschreibens entnehmen lässt, hat die
Beklagte ihrem Personalrat im Juni 2008 mitgeteilt, dass die Klägerin durchgehend seit
dem 07.03.2007 arbeitsunfähig sei. Diese Mitteilung war objektiv falsch. Da das
Arbeitsverhältnis zunächst durch die vorhergehende Kündigung mit Ablauf der
Kündigungsfrist zum 31.12.2007 von beiden Seiten nicht erfüllt wurde, hatte die
Beklagte keine unmittelbaren Erkenntnisse darüber, ob die Klägerin zwischenzeitlich
genesen war. Die richtige Information des Personalrates hätte deshalb lauten müssen,
dass seit dem 01.01.2008 mit Ausnahme des ärztlichen Gutachtens vom 05.01.2008
keine Informationen mehr gegeben sind. Tatsächlich hatte die Beklagte aber durch die
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Überleitungsanzeige des Arbeitsamtes jedenfalls mittelbar die Möglichkeit hieraus
darauf zu schließen, dass zwischenzeitlich Arbeitsfähigkeit eingetreten ist. Die
Behauptung, die Klägerin sei ununterbrochen erkrankt, erfolgte damit, wenn nicht wider
besseres Wissen so doch ins Blaue hinein. Die fehlerhafte Tatsachenmitteilung war
geeignet, dem Personalrat eine fehlerhafte Entscheidungsgrundlage für seine
Kündigungsanhörung zu vermitteln. Sie führt dazu, dass die Kündigung als insgesamt
ohne Personalratsanhörung zu werten ist und damit unwirksam ausgesprochen wurde.
Die Kammer folgt auch dem Vortrag der Klägerin zur Zurückweisung der Kündigung
mangels Vorlage der Vollmachturkunde nach § 174 BGB. Das Kündigungsschreiben
enthält im Briefkopf auf der rechten Spalte die Angaben, das Schreiben komme vom
Kanzler der Universität, dort von der Abteilung Personalangelegenheiten der
Tarifbeschäftigten und sei von Frau K K erstellt. Unterzeichnet ist das Schreiben mit der
Unterschrift "Hochachtungsvoll in Vertretung (G ) und dem Handzeichen Ga. Dabei lässt
sich weder erkennen, ob es sich überhaupt um eine vollständige Unterschrift oder nur
um eine Paraphe (zwei Buchstaben) handelt. Auch ist nicht erkennbar, ob es sich bei G
um eine Frau oder um einen Mann handelt und auch nicht in Beziehung auf welche
Person das Vertretungsverhältnis bestehen soll. So ist es denkbar, dass es sich um die
Vertretung des Kanzlers oder um die Vertretung von Frau K handelt.
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Die Rechtsprechung, wonach sich ein Arbeitnehmer nicht auf das Fehlen der
Vollmachturkunde berufen darf, wenn die Kündigung von einem Mitarbeiter stammt, der
aufgrund seiner betrieblichen Position regelmäßig zur Kündigung befugt ist, ist dabei im
vorliegenden Fall nicht anwendbar. Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass der
Arbeitnehmer, der seine arbeitsvertraglichen Verhandlungen mit der Personalabteilung
eines Unternehmens geführt hat, regelmäßig auch damit rechnen muss, dass zumindest
die Leitung der Personalabteilung berechtigt ist, die entsprechenden
Willenserklärungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenso abzugeben. Auch
wenn die konkrete Person der Personalleitung nicht bekannt ist, gilt deshalb in diesem
Fall das Berufen auf die fehlende Vollmachtvorlage als missbräuchlich. Im vorliegenden
Fall ist weder ersichtlich, dass die arbeitsvertraglichen Angelegenheiten der Klägerin
stets durch die persönliche Vertretung des Kanzlers der Universität geregelt worden
wären. Noch, dass für den Kanzler die Leitung der Personalabteilung gehandelt hätte.
Die Klägerin durfte deshalb zu Recht die Unsicherheit über die Bevollmächtigung der
Unterzeichnerin dadurch beenden, dass sie unverzüglich die Vorlage der
Originalurkunde verlangte, was bei einseitigen Willenserklärungen zur Unwirksamkeit
der Erklärung führt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner
Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
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Gegen dieses Urteil ist für die Partei ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Gegen dieses Urteil ist für mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision nicht
statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision
selbständig durch Beschwerde beim
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Bundesarbeitsgericht
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Hugo-Preuß-Platz 1
23
99084 Erfurt
24
Fax: (0361) 2636 - 2000
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anzufechten auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.
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Olesch Pohl Fries
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