Urteil des LAG Köln vom 28.04.2005

LArbG Köln: unwirksamkeit der kündigung, abfindung, masseschuld, arbeitsbedingungen, gegenleistung, beschränkung, tarifvertrag, arbeitsgericht, beendigung, masseverbindlichkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 5 (8) Sa 1630/04
28.04.2005
Landesarbeitsgericht Köln
5. Kammer
Urteil
5 (8) Sa 1630/04
Arbeitsgericht Bonn, 5 Ca 396/04
Abfindung, Masseverbindlichkeit
§ 55 InsO
Arbeitsrecht
parallel zu 5 Sa 1403/04
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom
29.09.2004 – 5 Ca 396/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger war seit dem 03.09.1990 bei der Insolvenzschuldnerin bzw. deren
Rechtsvorgängerin als
Druckerhelfer
insgesamt
2.812,15
Insolvenzschuldnerin wurde am 01.01.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet, der Beklagte
zu 1) wurde zum Insolvenzverwalter bestimmt.
Im Betrieb der Insolvenzschuldnerin galt der Tarifvertrag für die Arbeit der Bundesdruckerei
GmbH (TV Arb BDr) in dessen Anlage 2 zu § 31 und der § 8 "Abfindung" vereinbart worden
war, dass Arbeiter, die infolge einer Rationalisierungsmaßnahme auf Veranlassung der
Bundesdruckerei im gegenseitigen Einvernehmen oder aufgrund einer Kündigung durch
die Bundesdruckerei aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, eine Abfindung erhalten, die
bei einer Betriebszugehörigkeit von ...
...mehr als 13 Jahren das Zehnache
...des zuletzt vor dem Ausscheiden zustehenden Lohnes beträgt (vgl. Bl. 124, 124R GA).
Zum 01.01.2004 wurde der Betrieb der Insolvenzschuldnerin aufgrund einer Vereinbarung
zwischen dem Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) von der Beklagten zu 2)
übernommen, wobei das Erwerberkonzept vorsah, dass 40 der 80 Arbeitnehmer
weiterbeschäftigt werden sollten. In einem Interessenausgleich wurde das
Erwerberkonzept der Beklagten zu 2) dargelegt, ferner sind darin Namenslisten enthalten,
aus diesen ergibt sich, dass der Kläger nicht von der Beklagten weiterbeschäftigt wird.
Ferner wurde ein Sozialplan abgeschlossen, der im Rahmen des § 123 InsO Abfindungen
7
8
9
10
11
12
für die zu kündigenden Arbeitnehmer vorsieht. Dem Kläger wurde vom Beklagten zu 1) mit
Schreiben vom 29.03.2004 zum 30.06.2004 unter Freistellung bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist und Fortzahlung der Vergütung gekündigt.
Der Kläger hat sich mit der im April bei Gericht eingegangenen Klage zunächst gegen die
Kündigung gewendet, Weiterbeschäftigung und Wiedereinstellung begehrt und restliche
Vergütungszahlungen eingeklagt. Ferner hat er die Auffassung vertreten, dass ihm für den
Fall der Wirksamkeit der Kündigung eine Abfindung in Höhe des vierfachen Grundlohnes
entsprechend den im Betrieb der Insolvenzschuldnerin geltenden Tarifvertrag als
Masseverbindlichkeit zusteht. Der Abfindungsanspruch sei durch Kündigung des
Beklagten zu 1), mithin durch eine Handlung des Insolvenzverwalters im Sinne des § 55
InsO begründet worden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei durch die schriftliche
Kündigung der beklagten Partei zu Ziff. 1 vom 29.03.2004, zugegangen am 30.03.2004,
zum 30.06.2004 nicht aufgelöst worden ist;
2. festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der beklagten Partei zu Ziff. 2 zu den
bisherigen Arbeitsbedingungen ein Arbeitsverhältnis besteht;
3. die beklagte Partei zu Ziff. 2 zu verurteilen, die klägerische Partei zu den bisherigen
Arbeitsbedingungen als
Druckerhelfer
4. hilfsweise die beklagte Partei zu Ziff. 2 zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen
Arbeitsbedingungen als Druckerhelfer zum 01.05.2004 wieder einzustellen und zu
beschäftigen und in den Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den bisherigen Bedingungen
des Arbeitsverhältnisses zum Beklagten zu Ziff. 1 einzuwilligen;
5. die beklagte Partei zu Ziff. 1 zu verurteilen, an den Kläger 34,28 € (brutto) zzgl. 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2004 zu zahlen;
6. die beklagte Partei zu Ziff. 1 zu verurteilen, an den Kläger 82,02 € (brutto) zzgl. 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2003 zu zahlen;
7. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger insgesamt 936,69 €
(brutto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 312,33 € seit dem
01.05.2003 zzgl. 5 % Zinsen aus einem Betrag von 312,33 € seit dem 01.06.2003 sowie
zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 312,33 € seit dem
01.07.2003 zu zahlen;
8. hilfsweise den Beklagten zu Ziff. 1 zu verurteilen, an den Kläger 1.295,97 € (brutto) zzgl. 5
% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2004 zu zahlen;
9. hilfsweise den Beklagten zu Ziff. 1 zu verurteilen, an den Kläger als Abfindung ohne die
Beschränkung des § 123 InsO als Masseschuld einen Betrag von 25.919,60 € (brutto) zzgl.
5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat unter Anerkennung der Anträge zu Ziff. 5 und 6 sowie des hilfsweise
gestellten Antrags zu Ziff. 8 beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und insbesondere auch den
geltend gemachten Abfindungsanspruch des Klägers nicht zuerkannt mit der Begründung,
es handele sich um eine einfache Insolvenzforderung, die vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens begründet worden ist. Hiergegen richtet sich – soweit für das
Berufungsverfahren noch von Interesse – die Berufung des Klägers . Der Kläger hat die
ursprünglich auch auf Weiterverfolgung der Anträge auf Feststellung und Wiedereinstellung
gerichtete Berufung im Termin vom 28.04.2005 zurückgenommen und zuletzt beantragt,
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
den Beklagten zu Ziff. 1 zu verurteilen, dem Kläger eine Abfindung ohne die
Beschränkung des § 123 InsO als Masseschuld in Höhe von 25.919,60 € (brutto) zzgl. 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Klägers ist in gesetzlicher
Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist damit zulässig. Sie hat jedoch in der
Sache keinen Erfolg.
Nach der Berufungsrücknahme des Klägers hinsichtlich der ursprünglich verfolgten
Anträge auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, Weiterbeschäftigung und
Wiedereinstellung steht fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2004
aufgrund fristgerechter Kündigung des Beklagten zu 1) beendet worden ist. Es geht daher
nur noch um die Frage, ob dem Kläger der tarifvertragliche Abfindungsanspruch als
Masseforderung ohne die Beschränkung des § 123 InsO zusteht oder ob dieser Anspruch
lediglich eine einfache Konkursforderung darstellt, die als solche zur Konkurstabelle
anzumelden ist. Das Berufungsgericht folgt der letzteren Auffassung in Übereinstimmung
mit der angefochtenen Entscheidung und begründet dies mit folgenden Überlegungen:
1.
Gem. § 55 Abs. 1 Ziff. 1 InsO sind u. a. Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die "
durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung,
Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten
des Insolvenzverfahrens zu gehören", ferner nach Ziff. 2 Verbindlichkeiten "aus
gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für
die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss".
Im vorliegenden Fall ist die Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung aus einem vor
Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Tarifvertrag keine Forderung aus einem
gegenseitigen Vertrag, die für die Zeit nach Insolvenzeröffnung zu erfolgen hat. Denn deren
Gewährung erfolgt, wie sich schon aus der Differenzierung der Abfindungshöhe nach der
Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers ergibt, nicht als Gegenleistung für die
vom Arbeitnehmer nach Insolvenzeröffnung geleisteten Dienste. Die Rechtsprechung zur
Einordnung von Ansprüchen des Arbeitnehmers auf nach Eröffnung des
Konkursverfahrens fällige Ansprüche aus Annahmeverzug (BAG AP-Nr. 9 zu § 60 KO) oder
auf die Einordnung von Ansprüchen aus einem Altersteilzeitvertrag, soweit sie sich auf
Zeiträume nach Insolvenzeröffnung beziehen (LAG Düsseldorf, Urt. v. 17.09.2003 – 4 (8)
Sa 686/03 -) ist daher auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Es handelt sich aber auch nicht um einen durch eine Handlung des Konkursverwalters
begründeten Anspruch, auch wenn der vor Insolvenz begründete Anspruch erst durch die
vom Konkursverwalter ausgesprochene Kündigung ausgelöst worden ist. Der vorliegende
Fall ist zwar nicht vergleichbar mit dem der Entscheidung des LAG Düsseldorf vom
30.08.1978 zugrundeliegenden Sachverhalt, in dem der Anspruch des Klägers bereits
durch eine vor Eröffnung des Konkursverfahrens ausgesprochene Kündigung der
Gemeinschuldnerin ausgelöst worden war (vgl. LAG Düsseldorf Beschl. v. 30.08.1978 - 6
25
26
(7) Sa 312/78 = DB 1979, S. 216). Es handelt sich jedoch um einen tariflichen oder
einzelvertraglichen Anspruch, der bereits vor Verfahrenseröffnung begründet wurde und
daher als zum Zeitpunkt der Eröffnung bedingt entstandener Anspruch nicht zu einer
Masseschuld werden kann (überwiegende Meinung, vgl. Kuhn/Uhlenbruck, § 59 InsO Rdn.
12; MK/ Hefermehl § 55 InsO, Rdn. 181; Gottwald/Heinze, InsO, 2. Aufl., § 105, Rdn. 38,
39).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der vorliegende Fall mit den Fällen, in denen das
Verhalten des Insolvenzverwalters Ansprüche auf Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG
auslöst (vgl. BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 459/00 = AP-Nr. 1 zu § 209 InsO; BAG v.
22.07.2003 – 1 AZR 541/02 = AP-Nr. 42 zu § 113 BetrVG 1972) nicht gleichzustellen. Denn
der Forderungsgrund und die Höhe der Forderung ergeben sich hier nicht aus der
Handlung des Konkursverwalters, sondern aus einer bereits vor Konkurseröffnung
vorliegenden Vereinbarung und Verpflichtung. Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend
darauf hingewiesen, dass eine Einordnung der vertraglich oder tarifvertraglich begründeten
Abfindungsforderung als Masseschuld dem Äquivalenzprinzip widersprechen würde,
welches der Bestimmung des § 55 zugrunde liegt. Danach besteht ein Anspruch auf
bevorzugte Befriedigung des Insolvenzgläubigers nur dann, wenn eine Gegenleistung in
die Masse fließt. Die "Beendigung" des Arbeitsverhältnisses durch eine vom Arbeitnehmer
akzeptierte Kündigung ist keine Gegenleistung in diesem Sinne, wie schon aus der
Begrenzung der Abfindungsansprüche für den Fall der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses in § 123 InsO folgt.
Die Berufung musste nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen
werden.